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Die Schleuser AG

von Ben Lehman (Autor:in)
169 Seiten
Reihe: München-Krimi, Band 6

Zusammenfassung

Der eklige Streit mit seiner Freundin Melanie beschäftigt Siegmund Knabe auf seinem gesamten Heimweg. Wahrscheinlich war es das nun gewesen und die Beziehung ist beendet. Als der nicht mehr ganz so junge, doch gut aussehende und elegant gekleidete Theologiestudent seine sündhaft teure Münchner Dachgeschosswohnung betreten will, wundert er sich, dass er nicht abgeschlossen hat. Kurz darauf wird er ermordet. Natürlich vermisst ihn seine Ex-Freundin nicht. Aber auch sonst meldet ihn niemand als vermisst. Erst nach einer Woche geht eine Hausbewohnerin aus der Donnersbergerstraße zur Polizei, um einen süßlich-ekligen Geruch im Haus zu melden, der von Tag zu Tag schlimmer wird und der aus der Wohnung des freundlichen und netten Siegmund Knabe zu kommen scheint. Als Kriminalkommissar Wanninger nach ein paar Wochen, in denen er krankgeschrieben war, endlich wieder in der K3 auftaucht, hat er für sein Team schlechte Neuigkeiten: Er geht in Pension und der K3 wird ein Neuer vor die Nase gesetzt, ein Herr Dr. Kunz. Keiner im Team ist begeistert und Dr. Kunz macht sich auch gleich unbeliebt, indem er von Dr. Dobler bei Amtseintritt angeberisch die „schwierigsten Fälle“ verlangt. Und so darf sich die K3 zusätzlich zu einem vielleicht vorsätzlich herbeigeführten tödlichen Unfall mit Fahrerflucht, der noch immer ungeklärt ist, nun auch noch mit dem Mord an Siegmund Knabe beschäftigen. Doch es bleibt nicht dabei und die K3 hat alle Hände voll zu tun. Ist der Ordner, den die K3 in Knabes Wohnung findet und in dem fünf Personen und deren Zahlungsein- und -ausgänge verzeichnet sind, der Schlüssel zum geheimnisvollen Hintergrund dieser Mordfälle? Oder stecken doch verschiedene Täter mit unterschiedlichen Motiven hinter den Verbrechen? Wie gut, dass Wanninger seiner K3 auch weiterhin zur Seite steht … Ein Münchner Krimi, der mit vielen Details und Hintergrundwissen zu höchst aktuellen Themen aufwartet und den Leser immer wieder überrascht.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Impressum:

Texte: © Copyright by Ben Lehman
Umschlag: © Copyright by Ben Lehman
Verlag: Ben Lehman

Von-der-Tann-Straße 12
82319 Starnberg
mail@benlehman.de

Die Schleuser AG

Sechster München-Krimi

Heute ist manches anders

München ist attraktiver denn je. Die ganze Welt zieht es hierher – zu einem Besuch oder für immer. Die städtebaulichen Schönheiten, die unübertroffene Lage im Alpenvorland, Freizeitmöglichkeiten ohne Ende, aber auch Arbeitsplätze in den angesehensten Unternehmen der Welt lassen weder Wünsche noch Möglichkeiten offen.

Leider ist München ein Schmelztiegel der Nationen geworden und die ansteigende Kriminalität will beherrscht werden.

2.

Die ganze Stadt stöhnte und ächzte wie unter einer ungeheuren, unsichtbaren Last. Was für eine Hitze! Einfach schrecklich. August. Die Luft flimmerte so brutal auf die geschundene Netzhaut jener Bedauernswürdigen, die im Freien schuften mussten, dass man hätte meinen können, das Augenlicht drohe allmählich seine Funktion einzustellen. Glücklich konnten sich jene schätzen, die einen klimatisierten Arbeitsplatz hatten. Obwohl alle monatelang von November bis Mai den Hochsommer ersehnten, empfand man ihn nun eher als zu brutal. Die Menschen, die zu Fuß irgendwohin wollten, latschten mit gesenkten Köpfen durch die Straßen, ohne die verlockenden Sonderangebote in allen Schaufenstern auch nur eines einzigen müden Blickes zu würdigen. Wo sollte da der dringend erforderliche Umsatz für weiteres Wachstum herkommen? Und wieso zerrte da einer seinen armen Hund hinter sich her, bei dieser Hitze? Fast 40 Grad im Schatten, in Mallorca waren es angeblich nur 32 Grad, womit hatte München das verdient? Klimawechsel oder einfach nur Gluthitze im August? Damals, als man noch Kind war und während der Sommerferien barfuß ins Ungerer- oder Schyrenbad lief oder radelte, war man vom strahlenden Wetter restlos begeistert. Doch heute? Alles anders.

Man denke nur an die armen Eisbären im Tierpark Hellabrunn! Und erst die Pinguine! Warum reißt man diese armen Viecher aus ihrer natürlichen Umgebung? Doch wozu sich über irgendwelche Tiere Gedanken machen, auch im öffentlichen Nahverkehr war es seit Tagen brütend heiß. Sogar in der U6, wenn die aufgeheizten Züge ab dem Frankfurter Ring in der Röhre verschwanden: kein bisschen Abkühlung bis zur Endstation. Sobald dann einer in den alten Waggons, seit der Olympiade 72 im Dauereinsatz, ein Kippfenster aufzog, ging das Gezeter los: „Fenster zu! Zieht wie Hechtsuppe, verdammt noch mal! … den Tod holen!“ Der oft unerträgliche Körperschweiß mancher Fahrgäste war allerdings auch nicht gerade angenehm.

Wer frei hatte oder frei machte, krank, vielleicht eine erfundene Sommergrippe, eilte an den Wörthsee oder Starnberger See. Stau gleich hinter Fürstenried West, ein Unfall am Starnberger Kreuz. Scheiße. Irgendwann erreichte man die Ausfahrt Percha. Der Parkplatz leider bereits ab morgens neun überfüllt. Also weiter Richtung Münsing, dann gen Seeshaupt. Leider auch diese zweitausend Parkplätze seit Stunden restlos belegt.

Aber im See, da brodelte es geradezu. Schwimmen, planschen, kraulen, tauchen. Stolze Stehpaddler blickten hochnäsig auf die liegenden oder sitzenden Anfänger hinab. Surfen ohne Wind ist ohnehin sinnlos, segeln ebenso, doch in der Seemitte sonnenbaden ist schon super, die jungen Damen ohne BH wurden von allen Seiten kritisch und fachmännisch begutachtet.

Auch bei der Mordkommission München wurde geschwitzt, falls man nicht ein klimatisiertes Zimmer ergattert hatte. Das war leicht zu erkennen. Geschlossene Fenster sprachen für eine Klimatisierung, offene Fenster mit Durchzug zum Flur kennzeichneten die Räume der armen Schwitzenden. Das Büro der Hauptkommissare Thomas Huber und Florian Moser sowie ihrer neuen Kollegin, Kommissarin Martina Mahler, gehörten zur zweiten Kategorie, also transpirieren von früh bis spät. Zuweilen verkrochen sie sich in das Büro ihres Chefs, des leitenden Hauptkommissars Sepp Wanninger, dort konnte man aufatmen. Doch der Referatsleiter Dr. Dobler hatte sie wiederholt verjagt, obwohl Wanninger noch immer im Krankenstand war. „Ihr habt doch angenehmen Durchzug, seid nicht solche Weicheier!“, rief er zuletzt.

Martina wedelte sich mit einer Akte frische Luft ins Gesicht, Thomas und Florian zogen die Köpfe ein, besser keine blöde Bemerkung gegenüber dem Chef machen, in dessen Zimmer es natürlich wunderbar angenehm kühl war.

„Am Montag soll der Sepp wieder aufkreuzen“, murmelte Thomas.

„Ich habe da was läuten gehört“, bemerkte Martina. „Es soll sich bei uns verschiedenes ändern.“

„Ach ja? Was denn? Und woher weißt du …?“

„Alex Gerstenkron hat irgendeinen geheimen Draht und hat es mir gesteckt.“

„Und zwar?“

Thomas hob interessiert den Kopf und zog die Stirn in Falten.

„Was soll der denn wissen?“ Florian schüttelte den Kopf. „Ist doch erst seit kurzer Zeit in der Rechtsmedizin.“

„Sind inzwischen fast zwei Jahre, lieber Florian“, entgegnete Martina. „Angeblich soll der Wanninger jetzt tatsächlich ganz aufhören und der Dobler will unsere K3 völlig umkrempeln.“

„Nein!“, erschrak Thomas, „und wer soll sein Nachfolger werden?“

„Ich glaube …“, grinste sie hinterhältig und machte eine längere Pause, „du nicht, Thomas.“

Thomas verzichtete auf eine Antwort und starrte wieder auf seine Akte mit Todesfall und Fahrerflucht. Ein Porsche Cayenne war nach Mitternacht aus der Elisabethstraße kommend rasant um die Kurve geprescht und hatte in der Kurfürstenstraße einen Mann, der seinen Hund ein letztes Mal Gassi geführt hatte, überfahren. Der jaulende Hund hatte Anwohner geweckt, die im Schlafanzug herunter geeilt waren, um erste Hilfe zu leisten. Leider vergeblich. Die Polizei hatte Lackspuren und ein paar Plastikreste eines Scheinwerfers sichergestellt, eindeutig ein Porsche Cayenne, anthrazitgrau. Leider gab es in München davon genau einhundertzweiundsechzig gemeldete, in den umliegenden Landkreisen noch deutlich mehr Fahrzeuge dieses Typs. Inzwischen hatte Thomas mit allen Porsche-Werkstätten Kontakt aufgenommen und sofortige Benachrichtigung gefordert, sobald ein Fahrzeug mit genau diesen Schäden aufkreuzte. Die Liste mit den einhundertzweiundsechzig Fahrzeugen im Stadtgebiet hatten sie sich geteilt und bereits die ersten siebenundzwanzig Pkws in Augenschein genommen. Bisher leider Fehlanzeige.

