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Anton und Karl - Spatzengeplauder für Kindsköpfe

von Volker Friebel (Autor:in)
60 Seiten

Zusammenfassung

„Weißt du, was ich am liebsten pfeife?“, fragt Karl. „Was denn?“, fragt Anton. „Unsinn, nichts als Unsinn!“ „Warum denn das?“ Anton beugt sich neugierig auf dem Scheunendach vor. „Weil Unsinn der Weisheit nahe kommt, aber nicht so anstrengend ist“, piept Karl und reckt die Brust vor. „Außerdem macht er mehr Freude.“ Anton und Karl machen sich so ihre Gedanken über die Welt. Fast wie wir, obwohl sie fliegen können und wir nicht. Es sind nämlich Spatzen. Ob ihre Gespräche weise sind oder blöd, ob sie es schaffen, die Welt zu verstehen oder ob sie bloß ein bisschen vom Wahnsinn geküsst wurden, will ich gar nicht beurteilen. Denn ich mag sie. Und über das, was wir mögen, urteilen wir nicht. Jedenfalls nicht, wenn wir ehrlich sind. Außerdem liegen Weisheit und Wahnsinn recht nah beieinander, ich gebe gern zu, dass ich überfordert bin, sie immer sauber zu trennen. Zu diesen absolut wahrheitsgemäßen Abschriften der Gespräche von Anton und Karl lade ich hiermit jedenfalls herzlich ein. Das ist ein Buch für Kindsköpfe, vor allem für große, hier und da vielleicht auch manchmal für große Kleine. Vielleicht werden die großen davon beim Lesen wieder mal ein bisschen froh, dass sie Kindsköpfe sind. Vielleicht finden die kleinen das alles nur langweilig und piepsen lieber selbst mit Anton und Karl.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Vorwort

 

Anton und Karl machen sich so ihre Gedanken über die Welt. Fast wie wir, obwohl sie fliegen können und wir nicht. Es sind nämlich Spatzen.

Ob ihre Gespräche weise sind oder blöd, ob sie es schaffen, die Welt zu verstehen oder ob sie bloß ein bisschen vom Wahnsinn geküsst wurden, will ich gar nicht beurteilen. Denn ich mag sie. Und über das, was wir mögen, urteilen wir nicht. Jedenfalls nicht, wenn wir ehrlich sind. Außerdem liegen Weisheit und Wahnsinn recht nah beieinander, ich gebe gern zu, dass ich überfordert bin, sie immer sauber zu trennen.

Eine gute Portion Spatzenschläue wird den beiden jedenfalls niemand nehmen wollen. Es sei denn, dieser Jemand wäre selbst ein Spatz. Aber dann gilt es nicht. Denn dann hätte er damit, dass er die Dummheit der Spatzen beweist, seine eigene Klugheit bewiesen – die eines Spatzen. Und das geht nicht.

Zu diesen absolut wahrheitsgemäßen Abschriften der Gespräche von Anton und Karl lade ich hiermit jedenfalls herzlich ein. Das ist ein Buch für Kindsköpfe, vor allem für große, hier und da vielleicht auch manchmal für große Kleine. Vielleicht werden die großen davon beim Lesen wieder mal ein bisschen froh, dass sie Kindsköpfe sind. Vielleicht finden die kleinen das alles nur langweilig und piepsen lieber selbst mit Anton und Karl.

Falls allerdings jemand meint, dass Spatzen so nicht reden und die ganzen Gespräche nur erstunken und erlogen sind, möge er mir das schreiben und seine Beweise dazulegen. Auf die bin ich schon sehr gespannt.

Allen anderen wünsche ich eine fröhliche Lektüre und gratuliere ihnen zu diesem traumhaft fantastischen Buch!

 

Volker Friebel

 

Die Gespräche

 

1

 

„Haben eigentlich auch Menschen Flügel?“, fragt Anton.

„Eine bestimmte Rasse soll welche haben“, behauptet Karl, „die Engel – aber die leben nicht hier.“

„Ein Glück!“ Anton schüttelt sich. „Stell dir vor, was das für ein Gedränge am Himmel gäbe!“

„Und sie fräßen uns alle Insekten weg!“ Karl wirft sich in den Himmel und beginnt mit der Jagd.

