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In den Fängen von Secret Limited

von Ben Lehman (Autor:in)
150 Seiten
Reihe: Die Alfas, Band 5

Zusammenfassung

Der Teufel ist los in der Prof.-Rosswald-Straße: Prof-Lex ist in Gefahr und Georg, Philips widerlicher Stiefvater, ist schuld daran, wenn die Alfas ihren Groof verlieren! Aber es gibt auch Erfreuliches: Endlich müssen sie nicht mehr vor Jo, ihrem Freund, verheimlichen, dass sie Alfas sind, denn da er ein Future ist. Und sie können sich auch gegenseitig in ihren Groofs besuchen, sobald die Futureworldkrons mit den Alfakrons synchronisiert sind. Zurück im Bavaria, können sie es kaum erwarten, dass endlich Freitag ist und der Groofunterricht wieder beginnt. Sie lernen die neuen Fundamentals kennen. Außerdem können alle Alfas ab sofort weltweit beamen. Ganz besonders freuen sie sich auf die Funktion Compute!, die sie nun endlich kennenlernen und mit der sie sich in alles Mögliche wie Tiere, Pflanzen und Gegenstände konvertieren können. Schon die erste Stunde ist ein Riesenspaß! Auch spannende Engoal-Spiele stehen wieder auf dem Programm, das erste gegen die die Mannschaft in Schottland. Alle sind gespannt, wen Robert aufstellen wird, und so trainieren sie fleißig, denn natürlich möchten alle, auch die neuen Fundamentals, in die A-Mannschaft. Doch das anstehende Spiel wird überschattet von üblen Neuigkeiten: Die Internetagen-ten haben Gespräche zwischen Gamma+ und Secret Limited belauscht und sogar geor-tet: ausgerechnet in der Nähe der Burg Ashleigh nahe Schottland, wo das erste Engoal-Match stattfinden soll! Als die Zeit dafür gekommen ist und alle Alfas aufgeregt dort eingetroffen sind, macht Julia Philip den Vorschlag, sich mal umzuschauen und noch eine Stunde frische Luft zu schnappen. Schnell sind sie im Freien, setzen sich ihre Al-fahüte auf und erkunden die Umgebung. Vielleicht, so hoffen sie, finden sie ja Hinweise auf Secret Limited. Als sie um einen Felsvorsprung schauen, entdecken sie dicke, kuge-lige Irgendwasse. Natürlich gehen sie der Sache auf den Grund und finden dabei etwas ganz Ungeheuerliches heraus, das sie den Alfas unbedingt sofort erzählen müssen! Schließlich geht es um eine gemeine Folter und um einen Konstruktionsplan, der Alfa geklaut wurde! Wenn der in die falschen Hände gerät – dann gute Nacht, Alfaorganisa-tion. Als sie danach noch einen Hilferuf erhalten, ist Philip, Ricky, Julia und Kilian klar, dass sie sofort etwas unternehmen müssen, bevor es zu spät ist. Deswegen stürzen sie sich Hals über Kopf in eine Rettungsaktion sondergleichen. Ein unglaublich rasantes Abenteuer, bei dem man mittendrin dabei ist und mitzittert!

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Prolog: Ein Jahr ist vorbei!

Welch ein ereignisreiches Schuljahr! Sie können kaum begreifen, was sie in dieser Zeit erlebt haben. Anfangs waren sie als ganz normale Schüler in das berühmte Bavaria-Internat eingeschult worden und erfuhren dann scheibchenweise, was sie alles erwarten würde. Sie wurden Fundamentals und sollten alle Geheimnisse der Alfaorganisation erfahren. Na gut! Tatsächlich erlebten sie jedoch Unglaubliches. Kein Mensch auf der ganzen Welt könnte sich vorstellen, was sich in einem Jahr in einer Geheimorganisation so alles abspielt, Alfas natürlich ausgenommen. Da gibt es Überraschungen am laufenden Band: lustige, aber auch bis hin zu Kämpfen ums nackte Überleben. Sie lernen Alfas kennen, die keiner missen möchte und die dann doch plötzlich weg sind. Da gibt es Verräter und andere, die doch keine sind. Leider auch Alfalehrer, die Vorbilder sein sollten und dann gefeuert werden und und und.

Und heute? Die Sommerferien haben begonnen und die zehn Fundamentals haben den ersten Alfalehrabschnitt geschafft, ausgenommen Linus. Neun rücken in die zweite Alfaklasse auf. In sechs Wochen werden sie wiederkommen und neue Fundamentals begrüßen, die in Sachen Alfa genauso doof sind, wie sie es vor einem Jahr waren.

Doch was wird aus Philip? Darf er ins Bavaria zurückkehren oder wird sich Georg, sein oft echt gemeiner Stiefvater, durchsetzen? Zuzutrauen wäre es ihm. Philip rechnet auf jeden Fall mit der Hilfe seines Opas. Ohne ihn wäre Philip sowieso längst erledigt.

1. Josefs Geheimnis

Durch Philips Kopf schwirrten unendlich viele und äußerst wichtige Gedanken. Welcher war nun wirklich der Wichtigste? Klar! Erst einmal Georgs schäbige Bemerkung. Dabei könnte er doch froh sein, wenn er Philip nicht täglich um sich hat, für Philip keine Frage. Einfach ein anderes Gymnasium vorschlagen, was für eine Gemeinheit. Zum Glück hatte die Mutter sofort Einspruch erhoben, aber Philip kannte Georg, wenn der ihn ärgern konnte, ließ er keine Gelegenheit aus.

Vielleicht war Opa Benke die Rettung, er musste unbedingt mit ihm reden. Philip konnte sich nicht einmal im Traum vorstellen, dass seine Alfazeit schlagartig zu Ende sein könnte. Er würde auf keinen Fall so einfach aufgeben, Georg sollte ihn noch kennenlernen. Er würde kämpfen, wie er es gelernt hatte. Heimlich grinste er. Nach einigen Sekunden schüttelte er sich vor Lachen, als er sich vorstellte, wie er Georg mit der Megafunktion stone eine kleine Vorstellung seiner Fähigkeiten geben könnte. Doch er verwarf diesen Gedanken auf der Stelle, obwohl er wirklich traumhaft klang. Wie sollte er so eine Wahnsinnstat jemals erklären? Philip seufzte, doch das Grinsen ließ sich einfach nicht abstellen.

Inzwischen saß Philip bereits längere Zeit in Gedanken versunken in seinem Zimmer. Eigentlich liebte er diesen Raum, obwohl er ziemlich klein war, kleiner als der seiner Halbschwester Maria. Er liebte ihn auch wegen der tollen Möglichkeit, die Wohnung unbemerkt verlassen zu können. Ach, wäre das schön, wenn Georg ein ganz normaler Mensch wäre oder wenn vielleicht sein richtiger Vater hier wäre. Aber wer weiß, wo der sich gerade herumtrieb. Diese Gedanken tauchten immer wieder auf, obwohl sie total abwegig waren.

Er erinnerte sich: Jetzt war es genau ein Jahr her, als die Halunken im Wald Mister Rex niederschlugen, den er damals noch nicht kannte, Philip natürlich prompt erwischten und in die Jagdhütte sperrten. Wie toll er es schließlich geschafft hatte, sich auf einen Balken zu retten, ohne dass es diese widerlichen Typen bemerkten. Das sollte ihm erst mal einer nachmachen. Wie der Lange sein schönes gelbes Fahrrad in den Fluss geworfen hatte, dieses Schwein, und sogar noch stolz darauf war! Und wie er es schließlich hingekriegt hatte, im fast undurchdringlichen Dickicht den Verbrechern zu entkommen, indem er vorübergehend Nachbar einer Kröte wurde. Genau genommen sind Kröten gar nicht so ekelhaft, wie Mädchen oft meinen. Wie unendlich schlecht es ihm schließlich erging, als er zu Hause ankam, verdreckt und erschöpft. Und welch schreckliches Theater auf ihn wartete. Niemand hatte ihm geglaubt, kein Wort, obwohl es die reine Wahrheit war! Ein neues Fahrrad konnte er sich in den Wind schreiben. Zum Glück gab es im Bavaria Leihfahrräder.

Philip stützte sein Kinn auf den rechten Handballen. Und heute? Eigentlich ging es ihm gar nicht so schlecht. Er hatte unendlich wichtige Dinge erfahren und gelernt. Seine augenblickliche Situation war, wenn er alles so recht überdachte, erträglich. Na ja, ausgenommen mal wieder die Sache mit Georg. Was hatte er im Bavaria alles geschafft! Wäre doch gelacht, wenn er mit Georg nicht fertig werden würde. Jordan würde zu ihm sagen: „Philip, lass dir doch von diesem Nobody nichts gefallen.“

Philip nickte heftig zur Bestätigung.

