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Ins Herz

von Ben Lehman (Autor:in)
225 Seiten
Reihe: München-Krimis, Band 1

Zusammenfassung

Sven Paulsen hat gerade sein Mathematikstudium in Hamburg mit Bestnote abgeschlossen und zieht nun wegen seines ersten Jobs, einem sehr begehrten Arbeitsplatz bei einer großen Versicherungsgesellschaft, nach München, worauf er sich sehr freut. Denn in München soll ja richtig was los sein, vor allem in Schwabing, wo er seine erste eigene Wohnung bezieht. Schnell lernt Sven durch seine Arbeitskollegen Lena kennen, mit der es gleich am ersten Abend funkt. Da seine Wohnung nur provisorisch eingerichtet ist, begibt er sich nach der Arbeit immer wieder auf Einkaufstour. So auch an seinem dritten Tag in Schwabing, an dem er abends mit Lena zum Essen verabredet ist. Plötzlich stolpert er quasi über eine Menschenansammlung und überall ist Polizei. Neugierig gesellt er sich unter die Schaulustigen: Da liegt in ihrem eigenen Blut eine hübsche junge Frau, ein Messer mit einem auffallenden Griff steckt ihr in der Brust! Offensichtlich stammt sie aus dem Rotlichtmilieu. Direkt vor sich erkennt Sven die einzigen Nachbarn in seinem Haus, die er bisher zu Gesicht bekam. Und als die Polizei die Menschenmenge auflöst, geht er hinter den beiden her und hört ihr merkwürdiges Gespräch zu diesem Mord. Das würde der Schlampe Recht geschehen, meint der Mann zu seiner Freundin. Diese hält ihn davon ab, weiter zu reden. Doch was dann geschieht, ist mehr als seltsam: Als er sich bemerkbar macht, die beiden begrüßt und ein Gespräch über den Mord beginnt, leugnen diese, etwas gesehen zu haben – und das, obwohl sie in der Menschenmenge direkt vor ihm standen! Sofort ruft Sven Lena an, um ihr von diesem komischen Erlebnis zu berichten. Noch weiß er nicht, dass Lena bei der Kripo ist. Und er kann auch nicht ahnen, dass er seine Nachbarn besser nicht angesprochen hätte, denn von nun an gerät er von einem Schlamassel in den nächsten – und zwar in lebensbedrohliche Situationen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Impressum:

Texte: © Copyright by Ben Lehman
Umschlag: © Copyright by Ben Lehman
Verlag: Ben Lehman

Von-der-Tann-Straße 12
82319 Starnberg
mail@benlehman.de

München ist eine beliebte Stadt, doch sie hat auch sehr unterschiedliche Gesichter. Menschen aus aller Welt kommen in unsere Stadt, oft als Gäste, manche bleiben für immer.

Doch nicht jeder Neuankömmling hegt edle Absichten. Kommissar Wanninger, leitender Ermittler der Mordkommission München mit seinem Team, hat manch schwierige Nuss zu knacken. Das ist Tagesgeschäft von erfahrenen Ermittlern, die überwiegend im Hintergrund arbeiten.

Dieser erste Krimi meiner München-Serie beginnt in Hamburg. Plötzlich finden sich alle in München wieder.

Schön, wenn Ihnen mein Krimi gefällt. Ich freue mich besonders, wenn Sie anschließend an eine Beurteilung denken. Wir Autoren leben davon.

Vielen Dank,

Ben Lehman

Ins Herz

Erster München-Krimi

2.

Am frühen Nachmittag klingelte es an Svens Wohnungstür. Verwundert ging er hinaus und blickte durch den Spion. Er kannte den Mann nicht: „Ja, hallo?“

„Grüß Gott, Herr Paulsen, Hauptkommissar Wanninger hier. Kann ich Sie kurz sprechen?“

„Ja bitte“, antwortete Sven erstaunt und öffnete die Tür. Vor ihm stand ein großer, kräftiger Mann in abgetragener Kleidung. Er hatte einen leidenden Gesichtsausdruck und schien verlegen zu sein. Er könnte irgendetwas sein, zum Beispiel Kraftfahrer, Postbote oder weiß der Teufel was. Nach einem Kriminalkommissar sah er jedenfalls nicht aus. Sven war misstrauisch: „Darf ich Ihren Ausweis sehen?“

Der Kommissar nickte und zog seinen Dienstausweis hervor. Sven betrachtete ihn genau. Kein Zweifel, der Ausweis war echt, ein Hauptkommissar der Kriminalpolizei mit dem bekannten Emblem: „Was wünschen Sie?“

„Ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen. Vielleicht nicht an der Tür? Ist das möglich?“

„Bitte treten Sie ein!“

Sven bot ihm einen seiner beiden Stühle an: „Ich wohne erst seit ein paar Tagen hier. Hab mich aber bereits polizeilich angemeldet.“

Der Kommissar winkte ab: „Nein, nein, das ist sicher in Ordnung. Ich komme wegen eines Verbrechens, ganz in Ihrer Nähe. Sie brauchen sich aber keine Sorge zu machen. Das sind lediglich ein paar Routinefragen. Es könnte ja sein, dass Sie irgendetwas beobachtet haben. Das gehört zu unserem Standardprogramm.“

„Meinen Sie diesen Mord, gestern, da vorne am Helmut-Fischer-Platz?“

Der Kommissar nickte: „Genau. Sie wissen davon?“

„Nein, nichts Bestimmtes, die arme Frau! Ich kam gestern Abend zufällig genau an der Stelle vorbei. Ich war einkaufen.“

Der Kommissar schüttelte den Kopf: „Ist schon in Ordnung. Kannten Sie denn diese Frau, ich meine persönlich, oder hatten Sie sie vielleicht mal irgendwo gesehen? War doch eine attraktive Frau, oder?“

„Doch, schon. Aber ich kann mich nicht erinnern, sie zuvor gesehen zu haben. Ich lebe ja erst seit wenigen Tagen hier in München.“

„Ja, ja, sagten Sie bereits“, brummte der Kommissar.

„Wer ist sie denn?“

„Das wissen wir leider noch nicht.“ Er schüttelte den Kopf. „So weit mir bekannt ist, gibt es derzeit auch keine Vermisstenanzeige, die auf diese Person zutreffen könnte. Aber wir werden das sicher bald herausfinden.“

„Und wieso kommen Sie gerade zu mir?“

„Wie gesagt, reine Routine. Aber es gibt schon etwas Interessantes.“

„Und, was soll ich damit zu tun haben?“

„Wahrscheinlich nichts, Herr Paulsen. Aber wir müssen jeder Spur nachgehen. Einer der letzten Anrufe vom Handy des Opfers führte nämlich genau in dieses Haus.“

„Ach“, entfuhr es Sven, „aber bestimmt nicht zu mir.“

„Wahrscheinlich nicht. Vielleicht darf ich trotzdem einen Blick auf Ihr Handy werfen. Sie verstehen, reine Vorsichtsmaßnahme, damit wir Sie aus dem Kreis der Verdächtigen wirklich ausschließen können.“

„Verdächtig? Ich? Und wieso glauben Sie, dass der Anruf in dieses Haus kam?“

„Das können unsere Ortungssysteme feststellen.“

Sven hielt die Luft an: „Na so was! Das überrascht mich. Also zu dem Mord. Wie gesagt, ich kam zufällig vorbei und habe das arme Mädchen liegen sehen. Schrecklich. Dann noch das Messer im der Brust. Wer macht denn so etwas?“

„Bitte Ihr Handy“, sein Ton wurde deutlicher.

„Ja, ja“, erschrak Sven und zog sein Smartphone aus der Tasche. Der Kommissar hielt ein elektronisches Gerät an sein Handy, drückte verschiedene Tasten, notierte einige Werte, nickte mehrmals und gab es Sven schließlich zurück: „Vielen Dank, Herr Paulsen. Die Angelegenheit ist für Sie erledigt. Verbindlich.“

„Natürlich, was sonst? Wahrscheinlich überprüfen Sie auch meine Nachbarn.“ Sven deutete zur Wohnungstür. „Die standen gestern genau vor mir. Wissen so viel oder so wenig wie ich.“

Der Kommissar legte die Stirn in Falten: „Ach ja? Bei dem Paar war ich bereits vorher. Der Mann erklärte mir, dass er kein Handy besitze und auch nichts von dem Verbrechen gesehen oder gehört habe. Und sie hat geschwiegen.“

„Merkwürdig.“ Sven schüttelte den Kopf. „Sie standen auch bei der Leiche, direkt vor mir. Und danach sind wir fast gleichzeitig nach Hause gegangen und haben ein paar Worte gewechselt.“

Die Stirn des Kommissars sah noch immer nach Waschbrett aus: „Dann bedanke ich mich bei Ihnen, Herr Paulsen. Bitte entschuldigen Sie die Störung am Samstagnachmittag.“

Er stand auf und verschwand.

3.

Sven überlegte. Was für ein überraschender Besuch. Und wer wohnt da direkt neben ihm? Hat der vielleicht irgendetwas mit dem Mord am Hut? Die beiden beobachten gemeinsam mit ihm jenes schreckliche Ereignis, machen wenige Schritte später auf dem Nachhauseweg sonderbare Bemerkungen und behaupten trotzdem ihm und heute auch dem Kommissar gegenüber nichts zu wissen und nichts gesehen zu haben. Sven stützte das Kinn in seine Hände und wunderte sich.