 

2

 

„Hallo Anton“, tschilpt Karl. 

„Hallo Karl“, tschilpt Anton.

„Es sieht so lustig aus, wenn Menschenkinder Ball spielen“, tschilpt Karl. „Das will ich auch!“ 

„Sie lassen dich nicht mitspielen“, tschilpt Anton. 

„Warum nicht?“ 

„Du bist zu klein.“ 

Karl kratzt sich mit dem Flügel und meint dann: „Wir können auch ohne sie spielen, wir zwei.“ 

„Der Ball ist zu groß“, behauptet Anton. 

„Ja was denn nun“, regt Karl sich auf, „zu klein oder zu groß?“ 

„Am besten“, fängt Anton zu träumen an, „der Ball könnte fliegen – wie wir. Dann dürfte er auch etwas größer sein.“ 

„Aber der Ball der Kinder fliegt doch“, tschilpt Karl. 

„Nur wenn jemand ihn tritt“, behauptet Anton. „Wir brauchen einen Ball, der von sich aus fliegt.“ 

„Die Sonne“, schlägt Karl vor. 

„Zu heiß“, meint Anton. 

„Der Mond“, schlägt Karl vor. 

„Zu kalt“, meint Anton. 

„Der Habicht“, schlägt Karl vor. 

„Der bitte nicht!“ Anton schüttelt sich entsetzt. 

„Warum spielen wir nicht mit uns selbst Ball?“, fragt Karl. 

„Super Idee!“, jubelt Anton. 

Sie springen vom Dach in den Himmel und wirbeln hintereinander her, bis zum Horizont. 

 

3

 

Die Spatzen sitzen im Apfelbaum und spähen durchs Fenster in die Küche von Lehmanns.

„Die Emma kocht!“, zwitschert Anton

„Der Kochtopf kocht“, widerspricht Karl.

„Die Suppe im Kochtopf von Emma kocht“, präzisiert Anton.

„Wir Spatzen werden die Menschen nie verstehen“, sinniert Karl. „Wie man sein Futter durch Kochen verderben kann!“

„Sie glauben, es wird besser dadurch“, piept Anton.

„Ich habe auch mal von einem verbrannten Regenwurm gekostet, letztes Jahr, nach dem Feuer am Wiesenrain. Ich kann dir sagen: Die Menschen irren!“, doziert Karl und schüttelt die Flügel.

Jetzt hüpfen die beiden auf ihrem Zweig auf und ab, denn die Emma hat sich beim Kosten verbrannt.

„Viel zu heiß, sie muss die Suppe wegschütten“, piept Anton.

Und sie flattern davon, Fliegen jagen.

 

4

 

„Die Blätter werden bunt“, piept Anton. 

„Das ist der Herbst“, behauptet Karl. 

„Streicht er sie denn an?“, fragt Anton und blinzelt. 

„Das machen die Elfen, nachts, wenn wir schlafen“, behauptet Karl. 

„Ich weiß nicht“, piept  Anton und kratzt sich mit dem Flügel am Ohr. „Woher sollten sie denn die ganze Farbe bekommen?“ 

„Die sammeln sie den Sommer über am Regenbogen“, erläutert Karl. Er beugt sich vor und piept geheimnisvoll: 

„Dort, wo der Regenbogen die Erde berührt, steht nämlich ein Eimerchen. Die Menschen glauben, es sei voll Gold. In Wirklichkeit aber laufen da die Farben des Regenbogens hinein, wenn er verblasst. Die Elfen sammeln die Eimerchen mit all der Farbe und streichen im Herbst die Blätter damit.“ 

Anton sagt nichts. Aber er sieht zweifelnd aus. 

„Oder hast du schon einmal auch nur eines der Eimerchen gefunden?“, fragt Karl. „Das ist der Beweis: Elfen sammeln sie ein!“ 

 

5

 

„Ich habe gelernt, was links ist“, tschilpt Anton.

„Ich habe gelernt, was rechts ist“, tschilpt Karl. 

Sie sitzen sich über dem Feld auf zwei Stromdrähten gegenüber.

