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Arsène Lupin - Der Zahn des Tigers

Die drei Verbrechen des Arsène Lupin

von Maurice Leblanc (Autor:in) Henry Seymour (Übersetzung)
306 Seiten

Zusammenfassung

Als der britische Millionär Mornington in Marokko an einer Blutvergiftung stirbt, wird sein Freund Don Luis Perenna dazu bestimmt, den Nachlass zu verwalten. Es geht darum, innerhalb von drei Monaten den Erben eines Vermögens von 100 Millionen Francs zu finden. Leider gibt es offenbar jemanden, der es darauf abgesehen hat, alle möglichen Erben aus dem Weg zu räumen, bevor Perenna sie kontaktieren kann. Und so muss Don Luis, unterstützt von der französischen Polizei, sich diesem finsteren Gegenspieler stellen. Besonders eine attraktive junge Frau schwebt in höchster Gefahr. Aber Perenna wäre nicht Perenna, wenn er nicht durch einige unkonventionelle Kunstgriffe das Spiel zu seinen Gunsten drehen könnte - oder ist er in Wirklichkeit jemand ganz anders, jemand, den wir inzwischen gut kennen? Neuübersetzung des klassischen Kriminalromans von Maurice Leblanc durch den bekannten Krimi- und Jugendbuchautor Henry Seymour. Die 'Arsène Lupin' - Romane sind jeweils in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


8. Kapitel: Das Postamt des Teufels

 

Von all diesen Ereignissen waren der Öffentlichkeit nur der Selbstmordversuch Madame Fauvilles bekannt, die Verhaftung und Flucht Gaston Sauverans, die Ermordung Chef Inspektors Ancenis und die Entdeckung eines Briefes, von Hippolyte Fauville geschrieben. Dennoch war es ausreichend, um das Interesse der Menschen zu erwecken, die bereits durch den Mornington Fall verwirrt waren und neugierig auf jede Nachricht über den geheimnisvollen Don Luis Perenna warteten, den sie trotz aller Widersprüche als Arsène Lupin bezeichneten.

Ihm wurde natürlich die kurzzeitige Verhaftung des Mannes mit dem Spazierstock zugeschrieben.

Es wurde auch bekannt, dass er den Präfekten der Polizei vor dem sicheren Tod gerettet hatte. Und schließlich, nachdem er eine Nacht in dem Haus der Toten am Boulevard Suchet verbracht hatte, war er zum Empfänger des Hippolyte-Briefes geworden. All das steigerte nur noch das Interesse des Volkes.

Doch wie viel schwieriger und komplexer waren die Probleme, mit denen Don Luis rang? Ohne die Anklage des anonymen Briefes zu berücksichtigen, war es in weniger als 48 Stunden zu vier verschiedenen Anschlägen gegen ihn gekommen: durch den eisernen Vorhang, durch Gift, durch den Schuss am Boulevard Suchet und schließlich den sorgfältig vorbereiteten Unfall seines Autos.

Die Beteiligung von Florence an diesen Attentaten ließ sich nicht leicht abstreiten. Und jetzt war die Verbindung zu den Fauville-Mördern durch den Fund der Nachricht in Band Nummer 8 der Werke Shakespeares in ihrem Besitz bestätigt, während zwei weitere Todesfälle dieser schwarzen Liste hinzugefügt wurden – der Tod Chefinspektors Ancenis und der des Chauffeurs.

Wie sollte die Rolle in all diesen Katastrophen erklärt werden, die diese rätselhafte junge Dame spielte?

Sonderbarerweise ging das Leben in dem Haus am Place du Palais-Bourbon wie üblich weiter, als habe sich nichts Außergewöhnliches ereignet. Jeden Morgen sortierte Florence die Post für Don Luis in seiner Gegenwart und zitierte die Zeitungsartikel, die sich auf ihn oder den Mornington-Fall bezogen.

Keine Anspielung erfolgte auf den harten Kampf der letzten zwei Tage. Es war, als sei es zu einem Waffenstillstand zwischen ihnen gekommen, und der Feind schien seine Anschläge für den Augenblick eingestellt zu haben. Don Luis fühlte sich erleichtert durch diese Atempause, und er sprach beiläufig mit seiner Sekretärin, so wie mit jedem anderen Menschen.

Doch heimlich beobachtete er sie mit fieberhaftem Interesse, wenn sie sich dessen nicht bewusst war. Er nahm den Ausdruck ihres Gesichtes wahr, ruhig und eifrig seine Wünsche zu erfüllen, doch mit schmerzhafter Empfindlichkeit, die unter ihrer Maske verborgen war und sich nur durch das Beben ihrer Lippen bewies.

»Wer sind Sie? Wer sind Sie?«, fragte er sich oft. »Bringt  Sie nichts aus der Ruhe, Sie Teufelsweib, außer Morde vielleicht? Und wünschen Sie auch meinen Tod, um Ihr Ziel zu erreichen? Woher kommen Sie und wohin soll all das führen?«

Nach gründlichen Nachdenken fand er die Antwort auf das Problem, das ihn bedrückte – nämlich seine Gegenwart und die der Frau, die augenscheinlich darauf versessen war, ihren Hass an ihm auszuleben.