Sollte er, oder besser nicht? Doch! Er wählte Lenas Telefonnummer. Sie war auch sofort am Apparat.

„Hallo Sven, was für eine Überraschung. Hoffentlich willst du nicht absagen. Ich koche nämlich gerade was ganz Tolles für uns beide.“

„Klar komme ich. Lena, ich freu mich schon auf heute Abend. Aber mir ist was Merkwürdiges passiert. Ich hatte dir doch von dem Mord erzählt.“

„Ja, natürlich.“

„Ein Kommissar Wanninger von der Kripo war gerade bei mir und wollte mein Handy überprüfen, weil ein Anruf vom Handy der Toten genau zu unserem Haus geführt haben soll. Kann ich mir zwar nicht vorstellen, aber er behauptete es.“

„Das ist ganz einfach“, erklärte Lena, „Telefonate und die jeweilige Position der beiden Rufnummern werden aufgezeichnet und können abgerufen werden.“

„Ja, das sagte der Kommissar, aber woher weißt du das?“

„Ich dachte, du weißt das auch“, wich sie aus. „Du bist doch Mathematiker.“

„Schon, aber kein Informatiker.“

„Na gut.“

„Und dann hat der Kommissar gesagt, dass er meine Nachbarn, du erinnerst dich, die mir gegenüber wohnen, ebenfalls befragt habe. Der Nachbar hätte behauptet, nichts zu wissen. Er habe von dem Verbrechen nichts gesehen und nichts gehört. Und er besitze angeblich überhaupt kein Handy. Kannst du dir das vorstellen?“

„Nein, kann ich nicht. Aber ich muss jetzt Schluss machen und wieder in meine Küche, sonst verbrennt alles. Bis später, Sven, ich freu mich auf dich.“

Ein Blick auf die Uhr, es war gerade 14 Uhr. Sven beschloss, noch verschiedene Sachen einzukaufen, zum Beispiel eine Flasche Sekt für den Abend mit Lena. Er verließ seine Wohnung und ging in Richtung U2. Wieder konnte er es nicht lassen, am Helmut-Fischer-Platz an jener Stelle vorbeizuschauen. Der Blutfleck war inzwischen blasser geworden, aber immer noch erkennbar.

Schwer bepackt kehrte er nach ein paar Stunden zurück. Als er seine Einkäufe eingeräumt hatte, beschloss er, das Verpackungsmaterial vorübergehend in seinem Kellerabteil aufzubewahren. Da der noch völlig leer war, bot es sich dafür an. Wenn du mal einen großen Karton benötigst, suchst du ihn meist vergeblich. Er fuhr mit dem Lift ins Kellergeschoss, öffnete die feuersichere Tür und ging den langen Gang entlang zu seinem Kellerabteil. Die Tür zum benachbarten Kellerteil stand offen. Sein Nachbar, jener Joe, stand mit dem Rücken zu ihm vor einem geöffneten kleinen Karton und schaute nachdenklich hinein, dabei schüttelte er den Kopf. Warum wohl? Sven konnte es nicht lassen. Er ging zwei Schritte auf ihn zu und sagte „Hallo“. Joe erschrak ganz fürchterlich, als er Sven erkannte. Ein Blick in den Karton, Sven spürte, wie sein Atem stockte. Es war ein Pappkarton mit einer Einteilung für sechs Messer. Fünf lagen darin, der Platz für das sechste Messer war leer. Es waren große Messer mit einem dunklen Holzgriff. Sie sahen genauso aus wie die Mordwaffe bei der jungen Frau.

Sven deutete ungläubig auf die Messer. Joe machte eine merkwürdige Bewegung zur Tür und grunzte unverständlich. Sven haspelte: „Diese Messer, wie bei der Leich…“

Weiter kam er nicht. Ein heftiger Schlag von hinten löschte sein Licht aus.

***

Als es sieben Uhr schlug, wusste Lena nicht mehr genau, ob sie eine feste Uhrzeit ausgemacht hatten oder nicht. Es fiel ihr einfach nicht mehr ein. Deshalb wählte sie kurzentschlossen Svens Telefonnummer, um ihn an das fast fertige Abendessen zu erinnern. Nach dem siebten oder achten Klingeln legte sie wieder auf, bestimmt war Sven gerade unterwegs. Inzwischen deckte sie den Tisch. Es wurde ein festlicher Tisch, sie war mit dem Ergebnis voll zufrieden. Ein junger Mann, zum ersten Mal in der Fremde, das hatte er ihr erzählt, ist bestimmt begeistert. Dann wurde es halb acht, keine Spur von Sven. Lena wurde unruhig. Zehn Minuten gehen …, höchstens …, von der Fallmerayer- in die Bauerstraße, doch wo steckte er? Wieder griff sie zum Telefon, kein Sven hob ab. Das schöne Abendessen konnte nicht länger vor sich hin brutzeln. Was tun? Lena war ziemlich ratlos. Ein Unfall unterwegs? Das Haus nicht gefunden? Immerhin war er erst wenige Tage in München. Dann hatte sie die rettende Idee, warum nicht gleich? Sie wählte Svens Handynummer. Leider landete sie auf der Mailbox. „Sven, wo bleibst du?“ Bestimmt vergessen einzuschalten – ach, diese Männer!

Als die Acht-Uhr-Nachrichten begannen, war Lena klar, dass sie handeln musste. Das schöne Essen konnte sie jetzt leider vergessen. Sie nahm mit traurigem Blick alle Töpfe vom Herd und putzte sich die Nase. Hoffentlich hatte sich Sven nicht anders entschieden, nachdem die erste Euphorie ihrer Begegnung verflogen war. Sie hatten doch gemeinsam so wunderschöne Stunden verbracht.

Sie zog ihre Schuhe an und verließ die Wohnung. Eigentlich konnte sich Sven gar nicht verlaufen haben, es gab wirklich nur einen möglichen Weg. Sie ging die Bauerstraße vor bis zu Isabellastraße und von dort in nördlicher Richtung. Nachdem sie die Hohenzollernstraße überquert hatte, war sie auch schon in der Fallmerayerstraße. An seinem Haus angekommen, spähte sie hinauf in den dritten Stock. Alle Fenster seiner Wohnung waren dunkel. Trotzdem klingelte sie. Nichts. Er war nicht zu Hause. Aber wohin konnte er gegangen sein? Vielleicht beim Nachbarn fragen? Diesen Gedanken verwarf sie sofort. Svens Bemerkungen über diesen seltsamen Joe erschienen ihr jetzt für eine Nachfrage nicht geeignet. Als Kriminalinspektorin war ihr Svens Bericht sowieso mehr als merkwürdig erschienen. An diesem Abend wollte sie ihm erklären, dass sie bei der Kripo arbeitete. Ihr Beruf kam bei neuen Bekanntschaften nicht immer gut an. Von Ablehnung über Verständnislosigkeit bis hin zur Beschimpfung war ihr so ziemlich alles passiert. Deshalb hatte sie sich vorgenommen, künftig immer einen geeigneten Zeitpunkt zu wählen. Sie meinte, dass das genau der heutige Abend sein sollte. Und was jetzt? Bei ihren Freunden von der Versicherung anrufen, bei Liane oder Sabine? Sie schüttelte den Kopf. Natürlich hatten die garantiert am Samstagabend nicht die geringste Ahnung, wo Sven geblieben sein könnte. Außerdem wollte sie ihre Gefühle für Sven nicht schon jetzt so deutlich äußern. Zuletzt beschloss sie, sich in das Unvermeidliche zu fügen. Sven wollte vielleicht von ihr nichts mehr wissen, aber warum nicht?

Lena ging enttäuscht nach Hause und packte vom edlen Abendessen alles Einfrierens Werte in das Gefrierfach. Sie öffnete die Flasche Rotwein und trank ein paar Schluck. Als es zehn Uhr war, sprang sie auf und ging noch einmal zu Svens Haus. Alle Fenster waren noch immer dunkel. Was konnte geschehen sein?

4.

Sven spürte ein dumpfes Dröhnen im Kopf, bevor er irgendetwas denken konnte. Wo war er? Mühsam öffnete er das linke Auge. Es war gleißend hell. Diesen Raum hatte er garantiert noch nie gesehen, es schien ein Kellerraum zu sein? Aber nicht sein eigener. Plötzlich kam die Erinnerung zurück. Er war mit ein paar leeren Kartons in seinen Keller gegangen und am Abteil seines Nachbarn, jenem Joe, vorbeigekommen. Die Tür war geöffnet und Joe stand gerade vor einer Kiste mit Fächern für sechs Messer und stierte hinein. Sven war auf ihn zugegangen und hatte wahrscheinlich hallo gesagt. Joe stand mit dem Rücken zu ihm und erschrak, als er angesprochen wurde. Sven schaute in den Karton, fünf Messer lagen in der Kiste, das sechste fehlte. Die Messer sahen genauso aus, wie jenes Messer in der Leiche am Helmut-Fischer-Platz. Mit genau so einem dunklen Holzgriff. An mehr konnte sich Sven nicht erinnern. Doch was war danach geschehen? Und warum konnte er jetzt seine Arme nicht bewegen? Und wo befand er sich überhaupt?

Langsam gewöhnte sich sein Auge an die Helligkeit, er öffnete das zweite. Erschrocken stellte er fest, dass ihm gegenüber jener Joe lag, und zwar an Händen und Füssen gefesselt. Und er, Sven, natürlich genauso, deshalb konnte er weder Arme noch Beine bewegen. Als Joe bemerkte, dass Sven aufgewacht war, murmelte er seltsames Zeug vor sich hin. War er vielleicht verletzt?