„Wir zeigen es einander“, tschilpt Anton. „Erst fliegen wir ein Stückchen nach links in den Himmel – und dann ein Stückchen nach rechts.“

„Nein, erst nach rechts und dann nach links“, tschilpt Karl.

„Immer erst das, was du besser kannst!“, schimpft Anton.

„Nein, immer erst das, was du besser kannst!“, schimpft Karl.

„Macht nichts“, tschilpt Anton.

„Machen wir es eben so, wie jeder es am besten weiß!“, tschilpt Karl.

Sie werfen sich in den Himmel – und wundersam! Obwohl der eine nach links und der andere nach rechts schwirrt, fliegen sie nebeneinander! Doch als sie links und rechts dann vertauschen, verlieren sie sich!

„Karl hat wieder einmal versagt“, tschilpt Anton vom Dach einer Scheune.

„Anton hat keine Ahnung von links und von rechts“, tschilpt Karl aus dem Apfelbaum.

 

6

 

„Der Sommer geht vorbei, die Menschen wechseln ihr Gefieder“, tschilpt Karl. 

„Das ist ihre Kleidung“, berichtigt Anton. 

„Ihre Kleidung ...“, sinnt Karl. „Die Schwalben fliegen lieber davon, statt sich umzuziehen; sie fliegen dorthin, wo es warm ist.“ 

„Ich würde manchmal auch gern in den Süden fliegen“, meint Anton. 

„Wie man zu solcher Kleidung wohl kommt?“, überlegt Karl. 

„Für uns Spatzen schicken sich Hosen nicht“, tschilpt Anton. 

„Ein Hemd wäre zu groß, aber eine Socke könnte dir stehen“, tschilpt Karl. 

„Wo gibt es die?“, fragt Anton. 

„Manchmal wachsen sie auf Wäscheleinen, aber eigentlich stammen sie alle aus dem Wäschekorb von Meyers hinter dem Haus“, erklärt Karl. „Komm, wir schauen mal nach!“ 

Sie breiten die Flügel aus und werfen sich hinein in den Himmel. 

 

7

 

„Warum hat der liebe Gott nur die Katzen erschaffen?“, grübelt Anton.

„Damit sein Volk, das Volk der Spatzen, sich dem Himmel zuwendet und die Erde unter sich lässt“, tschilpt Karl.

„Im Himmel kreist der Bussard“, tschilpt Anton.

„Er kreist dort, damit wir Spatzen nicht übermütig werden und jeden Tag aufs Neue loben“, tschilpt Karl.

„Übermütig würd ich auch so nicht“, behauptet Anton.

„Würdest du doch!“, behauptet Karl.

 

8

 

Das war vielleicht ein Regen!“, schimpft Anton und schüttelt sein Gefieder.

„Wie kommt es eigentlich“, fragt Karl, „dass die Regentropfen aus dem Himmel fallen? Sie sind doch schwer!“

„Deshalb fallen sie ja“, tschilpt Anton.

„Und eben deshalb dürften sie im Himmel gar nicht erst sein. Wie kommen sie da hinauf? Wie kommt es also, dass sie aus dem Himmel fallen?“ Karl schlägt mit den Flügeln.

Anton schweigt.

„Und wieso sind die Wassertropfen dort oben erst nicht gefallen, sondern mit der Wolke geschwebt?“, bohrt Karl nach.

„Ich glaube“, überlegt Anton, „weil sie normalerweise wach sind. Und wenn sie wach sind, schlagen die Wassertropfen mit ihren Flügeln und schweben.“

„Bist du sicher, dass sie Flügel haben?“, fragt Karl.

„Natürlich unsichtbare, denn keiner sieht sie. Aber haben müssen sie welche, sonst könnten sie nicht schweben“, behauptet Anton. „Aber wenn die Wassertropfen einschlafen, dann hören ihre Flügel zu schlagen auf und sie stürzen zur Erde, als Regen.“

„So muss es sein“, tschilpt Karl.

„So muss es sein“, tschilpt Anton.

Ein paar andere Spatzen fliegen herbei und sie zwitschern gemeinsam zur Sonne, die endlich wieder zwischen den Wolken auftaucht.