Plötzlich lief es ihm siedend heiß den Rücken hinunter: Josef!

Das war wirklich die absolute Überraschung gewesen, nicht nur für ihn, auch für Julia und Ricky. Sie hatten sich alle drei gegenüber Josef verdammt blöd verhalten. Nicht nur er, auch Julia, die Gedächtnisweltmeisterin, und sogar Ricky, der Schlaumeier. Das war echt ein fürchterlicher Schock gewesen!

Was hatte Josef gesagt?

„Meine Geheimorganisation heißt Futureworld!“

Und wie er dabei gegrinst hatte! Er habe sich über seine drei Freunde informiert und wisse alles. Das kann doch nicht sein! Wie sollte Josef irgendetwas über Alfa und ihr geheimes Leben erfahren? Woher kannte er überhaupt den Namen Futureworld? Weder Ricky noch Julia waren auf den Kopf gefallen, er, Philip sowieso nicht. Doch nach jener Äußerung hingen drei Kinnladen ratlos nach unten. Und Josef? Natürlich hatte er es bemerkt, schließlich war er schon immer ein durchtriebener Fuchs. Nicht einmal Julia fiel was Kluges ein. Zu dritt standen sie Josef gegenüber wie die Ölgötzen. Statt jedoch sein angebliches Geheimnis aufzuklären, setzte er dem Ganzen noch die Krone auf. Er haute einfach ab und ließ sie stehen. Sein Grinsen war eklig wie selten zuvor.

So ging man doch nicht mit seinen Freunden um!

Dann hatte er sich umgedreht und immer noch gegackert, als die Haustür hinter ihm zufiel.

Philip blickte auf die Uhr. Länger wollte er nicht warten. Eine kurze Alfanote an Julia und Ricky, die umgehend antworteten. Sie vereinbarten ihr Treffen eine halbe Stunde später. Langsam zog Philip seine Schuhe an.

„Wohin gehst du?“, wollte seine Mutter wissen.

„Ich treffe mich mit Julia und Ricky.“

„Hast du denn mit ihnen telefoniert?“

„Verflixt“, dachte Philip, „ab sofort musst du besser aufpassen.“

Er antwortete: „Ja …, das heißt, nein. Wir hatten es gestern schon ausgemacht.“

„Sei bitte rechtzeitig zum Essen zurück“, antwortete die Mutter. Glücklicherweise hatte sie Philips Unsicherheit nicht bemerkt.

Sie trafen sich vor Rickys Haus.

„So idiotisch wie gestern habe ich mich noch nie verhalten“, ärgerte sich Julia anstelle einer netten Begrüßung. „Eigentlich war ich mir sicher, dass mich Josef nie wieder in Verlegenheit bringen könnte. Und dann das.“

„Dazu sag ich gar nichts“, schnaubte Ricky. „Ich schäme mich einfach nur. Und du, Philip?“

„Ttt. Was soll ich sagen“, antwortete Philip, „Josef war uns schlicht und ergreifend überlegen. Uns allen. Punkt. Aus.“

„Wir klingeln jetzt bei ihm“, schlug Ricky vor, „aber nur, wenn ihr euch heute im Griff habt.“

„Wir beide schon, du hoffentlich auch!“, zischte Julia mit entschlossener Miene.

„Ja, ja“, knurrte Ricky, während er bereits über die Straße ging.

Josef öffnete nach wenigen Augenblicken die Haustür, als hätte er auf seine Freunde bereits hinter der Tür gelauert. Er war bester Laune: „Na, wie geht’s euch heute so?“

„Gut, Jo“, ergriff Julia das Wort. „Du wolltest uns was erklären.“

„Genau. Mann, ihr habt´s aber eilig.“ Er grinste schon wieder niederträchtig.

„Ich schlage vor“, Ricky spürte, dass der heilige Zorn in ihm wieder hochkam, „dass du dir dein blödes Grinsen ersparst, sonst bin ich sofort wieder weg. Okay?“

Josefs Gesicht entspannte sich: „Du hast recht, Ricky. Ich wollte gestern einfach herausfinden, wie weit ich euch auf die Palme bringen kann. Ich war doch nicht schlecht, oder? Das soll ab jetzt vorbei sein. Ihr seid meine besten Freunde. Schon immer gewesen.“

„Ist das dein großes Geheimnis?“, wollte Julia spöttisch wissen.

„Nein, bitte, Julia“, antwortete Josef ernst, „das war nur die Einleitung. Ich habe auch ein schlechtes Gewissen, nicht übermäßig, aber schon ein klein wenig.“

„Aha“, bemerkte Philip.

„Also, wie gesagt“, fuhr Josef fort, „ab sofort ist alles anders und wir vier werden nicht nur Freunde bleiben, sondern sogar echte Verbündete werden.“

Philip spürte bereits wieder dieses merkwürdige Kribbeln in der Magengegend. Was würde jetzt kommen?

„Ich hatte gestern kurz erwähnt, dass ich mich einer Geheimorganisation angeschlossen habe“, Josef fixierte seine drei Freunde, „Futureworld ist der Name, könnt ihr euch erinnern?“

Stille. Keiner sagte ein Wort.

„Das ist die reine Wahrheit“, erklärte Josef, „ich bin bereits seit einem Jahr ein Future. Natürlich wisst ihr über Futureworld genau Bescheid, stimmt’s Philip?“

Philips Miene blieb weiterhin regungslos. Man hätte meinen können, er habe Josefs Frage gar nicht gehört.

Josef redete weiter: „Ist mir völlig klar, dass ihr jetzt erst einmal euren Mund haltet, nach diesem ungeschickten Auftritt gestern. Schließlich seid ihr, genau wie ich, zur Geheimhaltung verpflichtet. Aber, wie gesagt, das ändert sich jetzt.“

Julia hüstelte kurz und trocken, dann sagte sie: „Bis jetzt hast du noch nicht sehr viel erklärt, Jo, aber ich glaube, da kann man ehrliche Ansätze erkennen. Rede einfach weiter, bevor wir Stellung nehmen.“

„Gut, Julia, so gehen wir vor“, antwortete Josef. „Um es kurz zu machen, ich war ein ganzes Jahr in Futureausbildung, so wie ihr in der Alfaausbildung. Mein Ausbildungsgroof ist einem ganz vornehmen Internat in der Schweiz angeschlossen, in Chur. Von dem vornehmen Internat wusstest ihr, habe ich schließlich oft genug erwähnt. Aber nichts von meiner Futureausbildung. Ihr hattet mir schließlich auch nichts über Alfa erzählt. Damals stolperte ich über ein Ding, es war mein Kron, wie ich später erfuhr. Dann sprach mich ein Lehrer an. Anfangs druckste er herum, schließlich rückte er damit heraus, ich könnte einer angesehenen Gruppe beitreten. Alles freiwillig. Ja, und dann lernte ich Futureworld kennen. Ich war sofort restlos begeistert. Bei uns ist alles streng geheim, so wie bei euch auch. Meine Eltern wissen natürlich darüber genauso wenig, wie eure Eltern. Vielleicht erinnert ihr euch, dass ich euch Weihnachten ein Geheimnis angedeutet hatte. Heute soll es unser gemeinsames Geheimnis werden. Als Future weiß ich ziemlich gut über Alfa Bescheid, so wie ihr über uns Futures informiert seid. Ich weiß sogar, wer der alte Lex ist, dass er bei euch Alfas Prof-Lex heißt und dass es hier in der Prof.-Rosswald-Straße einen kleinen Groof gibt.“

„Und …, seit wann willst du das alles wissen?“, warf Julia beiläufig ein.

„Nicht wollen, Julia, ich weiß es! Ganz genau seit Philips großem Auftritt vor wenigen Tagen.“

„Ich weiß wirklich nicht, was ich dazu sagen soll“, entfuhr es Ricky.

„Das wundert mich nicht“, nickte Josef, „ich gebe zu, dass ich gestern mit euch gespielt hatte. Ein wenig tut mir das schon leid. Aber schließlich muss jeder von uns lernen, mit Geheimnissen geschickt umzugehen. Ihr seid doch Alfas, oder? Ich konnte mich gestern nicht mehr beherrschen, weil ihr mir so in die Falle gestolpert seid. Das wird aber nie wieder vorkommen, versprochen.“

Philip klappte seinen Mund zu: „Nun …, Jo …, das ist ganz schön viel auf einmal. Fast möchte ich glauben, dass du die Wahrheit sprichst.“

„Ich schwör‘s, Philip. Ich schwör´s wirklich, Julia und Ricky.“

„Und jetzt?“, wollte Philip wissen. Er hatte sich vorgenommen, nie wieder in eine von Josefs Fallen zu tappen und wollte ab sofort umsichtig und geschickt vorgehen.