„Heute mindestens fünf Fahrzeuge für jeden, verstanden?“, schnauzte Thomas schweißüberströmt, sein Hemd klebte am Körper. „Nehmt euch ein paar weitere Adressen mit, falls die Herrschaften nicht anwesend sind.“

„Das kann dauern, bei dieser Hitze“, regte sich Martina auf. „Den finden wir sowieso nie.“

„Mit so einer Einstellung garantiert nicht, Martina.“

„Eine schöne Freitagsbeschäftigung“, meinte Florian. „Die ganze Woche Gluthitze. Montag besprechen wir den Fall mit dem Sepp. Vielleicht kann der noch ein paar Kollegen aktivieren, damit wir schneller durchkommen.“

Die Ergebnisse waren leider ernüchternd. Von den insgesamt siebzehn Adressen konnten sie fünf Fahrzeughalter antreffen, alle unfallfrei, die übrigen waren entweder bereits ins Wochenende entfleucht oder aus anderen Gründen nicht erreichbar. Es war eine harte und schweißtreibende Woche gewesen. Dafür winkte jetzt ein wunderschönes, erholsames Wochenende.

Wie erwartet, saß der leitende Hauptkommissar Sepp Wanninger am Montag bereits ab sieben Uhr in seinem angenehm klimatisierten Büro und grinste seinen Kollegen entgegen, als sie nach und nach aufkreuzten.

„Schön, euch zu sehen“, begrüßte er sie lächelnd.

Martina hechelte zuletzt herein. „Guten Morgen, Sepp, schön, dass du wieder da bist. Hoffentlich hat uns der Alex Gerstenkron einen Bären aufgebunden.“

Wanninger runzelte die Stirn. „Wie meinst du das?“

Martina eierte nicht lange herum, sondern brachte es sofort auf den Punkt. „Er meint zu wissen, dass du dich verdrücken willst. Ist da was dran?“

Wanninger starrte erst einige Zeit zum Fenster.

„Vielleicht doch?“, bohrte Martina weiter.

Schließlich nickte er. „Schon. Da ist was dran. Ich wollte euch heute sowieso informieren. Seit Tagen bin ich mit dem Dobler im Gespräch.“

„Mit dem Dobler? Seit Tagen? Ich dachte, du warst krank.“

Wanninger nickte. „Schon. Dobler möchte es nämlich, weil ich die Altersgrenze bereits überschritten habe, also, eigentlich hat er mich unmissverständlich gebeten aufzuhören, angeblich steht bereits ein Nachfolger in den Startlöchern und er könne ihn nicht länger hinhalten. Er meint, wenn ich einverstanden bin, würde er mich weiterhin ab und zu als Berater zuziehen, wegen meiner langjährigen Erfahrung. Und sowieso volle Pension und noch eine Sonderzulage, leistungsbezogen, versteht sich. Warum soll ich mich gegen so ein gutes Angebot wehren? Seit der Ermordung unserer lieben Lena Paulsen habe ich immer wieder mal mit diesem Gedanken gespielt. Ich hoffe, ihr könnt mich ein wenig verstehen.“

Seine Mitarbeiter starrten ihn sprachlos an.

„Und ab wann?“ Martina runzelte kritisch die Stirn.

„Eigentlich ab sofort.“

Thomas hielt einen Moment die Luft an. „Das kannst du nicht machen, Sepp. Seit Jahren arbeiten wir zusammen, sind Freunde geworden. Und jetzt das? Sag, dass das nicht wahr ist.“

„Entschuldige Thomas, aber ich habe mich erst gestern Abend endgültig entschieden. Ich musste. Ich konnte nicht mehr anders. Dobler war stundenlang bei mir.“

„Und was für ein Nachfolger steht angeblich in den Startlöchern?“ Thomas brannte diese Frage auf den Lippen, immerhin war er nach Wanninger der Dienstälteste.

„Tut mir leid, Thomas. Ich hatte dich vorgeschlagen, aber Dobler will nicht. Er hat irgendeinen Promovierten im Auge, der angeblich mit großer Erfahrung zu uns kommt. Er will auch die K3 personell aufstocken.“

„Na super“, entgegnete Thomas bitter. „Vielleicht muss er noch weiter aufstocken, wenn ich verschwinde.“

„Bitte Thomas, du solltest nicht voreilig etwas in Gang setzen, das dir später vielleicht leidtut. Schaut euch den Mann doch erst einmal an. Später kannst du immer noch eine andere Entscheidung treffen. Um zehn Uhr sollen wir übrigens zu Dobler ins Büro kommen.“

In Dr. Doblers Büro empfing sie, wie nicht anders erwartet, angenehme Kühle. Da sie bereits wussten, was sie erfahren würden, ließen sie die einleitenden, salbungsvollen Worte Doblers ungerührt über sich ergehen. Thomas starrte nachhaltig zur Decke.

Schließlich sagte Dr. Dobler. „So viel zu meinen Plänen mit der K3. Nun möchte ich euch Herrn Wanningers Nachfolger vorstellen. Er wird auch zusätzlich, aber nur vorübergehend, also kommissarisch, die Abteilung K2 leiten.“

Er öffnete die Tür und winkte einen Mann herein, der offensichtlich im Vorzimmer bereits auf seinen Auftritt wartete. Er war mittelgroß, sehr schlank, um nicht zu sagen dünn, hatte mittelblonde Haare, soweit die überwiegende Glatze die Haarfarbe noch erkennen ließ. Auf der Nase trug er eine große, dunkle Hornbrille, die wahrscheinlich Intelligenz ausstrahlen sollte, dachte Thomas. Er trug einen vermutlich maßgeschneiderten hellen Anzug, ein hellblaues Hemd und eine passende dunkelblaue Seidenkrawatte, leicht geöffnet. Ein durch und durch gestylter Typ.

„Ich darf Ihnen Herrn Dr. Kunz vorstellen.“

Dr. Kunz begrüßte jeden Anwesenden per Handschlag. „Schön, Sie kennenzulernen, Herr Wanninger. Habe sehr viel von Ihnen gehört. Herr Dr. Dobler meint, dass gerade Sie uns noch äußerst wichtige Unterstützung leisten können. Wie ich mich darauf freue, ja wirklich.“ Sein Gesichtsausdruck strafte seine Worte Lügen.

„Hallo, Herr Huber.“ Er reichte Thomas eine Hand, die kräftig zulangte, jedoch ebenso kühl war wie sein Gesichtsausdruck. Wieso wusste er, dass er Thomas war? Er war wirklich sehr gut vorbereitet. „Mit Ihrer Erfahrung wird uns kein Fall auch nur die geringsten Probleme verursachen. Habe schon gehört, was Sie draufhaben. Und verheiratet sind Sie auch inzwischen, wunderbar, solche Mitarbeiter haben eine große Zukunft bei der Kripo.“

„Was für eine sympathische Dame“, begrüßte er Martina, die nicht weniger überrascht war, dies aber zu verbergen versuchte. „Auf eine Zusammenarbeit mit Ihnen freue ich mich ganz besonders, Frau Mahler. Ich weiß inzwischen, dass Sie in der Abteilung K2 bereits große Erfolge erzielen konnten.“

Martina fluchte innerlich über diese Unwahrheit, sagte jedoch nichts, was sollte sie auch sagen?

„Gerne begrüße ich auch Sie, Herr Moser. Wir alle werden wirklich ein starkes Team werden …“

„… sind wir schon lange“, murmelte Thomas vor sich hin, er konnte bei diesem Gesülze einfach nicht anders.

„Weiß ich doch, lieber Herr Huber, ist doch klar“, lächelte Dr. Kunz ein Lächeln, das ein wenig bedrohlich wirkte. „Und dann erwarten wir auch noch Frau Boese und Herrn Grundmann. Herr Dr. Dobler, jetzt einfach her mit den schwierigsten Fällen. Wir sind darauf ganz versessen.“

Alle blickten beim Nennen des Namens Boese überrascht hoch. Martina sagte: „Boese? Heißt die Dame vielleicht Simone?“

„Ja, wie denn sonst?“ Kunz grinste überlegen, „natürlich kennen Sie sie. Die junge Dame hat ihre Ausbildung schon vor mehr als zwei Jahren beendet und möchte nur zur K3, nirgendwohin sonst. Stimmt`s, Herr Dobler?“

„So ist es.“

Dr. Kunz nickte Dobler auffordernd zu. Der hatte verstanden und erklärte umgehend: „Tja, dann wäre alles besprochen. Herr Wanninger, bitte versuchen Sie im Laufe des Tages Ihr Büro zu räumen, morgen rücken dann unsere Maler an. Wir gönnen das unserem lieben Herrn Kunz.“

Zurück an ihrem Arbeitsplatz wollten sie es einfach nicht fassen. Wanninger stand ziemlich hilflos in seinem Büro und blickte unentschlossen herum.

„Na los, Sepp, aufräumen und abhauen. Das gönnen wir doch unserem lieben Herrn Kunz“, pfiff ihn Thomas an.

„Thomas, bitte“, entgegnete Wanninger. „Du hast es gerade gehört, ich muss aufhören. Wärst du in meiner Situation, du würdest nicht anders entscheiden.“

„Ja, ja, vielleicht“, knurrte Thomas.

Martina fragte: „Wusstest du, dass Simone Boese wieder zu uns kommen wird?“

„Nicht nur das“, Wanninger grinste verhalten. „Ich weiß noch mehr.“ Sein Grinsen verstärkte sich, für die Kollegen überraschend.