 

9

 

„Manchmal fällt es schwer, tolerant und offen für andere Meinungen zu bleiben“, tschilpt Anton.

„Besonders, wenn darin Spatzen vorkommen und die Leute mit den anderen Meinungen keine Vegetarier sind“, tschilpt Karl. 

Die beiden sitzen im Apfelbaum und beobachten den fetten Kater, der ganz langsam unter ihnen vorbei streicht und dabei so tut, als sähe er sie nicht.

„Gegenüber meinen eigenen Meinungen bin ich eigentlich immer tolerant, auch wenn sie mal nicht so freundlich sind“, piept Karl nachdenklich.

„Zum Beispiel?“ Anton ist neugierig.

„Zum Beispiel, dass man Katzen, vor allem so dicken Katern wie dem da unten, mal einen genauso dicken Knüppel über die Rübe hauen sollte“, beichtet Karl und duckt sich.

„Kenne ich“, nickt Anton großzügig. „Sich selbst gegenüber tolerant und offen zu sein, reicht aus“, wägt er ab. „Anderen gegenüber aber besser nicht, sonst wird es des Guten zu viel.“

 

10

 

„Ich finde, wir sollten auch einmal das machen, was die Menschen ‚Urlaub’ nennen“, tschilpt Anton.

Karl schweigt und ruckt auf dem Zweig ein Stückchen nach rechts – und ein Stückchen nach links.

„Einen Flug nach Süden, meine ich!“ Anton wird konkreter.

Karl entgegnet: „Aber ich mag die Schneeflocken so sehr! Sie haben keine Flügel, aber sie fliegen!“

„Genauso die Menschen, und sie fliegen nach Süden“, beharrt Anton.

„Aber sie schweben lange nicht so schön wie eine Schneeflocke! Guck sie dir an!“

Die beiden Spatzen schauen von ihrem Zweig ein bisschen den Menschen unten auf der Straße zu. Und tschilpen spöttisch.

Doch keiner der Menschen versteht sie. Als sich ein Kind heranzuschleichen versucht, tschilpt Anton: „Wie eine Katze so flink wirst du nie!“

Und sie fliegen davon.

 

11

 

Anton seufzt und tschilpt dann: „Schade, dass wir nur Spatzen sind!“

„Warum schade?“, fragt Karl.

„Wenn wir Menschen wären, könnten wir planen“, behauptet Anton.

„Was willst du denn planen?“

„Vieles.“

„Zum Beispiel?“

„Zum Beispiel“, hebt Anton an, „zum Beispiel Bäume, die hoch am Himmel schweben, wo keine Katze hinkommt, vor allem nicht dieser fette Kater.“

„Das wäre toll!“

„Das wäre ganz toll!“

„Aber Bäume brauchen auch etwas aus der Erde – Minerale! Das hab ich auf dem Pausenhof gehört!“ Karl plustert sich stolz auf.

„Wenn wir planen könnten, dann könnten wir planen, wie wir die Bäume in der Luft mit Mineralen versorgen“, tschilpt Anton.

„Vielleicht“, tschilpt Karl.

„Bestimmt!“, tschilpt Anton.

„Auf Bäumen wachsen aber Früchte“, setzt Karl fort.

„Na und?“

„Wenn so eine Kokosnuss oder eine Kirsche vom Baum plumpst, dann steht darunter vielleicht gerade ein Menschenkind –“

„Oder eine Katze!“

„– und fällt tot um. Das wäre doch schlimm!“, tschilpt Karl.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739434988
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (November)
Schlagworte
Witz Satire Humor Spatzengespräche

Autor

  • Volker Friebel (Autor:in)

Volker Friebel belauschte die Gespräche der beiden Spatzen, schrieb mit und setzte sie in ein verständliches Deutsch. Er wurde an einem Schneesonntag gegen Ende des Jahres 1956 in Holzgerlingen geboren. Im Anschluss an eine ruhmlose Schullaufbahn ging er als Elektriker in die Lehre, nach ein paar Wanderjahren studierte er Psychologie und promovierte. Tätig ist er in Tübingen als Ausbildungsleiter, Schriftsteller, Fotograf und Musiker.
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Titel: Anton und Karl - Spatzengeplauder für Kindsköpfe