„Ich habe mir das so vorgestellt“, sagte Josef. „Ihr könnt mich alles fragen, was ihr braucht, um völlig sicher zu sein. Dann haben wir vier echt ein gemeinsames Geheimnis, weil wir zu befreundeten Geheimorganisationen gehören.“ Josef nickte fest, um seine Worte möglichst glaubhaft rüber zu bringen.

„Ich meine“, sagte Julia nachdenklich, „das ist eine sehr gute Idee. Als Erstes möchte ich von dir wissen, wie du deinen geheimen Groof betrittst.“

„In Ordnung“, nickte Josef, „Testfrage angekommen. Also, wir machen das genauso wie ihr. Wir haben einen Kron, bei uns heißt er Futurekron.“ Er zog ihn aus der Tasche und zeigte ihn ohne Scheu seinen Freunden. Vorher blickte er sich jedoch schnell um, um sicher zu sein, dass es keine heimlichen Beobachter gab. „Damit öffnen wir unsere Transferwand und treten ein. Geht genauso wie bei euch. Der einzige Unterschied ist, dass ihr inzwischen den AK2 besitzt und unser Kron noch den Funktionsumfang eures alten Alfakrons hat. Natürlich weiß ich auch, dass Philip einen Megakron besitzt.“

Philip schüttelte den Kopf: „Also, Jo“, er machte eine kleine Pause, „ich muss dich echt bewundern. Du warst schon immer clever, aber jetzt hast du den Vogel abgeschossen. Du wusstest über uns Bescheid und wir hatten von dir nicht die geringste Ahnung.“

Ricky nickte zustimmend: „So sehe ich das auch. Aber ich möchte jetzt, wie ausgemacht, keine Geheimnisse austauschen. Du hast dich auf das heutige Gespräch lange vorbereitet und wir stehen ziemlich doof da. Ich muss die neue Situation erst einmal überdenken, bevor ich vielleicht nochmal irgendeinen Quatsch von mir gebe. Deine Ausführungen klingen glaubhaft, trotzdem brauch ich Bedenkzeit.“

Julia war derselben Ansicht: „Ich stimme Ricky zu. Mein Vorschlag ist, dass wir drei uns beraten, darüber schlafen und morgen mit Jo echt Nägel mit Köpfen machen. Ich denke auch, dass auf uns eine ganz tolle Zusammenarbeit zukommt.“

Natürlich führte sie ihr nächster Weg zum alten Lex in den Rosswaldgroof. Der war leider gerade abwesend. Mister Rex begrüßte sie freundlich: „Schön, euch zu sehen. Und? Zu Hause wieder gut eingelebt?“

„Schon“, begann Philip. „Wir haben gerade eine Riesenüberraschung erlebt. Deswegen sind wir hier.“

Mister Rex stutzte: „Oha, hoffentlich nichts Schlimmes?“

„Wie man´s nimmt“, sagte Julia, „es handelt sich um Josef Wunder.“

„Aha! Kann mir schon denken, was euch bedrückt. Ich habe vorhin eine Nachricht erhalten, dass ein Josef Wunder aus der Prof.-Rosswald-Straße bei Futureworld seine Grundausbildung beendet hat und während der Sommerferien nach Hause kommt.“

„Wieso erhältst du diese Nachricht und wir nicht?“, wunderte sich Ricky.

„Vielleicht seid ihr noch nicht im Verteiler.“

„Soll das heißen“, wollte Philip wissen, „dass Josef jetzt einer von uns ist?“

„Könnte man sagen“, antwortete Mister Rex.

Philip schüttelte ungläubig den Kopf.

Mister Rex fuhr fort: „Ich wollte es auch nicht glauben. Der Josef! Ausgerechnet der Josef. Ich kenn ihn wirklich gut, wenn auch nur als Hund. Er hat mich gehasst! Aber es stimmt. Ich habe nochmal nachgefragt. Josef soll bei den jungen Futures sehr angesehen sein.“

„Wir könnten mit ihm mal hierherkommen“, schlug Julia vor, „und über alles reden.“

„Nein, leider nicht“, entgegnete Mister Rex. „Josefs Futurekron ist zu unserem AK2 noch nicht kompatibel und Josef wird vom System als NoKron eingestuft. Deshalb kann er die Transferwand nicht öffnen. Das dauert noch.“

„Dürfen wir denn mit ihm über alles reden?“ Philip konnte es noch immer nicht glauben.

„Ja, dürft ihr“, sagte Mister Rex. „Aber Vorsicht! Immer aufpassen, damit euch niemand belauscht. Okay?“

Sie nickten zustimmend und verschwanden nach kurzer Zeit.

2. Georgs Gemeinheit

Philip betrat seine Wohnung, tief in Gedanken versunken.

Die Mutter bemerkte es: „Worüber grübelst du, Philip? Hast du Sorgen?“

Philip konnte darauf nicht ehrlich antworten, deshalb sagte er: „Ach, ist nur wegen Josef.“

„So? Ist mit Josef irgendetwas nicht in Ordnung? Ich hab ihn noch gar nicht gesehen.“

„Nein, nein“, wehrte Philip ab, „er hat von seinem Internat in der Schweiz erzählt. Er ist total begeistert.“

„Aber ihr seid doch lieber im Bavaria, oder?“

„Klar“, Philip grinste schon wieder.

„Dann ist ja alles in Ordnung.“

In diesem Augenblick betrat Georg die Wohnung. Sein Gesicht war mal wieder feuerrot. Philip schwante nichts Gutes. Georg schien fuchsteufelswild zu sein. Ohne Vorwarnung donnerte er los: „Jetzt reicht´s mir aber …“

Carola Saller, Philips Mutter, schaute ihn entsetzt an: „Georg! Ist dir was passiert? Ist dir nicht gut? Bist du verletzt?“

„Quatsch!“, zischte Georg, „bin doch nicht verletzt! Aber der alte Grufti! Dieser verdammte Mistkerl! Jetzt ist endgültig Schluss!“

Philip sank auf den nächsten Stuhl und starrte Georg entsetzt an. Es war ihm auf der Stelle klar, wen Georg meinte.

„Hat er dir was getan?“, rief Carola, die ebenfalls sofort an den alten Lex dachte, „hoffentlich nicht sein großer Hund? Wir haben hier sowieso viel zu viele Hunde.“

Trotz seines Entsetzens musste Philip die Luft anhalten, um nicht laut loszubrüllen. Ausgerechnet Mister Rex! Seine Mutter war so lieb und nett und so ahnungslos.

„Ach was. Doch nicht dieser humpelnde Köter, der ist genauso klapprig wie sein Tattergreis. Dem Hundsviech trete ich in den Arsch, wenn es mich angreift!“

„Dann beruhige dich, Georg, bitte! Komm, setz dich zu mir, vielleicht möchtest du eine Tasse Kaffee. Und erzähl in Ruhe. Wir kriegen das wieder hin.“

Schnaufend und noch immer total aufgebracht, ließ sich Georg auf einen Küchenstuhl fallen: „Die Nachbarn da vorne …“, Georg deutete in die Richtung des Hauses des alten Lex, „haben sich zusammengetan und mich um Unterstützung gebeten.“

Georg nickte selbstgefällig.

„Ausgerechnet dich, Georg?“, wunderte sich Carola, „du bist doch tagsüber immer auf der Arbeit und kriegst hier nichts mit. Seit wann bitten dich …?“

„… sie wollen das nicht mehr länger hinnehmen, die Familien Moser und Kraus und die Witwe Huber. Und die wissen …, also sie meinen, dass ich …“, er wischte den Gedanken zur Seite, „also ich soll die Sache in die Hand nehmen und das werde ich auch tun. Sehe ich als meine Pflicht an, als junger, tatkräftiger Mann. So, das war´s, Ende!“

„Ja was denn überhaupt?“, wollte Carola wissen, „wenn du vom alten Grufti redest, meinst du doch gewiss den alten, harmlosen Lex?“

Georg sprang entsetzt auf: „Alter, harmloser Lex? Du tickst wohl nicht richtig. Das ist ein Verbrecher. Der hat einen Gefangenen im Haus. Die Leute beobachten das seit längerer Zeit. Und jetzt muss endlich Schluss sein! Morgen gehe ich zur Kripo und zeige ihn an. Dann wird dieses verrottete Anwesen endlich mal gründlich gefilzt. Wir werden ja sehen, welches arme Schwein er da gefangen hält. Mir ist der schon lange ein Dorn im Auge. Ich weiß, dass da einiges nicht stimmt. So verhalten sich niemals normale Menschen. Und unsere Kinder verdirbt er auch. Kaum haben die Ferien begonnen, schleicht er bereits wieder um unsere Kinder herum. Carola, ich werde hier in der Prof.-Rosswald-Straße endlich mal für Ordnung sorgen!“

Nach dieser langen Rede sank Georg erschöpft in sich zusammen.