„Was ist mit uns? Warum sind wir hier? Wieso sind wir gefesselt?“ Svens Stimme fühlte sich dünn und fremd an.

„Da fragst du noch? Ausgerechnet du, Sven?“, knurrte Joe, seine Stimme klang herrisch, anders, als er sie in Erinnerung hatte.

Sven schnaufte erschöpft: „Sie wissen, wie ich heiße?“

„Stell dich nicht so doof, du!“

„Aber …“

„Lass mich in Ruhe, Mann!“ Joe drehte sich zur Seite.

„Die Messer“, rief Sven. „Die fünf Messer in Ihrem Keller. Wo ist das sechste?“

„Keine Ahnung“, antwortete er. „Vielleicht in der Leiche?“

„Sah genauso aus. Ich bin mir sicher.“

„Bestimmt hast du …“

„Wieso ich?“

Sven stutzte.

Jemand hantierte an der Tür, dann wurde sie aufgestoßen. Zwei kräftige dunkle Typen schlurften in den Raum, sie sahen aus wie Osteuropäer. Alles andere als vertrauenserweckend.

„Was wir machen mit die zwei“, meinte einer der beiden, der etwas kleinere Mann.

„Er Mörder.“ Er deutete auf Joe. „Sein Messer. Mädchen jetzt beim Teufel und der schuld.“

„Bitte glaubt mir“, jammerte Joe, „ich war das wirklich nicht. Ich bin unschuldig. Hatte gerade erst festgestellt, dass ein Messer fehlt, dann ...“

„Wenn nicht du, wer sonst?“, wollte Nummer 2 wissen.

„Der da!“ Joe deutete auf Sven.

„Also bitte“, erhob Sven Einspruch.

„Also bitte“, äffte Nummer 1 nach. „Also bitte, jetzt ihr bestraft werden. Gerechte Strafe, wie gehören für Mörder von schönes Mädchen.“

Sie rückten mit ihren Köpfen zusammen und begannen zu flüstern. Sven hatte ein merkwürdiges Gefühl. Das waren zwei total primitive Typen. Und was da gerade ablief, erschien ihm wie gespielt. Doch warum?

Zuletzt nickten sie sich zu und der erste sagte: „Also, äääh, wir jetzt Entschluss fassen. Du da, wie heißen?“ Dabei deutete er auf Joe.

„Ich bin Joe“, sagte der, nach Svens Meinung viel zu schnell. Sven war Mathematiker und daran gewöhnt, sorgfältig zu beobachten und zu analysieren. Was lief denn da für ein Schmierentheater ab?

„Gut Joe, du bekommen Spezialaufgabe.“ Er deutete auf seinen Kumpan, den Kleineren. „Pack ihn und mach ihm richtig klar, ha, ha, ha!“

Der zweite löste seine Fußfesseln. Nach Svens Meinung stand Joe wieder viel zu schnell auf und verließ mit ihm den Raum ohne Widerspruch. Kurze Zeit später kam der Typ wieder zurück.

„Und jetzt du.“ Nummer 1 näherte sich drohend und löste Svens Fußfesseln. „Aufstehen, mitkommen!“

Die beiden Halunken packten Sven links und rechts und verließen mit ihm den Raum. Es war tatsächlich ein Keller, aber wo befanden sie sich? Von Joe keine Spur mehr. Sven versuchte, sich seine Umgebung einzuprägen. Während sie eine Treppe hochgingen, überlegte Sven, ob er sich losreißen könnte. Er war sehr sportlich und hatte während seines Studiums etliche Preise gewonnen. Hochsprung und Beachvolleyball waren seine Stärken. Doch die beiden Verbrecher schienen Svens Absicht zu ahnen. Der Größere knurrte ihn an: „Wenn weglaufen, ich schießen. Du kaputt. Kapiert?“

Sven nickte.

Es war ein schmutziger Hinterhof, in dem ein ebenso schmutziger PKW stand. Der Zweite zog ein dreckiges Tuch hervor und verband Sven die Augen. Dann stießen sie ihn in das Fahrzeug und brausten los.

Sven zählte die Sekunden. Nach etwa 90 Sekunden hatten sie ihr Ziel erreicht. Sie zogen Sven heraus und schleppten ihn dann wieder eine Treppe nach unten. Dann nahmen sie ihm die Augenbinde ab. Wie erwartet, war es ebenfalls irgendein uraltes, ewig langes Kellergemäuer. Irgendwann schloss der Größere eine schwere Eisentür auf und schob Sven hinein. Der Raum war noch dunkel. Der Zweite drückte den Lichtschalter. Sven erschrak, er wollte es nicht glauben. Da saßen und lagen bestimmt zehn junge Mädchen zwischen allerlei Unrat, wie er nur in so einem vergammelten Keller zu finden ist. Mit großen, verängstigten Augen blickten sie auf die Männer.

„Du hier aufpassen“, brummte der Größere. „Mädchen dürfen keine Dummheiten machen und weglaufen. Wenn eine weg, du kaputt.“

Aus einer mitgebrachten Tasche holte er einen seltsamen dicken Gürtel heraus. Noch bevor ihn der Erste mit teuflischem Grinsen um Svens Hüfte legte, war Sven klar, dass es sich um einen Sprengstoffgürtel handelte. Vorne wurde der Gürtel mit einem Zahlenschloss zugesperrt. Sven schaffte es nicht, den vierstelligen Code zu erkennen. Wenn er gehofft hatte, dass er sich die Veränderung der Zahlenpositionen merken kann, hatte er sich ebenfalls getäuscht.

„Nix aufpassen, du.“ Mit widerlichem Grinsen drehte er die Ziffernkränze mehrfach im Kreis herum.

„Jetzt kommen große rumänische Erfindung.“ Er brach in echte Begeisterung aus. Ein längeres Kabel wurde am Gürtel mit einem Schnappverschluss befestigt und die andere Seite wieder mit einem Schloss an der Heizung angekettet.

„Du wissen“, grinste der Kleinere. „Wenn abreißen, dann buuuummm. Du verstehen? Du gleich kaputt! Mädchen auch. Groß Chaos hier.“

Mit widerlichem Gackern verließen sie den Raum und verschlossen die Eisentür.

Sven stand mit umgebundenem Sprengstoffgürtel mitten im Raum und wusste nicht, was mit ihm geschehen war. Er starrte die Mädchen erschrocken an und die Mädchen starrten ihn an.

„Äääh, wer seid ihr?“, fragte er schließlich.

Anscheinend verstanden sie ihn nicht. Doch eines der Mädchen antwortete schließlich: „Keine versteht dich. Ich schon. Habe von meiner Mutter gelernt. Heiße Verena.“

„Und was macht ihr hier, Verena?“

„Wir wurden gefangen genommen, alle, einfach gefangen auf Straße. In unserer Heimat in Rumänien. Dann hierher gebracht, in der Nacht. Wir müssen jetzt tun, was Männer sagen.“

„Wer sind diese Männer?“, wollte Sven wissen.

„Böse Männer. Fangen Mädchen und entführen sie.“

„Und was geschieht jetzt mit euch?“

„Nicht wissen. Bestimmt Böses. Werden vielleicht verkauft, vielleicht auch nicht. Und was machen du hier?“

„Ich wurde auch gefangen genommen. Aber ich weiß nicht warum.“

„Wissen wir schon, weil junge, hübsche Mädchen sind. Wird schlimm. Haben alle Angst. Warum hast du Gürtel um Bauch? Ist Sprengstoff.“

„Keine Ahnung.“ Sven schüttelte den Kopf. „Ich weiß auch nicht, wieso ich auf euch aufpassen soll. Ihr könnt die Tür doch sowieso nicht aufbrechen.“

Sie schüttelte traurig den Kopf: „Serr böse Männer. Haben Auftrag.“

„Von wem?“

„Von anderen bösen Männern.“

Inzwischen waren Svens Lebensgeister voll zurückgekehrt. Er überlegte, dass es Stunden dauern konnte, bis die beiden Banditen zurückkommen. Diese Zeit wollte er nutzen. Vielleicht würde er hier niemals lebend herauskommen. Ein Blick auf den schrecklichen Sprengstoffgürtel genügte.

„Ich will versuchen, uns zu befreien.“

„Wäre schön. Aber wie?“, seufzte Verena.

„Ich muss nachdenken.“

„Aber aufpassen! Bitte! Darf nicht explodieren. Dann wir alle tot! Bitte!“

Sven nickte und lehnte sich an die Wand, um besonders ruhig hantieren zu können. Das Schloss hatte vier Zahlen. Er war überzeugt, dass er es schaffen konnte, die Kombination herauszufinden, das verlangte sein mathematisches Ehrgefühl. Er begann sofort, seine Theorie in die Tat umzusetzen.

Mit wohldurchdachter Vorgehensweise schaffte er es in weniger als einer Stunde das Schloss zu öffnen. Als er den Bügel vorsichtig hochheben konnte, grinste er die mitgefangenen Mädchen zufrieden an. Dann nahm er den Gürtel ab und legte ihn sehr langsam und vorsichtig in eine Ecke.

Die Mädchen hatten Svens Finger während seiner Bemühungen mit angehaltenem Atem beobachtet.