„Ach!“, entfuhr es Florian. „Dann raus mit der Sprache.“

„Ihr wisst doch, dass ich einen Sohn habe, den Stefan.“

„Ja. Und was hat der mit Simone zu tun?“, wunderte sich Thomas.

„Viel“, lachte Wanninger, „wartet kurz, ich muss erst zu Ende lachen.“

„Aber hallo“, rief Martina, „was kommt denn jetzt?“

„Also, der Stefan ist letzte Woche fünfunddreißig Jahre alt geworden. Vielleicht erinnert ihr euch, dass er bei der Polizei ist und seit drei Jahren die Inspektion Neuhausen leitet. Bei einem Polizeifest hat er Simone zufällig kennengelernt, die ist übrigens auch schon siebenundzwanzig.“

„Aha, zufällig kennengelernt“, nickte Thomas vielsagend, „es hat gefunkt, oder?“

„Ja“, bestätigte Wanninger. „Ich finde zwar, dass acht Jahre Altersunterschied nicht wenig ist, aber wo eben die Liebe hinfällt. Da sag ich euch bestimmt nichts Neues. Beide behaupten übrigens, dass sie glücklich sind.“

„Ja, besonders Stefan“, murmelte Martina. Florian grinste hinterhältig.

„So, jetzt wisst ihr das auch. Simone wird also bald meine Schwiegertochter, falls die beiden zusammenbleiben.“

„Dann wissen wir immer, wie es dir geht“, bemerkte Martina. „Ihr seht euch doch öfter, oder?“

Wanninger nickte. „Außerdem soll ich euch doch unterstützen, sagen Dobler und Kurz.“

„Das würde ich erst einmal abwarten“, zweifelte Thomas.

3.

Eine gewisse Frau Weber erschien bei der Polizeiinspektion Neuhausen.

„Was können wir für Sie tun, Frau Weber“, fragte Wachtmeister Klein.

„Ja, Weber ist mein Name“, stellte sie sich zum zweiten Mal vor. „Ich wohne in der Donnersbergerstraße im vierten Obergeschoss, ein schönes, altes Jugendstilhaus.“

Klein klopfte nervös mit dem Kugelschreiber auf die Tischplatte.

„Über mir, in der Dachterrassenwohnung, lebt ein sehr netter junger Mann, der Herr Knabe. Ja, so heißt er“, nickte sie. „Er ist immer so freundlich zu allen Nachbarn. Wissen Sie, er studiert Theologie. Pfarrer, jawohl, Pfarrer wird er mal werden. Bestimmt werden sich später mal die Damen um ihn reißen …, ich meine natürlich um zu beichten, ha, ha. Weil er so gut aussieht, Sie verstehen?“

Wachtmeister Klein nickte. „Das freut mich Frau Weber. Ist sonst noch was?“

„Ja, natürlich, deswegen bin ich ja hier. Ich habe ihn seit Tagen nicht mehr gesehen. Seine nette Freundin ebenfalls nicht. Ist das nicht merkwürdig?“

„Eigentlich nicht, Frau Weber.“ Klein rutschte nervös hin und her und klopfte inzwischen einen bestimmten Rhythmus auf die Tischplatte. „Er wird verreist sein. Wahrscheinlich mit seiner Freundin. War´s das?“

„Nein, wirklich nicht. Wenn er verreist wäre, wüsste ich das. Er hatte mich immer informiert, wenn er mehrere Tage abwesend war, dieses Mal nicht. So ein netter junger Mann. Aber seit fast einer Woche ist so ein merkwürdiger Geruch im Treppenhaus. Vielleicht, weil es zurzeit so schrecklich heiß ist. Das gab´s bei uns noch nie.“

Klein wurde hellhörig. „Wollen Sie ausdrücken, dass der Geruch aus der Wohnung des Herrn …, äääh, Knabe kommt?“

„Sagte ich doch. Natürlich. Was könnte das denn bedeuten, Herr Wachtmeister?“

„Keine Ahnung“, entgegnete Klein. „Hat einer der Nachbarn im Haus einen Schlüssel?“

Frau Weber schüttelte den Kopf. „Ich glaube, nicht einmal seine Freundin, weil sie manchmal unten im Café oder oben vor seiner Tür auf ihn wartet, wenn er noch unterwegs ist. Mit seinem Wohnungsschlüssel ist der Herr Knabe sehr eigen.“

„Können Sie den Geruch beschreiben?“

„Ja, sicher. Was soll ich sagen. Sehr unangenehm, irgendwie süßlich, könnte man vielleicht sagen. Ich habe heute Morgen an seiner Tür gerochen. Ich glaube schon, dass da der Geruch herkommt. Ich dachte, ich muss mal zur Polizei gehen und das melden, damit Sie vielleicht nachschauen.“

„Seit wann, sagten Sie?“

„Der Geruch ist immer stärker geworden. Zum ersten Mal habe ich mir schon vor ein paar Tagen gedacht, dass das in unserem Haus sehr ungewöhnlich ist. Unser Haus wird nämlich sehr ordentlich gepflegt. Das macht die Frau …, ääähm …“

„Ja, dann vielen Dank, Frau Weber. Wir werden uns darum kümmern. Auf Wiedersehen.“

Wachtmeister Klein berichtete seinem Chef, Stefan Wanninger, von Frau Webers Feststellung.

Stefan zuckte die Schultern. „Okay, dann fahrt hin und schnuppert mal an der Tür. Nimm die Claudia mit, dann könnt ihr zu zweit schnuppern.“

Keine Stunde später waren die beiden zurück. „Eindeutig Leichengeruch“, war die Feststellung der beiden Wachtmeister. „Ich habe bereits den Schlüsseldienst verständigt.“

„Okay.“

Als später die Tür geöffnet war, kam ihnen ein unausstehlicher Gestank entgegen. Nur mit vorgehaltenen Taschentüchern konnten sie die Wohnung betreten. Im Wohnzimmer lag er auf einem Teppich in einer kleineren Blutlache. Die Einschusslöcher waren nicht zu übersehen. Wachtmeister Klein winkte seinen Kollegen, sie verließen eilig die Wohnung.

Draußen atmeten sie tief durch.

„So ein bestialischer Gestank! Ich warte hier vor der Tür“, sagte Klein, „verständige Mordkommission, Spurensicherung und Rechtsmedizin. Sie sollen Masken mitbringen, damit keiner ohnmächtig wird.“

An diesem Morgen hatte Simone Boese ihren Dienst bei der Abteilung K3 angetreten. Dr. Kunz hatte sie in Empfang genommen. „Schön, Sie wieder zu sehen, äääh …, ich meine, die Kollegen werden sich freuen. Wir kennen uns ja noch nicht. Sie wissen, dass Herr Wanninger seinen wohlverdienten Ruhestand angetreten hat?“

Simone nickte.

„Ich darf seine Nachfolge antreten. Bin sehr stolz, weil Wanninger hier eine Institution ist, äääh …, vielmehr war.“

Simone nickte wieder.

„Dann bring ich Sie jetzt zu Ihren neuen, äääh …, eigentlich zu Ihren alten Kollegen, und freue mich auf eine sehr erfolgreiche Zusammenarbeit.“

Es gab ein großes Hallo, als Simone die Büroräume betrat.

„Hier bringe ich Ihnen die langerwartete neue … oder vielleicht alte Kollegin“, erklärte Kunz und schob Simone vor sich her. „Ihr Schreibtisch wartet ebenfalls bereits auf Sie, liebe Frau Boese.“

Damit verließ er den Raum.

„Mensch, Simone“, rief Florian. „Wir wissen längst, dass du es ohne uns nicht mehr aushalten wolltest. Und über deine Verbindung zur Wanninger-Family hat uns Sepp bereits berichtet. Wir wissen also alles.“

„Weiß Dr. Kunz davon?“

„Keine Ahnung“, Martina zuckte die Schultern. „Ich vermute, eher nicht. Musst es ihm ja noch nicht auf die Nase binden.“

„Dann richte dich erst mal ein“, schlug Thomas vor.

Keine zwei Stunden später kam Dr. Kunz hereingestürzt. „Es brennt, Leute!“, rief er. „Ein brutaler Mord in Neuhausen. Dr. Dobler meint, das wäre ein Fall für uns, für meinen persönlichen Einstieg.“

„Und? Wer soll das übernehmen?“, wollte Martina wissen.

„Ja …“ Kunz schien kurz nachzudenken. „Herr Huber arbeitet ja an dem Todesfall, den der verschwundene Porschefahrer verursacht haben soll. Morgen wird auch Herr Grundmann seinen Urlaub beendet haben. Er soll Sie unterstützen, Herr Huber. Frau Boese darf sich noch ein wenig einrichten. Dann bitte ich Sie, Frau Mahler und Herr Moser, in die Donnersbergerstraße zu fahren. Spurensicherung und Rechtsmedizin sind informiert, es heißt, dass Masken angebracht wären, die Leiche ist bereits ein wenig älter, ha, ha, ha, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ein Wachtmeister Klein von der Inspektion Neuhausen steht an der Wohnungstür und erwartet Sie.“

Simone nickte unbemerkt vor sich hin.

Als Dr. Kunz die Tür geschlossen hatte, sagte Thomas: „Ich habe dich nicken sehen, Simone. Wir wissen von Sepp, dass Stefan die Inspektion Neuhausen leitet und ihr verlobt seid.“

Simone lächelte glücklich.

„Dann wollen wir mal, Martina.“ Florian war bereits aufgestanden und zog seine Jacke über. „Die Masken holen wir uns gleich.“

„Hier steht, dass sich die Wohnung im fünften Stock befindet“, sagte Martina, als sie im Auto die Nymphenburger Allee entlang Richtung Donnersbergerstraße donnerten.