Philip kämpfte gegen eine Ohnmacht. Er atmete mehrmals tief, um frischen Sauerstoff in seine Lungen zu pumpen. Jetzt musste er unbedingt durchhalten.

Carola war ebenfalls längere Zeit sprachlos. Dann sagte sie: „Lieber Georg, du bist ja völlig durchgedreht. Der alte Lex ist ein alter, harmloser Mann, ich weiß das. Wir Frauen beobachten ihn auch, da ist gar nichts dran. Er ist ein wenig verschroben, sonst nichts. Bitte Georg, lass das bleiben. Wir haben doch im Augenblick wirklich genügend andere Probleme zu bewältigen. Unser Herd spinnt. Das Wohnzimmer sollte endlich gemalert werden, das Türschloss klemmt, ein Küchenstuhl wackelt, und und und!“

Georg fluchte leise, schüttelte entschieden den Kopf und verschwand in seinem Zimmer: „Ich hab´s den Nachbarn zugesagt.“

In Philips Kopf rotierten die Gedanken wild durcheinander. Er wusste, dass Georg unnachgiebig war, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Philip musste dringend nachdenken und einen Entschluss fassen. Wenn es Georg schaffte, dass die Kripo das Grundstück des alten Lex durchsuchte, dann bestand höchste Gefahr für die gesamte Alfaorganisation. Langsam stand er auf.

Die Mutter hatte Philips blasses Gesicht bemerkt: „Mach dir deswegen keine Sorgen“, versuchte sie ihn zu beruhigen. „Ich rede nochmal mit Georg.“

Cool bleiben, dachte Philip und entgegnete: „Ja, ja. Ist schon in Ordnung.“

In seinem Zimmer angelangt, schob er vorsichtshalber einen Stuhl unter die Türklinke. Er durfte jetzt nicht überrascht werden. Schnell holte er seinen AK2 aus der Tasche und schrieb an Prof-Lex und zur Info an Julia und Ricky:

Hallo Prof-Lex,

der Teufel ist los. Mein Stiefvater Georg will Sie morgen bei der Kripo anzeigen, weil Sie angeblich einen Gefangenen in Ihrem Haus festhalten. Ihre Nachbarn, Familie Kraus, Familie Moser und die Witwe Huber haben sich an Georg gewandt und ihn um Unterstützung gebeten.

Ich glaube, Sie müssen irgendwas tun, aber was? Mir fällt nichts ein. Gegen Georg bin ich immer der Verlierer. Soll ich ihn vielleicht mit stone…? Aber was mache ich dann mit ihm?

Gruß

Philip

Die erste Reaktion kam von Julia:

Hi Philip,

hoffentlich geht das nicht schief? Ich meine für Alfa. Mir fällt auch nichts ein.

Gruß Julia

Ricky antwortete nur kurze Zeit später:

Hallo Philip,

vergiss stone, damit versaust du alles!

Hab auch keine Ahnung, was los ist. Hirnrissig, dass Prof-Lex einen Gefangenen halten soll. Die Witwe Huber ist sowieso durchgeknallt.

Gruß Ricky

„Das hilft uns auch nicht weiter“, murmelte Philip, als bereits die Nachricht von Prof-Lex kam, ebenfalls mit Verteiler an Julia und Ricky.

Hallo Philip,

Ich weiß bereits Bescheid. Die haben auf der Straße dermaßen rumgeplärrt, dass ich jedes Wort verstehen konnte.

Kurz, damit ihr über die Ursache informiert seid: Leider war Mister Rex ein paarmal unvorsichtig. Er dachte, dass mein Garten so verwildert ist, dass keiner reinschauen kann. Irrtum, sie haben ihn gesehen und wilde Vermutungen angestellt.

Folgendes Vorgehen:

Ab sofort bitte zur Vorsicht keinen Kontakt mit mir. Ich melde mich, sobald eine Entscheidung gefallen ist. Dr. Braun ist hier, wir arbeiten gerade einen Plan aus, damit Alfa nicht in Gefahr gerät.

Danke für deine Aufmerksamkeit. Vielleicht war es gut, dass dein Stiefvater so erregt war. Nun wissen wir, was auf uns zukommt. Alfa wird die Sache regeln.

UND: Auf keinen Fall stone einsetzen!

Gruß an euch drei.

Lexmiller

Nach wenigen Minuten kamen zwei ANs, eine von Julia, die andere von Ricky. Beide schlugen ein sofortiges Treffen vor. Philip steckte den Kopf in die Küche, wo Mutter verschiedene Arbeiten erledigte: „Ricky hat herübergewinkt. Ich treffe mich kurz mit ihm und Julia.“

Die Mutter lächelte: „Dann ist ja wohl die größte Aufregung überstanden?“

„Na klar“, antwortete Philip und verschwand.

Sie redeten sich die Köpfe heiß, ohne irgendeine vernünftige Idee. Schließlich meinte Julia: „Was haltet ihr davon, wenn wir Josef runterklingeln?“

Beide nickten und Josef kam auch sehr schnell.

„Ist was?“, lächelte er nett.

„Und ob“, antwortete Philip, „komm Jo, lass uns ein Stück von hier weggehen, dann berichten wir dir.“

Sie informierten Josef über die Beobachtungen der Nachbarn, auch darüber, dass Mister Rex die ganze Dummheit ausgelöst hatte, und natürlich auch über Georgs sogenannte Hilfsbereitschaft.

Josef kicherte: „Ich kenn sogar das Geheimnis von Mister Rex.“

Philip ging darauf nicht ein: „Wenn Georg Prof-Lex eins auswischen kann, dann ist er sogar hilfsbereit.“ Deutlich leiser fügte er hinzu: „Ich wünschte, er wäre auch bei mir einmal ein klitzekleines bisschen hilfsbereit. Aber mich scheißt er am liebsten zusammen.“

„Also ich finde es so toll, dass ihr mich jetzt einbezieht“, Josef war total begeistert, „habt ihr früher nie gemacht, obwohl ich manches vermutet hatte.“

„Ging doch nicht, Jo“, ereiferte sich Julia, „du hast uns auch nie etwas von Futureworld erzählt.“

„Durfte ich nicht, genau wie ihr.“

„Das ist jetzt kalter Kaffee“, bemerkte Ricky, „wir sollten uns besser Gedanken machen, wie wir Prof-Lex aus der Patsche helfen können.“

„Philip hatte zuerst daran gedacht, Georg zu stonen“, erwähnte Julia.

„Du kannst stonen?“, rief Josef überrascht, „das können bei uns nur ganz Wenige.“

„Er hat doch einen Megakron“, warf Julia ein. „Du weißt doch, was das ist.“

„Natürlich. Haben wir auch, ich aber nicht.“

„Georg zu stonen wäre absoluter Blödsinn“, Ricky schüttelte den Kopf, „da liegt er ein paar Stunden rum und dann …?“

„Ist mir klar“, stimmte Philip zu, „am nächsten Tag bin ich endgültig erledigt. Georg steckt mich in die Klapsmühle oder sonst wohin.“ Ein breites Grinsen huschte über Philips Gesicht: „Wünschen würde ich es ihm schon. Könnt ihr euch vorstellen, wie der bedient wäre?“

„Soll ich mal mit Georg reden?“, schlug Josef vor. „Wenn ich ihm erkläre, dass mein Vater mit dem alten Lex auch keinen Stress mehr hat, könnte ich ihn vielleicht besänftigen.“

„Dein Vorschlag ist nicht schlecht“, antwortete Ricky. „Philip weiß besser, ob das was bringt.“

„Nein, auf keinen Fall“, mit einer eindeutigen Handbewegung verwarf Philip diesen Gedanken, „dann dreht er erst richtig durch. Wenn sich Georg was in den Kopf gesetzt hat, ist er stur wie ein Panzer. Außerdem hat er es angeblich den Nachbarn versprochen. Wie steht er da, wenn er jetzt kneift.“

„In den Groof kann ich nicht mit euch“, Josef überlegte krampfhaft, „weil mein Kron noch nicht synchronisiert ist. Dann könnten wir mit dem alten Lex beratschlagen.“

„Geht sowieso nicht“, antwortete Julia. „Er hat uns mitgeteilt, dass wir zur Sicherheit vorübergehend jeden Kontakt vermeiden sollen, er meldet sich wieder.“

„Au verdammt“, bemerkte Josef, „dann ist das jetzt richtige Schweinekacke.“

Julia, Philip und Ricky bogen sich vor Lachen, Josef stutzte, schließlich stimmte er ein. Wie schön, wenn man echte Freunde hat und es keine Geheimnisse mehr gibt.