Nun seufzte Sven, doch dieses Mal zufrieden. „Das wäre geschafft. Aber die Eisentür ist ein Problem.“

Sven begann das Gerümpel zu durchsuchen. Es stank bestialisch. Irgendwann fand er ein paar Nägel und ein Stück starken Draht. Er dachte nach, wie ein einfaches Schloss funktionieren könnte und bog den Draht entsprechend. Dann verband er den Draht mit verschiedenen Nägeln. Schließlich fummelte er unter Hochspannung im Schloss herum und versuchte, die Feder herumzudrücken. Er schaffte es nicht, das uralte Schloss war bestimmt angerostet.

Näher kommende Schritte beendeten seine Bemühungen. An den Schritten erkannte Sven, dass es dieses Mal nur eine Person war. Blitzschnell fasste Sven seinen Entschluss. Er vermutete, dass der Typ ziemlich ahnungslos eintreten würde, in dem Glauben, dass er mit keiner Gefahr rechnen muss. Sven positionierte sich so, dass er hinter der sich öffnenden Tür stand. Er war aufgrund seiner sportlichen Fitness bestens durchtrainiert.

Rasch flüsterte er Verena zu: „Vielleicht schaffen wir es rauszukommen. Wenn ich euch später helfen kann, ich wohne in der Fallmerayerstraße.“

„Fallmerayer? Wo ist das?“

„In Schwabing.“

„Nummer von Haus?“

„Zweihundertdreizehn.“

Seine Muskeln waren zum Zerreißen gespannt, als der Schlüssel umgedreht wurde. Schnell löschte Sven das Licht. Dann drückte der Kerl die Tür auf. Der Größe nach zu urteilen, war es der kleinere. Er betätigte den Lichtschalter und kniff die Augen zusammen wegen des gleißenden Lichts. In diesem Augenblick sprang Sven hinter der geöffneten Tür hervor, packte ihn und warf ihn mit entschlossener Kraft gegen die nächste Wand. Es krachte brutal. Er jaulte ganz jämmerlich, während er zusammensackte.

„Los! Haut ab! So schnell ihr könnt“, rief Sven den Mädchen zu.

Noch bevor sich der Typ hochrappeln konnte, war Sven bereits zur Tür hinaus. Wie viele Mädchen ihm folgten, wusste er nicht genau, ein paar hetzten auf jeden Fall hinter ihm her. Er flitzte den Gang entlang und die Treppe hoch. Es gab zwei Ausgänge. Sven mied den Hinterausgang, dort könnte vielleicht sein Kumpan im Auto warten. Der Vordereingang schien ihm sicherer. Er riss die Tür auf, stürmte auf die Straße, keiner der Halunken in Sicht. Sven hatte nicht die geringste Ahnung, wo er sich befand. Schnell entschloss er sich noch ein paar Straßen weiter zu hetzen, mal links, dann wieder rechts, bis er sicher war, dass ihm niemand gefolgt sein konnte. Schwer atmend blieb er stehen und schaute sich um. Vorerst hatte er es geschafft.

Und jetzt? Er griff in die linke Hosentasche und grinste. Sie hatten vergessen, ihm sein Handy abzunehmen. Vielleicht doch keine Profis? Doch leider …, der Akku war leer. In der rechten Hosentasche fand er ein paar Münzen. Jetzt musste er auch noch eine Telefonzelle suchen, das war nicht so einfach. Telefonzellen sind Mangelware geworden, seit fast jeder sein eigenes Mobiltelefon in der Tasche trägt. Suchend machte er sich auf den Weg. Die Straßen waren um diese Zeit ziemlich leer, deshalb musste er sorgfältig darauf achten, dass die Typen nicht die Straßen nach ihm absuchten. Würden sie ihn aus großer Entfernung erkennen, dann wäre er verloren. Sie würden nicht zögern, sofort zu schießen. Da, ein Straßenschild, okay, Steinstraße, weiß der Himmel, in welchem Stadtteil Münchens er sich befand. Am Ende der Straße entdeckte er schließlich eine Telefonzelle. Zum Glück hatte er Lenas Telefonnummer in Kopf, er kannte nämlich nicht einmal ihren Familiennamen, um im Telefonbuch nach ihr zu suchen. Er warf die Münzen in den Apparat und wählte ihre Nummer.

5.

An diesem Sonntagmorgen war Lena frühzeitig aufgestanden. Sie meinte, die ganze Nacht an nichts anderes gedacht zu haben als an Svens überraschendes Verschwinden. Deshalb beschloss sie, noch einmal zu Svens Haus zu gehen. Wie befürchtet, blieb ihr Klingeln unbeantwortet. Die Tür wurde nicht geöffnet. Es war ihr aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit längst klar, dass da etwas Schreckliches geschehen sein musste. Allerdings war der Sonntag ziemlich ungeeignet, um entsprechende Schritte einzuleiten.

Lena beschloss, wenn auch ungern, ihren Kollegen Thomas am Sonntag anzurufen. Sie schaffte es nicht, wenigstens bis um zehn Uhr zu warten. Obwohl Thomas, wie alle Kollegen wussten, Langschläfer war, packte sie um neun Uhr entschlossen das Telefon und wählte seine Nummer.

„Guten Morgen, Thomas, Lena hier.“

„Nanu, Lena. Ja, guten Morgen. Schlecht geschlafen? Was gibt‘s denn Wichtiges zu so früher Stunde?“

„Entschuldige Thomas, wenn ich dich gestört habe. Ich glaube, es ist was Schlimmes passiert, ich würde dich gerne um Rat fragen.“

„Um Gottes Willen. Klar, schieß los!“ Er schien sofort voll wach zu sein.

„Du erinnerst dich an Sven, Freitagabend im PERKEO.“

„Und ob. Dich hat‘s wohl schwer erwischt?“

„Ja. Nein. Doch, eigentlich schon, aber deswegen rufe ich nicht an.“

„Sondern?“

„Er ist verschwunden, Thomas.“

„Ach. Und woher weißt du das?“

„Wir hatten uns gestern Abend bei mir zum Essen verabredet und er kam nicht. Inzwischen ist es Sonntag, bald zehn Uhr.“

Thomas räusperte sich und befreite sich damit von einem Frosch. Nach einer kurzen Pause meinte er: „Du meinst, er hat sich bei dir nicht abgemeldet?“

„Darum geht‘s nicht. Er ist weg.“

„Hm. Was soll ich dazu sagen. Vielleicht ist er woanders? Ich meine, es gibt in München viele einsame Frauen.“

Lena schnaubte vernehmlich: „Mann, du bist vielleicht gemein. Ich mach mir große Sorgen und du denkst, dass er bei einer anderen Frau gelandet ist. Pfui, Thomas!“

„Oh, bitte entschuldige, Lena, war nicht böse gemeint. Mir war gerade nichts Besseres eingefallen. Vor fünf Minuten hab ich noch geschlafen. Was meinst du, könnte ich für dich tun?“

„Keine Ahnung“, stöhnte Lena. „Ich musste irgendjemanden anrufen. Ich dachte, du verstehst mich vielleicht am ehesten.“

„Schon, Lena. Weißt du, wo seine Wohnung ist?“

„Natürlich, was für eine Frage? Ich war seit gestern mehrmals dort, heute Morgen auch schon. In der Wohnung ist alles dunkel. Er ist definitiv nicht zu Hause.“

„Na ja, eine Vermisstenanzeige solltest du nicht gleich heute aufgeben. Immerhin kennst du ihn erst seit Freitag und wir wissen doch, wie unsere Kollegen in solchen Fällen reagieren. Vor Ablauf von 24 Stunden nehmen die eine Vermisstenanzeige nicht an. Wenn ich mir das recht überlege, ist es am besten, wenn du bis morgen wartest. Du rufst einen unserer Freunde bei der Versicherung an, Liane, Sabine oder Ralf. Dann wirst du schnell wissen, ob er verschwunden ist oder schön brav an seinem Arbeitsplatz hockt.“

Lena nickte: „Ja, Thomas, ich denke, das ist eine gute Idee. Ich mach das so. Entschuldige nochmals, dass ich dich am Sonntag gestört habe.“

„Lena, ich bitte dich. Ich wusste anfangs überhaupt nicht, worum es geht. Musste mich erst auf dein Problem einstellen. Entschuldige, wenn ich doof gequatscht habe.“

„Auf jeden Fall danke ich dir für deinen Rat, Thomas.“

Den restlichen Sonntag verbrachte Lena mit verschiedenen Hausarbeiten. Ihre Gedanken kreisten jedoch ausschließlich um Svens offensichtliches Verschwinden. Thomas hatte Recht, morgen, Montag, wird es sich sehr schnell zeigen, ob ihre Sorge berechtigt ist oder nicht. „Hoffentlich ist Sven nicht so ein schräger Vogel, wie es in München mehr als genug gibt“, dachte Lena.

***

Als das Telefon klingelte, sprang Lena auf, keine bekannte Nummer auf dem Display.

„Hallo?“, meldete sie sich.