Das Haus war bereits abgesperrt, drei Polizeifahrzeuge mit rotierendem Blaulicht sicherten den Eingangsbereich. „Der Kollege steht im vierten OG“, meinte ein Beamter, „im fünften könne er es nicht aushalten. Masken habt ihr hoffentlich.“

Florian nickte. Sie beschlossen, zu Fuß hochzugehen. Im vierten OG stand der Polizist und schnaufte. „Das stinkt bereits bis hierher. Ich hau jetzt ab, mir ist schon ganz schlecht.“

Tatsächlich hatte sich nach Öffnung der Wohnungstür der Leichengeruch im ganzen Haus verteilt. Martina und Florian stülpten die Masken über und wollten die Wohnung im fünften OG betreten. Am Eingang stand ein weiterer Polizist, hob den Arm und bemühte sich, unter seiner Maske verständlich zu sprechen. „Sollt noch warten, bis die Spusi fertig ist.“

Doch die kamen gerade, mit weißen Anzügen bekleidet, heraus. Der Leiter sagte, ebenfalls schwer verständlich unter der Maske: „Schaut euch um, damit ihr den Sachverhalt kennt. Die Rechtsmedizin ist noch tätig. Die Leiche wird aber bald abgeholt, Fenster sind geöffnet, trotzdem unerträglich. Dann macht´s gut.“

Der Tote lag in seinem Wohnzimmer. Die Rechtsmediziner Dr. Jablonka und Dr. Gerstenkron blickten kurz auf. Jablonka schüttelte den Kopf und meinte unter seiner Maske: „Wieso merkt das keiner früher. Der liegt hier seit fast einer Woche. Wir sind gleich weg, dann könnt ihr loslegen.“

Als die Rechtsmediziner gegangen waren, zogen Martina und Florian ihre Latexhandschuhe über und betrachteten die Leiche. Er war ganz eindeutig hingerichtet worden. Drei Schüsse aus nächster Nähe, der Täter musste ihm direkt gegenübergestanden haben, höchstens zwei Meter entfernt. Da lag ein Mann, dreißig Jahre alt, vielleicht etwas älter, gutaussehend, soweit das nach einer Woche noch angenommen werden konnte. Er war gut gekleidet mit einem offensichtlich edlen Jackett und einer Designer-Jeans. Braune Schuhe, gewiss nicht aus dem Kaufhaus, vielleicht sogar handgefertigt von Meier in der Residenzstraße. Die Wohnung war eine sicher sündhaft teure Dachterrassenwohnung, zwei Zimmer, schätzungsweise 80 Quadratmeter groß. Die Terrasse hatte 20 bis 30 qm. Wohn- und Schlafzimmer waren mit wenig Mobiliar ausgestattet, jedoch edel eingerichtet. Im Wohnraum waren in einem Sideboard verschiedene Gegenstände des täglichen Bedarfs. Hinter der Tür eines kleinen, wertvollen Schranks fanden sie fünf Leitzordner. Florian nahm sie zum Prüfen heraus und legte sie auf den Fußboden. Im Schlafzimmer stand ein breites Boxspringbett, etwa zwei Meter breit, für angenehme Nachtruhe, direkt gegenüber eine große Spiegelwand, um nächtliche Aktivitäten verfolgen zu können. Neben dem Kleiderschrank befand sich ein in die Wand gemauerter, ungeöffneter Safe.

Daraufhin durchsuchten sie jede Schublade, jedes Fach und blätterten die wenigen Bücher aus der Wohnzimmervitrine durch. Im Schlafzimmerschrank nahmen sie jedes Wäschestück heraus. Ebenso überprüften sie alle Taschen der Jacken und Mäntel. Der Safe Schlüssel war nirgendwo zu finden. Als die Kriminalbeamten ihre Arbeit beendet hatten, nahmen sie die Leitzordner und verließen die Wohnung. Unten angekommen sagte Florian zum Einsatzleiter: „Bitte lasst den Safe öffnen, den Inhalt dann zu uns.“

4.

„Wir sollten unseren lieben Dr. Kunz informieren“, schlug Martina ironisch vor.

Florian nickte. „Machen wir, Martina, damit wir von Anfang an einen wunderbaren Eindruck bei unserem allerliebsten neuen Chef erwecken.“

Beide grinsten gemein. Martina klopfte an seine Zimmertür. Kunz beugte sich gerade über eine Akte. „So, wieder zurück?“

„Es war schrecklich“, begann Martina. „Gut, dass wir Masken dabeihatten, sonst hätten wir die Wohnung nie und nimmer betreten können.“

Daraufhin erklärten sie, was sie gesehen und festgestellt hatten.

„Die Leitzordner werden wir gemeinsam sichten. Der Schlüssel zum Safe konnte nicht gefunden werden, er wird von unseren Fachleuten geöffnet.“

„Gut“, nickte Kunz, „dann macht euch mal über die Ordner her, Frau Boese kann sich gleich beteiligen. Gebt ihr einen der Ordner und erklärt ihr, worauf es ankommt.“

„Sonst noch was, Chef?“, fragte Martina.

„Sonst erwarte ich nichts, außer sorgfältige Arbeit.“

Als sie die Tür wieder geschlossen hatten, meinte Florian: „Diese idiotische Antwort hätte er sich wirklich ersparen können.“

„Das nächste Mal kannst du allein reingehen“, murrte Martina.

Sepp Wanninger, seit zwei Tagen im Ruhestand, las vertieft die Tageszeitung, als sein Sohn Stefan anrief. „Langweilst du dich?“, fragte er.

„Ehrlich gesagt, ja“, klagte Wanninger. „Tut sich ja zu Hause wenig, sehr wenig, eigentlich gar nichts. Deine Mutter ist einkaufen gegangen und ich suche die Zeitung nach neuen Mordfällen durch. Leider Fehlanzeige.“

„Dachte ich mir“, entgegnete Stefan. „Deshalb wollte ich dich über eine Neuigkeit informieren. Du musst mir aber zusichern, dass du das nicht von mir erfahren hast, einverstanden?“

„Ich schwöre es, Stefan.“

„Also, morgen steht es sowieso in der Zeitung. Wir haben einen Mord in der Donnersbergerstraße. Ein nicht mehr ganz junger und eher vornehmer Mann wurde erschossen. Er lag offensichtlich bereits seit Tagen tot in seiner edlen Dachterrassenwohnung. Die Kollegen sagen, ein bestialischer Gestank sei im ganzen Haus.“

„Ja, hat denn das keiner gerochen?“, staunte Wanninger.

„Doch, wir wurden von einer Bewohnerin des Hauses informiert. Aber richtig schlimm wurde es erst, als die Wohnungstür geöffnet wurde.“

Wanninger war auf der Stelle genauso aufgeregt wie sein ganzes Berufsleben zuvor und konnte nicht mehr aufhören, weitere Fragen zu stellen.

„Mehr weiß ich wirklich nicht, Vater“, beendete Stefan schließlich das Gespräch.

Wanninger legte jedoch den Hörer nicht auf die Gabel, sondern rief den Rechtsmediziner Dr. Jablonka an, zu dem er jahrelang ein besonders angenehmes, freundschaftliches Verhältnis gepflegt hatte.

„Hallo, Heini“, begann er, „wie geht´s denn so? Immer noch viel Arbeit?“

Jablonka kicherte. „Dachtest du, dass mit deinem Rückzug alle Verbrecher aussterben?“

„Nein, nein, wirklich nicht. Ich wollte eigentlich nur mal wieder deine Stimme hören. Aber wenn du gerade schwer beschäftigt bist, melde ich mich ein andermal wieder.“

Jablonka konnte sich nicht beherrschen. „Ich kenn dich lange genug, Sepp. Du rufst gewiss nicht nur aus Langeweile an. Bestimmt hast du was läuten gehört. Dann pass auf, ich sag´s dir. Ein Mann in der Donnersbergerstraße wurde hingerichtet. Circa 35 Jahre alt, drei Schüsse aus nächster Nähe, zwei davon tödlich. Mehr weiß ich bis jetzt noch nicht. Wie geht es übrigens deinem Sohn?“

„Äääh …, wie kommst du gerade jetzt darauf?“

„War nur so eine Frage, ist mir gerade eingefallen. Wir können uns ja mal nach Dienstschluss auf ein Bier treffen.“

„Gerne, Heini, aber nicht vergessen!“

„Gewiss doch.“

Interessiert blätterten sie die Ordner des ermordeten Siegmund Knabe durch, Martina, Florian und Simone. Thomas war ziemlich sauer. „Und ich muss irgendeinem verbeulten Porsche Cayenne hinterherlaufen. Verdammte Scheiße. Gibt´s wenigstens bei euch was Interessantes?“

„Auf jeden Fall“, nickte Martina. „Scheint ein merkwürdiger Typ gewesen zu sein, dieser Knabe.“

„Wieso?“

„In den Ordnern gibt es Informationen, die seine abgebrochenen Studien in Informatik und Betriebswirtschaftslehre bestätigten.“

„Was? Zweimal abgebrochen?“

„Ja. Daraufhin entschied er sich für Theologie, warum auch immer. Es gib allerdings darüber kaum Material, das seinen Fortschritt oder Stand beschreibt.“

„Was war denn das für einer?“, wunderte sich Thomas. „Studiert in der Gegend rum und lässt sich´s in einer Luxuswohnung gut gehen. So studiert man also heute?“

„Für mich hat der nur sehr halbherzig studiert, wie immer er das finanzieren konnte“, meinte Martina. „Wir werden herausfinden, ob er dort überhaupt aufgetaucht ist.“

„Glaube ich schon, auch ohne nachzuforschen“, meinte Florian. „Seine Scheine bestätigen das. Übrigens habe ich in einem Ordner ein paar sehr interessante Seiten gefunden, genau genommen sind es fünf Seiten.“

Thomas hob den Kopf. „Los! Erzähl! Interessiert mich auch.“

„Also, da gibt es fünf Blätter, die er mit eins bis fünf und Buchstaben nummeriert hat. Für mich ist das seine geheime Buchführung. Ich könnte mir vorstellen, dass eins bis fünf für seine fünf Geschäftspartner steht. Warum er keine Namen nennt, ist zunächst noch nicht verständlich, wird aber seinen Grund haben, falls es sich um irgendwelche illegalen Geschäfte handelt. Wenn er mit seinen, sagen wir Geschäftspartnern verhandelte und den Ordner mit diesen Abrechnungen öffnete, konnte keiner erkennen, wer sich hinter den übrigen Eintragungen verbirgt, falls er weiterblättert. Da gibt es also nur Zahlen mit Datum, offensichtlich die Einnahmen mit Plus, die Ausgaben mit Minus. Ich interpretiere das so, dass er irgendwelche Geschäfte betrieben hat, ganz ordentliche Einnahmen hatte, allerdings auch Zahlungen leisten musste. In seiner Wohnung waren keine Kontoauszüge. Wir müssen unbedingt herausfinden, bei welchen Banken er Konten hatte und die Auszüge mit diesen Aufzeichnungen vergleichen.“

Martina machte einen langen Hals und griff nach den Blättern. „Interessant“, murmelte sie, nachdem sie einen schnellen Blick darauf geworfen hatte. „Ich denke, dass diese Buchhaltung, wie du vermutest, Florian, uns einiges erzählen kann.“

„Mir erzählt die noch nicht so sehr viel“, entgegnete Florian.