Am nächsten Morgen erwachte Philip bereits, als es noch dunkel war. Er hatte sich vorgenommen, Georg ganz genau zu beobachten. Es durfte ihm kein Wort entgehen, bevor er zur Arbeit aufbrach. Er schlief äußerst unruhig. Immer wieder wachte er auf, bis er hörte, wie Georg im Bad rumorte. Von diesem Augenblick an war die Ferienmüdigkeit vorbei. Er öffnete leise seine Tür und hielt den Atem an, als Georg mit seiner Mutter redete. Jedoch kam ein echtes Gespräch nicht zustande. Georg war mürrisch wie selten. Kurz bevor er die Schuhe anzog, sprach ihn Carola an: „Hast du dir überlegt, ob du heute wirklich so brutal vorgehen willst? Wenn du das machst, redet die ganze Straße über uns. Bitte Georg, überleg es dir noch einmal.“

Georgs Antwort glich mehr dem Knurren eines Hundes: „Hab´s versprochen“, verstand Philip. Dann knallte die Tür zu und Georg war verschwunden.

„Ich hab´s leider nicht geschafft“, sagte die Mutter, als Philip beim Frühstück saß, „aber vielleicht schicken sie ihn wieder nach Hause, wenn er zur Polizei geht und sein Märchen erzählt.“

„Er will zur Kripo gehen, nicht zur Polizei“, erklärte Philip, „die warten nur auf solchen Unsinn, damit sie sich wichtigmachen können.“

Die Mutter nickte stumm.

Doch an diesem Tag passierte überhaupt nichts. Philip hoffte, dass Georg es sich anders überlegt hatte. Trotzdem traf er sich mit seinen Freunden und sie besprachen die ganze Angelegenheit noch einmal in allen Einzelheiten. Sie trauten sich weder den Rosswaldgroof zu betreten, noch Prof-Lex eine AN zu schicken. Da der Tag so ruhig verlaufen war, vermuteten die Freunde schließlich, dass die ganze Sache erledigt war.

Am Abend, als Georg nach Hause kam, gab es auch keine echten Informationen. Die Mutter wollte wissen: „Und Georg? Was geschieht jetzt mit dem alten Lex?“

„Was weiß ich!“, er war immer noch ziemlich übel gelaunt.

„Das mach ich bald nicht mehr mit“, murmelte Carola.

Der Abend verlief in gespannter Stimmung, der nächste Morgen nicht viel besser. Um sieben Uhr dreißig verließ Georg die Wohnung und machte sich auf den Weg zu seiner Arbeitsstelle.

Genau um neun passierte es. Eine Kolonne dunkler Limousinen bog in die Prof.-Rosswald-Straße ein. Ohne Blaulicht und ohne Martinshorn kamen sie von links und stoppten direkt vor dem Anwesen des alten Lex. Es waren sieben Fahrzeuge. Die Türen wurden aufgerissen und eine Menge Beamter in Zivil stürmte zum Gartentor des alten Lex. Der erste, ein Bulle von einem Mann, trat mit einem gewaltigen Stoß die Gartentür ein und dann stürmte die ganze Meute das Grundstück.

Alle beobachteten es, in der Prof.-Rosswald-Straße hatte es noch nie einen vergleichbaren Auflauf gegeben. Viele Bewohner verließen ihre Häuser, um alles genau zu beobachten, andere lugten heimlich hinter ihren Gardinen hervor.

Niemand traute sich näher an das Grundstück des alten Lex heran, auch Philip und seine Freunde nicht. Das ganze Spektakel dauerte bis um zwölf Uhr. Philip saß in seinem Zimmer und bibberte. Immer wieder schaute er auf die Uhr, die Zeit verstrich im Schneckentempo.

Plötzlich, so wie der Spuk begonnen hatte, war er vorbei. Die vielen Beamten verließen Lex‘ Grundstück, ohne Lex und ohne Mister Rex, starteten ihre Fahrzeuge und waren kurz danach verschwunden. Die Prof.-Rosswald-Straße umgab wieder die gewohnte Stille.

Die drei Freunde trafen sich nach dem Mittagessen hinter dem Haus und rätselten. Als kurze Zeit später Josef auftauchte, blickten sie ihm erwartungsvoll entgegen.

„Weißt du was Neues?“, rief ihm Julia zu.

Josef schüttelte den Kopf: „Ich dachte, ihr vielleicht?“

„Wichtig ist“, meinte Philip, „dass sie Prof-Lex nicht mitgenommen haben.“

Ricky holte seinen AK2 aus der Tasche: „Ich schreib ihm jetzt eine AN. Die Kripo ist doch weg. Ich halte das nicht mehr aus.“

Doch er kam nicht dazu, weil auf drei AK2s eine gleichlautende Nachricht eintraf:

Hallo ihr Drei,

ist für Alfa gerade nochmal gut gegangen. Leider mit einem herben Verlust, ging nicht anders. Wir haben von hier keinen Eingang zum Rosswaldgroof mehr. Vielleicht ist es möglich, dass ihr euch morgen gegen 11 Uhr hinten an der Kurve aufhaltet. Ich gehe spazieren und wir könnten uns zufällig treffen. Wir müssen jetzt wahnsinnig vorsichtig sein.

Bis dann, Lexmiller

3. Der Rosswaldgroof

Das haut mich um!“ Ricky schüttelte den Kopf. „Das kann doch nicht wahr sein. Was sagt ihr dazu?“

Mit besonders langem Hals hatte es Josef geschafft, mitzulesen: „Wieso denn das?“, wunderte er sich. „Die sind doch gegen Mittag friedlich abgezischt.“

„Irgendetwas Schlimmes muss vorgefallen sein“, überlegte Julia. „Was denkst du, Philip?“

„Ich glaub einfach nicht, dass der Rosswaldgroof weg sein soll. Wie denn? Vielleicht hat die Kripo alles entdeckt und versiegelt oder was weiß ich.“

„Dann hätten sie den alten Lex garantiert mitgenommen“, schüttelte Josef den Kopf. „Die gehen brutal vor, wenn sie schon mal so einen Aufwand treiben.“

Julia hob die Hand: „Stopp! Nicht der Groof, der Eingang. Hat er wenigstens geschrieben.“

Die Freunde beschlossen schließlich, sich lustig unterhaltend, doch bis in die Haarspitzen angespannt, am Grundstück des alten Lex vorbeizugehen. Heimlich schauten sie zu dem alten, windschiefen Gartenhäuschen, in dem sich der Eingang zum Groof befand. Es sah unverdächtig aus.

Doch Julia meinte etwas zu beobachten: „Seht ihr den Unrat, der da herumliegt? Der war gestern noch nicht dort. Ich kann mir nicht vorstellen, was das zu bedeuten hat.“

„Vielleicht war das die Kripo“, meinte Josef. „Die haben alles Mögliche rumgeschmissen und auseinandergenommen. Aufräumen gibt’s bei denen sowieso nicht. Darfst du anschließend selbst machen.“

„Kann ich mir nicht vorstellen“, Ricky schüttelte den Kopf. „Irgendwie sieht das merkwürdig aus.“

Sie beschlossen, am nächsten Tag um 11 Uhr Prof-Lex zu treffen, und baten Josef um Verständnis, bei dieser wichtigen Alfainformation nicht dabei zu sein. Er stimmte zu, allerdings ungern.

Als Georg abends von der Arbeit nach Hause kam, schimpfte Carola vorwurfsvoll: „Das alles haben wir nur dir zu verdanken. Hier war heute der Teufel los.“

Georg stutzte: „Was meinst du?“

„Die Kripo war hier. Riesenaufstand. Stundenlang haben sie das Grundstück des alten Lex durchsucht.“

„Und?“

„Nichts. Sind nach drei Stunden wieder abgehauen.“

„Sie haben ihn hoffentlich mitgenommen?“

„Wen, den alten Lex? I wo. Warum auch? Gab keinen Grund. Ich schäm mich richtig für dich.“

Georg brummte: „Wenn alles in Ordnung ist, brauchst du dich für mich nicht zu schämen. Dann war es eine Vorsichtsmaßnahme. Und jetzt wissen wir Bescheid.“

„Wussten wir bereits vorher. Nie kümmerst du dich hier um irgendetwas und plötzlich willst du den großen Macker spielen“, Carola war nicht zu bremsen. „Ich versteh überhaupt nicht, was du dir dabei gedacht hast.“

„Überhaupt nichts. Ich habe nur die Nachbarn unterstützt. Vor allem die Witwe Huber, weil sie sich so gefürchtet hatte. Dann ist ja jetzt alles in Ordnung. Lieber wäre es mir, wenn der alte Scheißkerl hier endlich verschwinden würde.“

„Rede nicht so unanständig. Aber wahrscheinlich schaffst du das auch noch. Und die Witwe Huber ist sowieso nicht mehr ganz in Ordnung. Das weiß jeder hier in der Straße, nur du nicht!“

Philip wollte sich nicht einmischen, die Worte rutschten ihm einfach heraus: „Mir tut der alte Lex sehr leid.“

„Du hältst dich raus, sonst kannst du was erleben“, wetterte Georg.