Er verstand plötzlich, dass er dieses Haus nicht grundlos und zufällig erworben hatte. Der Kauf war aufgrund eines anonymen Angebots erfolgt, das in Form eines maschinengeschriebenen Prospekts eingetroffen war. Woher stammte dieses Angebot, wenn nicht von Florence, die ihn in ihrer Nähe wünschte, um jeden seiner Schritte zu verfolgen und ihrem Hass freien Lauf lassen zu können?

»Ja«, sagte er sich. »Das ist die Wahrheit. Als der mögliche Erbe von Cosmo Mornington und die wichtigste Figur in diesem Reigen bin ich der Feind, und Sie wollen sich meiner entledigen, so wie schon der Anderen vor mir. Und Sie sind es, die diese Morde begangen haben. Alles spricht gegen Sie, nichts zu Ihrer Verteidigung. Ihre unschuldigen Augen? Der aufrichtige Ton Ihrer Stimme? Ihr stille Würde? Und dann? Ja, was dann? Habe ich noch nie Frauen mit diesen Fähigkeiten gesehen, die dennoch grundlose Morde begingen, fast zur eigenen Genugtuung?«

Erinnerungen an Dolores Kesselbach stiegen in ihm auf1 . Was war es, das ihn diese beiden Frauen vor seinem geistigen Auge vergleichen ließ? Er hatte eine von ihnen geliebt, das Ungeheuer Dolores, das er mit seinen eigenen Händen erwürgt hatte. Führte ihn nun das Schicksal zu einer ähnlichen Liebe und dem gleichen Mord? 

Immer wenn ihn Florence verließ, verspürte er ein Gefühl der Erleichterung und atmete ruhiger, als sei ein schweres Gewicht von seiner Brust gewichen, doch er eilte gleichzeitig zum Fenster, um zu beobachten, wie sie den Hof überquerte – und verfolgte es immer aufmerksam, wenn die Frau mit den parfümierten Atem, den er verspürt hatte, kam und ging.

»Die Zeitungen behaupten, es wird heute Nacht geschehen.«

»Heute Nacht?«

»Ja«, erwiderte sie und zeigte ihm einen Artikel in einer der Zeitungen. »Heute ist der fünfundzwanzigste und laut der Polizei, dank der Information, die Sie lieferten, soll eine weitere Nachricht an jedem zehnten Tag in dem Haus am Boulevard Suchet eintreffen, und das Haus soll durch eine Explosion zerstört werden, wenn der fünfte und letzte Brief eintrifft.«

Widersetzte sie sich ihm? Wollte sie ihn verstehen lassen, was immer auch geschah, die Nachrichten würden erscheinen, jene geheimnisvollen Mitteilungen, in der Liste angedeutet, die er in dem achten Band der Shakespeare-Werke in ihrem Zimmer entdeckt hatte.

Er musterte sie scharf. Sie zuckte mit keiner Wimper. Er antwortete: »Ja, heute ist die Nacht. Ich werde dort sein. Nichts auf der ganzen Welt kann das verhindern.«

Sie stand im Begriff, zu antworten, doch beherrschte sie ihre Gefühle im letzten Augenblick.

Don Luis war den ganzen Tag lang auf der Hut. Er nahm das Mittagessen in einem Restaurant ein und ließ Mazeroux durch seine Kollegen den Place du Palais-Bourbon beobachten.  

Florence Levasseur verließ das Haus am Nachmittag nicht. Am Abend ließ er Mazeroux seine Leute anweisen, jeder Person zu folgen, die das Haus verlassen sollte.

Um zehn Uhr abends gesellte sich der Sergeant zu Don Luis in Hippolyte Fauvilles Arbeitszimmer. Der stellvertretende Chef der Detektive, Weber, und zwei Polizisten in Zivil begleiteten ihn.

Don Luis nahm Mazeroux zur Seite »Die Polizeiführung misstraut mir. Geben Sie es zu!«

»Aber nein. Solang Monsieur Desmalions am Ruder ist, können sie nichts gegen Sie unternehmen. Nur, Monsieur Weber beharrt auf der These – und er ist nicht der Einzige – Sie führten selbst all diese sonderbaren Ereignisse herbei.«

»Aus welchem Grund?«

»Um Beweise gegen Madame Fauville zu liefern, damit sie verurteilt wird. Deshalb verlangte ich die Gegenwart Webers und zweier seiner Leute. Es sind also vier von uns hier, die Ihre Aufrichtigkeit bezeugen können.«

Sie nahmen ihre Posten ein. Zwei Detektive sollten abwechselnd ständig auf der Hut sein.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783963572319
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Februar)
Schlagworte
Millionenerbe Diebstahl Erbe Frankreich Gauner Verbrechen Einbrecher Paris Gentleman Historisch Abenteuer Reise Krimi Thriller Spannung

Autoren

  • Maurice Leblanc (Autor:in)

  • Henry Seymour (Übersetzung)

Maurice Leblanc ist ein berühmter französischer Schriftsteller und Schöpfer der Figur des Arsène Lupin.
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Titel: Arsène Lupin - Der Zahn des Tigers