„Doch!“ Martina deutete auf Blatt eins. „Zum Beispiel bezeichnet er das erste Blatt mit Ch. Was könnte das bedeuten?“

„Sag du´s mir.“

„Kann ich nur vermuten. Dieser Ch, vielleicht Christian, Christoph, vielleicht auch eine Frau, Christine, Christa, oder was weiß ich, hat ungefähr alle drei Monate dreißigtausend Euro erhalten. Aber beim letzten Treffen nur zehntausend. Was können wir daraus schließen?“

Simone stand längst neben ihr. „Ich schließe daraus, dass er oder sie sauer war, weil es plötzlich so wenig gab.“

„Genau“, nickte Martina. „Die Frage ist, warum erhält der Kerl so viel Geld. Welche Gegenleistung hat er erbracht?“

„Könnte doch sein, dass es Streit gab“, überlegte Simone, „und er hat ihn erschossen.“

„Bravo“, rief Thomas, der die Diskussion verfolgt hatte. „Fall gelöst. Erklär das unserem lieben Herrn Dr. Kunz, der wird sich freuen.“

„Gemeiner Kerl“, schimpfte Martina. „Welche Erklärung fällt dir denn dazu ein?“

„Im Augenblick keine, ich muss erst nachdenken.“

„Das mach bitte, sobald du deinen Porschefall gelöst hast.“

Thomas schnaubte ärgerlich.

Martina fuhr fort. „Dieser Ch ist der übrigens der Einzige, der anscheinend Geld nur eingesackt hat. Gezahlt haben die anderen vier. Das wollte ich ausdrücken, als ich sagte, dass die Blätter mir einiges erzählen. Wir sollten uns für dieses Thema mal ein paar Stunden Zeit nehmen.“

„Auf jeden Fall müssen wir die Bank, bei der er sein Konto hatte, herausfinden“, beendete Florian die Überlegungen.

Simone schlug vor. „Ich kann das machen. Ich rufe beim Finanzamt an. Seitdem alle Kontoverbindungen von den Instituten zentral gemeldet werden, haben wir das ziemlich schnell.“

„Gilt aber nur für Deutschland“, gab Martina zu bedenken.

„Reicht uns erst einmal. Bin gespannt, wie er sich die teure Dachgeschosswohnung leisten konnte. Mit BAföG konnte er wahrscheinlich gerademal die Nebenkosten decken.“

„Schade, dass unser Wanninger Sepp nicht mehr hier ist“, murmelte Thomas, „mit ihm konnte man solche Gedanken immer eingehend diskutieren.“

Florian ging darauf nicht ein. „Ich schlage vor“, sagte er, „dass wir als Nächstes mit den Hausbewohnern reden. Machst du mit, Simone?“

„Natürlich. Ich muss doch nicht warten, bis Dr. Kunz mich richtig arbeiten lässt.“

„Dann brechen wir alle drei morgen Vormittag auf“, erklärte Florian und fügte leicht ironisch hinzu. „Morgen kommt der Grundmann Max, ihr wollt doch sicher auch mit voller Kraft euren Porsche suchen, Thomas, nicht wahr?“

Florian wurde von einem bitterbösen Blick getroffen.

Vor dem Haus in der Donnersbergerstraße besprachen sie noch einmal ihre Vorgehensweise. Das nette, kleine Café Frühauf ließ nicht erahnen, welch schreckliches Verbrechen vor wenigen Tagen im fünften Stock geschehen war. „Setzen wir uns ins Café und beginnen hier gemeinsam“, schlug Martina vor.

Das Café war um diese Zeit noch leer.

„Ist denn schon geöffnet?“, wollte Florian wissen.

„Klar, setzt euch“, dröhnte die resolute, korpulente Frau, die die Gaststube betrat, als die Glocke die Besucher angekündigte.

„Drei Kaffee“, bestellte Martina, „und die Chefin oder den Chef.“

„Aha“, erkannte sie auf der Stelle, „die Polizei ist auch schon hier. Frühauf ist mein Name, wie mein Café. Was kann ich für euch tun?“

Sie legten schweigend drei Visitenkarten auf den Tisch. „Damit Sie wissen, wer wir sind und wie Sie uns später erreichen können. Vielleicht setzen Sie sich kurz zu uns.“

Nachdem sie die drei Tassen Kaffee gebracht hatte, ließ sie ihren schwergewichtigen Körper auf den vierten Stuhl plumpsen.

„Wie gut kannten Sie den Herrn Knabe?“, begann Florian.

„Dass er Knabe hieß, weiß ich erst, seit er ermordet wurde“, reagierte sie unwirsch. „Meine Stammgäste kenne ich alle, aber die Hausbewohner weniger.“

„Heißt das, dass er nicht zu Ihren Gästen zählte?“

„Wirklich nicht. Der doch nicht. Ein eingebildeter Schnösel, wenn ich das mal so deutlich sagen darf.“

„Dürfen Sie“, lächelte Martina. „War er denn nie hier …, als Gast, meine ich?“

„Keine müde Mark hat er hiergelassen, war ihm wahrscheinlich nicht vornehm genug. Er kam höchstens, um seine Freunde hier abzuholen, oder, wenn seine Freundin schon stundenlang gewartet und ihn zigmal angerufen hatte. ‚Noch zehn Minuten, dann bin ich weg, Siegmund‘, hat sie wiederholt in ihr Handy geschimpft, ist aber trotzdem sitzen geblieben.“

Martina schloss daraus: „Dann waren die beiden wohl nicht so richtig verliebt?“

„Früher schon“, erinnerte sich Frau Frühauf, „aber zuletzt war das anscheinend nicht mehr das Wahre.“

„Weil sie auf ihn immer warten musste?“

„Ja, auch. Sie hat aus Langeweile oft mit mir geredet, manchmal abends am Telefon. Eine ganz Nette ist sie, die Frau Fink. Sie ist Krankenschwester und macht oft Nachtdienst. Eigentlich war sie mit ihm nicht mehr so richtig glücklich, sie hatte wohl immer gehofft, dass er sie heiratet. Seine Eltern wären so nett, sagte sie, doch er werde immer seltsamer, von wem er das wohl habe? Sie verstand auch nicht, warum er sich mit so merkwürdigen Freunden umgibt. Die konnte sie gar nicht leiden.“

„Wieso merkwürdig?“

„Wie man so sagt.“

„Kannten Sie die Freunde des Herrn Knabe?“

„Nein. Mir hat dieser Knabe völlig gereicht. So was von eingebildet. Wenn der Pfarrer geworden wäre, hätte ich auf der Stelle der katholischen Kirche den Rücken gekehrt. Na ja, das hat sich jetzt erledigt.“

„Kannten Sie seine Eltern?“

„Sie waren einmal zum Kaffeetrinken hier, ist aber schon lange her. Ich denke, die waren recht nett, hat auch die Freundin gesagt. Sie wohnen in irgendeinem oberbayerischen Kurort.“

„Wissen Sie, wo die Freundin, Frau Fink, wohnt?“

„Ja“, nickte sie, „in der Winzererstraße, Hausnummer weiß ich nicht.“

„Ist egal, das kriegen wir raus“, erklärte Florian. „Wenn Ihnen noch was Wichtiges einfällt, Sie haben unsere Visitenkarten. Wir werden uns jetzt im Haus ein wenig umhören.“

„Dann nehmen wir uns jetzt die einzelnen Stockwerke vor“, sagte Martina. „Ich besuche die Mieter im ersten OG, Florian bewegt sich in das zweite und Simone in das dritte. Wer fertig ist, geht in das vierte OG, dort reden wir gemeinsam mit diesen Mietern. Da wohnt auch jene Frau Weber, die uns auf den Mord aufmerksam gemacht hatte.“

Zurück in der Ettstraße besprachen sie die Ergebnisse ihrer Befragungen mit Dr. Kunz. Der legte seinen Notizblock auf den Schreibtisch. „Also, dann!“

„Viel ist nicht herausgekommen“, begann Florian, „die wichtigsten Informationen kamen meines Erachtens nach von Frau Müller und der Café-Besitzerin, Frau Frühauf.“

„Ja, Familie Dr. Müller ist ein älteres Ehepaar, sie bewohnen im dritten OG die gesamte Etage“, berichtete Simone. „Frau Müller hat einen kleinen Hund und meint vor einigen Tagen, es könnte sich etwa um den Mord Tag gehandelt haben, einen Mann auf der Straße gesehen zu haben. Er kam aus dem Haus, eine Plastiktüte in der Hand. Sie behauptet, ihn noch nie gesehen zu haben. In dem Haus kennt nämlich jeder jeden.“

Dr. Kunz wollte wissen: „Und, wie sah der aus?“

„Klein, dick, rotes Gesicht und Kapuze. Er machte ihrer Ansicht nach einen nervösen Eindruck. Sie könne sich nicht vorstellen, bei wem, außer Herrn Knabe, der gewesen sein könnte. Schließlich wohne sie seit Jahren im Haus und habe auch die Besucher der Nachbarn immer wieder mal gesehen.“

Florian sagte: „Das ist doch was, oder? Bleibt die Frage, wo wir ihn suchen müssen.“

Würde sie ihn wiedererkennen?“, wollte Dr. Kunz wissen.