Die Mutter war mutig: „Philip erlebt mit dir schon genug.“

Als Philip erkannte, dass Georgs Gesicht feuerrot anlief, sprang er auf und verzog sich in sein Zimmer. Die Auseinandersetzung im Wohnzimmer war lautstark und dauerte lange.

Am nächsten Tag trafen sie sich bereits um neun Uhr, um über die Lage weiter nachzudenken. Allerdings kam dabei wieder nichts heraus. Sie konnten sich nicht vorstellen, was der alte Lex damit gemeint hatte: „Wir haben keinen Eingang zum Rosswaldgroof mehr.“

„Ich denke …, nein ich hoffe, dass er sich verschrieben hat“, überlegte Julia. „Vielleicht wollte er schreiben: ‚Sie haben den Rosswaldgroof nicht entdeckt.‘ Das macht für mich mehr Sinn.“

Ricky schüttelte den Kopf: „Prof-Lex verschreibt sich nicht.“

„Dort kommt er.“ Philip deutete nach vorne, wo Prof-Lex mit Mister Rex gerade um die Kurve bog. Als sie sich begegneten, sagte er: „Wir sollten ein Stück zusammengehen, im Augenblick beobachtet uns niemand.“

Julia konnte sich nicht zurückhalten: „Was soll das bedeuten, dass wir den Eingang zum Rosswaldgroof nicht mehr haben? Das war doch bestimmt ein Tippfehler?“

„Leider nicht, Julia. Es ist alles noch viel schlimmer.“

„Wie schlimm?“, wollte Philip wissen.

„Ich erzähl´s euch kurz. Wir haben ein paar fürchterliche Tage hinter uns“, er nickte langsam und enttäuscht. „Als Philip mich über die Absicht seines Stiefvaters informierte, haben wir sofort alle Hebel in Bewegung gesetzt, um herauszufinden, was uns erwartet. Dr. Braun hat schließlich entschieden, dass wir nicht untätig bleiben dürfen. Alfa ist zu wichtig.“

„Und dann?“ Julia war schrecklich aufgeregt.

„Ja …, dann folgte eine Nacht- und Nebelaktion. Kurz nach Mitternacht, als die Prof.-Rosswald-Straße in tiefem Schlaf lag, rückte unsere Alfamannschaft an. Sie haben den Grooflift und alles, was verdächtig sein könnte, abgebaut und weit hinten in meinem Garten vergraben. Die Stelle wurde ordentlich verschlossen und mit altem Holz und Blättern abgedeckt. In meiner alten Hütte wurde danach der Liftschacht mit Erde und Steinen zugeschüttet. Zuletzt suchten wir viel altes Gerümpel und füllten damit das alte Gartenhäuschen. Seitdem gibt es keinen Groofeingang mehr. Wir können unseren Groof zwar von jeder Transitstation weltweit ansteuern, doch hier weder betreten, noch verlassen. So ist das, meine Lieben. Ich bin nicht nur tief traurig, ich bin erledigt.“

Die drei Freunde waren sprachlos.

„Tja“, sagte schließlich Prof-Lex. „So ist das. Die Kripo hat natürlich nichts gefunden. Mein Grundstück wurde von hinten bis vorne durchsucht. Ich habe mich später ein wenig dumm gestellt. Mister Rex hat gehumpelt und geschnauft, da wollten sie von mir fast nichts mehr wissen. Ich glaube, die waren froh, als sie wieder unverrichteter Dinge verschwinden konnten.“

Philip fragte schließlich: „Und jetzt? Was soll jetzt werden. Und was wird aus Ihnen und Mister Rex?“

„Hm“, antwortete er, „wenn ich das wüsste.“

„Sie können von Ihrem Grundstück überhaupt nicht mehr in unseren Groof!“, murmelte Ricky entsetzt. „Sie werden doch überall gebraucht.“

Der alte Lex nickte traurig: „Ich glaube, ich gehe von hier weg. Irgendwohin. Vielleicht in den Bavariagroof. Dr. Braun hat mir auch angeboten, zu ihm nach London zu kommen. Ich weiß es einfach noch nicht.“

„Das ist so schrecklich“, stöhnte Julia.

„Ich habe ein paar Vorkehrungen getroffen, weil ich ja mein Haus nicht einfach in die Luft sprengen kann“, er grinste auf seine bekannt lustige Art. „Philip hatte geschrieben, dass die Witwe Huber vor mir große Angst hätte. Mit ihr hatte ich ein langes Gespräch.“

„Und? Hat sie jetzt keine Angst mehr?“

„Nein, im Gegenteil. Ich war zu ihr sehr nett und freundlich. Daraufhin sagte sie, dass ihr alles furchtbar leid täte. Sie bot mir gleich an, mich in meinem Haus ein wenig zu betreuen. Aber das ginge mir natürlich viel zu weit.“

„Wie haben Sie das hingekriegt?“, wollte Ricky wissen.

„Mir ist nichts Besseres eingefallen. Ich sagte, dass ich noch so geschockt bin, dass ich wahrscheinlich für ein paar Monate von hier verschwinden muss. Vielleicht auf Weltreise. Oder vielleicht auf ein Kreuzfahrtschiff.“

„Mann, ist das lustig“, gackerte Philip.

„Ja, ja. Da bin ich aber zu weit gegangen. Sie hat mir daraufhin angeboten, sich um mein Haus zu kümmern.“

„Macht doch nichts“, bemerkte Ricky. „Sie findet doch nichts mehr.“

„Trotzdem“, antwortete Prof-Lex entschieden. „Das kommt nicht in die Tüte. Ich erklärte ihr, dass mein Neffe sich regelmäßig um mein Haus kümmern würde.“

„Sie haben einen Neffen?“ Nicht nur Julia war überrascht.

„Nein, habe ich nicht. Ich sagte zu ihr, dass Sie den jungen Mann ja schon mehrfach gesehen hätte. Ihr erinnert euch, dass Mister Rex einige Male unvorsichtigerweise das Haus verlassen hatte.“

„Hat sie das geschluckt?“, wollte Philip wissen.

„Klar“, lächelte der alte Lex, „sehr sogar. Jetzt weiß sie auch, dass mit dem jungen Mann alles in Ordnung ist und dass es bei mir keinen Gefangenen gibt.“

„Dann darf Mister Rex auch nicht mehr als Hund erscheinen“, vermutete Philip.

Prof-Lex grinste: „Kaum. Heute zum letzten Mal. Die Witwe Huber würde in Ohnmacht fallen, wenn Mister Rex als Hund kommt und als Mensch verschwindet. Oder umgekehrt.“

„Erklär das mal deinem lieben Georg“, feixte Julia.

„Du meinst, damit er mich mal so richtig verprügelt?“

Julia legte ihren Arm um Philips Schultern: „Ach, du armer Kerl. Soll ich dir helfen? Vielleicht hat Georg vor mir Angst.“

Ricky grinste: „Aber nur, wenn du wieder so wild guckst wie gestern.“

„Dann kommt dir Philip zu Hilfe und stoned Georg“, schlug Prof-Lex vor.

„Ich bin so traurig“, erklärte Julia, „dass ich nicht mehr in unseren schönen Groof kann. Und unser Prof-Lex wird auch weg sein.“

„Schon. Leider“, Prof-Lex schnaufte bitter. „Ein Thema ist zwar erledigt, ich bin sicher, dass die Kripo nie mehr wiederkommt. Trotzdem weiß ich noch nicht, was ich tun soll. Schließlich ist hier mein Zuhause.“

Noch nie hatten die drei Freunde Prof-Lex so ratlos gesehen. Damit sie zu guter Letzt nicht noch jemand beobachtete, verabschiedeten sie sich schnell und gingen in Gedanken versunken nach Hause.

4. Wieder im Bavaria

Auch wenn alles seinen geregelten Tagesablauf ging, herrschte doch auf dem Grundstück des alten Lex heimlich mächtige Betriebsamkeit. Mehrmals kamen irgendwelche, in der Prof.-Rosswald-Straße bisher noch nie gesehenen Fahrzeuge, die Sachen abholten und bald wieder verschwanden. Die Freunde waren überzeugt, dass es sich dabei um Alfas handelte, mit deren Hilfe sich Prof-Lex auf sein neues Leben vorbereitete. Vielleicht ein vorübergehendes neues Leben, denn er hatte erklärt, dass er sein Haus zunächst einmal behalten wolle. Immer wieder tauchte auch Mister Rex als Helfer auf, jedoch nie mehr in Gestalt eines Hundes. Es gab offensichtlich keinen Grund mehr für den Einsatz dieser äußerst wertvollen Alfafunktion. Die drei Freunde konnten es schon heute kaum erwarten, bis sie endlich diese tolle Konvertierungstechnik erlernen durften. Das war für die zweite Alfaklasse angekündigt worden.