„Lena!“, keuchte Sven, „ich bin‘s, Sven.“

„Sven …?“ Lena wusste anfangs nicht, was sie antworten sollte. Dann sprudelte es aus ihr heraus: „Wo bist du? Ich such dich seit gestern Abend und heute auch schon den ganzen Tag. Mann, was glaubst du, welche Sorgen ich mir gemacht habe.“

„Lena, ich wurde entführt und konnte mich vor wenigen Minuten befreien. Du kannst dir nicht vorstellen, was mir passiert ist. Und jetzt stehe ich hier in irgendeiner Steinstraße und weiß nicht, was ich machen soll. Ich hab nur ein paar Münzen in der Tasche. Reicht nicht für ein Taxi. Hab auch nicht die leiseste Ahnung, wie weit es von hier bis zu mir nach Hause ist. Ich hab nur zwei Telefonnummern im Kopf, deine und meine Geschäftsnummer.“

„Klar, ich hol dich ab.“

„Aber ich muss aufpassen, dass mich diese Typen nicht wieder entdecken. Sie waren zu zweit und bewaffnet, da hätte ich keine Chance.“

„Gut.“ Lena hatte gelernt, mit ungewöhnlichen Situationen blitzschnell fertig zu werden. Auch wenn es sie dieses Mal persönlich betraf, sagte sie sehr ruhig: „Also, Sven, welche Hausnummer siehst du?“

„Gegenüber ist Nummer 23.“

„Okay, ich komme in die Steinstraße 23. Pass gut auf dich auf. Versteck dich irgendwo. Ich habe einen schwarzen Golf, die Autonummer ist 583. Jetzt, um diese Zeit werde ich ungefähr 20 bis 25 Minuten unterwegs sein. Am besten, du verschwindest schnell aus der Telefonzelle, da sieht man dich auch aus großer Entfernung. Such dir einen Platz, von dem du alles überblicken kannst. Bitte pass auf, dass dir nichts passiert, bis ich da bin. Bis gleich.“

Sie drückte die rote Taste, warf den Hörer auf den Tisch. Schnell die Schuhe angezogen, eine Jacke übergeworfen, wollte sie losstürmen. Halt, die Autoschlüssel!

Dann zum Lift, runter in die Tiefgarage, ins Auto gesprungen, war eine Sache von Sekunden. Und schon heulte der Motor auf.

Lena wusste, ohne im Stadtplan suchen zu müssen, wo die Steinstraße ist. Sie raste die Leopoldstraße hinunter, bog in die Von-der-Tannstraße ein, dann am Deutschen Museum vorbei. Wie sie vermutet hatte, legte sie den Weg bis zur Steinstraße in zwanzig Minuten zurück, dann verminderte sie das Tempo auf Schrittgeschwindigkeit. Sie suchte beide Straßenseiten sorgfältig ab. Plötzlich sprang Sven auf der linken Seite aus einer Einfahrt heraus, er hatte das Nummernschild ihres Autos erkannt. Während er über die Straße jagte, tauchten vorne zwei dunkle Gestalten auf, die sofort lossausten, als sie Sven erblickten. Natürlich waren das die zwei Gangster.

Sven riss die Tür des Golfs auf und sprang mit einem Satz hinein: „Los, schnell, Lena, bitte. Da kommen sie. Sie waren gerade noch fünf Meter entfernt, als Lena den Motor aufheulen und die Kupplung springen ließ. Der Wagen machte einen Satz nach vorne, einer der beiden Typen musste sich mit einem blitzschnellen Sprung auf den Bürgersteig retten. Der zweite hatte dann plötzlich eine Pistole in der Hand, doch der Abstand war bereits zu groß.

Sven schnaufte erleichtert: „Lena, das war Rettung in letzter Sekunde.“

Lena antwortete ernst: „Schon. Doch leider kennen sie jetzt meine Autonummer.“

„Vielleicht haben sie nicht darauf geachtet“, hoffte Sven.

Lena war anderer Ansicht: „Phh, du hast vielleicht eine Ahnung von den Münchner Kriminellen. Das ist ihre leichteste Übung. Hoffentlich haben wir sie nicht bald wieder am Hals.“

Als sie Lenas Wohnung erreichten, atmete sie erleichtert auf und lächelte: „Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin. Setzt dich erst mal hin und ruhe dich aus. Einen Kaffee oder eine Flasche Bier? Oder möchtest du lieber in die Dusche. Ääähm, ich meine, du siehst ziemlich mitgenommen aus.“

„Eine super Idee.“ Sven lächelte schon wieder. „Ich fühl mich genau so, wie ich wahrscheinlich aussehe.“

„Und anschließend müssen wir dringend nachdenken.“ Damit schob sie Sven in ihr Bad.

Nach zwanzig Minuten tauchte Sven wieder auf. Er grinste zufrieden: „Meine Klamotten stinken leider entsetzlich. Ich muss erst einmal nach Hause.“

„Ja, später“, winkte Lena ab. „Erst müssen wir reden.“

Sven ließ sich erschöpft auf einen Stuhl sinken: „Mann, bin ich froh. Du kannst dir nicht vorstellen …“

„Bevor du weiterredest, Sven, muss ich dir was erklären. Ist zwar nicht der beste Zeitpunkt, aber …“

„Oh je!“ Er zog die Stirn in Falten. „Du wirst doch nicht mit den Typen …?“

„Mann, du spinnst vielleicht.“ Lena schüttelte angewidert den Kopf. „Eigentlich ist es schnell gesagt. Ich arbeite bei der Kripo. Bin Kriminalinspektorin.“

Sven sprang auf: „Du bist ein Bulle?“

„Wenn schon, dann Bullin, lieber Sven“, lächelte Lena. „Ich konnte es dir bisher nicht sagen, wir waren noch nicht dazu gekommen. Jetzt muss es aber raus, damit du verstehst, warum ich anders frage, als, äääh, als zum Beispiel ein Mathematiker.“

„Na gut.“ Sven war einigermaßen beruhigt. Er hatte Schlimmeres befürchtet.

„Aber jetzt erzähl endlich.“ Sven begann mit seinem Bericht. Wie er nichtsahnend in den Keller gegangen war und seinen merkwürdigen Nachbarn, jenen Joe, vor einem Karton mit fünf Messern überrascht hatte und dass das sechste fehlte. Und dass die fünf Messer so ähnlich aussahen, wie jenes, das er am Helmut-Fischer-Platz in der Brust der ermordeten Frau gesehen hatte, mit einem auffälligen Holzgriff.

„Wenn das jener Kommissar Wanninger wüsste …“, meinte Sven.

Lena hatte immer wieder genickt: „Ich kenn natürlich den Kommissar Wanninger, der dich vernommen hat“, sagte sie schließlich. „Sehr gut sogar, er ist mein Chef. Morgen, Montag, werde ich ihm berichten. Vielleicht ist dann der Mörder der jungen Frau schon gefasst.“

„Ich befand mich übrigens mit diesem Joe gemeinsam in dem zweiten Keller, wir waren beide gefesselt. Aber ich hatte die ganze Zeit den Eindruck, dass es sich um ein abgekartetes Spiel handelt. Aber warum war er gefesselt? Macht doch keinen Sinn. Wenn er aber der Mörder ist …“

„Du hast Recht, da stimmt irgendwas nicht.“

„Und dann der Gipfel: Wieso behauptete er plötzlich gegenüber den beiden Ganoven, dass ich der Mörder sei. Stimmt doch gar nicht. Ich kenne diesen Joe doch nicht einmal richtig, schon lange nicht das Mordopfer. Ist doch idiotisch. Verstehst du das?“

„Nein, wie sollte ich.“

„Ich hatte dauernd den Eindruck, dass die drei sich kennen.“

Lena schüttelte den Kopf: „Wenn das so wäre, warum so ein Theater?“

„Und wieso wurden wir danach getrennt und warum brachten sie mich anschließend in den Keller mit den entführten Mädchen?“

„Gute Frage.“

„Lena, ich fühl mich in meinen dreckigen Klamotten hundsmiserabel. Ich gehe schnell nach Hause und zieh mich um.“

„Ich kann dich fahren.“

„Nein, bitte nicht. Ich bin froh, wenn ich ein wenig frische Luft schnappen und mir etwas die Beine vertreten kann. Ich muss auch nachdenken.“

„Ungern, aber wenn du darauf bestehst. Komm bitte anschließend gleich wieder zurück. Und bring deine Zahnbürste mit.“

„Okay.“ Sven sprang auf und ging zur Tür.

„Bitte, Sven“, hielt ihn Lena zurück. „Vorsichtshalber. Wenn du zurück kommst, klingle zweimal, dann genau zwei Sekunden Pause und dann noch dreimal klingeln. Ich möchte sicher sein, dass ich dir öffne und nicht irgendeinem dieser Typen.“

„Na gut. Kann ich mir aber nicht vorstellen. Wie sollen die so schnell deine Adresse herausfinden?“

„Egal, tu es bitte.“

Als Sven die Tür zugezogen hatte, wählte Lena Thomas‘ Nummer.

„Entschuldige Thomas. Ich wollte dich kurz informieren. Sven ist wieder aufgetaucht. Er war gefangen und konnte sich befreien. Jetzt holt er sich ein paar saubere Sachen, weil es in dem Kellerverließ so schrecklich gestunken hat.“

„Das ist ja unglaublich! Erzähl mir alles, was du weißt.“

„Wir müssen morgen auf jeden Fall mit Wanninger reden. Das scheint eine große Sache zu sein. Und ganz schön mysteriös.“

Lena berichtete ihrem Kollegen ausführlich, sie besprachen verschiedene Möglichkeiten, wie man am Montag weiter vorgehen könnte.

6.

Sven sprang erleichtert die Treppe hinunter und verließ Lenas Haus. In tiefen Zügen sog er die wunderbar würzige Nachtluft ein.