„Sie denkt, ja.“

„Dann lasst ein Phantombild anfertigen.“

„In Ordnung“, nickte Florian.

Martina hatte einen Notizzettel in der Hand. „Ich habe die Freundin ausfindig gemacht. Sie heißt Melanie Fink. Wie Frau Frühauf bereits erwähnte, wohnt sie in der Winzererstraße und arbeitet im Schwabinger Krankenhaus als Krankenschwester. Ich habe sie für morgen Vormittag eingeladen, sie hat morgen nämlich Spätschicht.“

„Gute Arbeit“, brummte Dr. Kunz, ohne eine Miene zu verziehen, „dann weitermachen!“

Als sie später Thomas von dem Gespräch berichteten, sagte der: „Na los, weitermachen, ihr faulen Säcke.“

„Thoooomas“, rief Martina, „reiß dich zusammen!“

5.

„Ich weiß inzwischen, dass Siegmund tot ist“, erklärte Melanie Fink, nachdem ihr Platz und eine Tasse Kaffee angeboten worden waren.

„Ja? Woher wissen Sie es?“, wollte Florian wissen.

„Von Frau Frühauf. Sie rief mich gestern Nachmittag an.“

„Herr Knabe ist bereits seit einigen Tagen tot. Wieso hatten Sie mit ihm all die Tage keinen Kontakt?“

„Ich hatte mich bei unserem letzten Treffen von ihm getrennt.“

„Das ist sehr interessant“, sagte Martina. „Erklären Sie uns bitte, wieso Sie sich trennten.“

„Ganz einfach.“ Melanie Fink schüttelte entschieden den Kopf. „So konnte es mit uns nicht mehr weitergehen. Ich war mit ihm etwa vier Jahren lang zusammen. Immer wieder hat er mir versprochen, dass wir eine gemeinsame Zukunft aufbauen. Wenn ich aber in letzter Zeit mal zur Sache kam, ist er mir nur noch ausgewichen, richtig entglitten ist er mir, wie ein Stück nasse Seife in der Badewanne.“

Martina lächelte verständnisvoll.

„Schließlich konnte ich nicht mehr. Plötzlich behauptete er, dass er katholischer Pfarrer werden wolle und ich dürfe seine Haushälterin werden. Dürfe! So was Gemeines! Das war niemals ausgemacht. Wir waren uns einig, dass er diesen Weg auf keinen Fall einschlägt. Ich weiß nicht, was in letzter Zeit in ihn gefahren ist.“

Martina nickte nachdenklich. „Frau Frühauf sagte, er wäre ein eingebildeter Schnösel gewesen. Das passt mit Ihrer Aussage vielleicht zusammen.“

„Er konnte aber auch sehr nett sein“, fuhr sie fort. „Manchmal ... zuletzt leider nicht mehr. Ich zweifelte inzwischen sogar, dass er überhaupt noch studiert.“

„Aber er ist doch eingeschrieben“, wunderte sich Florian.

„Eingeschrieben schon. Aber hingegangen ist er kaum mehr. Er sagte immer, dass seine Geschäfte ihm zu wenig Zeit ließen.“

„Das ist doch ein Widerspruch“, meinte Simone, „wenn Sie einerseits seine Pfarrhaushälterin werden sollen, er andererseits sein Studium gar nicht fortsetzte.“

„Genauso ist es“, erregte sich Frau Fink. „Ich bin aus ihm nicht mehr schlau geworden. Schließlich werde ich auch jedes Jahr um eins älter. Und dann diese Freunde. Wenigstens nannte er sie so. Vier, fünf oder noch einige mehr, die immer wieder auftauchten, zum Teil richtig widerliche Kerle. Zuhälter könnte ich mir bei einigen vorstellen. Wie die mich oft angestarrt haben. Die haben mich förmlich mit Blicken ausgezogen.“

„Die sollten wir unbedingt kennenlernen“, sagte Florian. „Wo finden wir denn diese seltsamen Freunde?“

„Auch das weiß ich nicht. Er hat mich absolut unwissend, richtig blöd gehalten. Immer, wenn er in seinen komischen Ordnern geblättert hat, musste ich rausgehen. ‚Leg dich schon mal hin, ich komme gleich‘, hat er oft gesagt, als wenn ich so eine wäre.“

„Aber die Namen wissen Sie doch hoffentlich, Frau Fink.“ Florian wurde ungeduldig.

„Einige Vornamen schon, aber nicht alle. Einer wird Joe genannt, heißt aber angeblich Tarek. Ich bin ihm ein paarmal begegnet, da hat er mich immer übersehen, wenn er mir gegenüberstand, als wäre ich Luft für ihn. Sobald er aber dachte, dass ich es nicht merke, hat er mich angestiert, als wolle er …, was weiß ich. Ein weiterer heißt Ricardo, sieht gut aus, ist aber alles andere als ein sympathischer Italiener. Er bewegt sich elegant, hat fast feminine Züge, man könnte meinen, dass er ein besonders netter Typ ist. Das Gegenteil ist der Fall. Eiskalt ist es mir den Rücken runtergelaufen, wenn der mich angesprochen und angegrinst hat. Auf dem linken Handrücken ein Herz, als wäre er unsterblich verliebt.“

„Vielleicht schwul?“

„Ja, vielleicht, kann schon sein. Ist mir total schnuppe. Und wenn der losgelegt hat. Brutale Ausdrucksweise, immer aggressiv … zum kotzen. Ein anderer heißt Mehmet, mehr weiß ich nicht, dann noch einer, den hat er immer mit ‚du‘ oder ‚he, du‘ angesprochen. Als ich fragte, wie er wirklich heißt, sagte er, dass er den wieder rausschmeißen wolle.“

„Und, hat er?“

„Ich habe ihn später nicht mehr gesehen. Da tauchten noch verschiedene andere sogenannte Freunde auf. Ich habe oft gedacht, dass die eher Mitläufer gewesen sein mussten, egal von was, weil sie niemals mitreden durften. Aber einer, der ist nur gekommen, wenn ich nicht da war. Das war wohl ein ganz Wichtiger. Wenn ich später die Wohnung betrat, lag immer noch sein abstoßendes Aftershave in der Luft.“

„So, so“, nickte Florian.

„Kennen Sie einen kleinen Dicken mit Glatze?“, wollte Martina wissen.

Sie schüttelte den Kopf: „Nein, nie gesehen. Aber alle kenne ich sowieso nicht. Und Siegmund wollte auch nie mit mir über seine Freunde sprechen. Er wird schon seine Gründe gehabt haben.“

Martina wechselte das Thema. „Jetzt erklären Sie uns mal, was er neben seinem Studium für seltsame Geschäfte betrieben hat.“

„Nicht mal das weiß ich!“ Sie wurde richtig zornig. „Früher war das für mich nicht so wichtig. Schließlich wollte ich es aber unbedingt wissen, wegen unserer angeblichen gemeinsamen Zukunft. Er sagte immer, dass mich das nichts angehe. Das konnte ich zuletzt nicht mehr hören. Und immer hatte er andere Autos. Wenn ich ihn fragte, ob diese alten Kisten ihm gehören, sagte er immer, dass das Autos seiner Freunde seien. Ich glaube, er besaß gar kein eigenes Auto.“

„Das heißt, dass Sie eigentlich überhaupt keine Ahnung haben, wo er das Geld für seine teure Wohnung und seinen offenbar aufwendigen Lebensstil herhatte?“

„Nein. Gar nichts weiß ich. Und genau deswegen hatte ich mit ihm endgültig Schluss gemacht. Als er wieder auf die alte Tour kommen wollte, dass wir uns doch lieben und es bei uns im Bett immer so schön sei, habe ich ihn gepackt und zur Tür rausgeworfen.“

„Und das hat er sich gefallen lassen?“, wunderte sich Florian.

„Nein, hat er nicht. Aber ich bin stärker als er, weil ich seit drei Jahren Judo mache. Ich habe den blauen Gürtel und einen Typ rauszuschmeißen fällt mir gar nicht mehr schwer.“

Martina und Simone grinsten verständnisvoll, Florian unterdrückte es und blieb ernst.

„Bevor wir Sie wieder nach Hause gehen lassen, sagen Sie uns bitte die Adresse seiner Eltern.“

„Ja, schreibe ich Ihnen auf. Sie wohnen in einem oberbayerischen Kurort, in Bad Aibling.“

„Kann es sein, dass die ihn all die Jahre besonders großzügig unterstützt hatten?“

„I wo. Die haben nicht viel.“

„Gut, Frau Fink, und vielen Dank“, beendete Martina die Befragung und übergab ihr ihre Karte. „Wenn Ihnen noch etwas Wichtiges einfällt, melden Sie sich bitte bei uns.“

6.

Sie beschlossen, dass sich Florian auf den Weg ins Priesterseminar in Fürstenried machen soll. Martina begleitete ihn. Sie wurden sehr freundlich empfangen. Knabes Tod war dort bereits bekannt. Ein Herr, auf seiner Visitenkarte stand Dr. Bertram, führte ihn in einen Besprechungsraum.