Eines Vormittags klingelte es bei Sallers. Philips Mutter öffnete und vor der Tür standen der alte Lex und Mister Rex, dieser natürlich in Menschengestalt. Philip meinte, sofort in den Boden versinken zu müssen. Er konnte es nicht fassen, dass plötzlich zwei Alfas vor seiner Tür standen. Hoffentlich wollten sie ihn nicht mitnehmen und seiner Mutter das Geheimnis verraten. Wie sollte er sich jetzt verhalten? In Philip Gehirn arbeitete es mit Lichtgeschwindigkeit. Gleich würde etwas Entsetzliches geschehen. Doch das Entsetzliche blieb aus.

„Guten Tag, Frau Saller“, grüßte der alte Lex höflich und Mister Rex nickte verbindlich. Lex hatte sein nettestes Lächeln aufgesetzt: „Ich denke, Sie kennen mich.“

„Freilich kenne ich Sie, natürlich nicht so gut wie Philip.“

Philip hielt die Luft an und zwar ziemlich lange.

„Ich möchte mich nur verabschieden“, erklärte der alte Lex freundlich.

„Gott sei Dank“, schoss es Philip durch den Kopf, „Mann, ist der mutig.“

„Sie wissen wahrscheinlich, was auf meinem Anwesen vorgefallen ist?“

Philips Mutter nickte zögernd und abwartend.

„Ich muss leider für einige Zeit von der Prof.-Rosswald-Straße Abstand nehmen und von all jenen Dingen, die über Nacht auf mich hereingebrochen sind. Ich kann einfach nicht mehr!“

„Das kann ich wirklich verstehen“, antwortete Carola Saller und nickte bedauernd, „mir tut das alles auch schrecklich leid. Ich wünschte, ich hätte es verhindern können.“

„Sehr nett von Ihnen, Frau Saller, dass Sie das sagen. Damit sich in der Nachbarschaft niemand Gedanken macht, wollte ich es allen persönlich mitteilen: Mein Neffe“, er deutete auf Mister Rex, „Herr Gruber, wird regelmäßig vorbeischauen und sich während meiner Abwesenheit um mein Anwesen kümmern, Post erledigen, Garten gießen und so weiter. Damit Sie wissen, dass alles seine Ordnung hat.“

„Gut, dass Sie mir das persönlich mitteilen“, antwortete Philips Mutter. „Da fühlt man sich gleich viel sicherer. Wenn Sie irgendetwas benötigen, Herr Gruber, klingeln Sie doch bitte bei mir.“

„Danke vielmals, Frau Saller, das mache ich gerne.“ Mister Rex, also Herr Gruber, wie Philip soeben erfahren hatte, verbeugte sich höflich.

Der alte Lex reichte Philips Mutter die Hand: „Nun will ich auch die übrigen Nachbarn verständigen. Nochmals vielen Dank und auf Wiedersehen. Auf Wiedersehen, Philip. Vielleicht sehen wir uns irgendwann mal wieder.“

„Auf Wieder…“, Philip bemühte sich, doch mehr brachte er nicht heraus. Der Schreck saß zu tief.

Der alte Lex und Mister Rex drehten sich um und klingelten bei Familie Wegg. Philip war sicher, dass Julia in wenigen Sekunden ein ähnlicher Schock treffen würde.

„Ich bin überrascht, wie höflich der alte Lex sein kann, richtig charmant“, murmelte Philips Mutter. „Ich glaube, der ist gar nicht verrü..., ich meine, der ist bestimmt völlig in Ordnung.“

„Sag ich doch immer“, antwortete Philip kurz und zog es vor, in sein Zimmer zu verschwinden. Die Gefahr war zu groß, dass er etwas Unvorsichtiges äußerte.

Die drei Freunde und Josef waren sich später einig, dass Prof-Lex einen richtigen und besonders raffinierten Schritt getan hatte. Nun würde niemand mehr während seiner Abwesenheit sein Grundstück oder Mister Rex argwöhnisch beobachten, wahrscheinlich nicht einmal die Witwe Huber.

„Ich wusste nicht, dass Mister Rex Gruber heißt, vielleicht ist sein Name Rex Gruber“, bemerkte Julia. „Habt ihr das gewusst?“

Philip schüttelte den Kopf, ebenso Ricky.

Georg war die folgenden Tage stiller als sonst, manchmal sogar ein wenig aufgeräumt. Sein schlechtes Gewissen, weil er die Anzeige bei der Kripo erstattet hatte, war nicht zu übersehen. Diese Situation erschien Philip geeignet. Beim Abendessen äußerte er beiläufig: „Ist doch okay, dass ich wieder ins Bavaria gehe, oder?“

Die Mutter hob den Kopf. Philip fügte mutig hinzu, während er seine Mutter genau beobachtete: „Du hast mich nicht abgemeldet. Jetzt muss ich sowieso hin.“

„Schade“, sagte Maria, Philips kleine Schwester.

Georg tat so, als hätte er Philips Bemerkung überhaupt nicht gehört.

Die Mutter lächelte: „Ich habe schon mit Opa gesprochen. Er freut sich, dass es dir im Bavaria so gut gefällt. Klar darfst du wieder hin.“

Georg verschluckte sich gerade an einem Stückchen Käsebrot und verließ hustend den Raum. Die Mutter sagte noch so laut, dass er es hören musste: „Georg besteht auch nicht mehr darauf, dass du in ein anderes Gymnasium wechselst.“

„Er bezahlt es ja auch nicht“, entgegnete Philip mutig, weil Georg nicht mehr im Raum war und grinste gemein.

Die Mutter lächelte zustimmend.

Am nächsten Tag besprachen die vier Freunde die neue Situation.

„Also, damit ihr nicht mehr rumrätseln müsst. Ich darf wieder ins Bavaria“, Philip war fröhlich und ausgelassen wie selten.

„… wäre ja noch schöner, wenn nicht“, murmelte Julia.

„Stand das auf der Kippe?“, wollte Josef wissen.

Philip nickte: „Und ob! Du kennst Georg noch immer nicht, Jo!“

„Doch, doch“, antwortete Josef, „aber ich dachte, dass ihn das gar nichts angeht, weil dein Opa bezahlt.“

„Schon. Aber er kann echt gemein sein, wenn ihn der Hafer sticht“, sagte Philip. „Im Augenblick traut er sich nicht mehr so widerlich aufzutrumpfen, weil er die Kripo zu Prof-Lex gehetzt hat und alles ein Reinfall gewesen ist. Ein Punkt für mich!“

„Ach so“, verstand Josef.

Ricky zog die Stirn in Falten: „Wieso soll das ein Reinfall gewesen sein? Für die Kripo vielleicht. Aber nicht für Alfa.“

„Für Georg sehr wohl“, erklärte Philip.

„Ich kann mir noch gar nicht vorstellen, wie es mit Prof-Lex weitergehen soll“, überlegte Julia. „Er hat überhaupt nicht gesagt, wo er jetzt wirklich hingeht.“

„Kann er doch nicht, Mann, Julia“, rief Ricky. „Meinst du er erklärt unseren Eltern, dass er für längere Zeit in den Londongroof geht?“

„Das weiß ich auch, Ricky“, schimpfte Julia, „bin doch nicht doof.“

Allmählich näherten sich die Sommerferien ihrem Ende. Die Tage wurden kürzer, die Sonne versteckte sich oft tagelang hinter dicken Wolken und es regnete in Strömen. Am vorletzten Ferientag trafen sich die vier Freunde, um sich zu verabschieden. Natürlich gab es mehr als genug zu besprechen.

Julia hatte vorgeschlagen, hinter der Prof.-Rosswald-Straße zur großen Wiese zu gehen, weil sie dort ungestört reden konnten.

„Ich hau morgen ab, weil es so weit ist“, begann Josef. „Wir bleiben aber in Kontakt, oder?

„Klar, Jo“, antwortete Ricky. „Wir schreiben einfach, wenn es etwas Wichtiges gibt.“

Julia war korrekt wie immer: „Ich meine, wir sollten jetzt unsere Adressen austauschen. Sonst quatschen wir wieder rum und vergessen das Wichtigste.“

Sie waren längst im Umgang mit ihren Krons so geübt, dass alle wichtigen Informationen schnell ausgetauscht und eingetippt waren.

„Sobald unsere Futurekrons an euer neues Alfasystem angepasst sind, lassen wir die Dinger heiß laufen.“

„Einverstanden“, lächelte Philip, „und dann können wir uns auch mal besuchen.“

„Au ja“, rief Josef begeistert, „ich würde euch wahnsinnig gern mal in eurem Bavariagroof besuchen. Ihr müsst aber auch mal zu mir kommen!“

„Versprochen!“, riefen Julia und Philip wie aus einem Munde.