Von der Isabella- bis zur Fallmerayerstraße sind es gerade einmal zehn Minuten Fußweg. Fast automatisch bewegte er sich die letzten Meter etwas vorsichtiger, links und rechts spähend, etwas misstrauisch hatte ihn Lenas Sorge schon gemacht. Er hatte bereits seinen Schlüssel in der Hand, um die Haustür aufzuschließen, als hinter ihm eine zaghafte Frauenstimme sagte: „Hallo!“

Sven drehte sich blitzschnell um: „Du? Du bist doch …, die Verena? Wir waren in diesem Keller gefangen. Wie kommst du hierher?“

„Bin gelaufen“, murmelte sie und blickte sich immer wieder ängstlich um. „Habe gefragt. Weiter Weg. Du musst mir helfen. Und andere Mädchen im Keller. Bist so nett!“

„Ich? Ja, wie denn?“

„Weiß nicht.“

Sven kratzte sich am Kopf. Was sollte er tun? Verena abweisen, in die dunkle Nacht schicken und sich selbst überlassen, oder irgendwie helfen? Und die gefangenen Mädchen? Wo waren die jetzt überhaupt?

„Ääähm“, zögerte er und überlegte, dann entschied er schnell: „Okay, komm mit rauf!“

„Danke, danke“, flüsterte sie. „Sonst fangen mich wieder böse Verbrecher.“

„Sind sie dir denn gefolgt?“

„Weiß nicht.“

Sven holte den Lift. Sie fuhren nach oben, er hörte aus der gegenüberliegenden Wohnung nichts. Leise öffnete er seine Wohnungstür und sie traten ein. In der Wohnung empfing ihn abgestandene Luft. Sven öffnete zwei Fenster.

„Ich habe leider keine Ahnung, wie ich dir helfen könnte, Verena. Vielleicht die Polizei anrufen?“

„Nein“, schrie sie, „bitte nicht Polizei. Dann ich rennen weg.“

„Was sonst?“

Sie zuckte mit den Schultern: „Weiß nicht. Mädchen helfen.“

„Vielleicht hat Lena eine Idee“, überlegte er und griff zum Telefon.

„Wer ist Lena?“, rief sie nervös.

„Meine Freundin.“ Er wählte Lenas Nummer, die war sofort am Apparat: „Ist alles okay, Sven?“, rief sie besorgt.

„Ja, ja, Lena, das heißt, eigentlich nicht.“

„Mann rede!“ Lenas Sorge war nicht zu überhören.

„Ja, es ist nämlich so. Ich hab dir doch von meinem Kellergefängnis berichtet.“

„Ja klar, und? Ist dir noch was eingefallen?“

„Nein, aber es handelt sich um was anderes. Da waren doch etliche Frauen, die ebenfalls gefangen waren. Als ich mich befreien konnte, sind mir einige gefolgt. Ich hatte sie auch dazu aufgefordert.“

„Ja, ja. Das weiß ich doch. Und?“

„Na ja, gerade vorhin stand eine vor meiner Haustür. Sie war die einzige, die unsere Sprache versteht. Sie heißt Verena.“

„Sie stand vor deiner Haustür? Das gibt’s doch nicht.“

„Ja, doch. Sie bat mich, ihr zu helfen und die anderen Mädchen zu befreien. Kann ich doch nicht, ich weiß nicht einmal, wo die sind. Ich konnte Verena doch nicht allein unten in der Dunkelheit stehen lassen. Verstehst du das? Ich habe sie in meine Wohnung mit hochgenommen. Jetzt ist sie hier. Aber ich weiß nicht, was ich nun tun soll. Du bist doch in solchen Dingen erfahrener als ich.“

„Mann“, schnaufte Lena. „du machst vielleicht Sachen. Wenn ich das wüsste.“

„Soll ich die Polizei rufen?“

„Nein, nix Polizei“, rief Verena aufgeregt, als sie das Wort aus dem Handylautsprecher hörte, „Angst vor Polizei.“

Lena hatte Verenas Aufschrei gehört und meinte beruhigend: „Das muss nicht gleich heute sein. Wir sollten erst mal in Ruhe nachdenken.“

„Ja, bitte, Lena, denk nach.“

Sie schwieg längere Zeit.

„Bist du noch dran?“, wollte Sven wissen.

„Natürlich, ich denk noch nach.“

„Sehr gut.“ Sven nickte Verena aufmunternd zu.

Lena zögerte lange, es war ihr anzumerken, dass ihr der eigene Vorschlag alles andere als angenehm war. Schließlich äußerte sie ihn aber doch: „Was hältst du davon, wenn du sie zu mir mitbringst. Bis morgen früh fällt uns was Besseres ein. Ich kann später auch Florian oder Thomas anrufen und sie um Rat fragen.“

Sven entschied mit einem kurzen Seitenblick zu Verena: „Hm, ja, wenn du meinst.“

„Gut“, bestätigte Lena. „Pack die paar Sachen ein, die du mitbringen wolltest, und bring Verena mit. Später lassen wir uns was einfallen.“

Sven legte den Hörer auf und wandte sich Verena zu: „Meine Freundin meint, ich soll dich zu ihr mitbringen. Wir überlegen dann gemeinsam, was wir tun können.“

Verena zögerte: „Nix Polizei?“

„Nein, bestimmt nicht.“

„Gut, dann machen wir das.“ Es war Verena anzusehen, dass ihr das bisschen augenblickliche Sicherheit angenehm war. „Ist weit zu deiner Freundin?“, wollte sie wissen.

„Nein, nur zehn Minuten.“

Verena nickte zufrieden.

Plötzlich schrak Sven hoch. Da war ein Geräusch, das er in seiner Wohnung noch nie gehört hatte. Noch bevor er aufstehen und nachsehen konnte, standen sie bereits breit grinsend im Türrahmen. Es waren wieder diese zwei Ganoven aus dem Keller, sie hatten es also irgendwie geschafft, unbemerkt das Schloss seiner Wohnungstür zu knacken. Hinter ihnen trat ein vornehm gekleideter, kleinerer Mann mittleren Alters in Svens Wohnzimmer. Er hatte ein fahles, ausdrucksloses Gesicht, seine Körperhaltung und die zusammengepressten Lippen ließen einen gnadenlosen Charakter vermuten.

„Was wollt ihr hier?“, rief Sven und sprang auf. „Wie kommt ihr hier rein?“

„Ganz ruhig Svenchen. Das war doch ziemlich einfach, dich zu besuchen. Du freust dich doch, oder?“ Der vornehm gekleidete Mann sprach überraschend leise. „Gleich erfährst du alles.“

Einer der Gangster rief: „Setz hin, sonst …!“

Sven erschrak.

„Aber Svenchen. Tu doch, was mein Freund möchte. Der hat manchmal richtig schwache Nerven, das möchtest du doch nicht, oder?“ Ein ekelhafteres Grinsen hatte Sven zuvor nie gesehen.

„Ich ruf sofort die Polizei.“ Im selben Augenblick sprang Sven auf und hatte den Hörer in der Hand. Gangster Nummer 1 machte einen Satz und schlug ihm das Telefon aus der Hand, es zersprang in seine Einzelteile.

„Du rufst niemanden an“, zischte der vornehm gekleidete Mann, ganz klar der Anführer der schrägen Typen. „Du tust genau das, was ich dir sage, verstanden? Sonst kannst du dich gleich von deiner netten Freundin für immer verabschieden.“ Er deutete auf Verena.

„Das ist nicht meine Freundin.“

„Weiß ich. Ist aber völlig egal“, grinste der Anführer. Ein Wink zu den beiden Ganoven und die packten Sven blitzschnell von beiden Seiten. Sie stanken entsetzlich nach kaltem Schweiß und Alkohol.

„Nun pass gut auf, Freundchen!“ Das kalte Grinsen war einem eiskalten Ton gewichen. „Ich habe dich lange gesucht, seit Hamburg. Du kannst dich verstecken, wo du willst, ich finde dich überall. Und jetzt haben wir dich erwischt, Sven Granhofer.“

„Wer soll denn das sein?“, rief Sven, „ich heiße Sven Paulsen, steht an meiner Wohnungstür. Oder könnt Ihr nicht lesen.“

„Doch“, nickte der Anführer langsam und bedächtig. „An deine Tür kannst du schreiben, was du willst, von mir aus Arschloch. Wir machen jetzt Folgendes: Du bekommst eine klitzekleine Beruhigungsspritze, damit du dich nicht mehr so fürchterlich aufregen musst.“ Was für ein teuflisches Kichern. „Die tut kein bisschen weh, aber du wirst danach sehr ruhig und ausgeglichen sein, hi, hi, versprochen. Wirst dich richtig wohl führen. Dann führe ich dich zu meinem Auto und wir unternehmen eine kleine Spazierfahrt. Später reden wir weiter. Einverstanden?“

„Kommt nicht in die Tüte“, rief Sven, „die Kerle sollen mich jetzt loslassen. Ich bin Mathematiker und heiße Sven Paulsen.“

„Ja, ja, Svenchen. Ist schon in Ordnung.“

„Und wenn ihr mich die Treppe runterzerrt, schreie ich das ganze Haus zusammen. Damit ihr es wisst.“

Der Anführer grinste hämisch: „Ich verspreche es dir, Svenchen, du wirst kein Sterbenswörtchen sagen …“ Sein grausam kaltes Gesicht kam ihm ganz nahe. „Weil du das dann nicht mehr kannst, okay? Wegen der Spritze, kapiert?“

Plötzlich hatte er eine kurze Spritze in der Hand und bevor Sven sich versah, hatte er sie ihm in den linken Oberarm gedrückt, durch das Hemd hindurch.“

„Und ich?“, jammerte Verena? Sie kauerte in der Ecke und zitterte wie Espenlaub.