„Einerseits sind wir schon wirklich sehr traurig“, begann Bertram.

„Aha … und andererseits?“ Florian war nach diesem merkwürdigen ersten Satz sofort hellhörig.

„Ja, das muss ich Ihnen wohl erklären“, nickte er, „andererseits waren wir im Kollegium seit einiger Zeit sicher, dass er den hohen Anforderungen eines Priesteramts nicht gewachsen sein dürfte.“

„Wollen Sie damit sagen, dass er nicht die erforderliche …, sagen wir mal Reife, mitbrachte?“

„Ja, doch. So könnte man es ausdrücken. Gewiss, Siegmund war sehr intelligent, ganz ohne Zweifel. Aber in letzter Zeit haben wir ihn immer seltener zu Gesicht bekommen.“

„Wieso eigentlich? Müsste er nicht hier wohnen?“

„Das müssen alle Studenten. Siegmund hatte um vorübergehende Befreiung gebeten, wieso sollten wir ihm dies nicht erlauben. Immerhin drückte ihn eine sehr wichtige familiäre Verpflichtung.“

„Und zwar?“ Die Kriminalbeamten wurden hellhörig.

„Das werden Sie sicher sowieso noch herausfinden. Siegmund hatte für seine alten, leider kranken Eltern, die weit entfernt auf dem Land wohnen, eine Wohnung in München gemietet, damit er sich später mehr um sie kümmern könnte. Und die richtete er gerade ein. Sehr nett, seinen alten Eltern gegenüber, meinten wir. Geht natürlich nicht so schnell, schließlich gibt es bei einer neuen Wohnung viele große und auch kleine Tätigkeiten zu verrichten, Auswahl, Anschaffung, Einrichtung, dann auch noch die oft langen Liefertermine. Er sagte, dass er zuweilen wochenlang warten müsse.“

„Ach so.“ Florian nickte und warf Martina einen kurzen Blick zu. „Kann es sein, dass Sie ihm dies zuletzt nicht mehr so richtig geglaubt haben?“

„In der Tat, so ist es. Aufgrund einiger Überprüfungen wurden wir mehr als nachdenklich, freundlich ausgedrückt. Wir hatten deshalb den Entschluss gefasst, ihn in den nächsten Tagen vor vollendete Tatsachen zu stellen.“

„Und zwar welche?“

„Wir wollten ihn allen Ernstes bitten, sich in den kommenden Monaten keinen einzigen Fehltag mehr zu erlauben, oder …“

„Oder was?“

„Oder sofortiger Ausschluss.“

„Also keine Bitte, sondern eine klare Forderung.“

„Wir formulieren nicht so hart, Frau Mahler. Trotzdem wissen wir, was wir zu tun haben, wenn ein Student sich nicht völlig seinem Glauben hingibt.“

„Nun, dazu ist es jetzt nicht mehr gekommen.“

„Leider.“ Bertram schüttelte traurig den Kopf, „Auf diese Art wollten wir ihn wirklich nicht verlieren.“

Martina wollte wissen: „Wussten Sie eigentlich genau, warum er sein Studium vernachlässigte? Die, sagen wir mal, Ausrede wegen seiner angeblich kranken Eltern und so weiter ist doch kein Grund, ein Studium dermaßen schleifen zu lassen. Außerdem hatte er vorher bereits Informatik und Betriebswirtschaftslehre erfolglos zu studieren begonnen. Grund genug, endlich ernsthaft an die eigene Zukunft zu denken, alt genug war er schließlich.“

„Was, zwei abgebrochene Studien? Nein, davon hatten wir keine Ahnung. Er erklärte uns beim ersten Gespräch, dass er seine Zukunft nur noch im Glauben sehe. Natürlich war er nicht mehr der Jüngste, aber er sei erst in den vergangenen Monaten zu seiner endgültig christlichen Überzeugung gekommen. In letzter Zeit wurden wir allerdings mehr und mehr misstrauisch. Wir haben bereits erwogen, dass er vielleicht in schlechte Gesellschaft geraten sein könnte. Das will ich wirklich nicht ausschließen. Es gibt hier übrigens noch einen weiteren Studenten, mit dem wir insgesamt ebenfalls eher unglücklich sind. Siegmund war mit Ricardo gut befreundet. Sie tuschelten immer, wenn sie zusammensteckten. Selbst wenn man Wortfetzen vernahm, handelte es sich niemals um geistliche Dinge.“

„Sondern?“

„Keine Ahnung. Sie unterbrachen ihr Gespräch oder wechselten offensichtlich schnell das Thema, sobald sie sich von einem Lehrer oder Priester belauscht fühlten. Deswegen waren wir auch über Ricardo nachdenklich geworden.“

Florian hatte sich verschiedene Notizen gemacht. „Dieser Ricardo“, fuhr er schließlich fort, „befindet der sich noch hier im Priesterseminar?“

„Schon“, Dr. Bertram wiegte nachdenklich den Kopf. „Wir wollten nach der Ermordung von Siegmund noch ein paar Tage vergehen lassen und Ricardo weiter beobachten. Doch auch ihm droht möglicherweise der Ausschluss aus unserer Gemeinschaft, aus ähnlichen Gründen.“

„Welche genau?“

„Sein Arzt hat ihm eine ansteckende Viruserkrankung bescheinigt. So etwas dürfen wir nicht auf die leichte Schulter nehmen. Wir können hier im Internat keine Epidemie verantworten. Das wäre entsetzlich. Allerdings sollte er inzwischen längst wieder gesund sein.“

„Ist er heute hier?“

„Leider nein.“

„Würden Sie mir seine Privatadresse geben?“

„Ja, natürlich. Obwohl er eigentlich hier wohnen sollte, besitzt er noch ein Appartement in der Stadt. Das muss aber unbedingt aufgegeben werden, sobald er endgültig genesen ist. Unsere Studenten sollen ihre Vorbereitungszeit auf das Leben mit Gott ausschließlich hier verbringen. Zweitwohnungen lassen wir nur für einen ganz kurzen Zeitraum zu, wenn es dafür wichtige Gründe gibt. Das war übrigens auch für Siegmund eine Auflage. Aber das Thema hat sich nun auf traurige Art erledigt.“

Sie erhielten die Adresse von Ricardo Mantora in der Schulstraße in Neuhausen, bedankten sich und machten sich auf den Rückweg.

Am nächsten Tag wollte Florian den Studenten Mantora in der Schulstraße besuchen. Es war ein altes Haus, offensichtlich aus der Jahrhundertwende. Der gelbliche, längst verblichene Putz blätterte im unteren Bereich deutlich ab, eine Renovierung war längst überfällig. Er blickte auf das verdreckte Klingelschild. In jeder der fünf Etagen gab es zwei Wohnungen. Mantora wohnte im vierten Obergeschoss rechts. Nach mehrmaligem Klingeln musste Florian leider feststellen, dass sein Weg vergebens war. Mantora war gerade nicht zu Hause. Im Erdgeschoss las er auf einem Namensschild: Erkan, Hausmeister. Florian klingelte. Wenig später wurde der Türöffner betätigt, Florian trat ein. Eine unansehnliche, dicke Frau stand ihm kauend gegenüber.

„Was wollen?“, fuhr sie ihn an.

Florian zog seinen Dienstausweis aus der Tasche. „Kriminalpolizei München. Mein Name ist Moser. Ich wollte Herrn Ricardo Mantora aufsuchen, er öffnet leider nicht.“

„Dann weg.“ Sie wollte die Tür zuknallen. Florian kam ihr zuvor und bremste die Tür mit seinen Fuß. „Ganz langsam, Frau Erkan. Sie sagen mir jetzt, wo Herr Mantora ist.“

Sie riss die Augen weit auf und schimpfte. „Nicht wissen. Wir Hausmeister, nicht Kindergarten.“

„Ja, das dachte ich mir. Wie gut kennen Sie Herrn Mantora?“

„Nix kennen. Sagen immer hallo, sonst nix. Oft weg, vielleicht bei Frau oder Familie.“

Florian reichte ihr seine Karte. „Sie rufen mich bitte sofort an, wenn er hier ist, verstanden?“

„Ja, ja, wenn sehen.“

Bevor Florian unverrichteter Dinge zurückkehrte, rief er im Priesterseminar bei Dr. Bertram an.

„Hauptkommissar Moser hier. Grüß Gott, Herr Dr. Bertram. Ich wollte gerade Ihren Studenten Ricardo Mantora in der Schulstraße aufsuchen. Leider habe ich ihn nicht angetroffen. Vielleicht befindet er sich heute im Priesterseminar?“

„Tut mir sehr leid, Herr Moser. Er ist nicht hier, wir vermissen ihn seit einigen Tagen. Wie ich Ihnen bereits gestern sagte, erwägen wir …“

„Vielen Dank, Herr Dr. Bertram.“

Mit einer Stinklaune kehrte er in die Ettstraße zurück. „Fehlanzeige“, knurrte er. „Seltsame Kerle, mit denen wir es zu tun haben. Im Priesterseminar ist er auch nicht aufgetaucht. Die beabsichtigen sowieso ihn rauszuwerfen. Wird vielleicht das Beste sein, nach dem, was ich dort gehört habe.“

„Trotzdem ist er für uns ein sehr wichtiger Zeuge“, meinte Martina.

„Das weiß ich auch“, schimpfte Florian wegen seines Misserfolgs und knallte die Faust auf den Tisch.

„Mann, reg dich mal wieder ab!“

Dr. Kunz erwartete die Mitarbeiter bereits morgens um acht Uhr und klopfte nervös auf die Schreibtischplatte. Sie erschienen, einer nach dem anderen. Zuletzt keuchte Simone herein, mit einem Blick, der alles erklärte.