„Du kommst auch gleich dran, meine Liebe.“ Er fletschte zum ersten Mal seine perfekt überkronten Zähne.

Sehr schnell spürte Sven, wie ihm übel wurde. Die Worte, die die drei Ganoven miteinander wechselten, erreichten ihn wie aus einer anderen Welt und entfernten sich immer weiter. Er hörte sie zwar noch kurze Zeit, verstand jedoch keinen Zusammenhang mehr. Der gut gekleidete Mann packte Sven und zog ihn hoch: „Ihr wisst, was ihr zu tun habt, und kommt anschließend nach“, rief er ihnen zu und zog Sven zur Tür hinaus. Dann sackte Svens Kopf nach vorne.

***

Lena blickte seit einer viertel Stunde in immer kürzeren Abständen auf die Uhr. Unruhig hetzte sie von einem Raum in den anderen und setzte sich auf einen Stuhl. Dann sprang sie wieder auf und schaute aus dem Fenster. Kein Sven in Sicht.

Sie verzweifelte fast: „Was ist denn jetzt schon wieder?“, jammerte sie.

Schließlich griff sie zum Telefon und wählte Svens Nummer. „Natürlich“, dachte sie, als er nicht abhob, „ist er gerade mit dieser Verena unterwegs.“ Doch er kam wieder nicht.

Und jetzt? Thomas oder Florian anrufen? Was sollte sie ihnen erklären?

Fast automatisch zog sie ihre Schuhe an, warf eine Jacke über und verließ ihr Haus. Nach zehn Minuten stand sie wieder einmal vor Svens Haus. Oben war alles dunkel, kein Sven weit und breit. Enttäuscht drehte sie um und ging zurück.

Wieder in ihrer Wohnung angekommen, griff sie zögernd zum Telefon.

Er meldete sich.

„Thomas, bitte entschuldige“, sagte Lena bedrückt.

„Kein Problem, Lena. Sven ist doch wieder aufgetaucht, oder?“

„Ja, schon. Aber er ist schon wieder verschwunden.“

„Nein!“

„Leider ja.“

„Aber das kann doch nicht sein!“

„Ich bin so unglücklich, Thomas.“

„Kann ich dir nachfühlen. Aber du weißt doch, nach so kurzer Zeit unternehmen unsere Kollegen überhaupt nichts, die werden dich höchstens beruhigen.“

7.

Joschi Granhofer hatte trotz seiner jungen Jahre bereits eine beachtliche Verbrecherkarriere vorzuweisen, er war gerade mal 26 Jahre alt. Geboren in Braunau in Österreich, spazierte er schon als Schuljunge wahnsinnig gerne über die Innbrücke nach Simbach in Bayern, um dort sein Taschengeld durch erste kriminelle Delikte aufzubessern. Er begann mit kleinen Diebstählen, einem Apfel oder einer Banane im Supermarkt, ein Buch, dann mehrere Bücher, obwohl er mit Lesen gar nichts am Hut hatte. Später klaute er Fahrräder, auch mal ein Moped oder ein Motorrad. Dann wurde er mutiger, schloss die Zündung eines Autos kurz und fuhr damit seelenruhig grinsend über die Brücke zurück nach Simbach, obwohl er überhaupt keinen Führerschein besaß. Da das so einfach klappte, wurde er noch mutiger und klaute bald die edelsten Nobelkarossen. Und so ging es immer weiter. Heiße Ware, wie Motorräder und Autos, verscheuerte er umgehend über die Grenze gen Osten. Eine in solchen Dingen erfahrene, befreundete Gruppe aus Polen war ihm gerne behilflich und zahlte auch nicht schlecht. Bei Büchern wählte er inzwischen nur noch Bestseller, die konnte er meistbietend im Internet versteigern. Immerhin macht Kleinvieh ja auch Mist, wie man eben so sagt. Man muss halt vielseitig sein. Seine Fantasie blühte und die Einnahmen stiegen, denn Joschi war erfinderisch.

Wurde er in Simbach beim Klauen beobachtet – sein scharfes Auge erkannte so etwas sofort –, flitzte er schnell über den Inn zurück und war längst wieder in Österreich, bevor die alarmierte Polizei nach ihm zu fahnden begann.

Da noch schulpflichtig, musste er sich ab und zu auch in der Schule blicken lassen, wenn auch ungern. Doch schließlich war Joschi glücklich und zufrieden, als er mit nur wenigen Ehrenrunden, wie er es nannte, seine nervige Schulzeit beenden konnte. Sein Abschlusszeugnis landete umgehend im Papierkorb. Das wollte bestimmt kein Mensch mehr wirklich sehen.

Inzwischen grübelte er, wie er seinen weiteren Lebensweg sinnvoll und erfolgreich gestalten könnte. Seit vielen Jahren begeisterte ihn Boxen, er verpasste keinen Titelkampf im Fernsehen. Bereits als Junge hatte er deshalb regelmäßig zu trainieren begonnen und trat nach seiner Schulzeit in den größten Braunauer Boxverein ein. Dort fiel er bald durch eine ordentliche Portion Brutalität auf. Joschi besaß nicht nur schnelle Fäuste, sondern auch ein schnelles Auge. Das half ihm, manchen Boxkampf souverän gegen scheinbar viel stärkere Gegner zu gewinnen. Sein Trainer behauptete immer, dass Joschi einen richtigen Killerinstinkt besitze.

Muskelpakete von Boxern unterscheiden sich bekanntlich optisch deutlich von denen der Bodybuilder, sind also eher unauffällig. Das gefiel Joschi außerordentlich, weil seine tatsächliche Kraft und Technik von Überraschungsgegnern auf offener Straße in der Regel unterschätzt wurde. Es entsprach auch überhaupt nicht seiner Art, irgendwelchen Schlägereien aus dem Weg zu gehen. Im Gegenteil, er suchte sie, nicht nur wegen seiner Kampfeslust, sondern auch, um seine Techniken weiter zu verbessern. Immerhin hatte er klare Ziele. Das Ergebnis war, dass andere Kerle, sogar bekannte Schlägertypen, ihm aus dem Weg gingen, wenn sich eine brenzlige Situation abzeichnete. Warum sollte er nicht Körperkraft und Technik künftig zu seinem weiteren Wohlergehen einsetzen?

Eines Tages beschloss Joschi, aufgrund seiner körperlichen Fähigkeiten die interessante Laufbahn eines Türstehers einzuschlagen. Mit irgendeiner drittklassigen Bar in der Umgebung von Braunau wollte er sich erst gar nicht befassen. Deshalb trampte er kurz entschlossen nach München und bestieg den ICE nach Hamburg. Dort angekommen, bewarb er sich am nächsten Tag in St. Pauli für seinen Wunschjob. Der dritte Versuch, in einem verruchten Laden namens Heiße Braut von Hamburg, mitten auf der Reeperbahn, entwickelte sich aufgrund glücklicher Umstände erfolgversprechend. Der Clubchef war ein furchterregend dreinblickender Kerl namens Jussuf.

„Bist du Jussuf?“, sprach ihn Joschi an, nachdem er einen schnellen Blick auf die Eingangstür geworfen hatte, wo ganz klein der Name des Inhabers zu lesen stand.

Jussuf blickte ihn aus schnapsroten Augen an: „Kerl“, knurrte er, „ich bin hier der Boss, verstanden?“ Mit einem erlösenden Rülpsen unterstrich er seine Feststellung. „Wenn du von mir was willst, nennst du mich Boss, du Ratte. Werde stinksauer, wenn mir jemand nicht den notwendigen Ras…, Rasp…, Respekt erweist. Jeder, der mich kennt, weiß das. Oder mach dich vom Acker.“

„Nnnnnein, nein“, stotterte Joschi. „Boss, ich suche einen Job als Türsteher. Du wirst es nicht bereuen.“

Der Boss glotzte ihn an: „Nicht bereuen? Ich? Und wie stellst du dir das vor? Beweise! Wo bleiben die Beweise?“

„Wann immer du willst, Boss.“

„Du Würstchen? Wann immer ich will? Natürlich will ich gleich! Jetzt!!!“

„Klar“, Joschi hielt seinem trunkenen Blick stand, „sag ich doch.“

Jussuf schien zu überlegen. Tatsächlich konnte er einen weiteren Mitarbeiter gut gebrauchen, doch von der Figur her unterschätzte er, wie alle anderen auch, den zwar groß gewachsenen, aber eher schwächlich scheinenden Joschi.

Nach einem gegenseitigen Anglotzen hatte Joschi den Eindruck, dass er die erste Runde gewonnen hat, insgeheim triumphierte er bereits.

Jussuf wollte schließlich die Sache schnell zu Ende bringen: „Gut, Kerl. Mein bester Mann heißt Hassan. Los Hassan, komm raus und zeig dich dem Würstchen!“

Ein muskelbepackter Hüne trat grinsend durch den Vorhang. Joschi zuckte nur kurz mit den Augenlidern. Er war den Umgang mit starken Männern gewöhnt. Doch Hassan war eine ganz andere Nummer. „Jetzt nur keine Panik zeigen“, dachte er.

„Ja, und? Was soll ich mit dem?“ Joschi streifte Hassan mit kurzem Blick und wandte sich dann Jussuf scheinbar gelangweilt zu.