„‘tschuldigung“, japste sie, „die Stammstrecke …, Polizeieinsatz …, kann nichts dafür.“

Kunz reagierte darauf nicht und blaffte nur. „Und? Wie ist der Stand? Mordfall in Neuhausen?“

Thomas fühlte sich natürlich nicht angesprochen und starrte weiter auf seine Akten. Florian warf Martina einen Blick zu und sagte dann: „Leider nichts Neues. Wie gesagt, die Befragungen im Haus haben wenig ergeben. Frau Müller aus dem dritten Stock ist einem Mann begegnet, der aus dem Haus kam und vorher möglicherweise bei dem Ermordeten war. Wir wollen eine Phantomzeichnung erstellen lassen. Alle anderen Bewohner kannten ihn kaum. Frau Frühauf, Besitzerin des gleichnamigen Cafés im Erdgeschoss, bezeichnete ihn als eingebildeten Schnösel, kannte ihn aber angeblich kaum. Sie hatte sich allerdings mehrmals mit seiner Freundin, Frau Fink, unterhalten, wenn die auf den Ermordeten wartete. Gesprächsprotokoll hier.“ Er legte es Dr. Kunz auf den Tisch.

Kunz schnaubte. „Das ist doch noch der alte Kehricht. Keine wirklich neuen Erkenntnisse?“

„Doch. Frau Mahler und ich waren im Priesterseminar in Fürstenried und hatten ein Gespräch mit einem Dr. Bertram. Hier das Protokoll. Wir erfuhren, dass der Ermordete engen Kontakt zu einem weiteren Studenten im Priesterseminar, einem gewissen Ricardo Montora, hatte. Der Vorname Ricardo war auch Frau Fink bekannt, angeblich ein Freund des ermordeten Knabe. Mein gestriger Besuch in seiner Wohnung in der Schulstraße war leider ebenfalls erfolglos. Ich habe beim Hausmeister meine Karte abgegeben und um sofortigen Anruf gebeten, wenn er auftaucht. Dann rief ich noch mal Dr. Bertram an. Er teilte mir mit, dass Montora noch immer nicht aufgetaucht ist und sie von ihm gar nichts wüssten. Man beabsichtige sowieso, ihn äääh …, rauszuwerfen.“

Dr. Kunz nickte, in diesem Augenblick betrat Max Grundmann den Raum. „Guten Morgen zusammen“, lächelte er.

„Mahlzeit, Herr Grundmann!“, schnauzte ihn Dr. Kunz an. „Schön, Sie zu sehen. Auch die Stammstrecke?“

Grundmann stutzte erst, dann nickte er wortlos und setzte sich an seinen Schreibtisch. Bevor Dr. Kunz so reagieren konnte, wie alle es aufgrund seines inzwischen feuerroten Kopfes befürchteten, wurde die Tür aufgerissen, der Referatsleiter, Dr. Dobler, stürmte herein. „Alle hier? Ja, dann muss ich es nur einmal mitteilen.“

Kunz sprang auf. „Guten Morgen, Herr Dobler, wir besprechen gerade den Mordfall in Neuhausen.“

„Ja, ja“, winkte er ab. „Gibt’s was Neues in Sachen Porsche Cayenne?“

Thomas blickte hoch und schüttelte den Kopf.

„Dann habe ich was für euch. Am Isarufer in Thalkirchen wurde ein abgefackelter Porsche Cayenne gefunden – mit einer verkohlten Leiche auf der Rückbank. Vielleicht ist es das von euch gesuchte Fahrzeug. Spusi ist bereits unterwegs.“

Er machte kehrt und knallte die Tür zu.

Thomas winkte Simone, beide verließen ihr Büro.

„Hat der Kunz immer so eine Laune?“, wollte Simone wissen.

Thomas zuckte die Schultern. „Mal so, mal so. Wenn Dobler in Sichtweite ist, überschlägt er sich vor Freundlichkeit und Arbeitseifer. So richtig können wir ihn noch nicht einschätzen.“

Simone zögerte. „Wieso bist du nicht …?“

„Lass das, Simone. Ich weiß noch nicht, ob ich überhaupt hierbleibe. Wanninger sagte, dass er mich vorgeschlagen habe. Dobler sei dagegen gewesen, jetzt haben wir also den Kunz. Erst will ich ihn noch beobachten. Aber vielleicht lass ich mich versetzen.“

„Das wäre aber sehr schade, Thomas.“

Die Polizeizeichnerin, Frau Zwiebart, erstellte aufgrund der schriftlichen Beschreibung ein Phantombild des Mannes, den Frau Müller gesehen haben wollte, als sie am Tag der Ermordung mit ihrem Hund nach Hause kam. Nach ihrer Erinnerung war er klein, dick und hatte ein rotes Gesicht. Er trug eine Kapuze, deshalb konnte sie zur Haarfarbe keine Aussage machen. Er habe auch eine Plastiktüte in der Hand getragen.

„Klein, dick und rotes Gesicht ist schon sehr wenig“, sagte Frau Zwiebart. „Warum holt ihr die Frau nicht her? Wäre für mich sehr viel leichter.“

„Machen wir, Frau Zwiebart“, antwortete Martina. „Sie war heute Morgen nicht erreichbar. Den Termin mit Ihnen wollten wir nicht absagen, deshalb möchten wir mit Ihrer Zeichnung Frau Müller aufsuchen. Sie soll uns sagen, ob das ungefähr hinkommt.“

„Seit wann seid ihr denn so umständlich“, murrte Frau Zwiebart. „Wer hat denn diese neue Vorgehensweise eingeführt? Etwa euer neuer Vortänzer?“

„Nein, nein“, erschrak Martina. „Wirklich nicht. Das war unsere Überlegung. Aber wir holen das nach, Frau Zwiebart.“

„Habe wirklich mehr zu tun, als Gesichter von Menschen zu zeichnen, die keiner zuvor gesehen hat.“

„Trotzdem vielen Dank fürs Erste.“

7.

Am Isarufer war bereits das volle Programm im Gange: Feuerwehr, Polizei, Notarzt, Rotes Kreuz, Rechtsmedizin. Es wimmelte von Fahrzeugen mit rotierendem Blaulicht. Thomas und Simone entdeckten den Rechtsmediziner Dr. Gerstenkron.

„Hallo Alex“, sprach ihn Thomas an. „Wie sieht es aus?“

Gerstenkron drehte sich um, machte eine nichtssagende Handbewegung und grinste. „Hallo, ihr beiden! Bis jetzt können wir davon ausgehen, dass der Porsche abgefackelt wurde und einer der Insassen auszusteigen vergessen hatte. Eine männliche Leiche. Ziemlich verbrannt, wie ihr sehen könnt. Neben ihm Reste eines Brandbeschleunigers.“

„Meinst du, dass ihr eine DNA von ihm zustande bringt?“

„Weiß ich noch nicht, aber vielleicht schon.“

Simone schauderte. „Wer macht denn so etwas. Ein Scheusal, anders kann man es nicht ausdrücken. Wenn ich mir vorstelle, bei lebendigem Leib verbrannt zu werden, auch noch gefesselt, wahrscheinlich konnte er die Tür nicht mehr öffnen, wegen des Brandbeschleunigers.“

„Das geht immer sehr schnell, Simone“, murmelte Thomas.

Gerstenkron grinste, trotz des geradezu unvorstellbaren Verbrechens. „Keine Sorge, Simone. Das hat bestimmt nicht wehgetan.“

Simone hielt sich noch immer die Hand an die Stirn. „Du musst es ja wissen, Alex.“

„Genau.“ Wieso grinste er immer noch? „Ich sag dir auch warum. Der war schon vorher tot – und zwar mausetot. Sie hatten ihm vorher die Kehle durchgeschnitten, ist aber auch nicht gerade die vornehme Art. Seht ihn euch an. An der Art der Verkohlung ist erkennbar, dass im Fahrzeug jede Menge Blut war.“

„Oh Gott, nein“, stöhnte Simone und wandte sich ab.

„Das Kennzeichen ist noch erkennbar“, murmelte Thomas später und meinte dann, „naja, dann hat sich wahrscheinlich unsere weitere Suche erübrigt. Mit diesem Fahrzeug wurde bestimmt der Fußgänger in der Kurfürstenstraße getötet. Seit Tagen überprüfen wir alle Fahrzeughalter von Cayennes und alle Werkstätten, die Blechschäden reparieren.“

„Dann seid ihr wenigstens diesbezüglich ein Stück weiter.“ Gerstenkron war praktisch veranlagt.

Thomas nickte. „Wie man´s nimmt, doch jetzt haben wir zwei Morde. Wie lange könnte es her sein?“

„Das Fahrzeug ist noch ziemlich heiß. Die Feuerwehr wurde von einem Anwohner gerufen. Er hatte das Feuer entdeckt und die 110 angerufen. Müsste so drei bis vier Stunden her sein.“

„Wurde der Mann vernommen?“

„Schon. Fragt den Polizisten dort drüben.“

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752118759
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Oktober)
Schlagworte
Mord Schleuser Theologiestudium München-Neuhausen Drogen Fahrerflucht Krimi Ermittler

Autor

  • Ben Lehman (Autor:in)

Ben Lehman kommt aus dem Bayerischen Wald und lebte in München. Seit zehn Jahren ist der Starnberger See seine neue Heimat. Der Informatiker arbeitete als Programmierer und Systemanalytiker, auch in internationalen Unternehmen in New York und Northampton. Sein erfolgreiches Softwarehaus wurde vor einigen Jahren veräußert. Danach begann er seine ehrenamtliche Tätigkeit für die Peter-Ustinov-Stiftung bis zu dessen Tod, Schwerpunkt die Organisation der Peter-Ustinov-Mädchenschule in Afghanistan.
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Titel: Die Schleuser AG