„Wenn du an dem Job immer noch interessiert bist“, grinste Jussuf mit einem Seitenblick zu Hassan, „dann mach mal unserem Hassan klar, dass er besser draußen bleibt.“ Er rülpste wieder vor Begeisterung auf das bevorstehende Schauspiel. „Zwei Straßen weiter gibt es übrigens eine Sanitätsstation.“ Sein Gesicht wurde immer breiter. „Du sagst, dass du dich mit dem Hassan von der Heißen Braut unterhalten hast, die wissen dann sofort Bescheid.“

„Wüsste nicht, was ich dort soll. Hab kein Problem mit dem.“

„Warts ab“, grinste Hassan und hieb ihm auf die Schulter, sodass Joschi leicht einknickte.

Jussuf schüttelte daraufhin energisch den Kopf: „Schluss jetzt mit dem Geplänkel! Passt auf, wir machen Folgendes: Hassan möchte in die Heiße Braut rein und du sagst ihm, dass es bereits überfüllt ist, okay? Wie heißt du eigentlich, Kerl?“

„Joschi.“

„Aha, ein Österreicher! Gut Joschi. Den Weg zur Sanitätsstation hab ich dir erklärt. Hassan mach voran! Hab nicht so viel Zeit. Möchte noch vor Geschäftsbeginn einen Schluck zur Brust nehmen.“

„Okay, Boss“, nickte der muskelbepackte Hassan. Er ging ein paar Schritte zur Straße, drehte um und schlenderte widerlich grinsend auf Joschi zu. Seine lückenhaften Zähne erinnerten an manch nachhaltiges Erlebnis aus der Vergangenheit.

„Will hier rein“, knurrte er. „Soll da tolle Frauen geben.“ Er schob Joschi zur Seite.

Hassan erwartete von Joschi wenig Widerstand, ebenso wie Jussuf, sein Boss. Aber sie kannten Joschi nicht. Geschickt, wie er war, grinste er Hassan erst einmal so unfreundlich an, wie es seiner bewusst zurückgehaltenen brutalen Art eigentlich entsprach.

Natürlich beeindruckte das Hassan wenig, mit solchen Typen hatte er schließlich tagtäglich zu tun. Unwirsch verstärkte er den Druck auf Joschi. Doch der wich dem Kraftprotz schneller aus, als Hassan es vermutete und versperrte ihm schon wieder den Weg. Der Boss nickte grinsend, ihm begann Joschis Taktik zu gefallen. Hassan stutzte einen Augenblick, dann senkte er den Kopf und wollte mit vollem Körpergewicht den scheinbar schmächtigen Joschi in Grund und Boden rammen. Doch der glitt rasch zur Seite, Hassan stolperte vorbei, seine Kraft musste schließlich irgendwo hin. Gleichzeitig packte Joschi Hassan am rechten Arm und schleuderte den schweren Körper mit einer geschickten Drehbewegung gegen die nächstgelegene Wand. Hassan jaulte kurz auf, sah rot und wollte Joschi nun mit einem fürchterlichen Boxhieb endgültig erledigen, so, wie er es schon tausendmal praktiziert hatte. Leider ging der gewaltige Schwinger ins Leere, das kostete enorme Kraft. Hassan war zwar ein bärenstarker Mann, hatte jedoch gegen einen ausgebildeten Boxer eher geringe Aussichten. Er schüttelte sich verwundert, Zornesröte schoss in sein Gesicht. Blitzschnell zog er ein Messer aus der Tasche und klappte es auf. Mit einem schnellen Blick zum Boss zischte er entschuldigend: „So nicht! Nicht mit mir!“

Jussuf nickte amüsiert.

Joschi sah den Angriff natürlich kommen. Wie er es beim Boxtraining gelernt hatte, wich er geschickt zur Seite und ließ Hassan vorbeischlittern. Trotzdem pfiff die Messerspitze über seinen linken Oberarm, ein gewaltiger Schmerz ließ ihm Tränen in die Augen schießen, Blut sickerte durch das T-Shirt.

Joschi hatte nun verstanden.

Mit diesem brutalen Typ durfte er nicht länger spielen. Er holte kurz und unerwartet aus und versetzte Hassan einen gezielten, sehr trockenen Faustschlag gegen die Kinnspitze, exakt auf jenen bestimmten Punkt. Daraufhin überzog Hassans Gesicht ein blödes Grinsen, es folgte eine Drehung in Zeitlupe, glänzende Sterne schienen sein Gehirn zu durchzucken. Hassan taumelte, noch einmal versuchte er sich mühsam hochzurappeln, doch dann sackte er endgültig in sich zusammen und lag wenige Sekunden später ausgestreckt am Boden. Ein letztes Stöhnen und Hassan war weggetreten. So schnell schickte Joschi den brutalen Hassan ins Reich der Träume.

„Boss, das ging echt zu weit. Das war ein tätlicher Angriff. Auch noch mit einem Messer. War so nicht ausgemacht“, verteidigte sich Joschi gegenüber Jussuf. „Konnte nicht ahnen, dass der sofort umkippt. Wollte ich wirklich nicht, aber er hat mich schlimm verletzt. Hier!“ Er deutete auf seine linke Schulter. „Tut mir wirklich leid für deinen besten Mann. “ Joschi kramte diesen Satz irgendwoher, denn entschuldigende Worte lagen ihm überhaupt nicht. Allerdings wollte er den Job unbedingt haben. Inzwischen tränkte sich das Hemd an seinem linken Oberarm immer intensiver blutrot.

Jussuf war zwar total begeistert, ließ es sich jedoch nicht anmerken: „Ja, ja, ist okay“, brummte er einsilbig, denn er wollte den Lohn niedrig halten. Er bückte sich zu Hassan und hieb ihm ein paar Ohrfeigen ins Gesicht, links und rechts. Doch der rührte sich noch immer nicht.

„Okay, Joschi. Du hast den Job, kriegst den üblichen Anfängerlohn. Heute Abend fängst du an. Verbinde dir deine Wunde, damit du deine Arbeit nicht gleich im Krankenstand beginnen musst!“

Als Joschi nickte, fügte er hinzu: „Jetzt weck den lieben Hassan wieder auf. Er soll seine müden Knochen einsammeln und sich verdrücken. Sag ihm, dass er gefeuert ist.“

Joschi war restlos begeistert, so schnell hatte er diesen Erfolg nicht erwartet.

Es dauerte geraume Zeit, bis Hassan wieder die Augen aufschlug. „Du?“, murmelte er, als er Joschi vor sich stehen sah.

„Los, steh auf, du Figur!“, herrschte ihn Joschi an. Mühsam wälzte sich Hassan herum und kam wacklig hoch.

„Der Boss hat gesagt, du sollst verschwinden. Du bist gefeuert.“

Hassan wischte sich über die Augen. Langsam schien er sich zu erinnern: „Wer sagt das?“

„Der Boss. Und wenn du nicht sofort abhaust, hau ich dir noch eine rein.“

Hassan war noch zu angeschlagen, um mit Gewalt reagieren zu können. Er drehte sich ziemlich unsicher zu Joschi um und zischte: „Du bist neu hier am Kiez. Bei uns gelten andere Gesetze. Ich verspreche dir, das wirst du mir büßen. Wenn ich dich das nächste Mal treffe, bist du erledigt.“

Joschi grinste zurück: „Ich denke, im Augenblick bist nur du erledigt. Und jetzt verschwinde endlich.“

Hassan trottete lädiert davon, drehte sich mehrmals um und drohte mit seiner gewaltigen Faust.

Joschi verband seine Wunde und war mit sich und der Welt zufrieden.

***

Inzwischen war Joschi etliche Monate als Türsteher und Rausschmeißer in der Heißen Braut von Hamburg im Einsatz. Er liebte seine Tätigkeit. Natürlich war er auch von den schönen Frauen des Clubs begeistert, mit denen er jeden Abend nach Programmende zusammensaß. Manchmal wurde auch mehr als nur gequatscht. Eigentlich liebte er sie alle. Doch sein Lohn bei Jussuf war eher mäßig. Seitdem er die Eingangskontrolle übernommen hatte, gab es in der Heißen Braut von Hamburg immer seltener Schlägereien. Auch das Mobiliar musste nicht mehr so oft erneuert werden wie früher. Joschi, der Österreicher vom Kiez, wie er bald anerkennend genannt wurde, sorgte für Ruhe und Ordnung wie vor ihm kein anderer.

„Boss, du zahlst mir zu wenig“, fasste sich Joschi eines Tages ein Herz und sprach Jussuf an.

„Wieso denn, du stehst doch nur noch blöd rum.“

„Weil sich keiner der Schlawiner mehr ran traut, wenn ich Dienst habe. Weißt du eigentlich, wie sie mich nennen?“

„Lass mich in Ruhe“, herrschte ihn Jussuf an und drehte sich um.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752118247
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Oktober)
Schlagworte
Schwabing Mord Rotlicht Kripo Großstadtatmosphäre Hamburg München Krimi Ermittler

Autor

  • Ben Lehman (Autor:in)

Ben Lehman kommt aus dem Bayerischen Wald und lebte in München. Seit zehn Jahren ist der Starnberger See seine neue Heimat. Der Informatiker arbeitete als Programmierer und Systemanalytiker, auch in internationalen Unternehmen in New York und Northampton. Sein erfolgreiches Softwarehaus wurde vor einigen Jahren veräußert. Danach begann er seine ehrenamtliche Tätigkeit für die Peter-Ustinov-Stiftung bis zu dessen Tod, Schwerpunkt die Organisation der Peter-Ustinov-Mädchenschule in Afghanistan.
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Titel: Ins Herz