Der letzte Ferientag war angebrochen. Josef startete bereits in den frühen Morgenstunden mit seinem Vater. Philip erwachte gerade in dem Augenblick, als die Wunders mit ihrer schweren Limousine davonpreschten.

Auf dem Grundstück des alten Lex war es still geworden. Die drei Freunde verbrachten ihren letzten Ferientag in der Prof.-Rosswald-Straße. Als sie zum Abschied die Straße entlanggingen, begegnete ihnen Mr. Rex.

„Hallo, Herr Gruber“, gackerte Julia, „wie geht´s denn so?“

Ein breites Grinsen ging über sein Gesicht, er antwortete belustigt: „So habt ihr mich noch nie angesprochen.“

„Wir wussten nicht, dass du Gruber heißt“, bemerkte Ricky. „Eigentlich hast du dich bei uns noch nie richtig vorgestellt“, sagte Philip. „Und? Wie sollen wir dich künftig ansprechen?“

„Alle nennen mich Mister Rex. Ihr könntet es ebenfalls dabei belassen.“

„Na gut, Mister Rex“, entschied Julia.

„Was machst du heute hier?“, wollte Ricky wissen.

„Blumen gießen, was sonst?“

Julia rief erstaunt: „Welche Blumen? Bei euch gibt’s doch keine.“

„Na, dann gieß ich irgendwas Anderes, damit mich die Witwe Huber mal wiedersieht. Wann fahrt ihr ins Bavaria?“

„Morgen“, entgegnete Philip, „ich freu mich riesig. Jetzt kann mich auch Georg nicht mehr zurückhalten.“

Als Philip am nächsten Morgen am Frühstückstisch auftauchte, war Georg noch anwesend: „Na, dann alles Gute, Philip“, sagte er.

Einen Augenblick blieb Philip die Luft weg, blitzschnell überlegte er, ob Georg gerade wieder eine Gemeinheit ausheckte. Doch da schien nichts im Anzug zu sein. Deshalb nickte Philip zufrieden und sagte: „Danke, Georg. Auch für dich alles Gute.“

Dann fiel die Tür zu, Georg war auf dem Weg zu seiner Arbeit und damit war für Philip endgültig der Weg ins Bavaria frei.

Ricky saß im Auto seiner Mutter.

Philip, seine Mutter und Maria fuhren im Auto mit Julia und ihrer Mutter.

„Das ist super, dass ihr mich begleitet“, freute sich Philip und lächelte seine Mutter an.

„Wenn ich älter bin, komme ich auch ins Bavaria“, erklärte Maria.

„Aha“, beinahe hätte sich Philip verschluckt.

Als sie sich dem Bavaria näherten, sprühten Philip und Julia bereits voller Begeisterung.

„Ich dachte wirklich, du bist traurig, weil du uns wieder für lange Zeit verlässt?“, wunderte sich Julias Mutter.

„Doch. Schon“, antwortete Julia. „Aber du weißt doch, wie gerne ich im Bavaria bin. Philip auch.“

„Das Bavaria muss schon was Besonderes sein“, murmelte Philips Mutter nachdenklich. „Hat das was mit Georg zu tun?“

Philip schüttelte den Kopf. Er und Julia grinsten sich an und schwiegen.

Am Tor der Bavaria Residenz standen Jordan und Max.

„Holla“, rief Jordan, als er die Autos sah: „Wichtige Leute kommen natürlich mit Gefolge. Zwei Autos müssen das mindestens sein.“

„Und werden auch gebührend empfangen“, gackerte Julia.

„Julia!“, beanstandete ihre Mutter.

„Schön, dass Sie uns die drei Superschüler persönlich bringen“, antwortete Jordan. „Sie können sich gar nicht vorstellen, Frau Wegg, wie schrecklich langweilig es hier die letzten Wochen war.“

„Na, na. Das kann ich mir nicht vorstellen“, Julias Mutter musterte ihn kritisch.

Jordan und Max packten die Koffer, wuchteten sie auf eine Sackkarre und verschwanden.

„Ich denke, unsere Kinder sind hier wirklich bestens aufgehoben. Meint ihr nicht auch?“ Philips Mutter war glücklich.

Frau van Daahlen, Rickys Mutter, stimmte zu: „Davon bin ich auch überzeugt.“

Nach einem liebevollen Abschied starteten Sandra Wegg und Frau van Daahlen ihre Autos und die drei Mütter und Maria traten die Heimreise an.

Julia ging Richtung Haus B und Philip und Ricky in ihr Zimmer in Haus C.

Als sie die Zimmertür erreichten, machte Philips Herz einen gewaltigen Satz. Hier fühlte er sich richtig zu Hause. Vielleicht auch nur wegen Georg. Wäre der zu ihm ein kleines bisschen netter, wäre es vielleicht ein wenig anders.

„Du grinst wie ein Honigkuchenpferd“, lachte Ricky.

„Guck dich selbst an“, war die Antwort.

Als sie die Tür öffneten, kam ihnen Kilian entgegen: „Endlich seid ihr da! Warte bereits eine Ewigkeit.“

„Warst du sehr traurig?“, wollte Ricky wissen.

„Was heißt traurig. Hier gibt’s schon wieder Neuigkeiten.“

„Dann raus damit!“ rief Philip.

„Linus ist weg, ist ja bekannt. Stefan Lagerstein bewohnt nun das Zimmer allein. Stefan soll entweder zu uns umziehen, oder einer von uns zu Stefan. Was sagt ihr dazu?“

„Verrückt! Kommt nicht in Frage“, antwortete Ricky. „Was meinst du, Philip?“

„Hm.“

„Na, dann ist ja alles klar“, Kilian fuchtelte in der Luft herum.

„Du überfällst mich mit so einer wichtigen Frage und ich soll ohne nachzudenken eine Entscheidung treffen“, maulte Philip.

„Entscheidung, Entscheidung!“ entgegnete Kilian. „Du sollst nicht entscheiden, sondern deine Meinung sagen.“

„Ich bin dagegen! Unser Zimmer ist zu klein.“

Sie beschlossen, darüber mit Jordan zu besprechen.

Immerhin gab es ein brandwichtiges Thema, von dem Kilian nicht die geringste Ahnung hatte: der Rosswaldgroof.

„Bei uns war wieder der Teufel los, Kilian“, begann Philip.

„Ach?“ Kilian riss erstaunt die Augen auf. „Ihr habt wieder ein Abenteuer erlebt. Wieder ohne mich. Ihr seid vielleicht gemein!“

„Mann, du denkst wohl an nichts Anderes mehr. Ricky erzähl du‘s!“, rief Philip ärgerlich.

„Von mir aus“, schnaufte Ricky und berichtete in allen Einzelheiten von Georgs gemeiner Tat, von der Gefahr, in der Alfa schwebte, wie über Nacht der gesamte Eingang des Rosswaldgroofs geschlossen werden musste und am nächsten Tag die Kripo alles auf den Kopf stellte.

„Und?“, wollte Kilian zuletzt wissen, „haben sie was entdeckt?“

„I wo“, antwortete Ricky, „keine Spur. Aber wir haben jetzt keinen Eingang mehr. Und Prof-Lex weiß noch nicht, wo er hinsoll.“

Kilian schüttelte entsetzt den Kopf: „Dein Georg ist ein richtiges Arschloch.“

„Klar ist er das“, stimmte Philip zu. „Aber er ist nicht mein Georg. Wenn ich könnte, würde ich ihn auf den Mond schießen.“

„Stone ihn doch hin“, schlug Kilian vor.

Das herzhafte Lachen wurde durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen.

„Komm rein, Jordan“, rief Kilian, er grinste immer noch von einer Backe zur anderen.

Die Tür wurde aufgestoßen und er blieb abwartend vor der Tür stehen. Philips Nackenhaare sträubten sich, als er ihn erblickte. Gerade war es noch so lustig gewesen und jetzt das!

Vor der Tür stand Sylvester Blab, Philips Feind. Keiner der drei Freunde sagte ein Wort, Sylvester blieb abwartend an der Tür stehen.

„Wenn du mit uns reden möchtest, kommst du am besten rein.“ Kilian versuchte die peinliche Situation zu retten.

„Ha... Hallo“, sagte Sylvester kleinlaut und trat ein paar Schritte näher. „Wenn ich euch nicht störe …?“

Ricky beschloss, die Sache in die Hand zu nehmen, da er bemerkt hatte, dass Philip inzwischen krebsrot angelaufen war: „Nein, nein, du störst überhaupt nicht“, antwortete er. „Was gibt’s denn Wichtiges?“

„Ist nur wegen Jordan“, stöpselte er herum.

„Und warum kommt er nicht selbst“, wollte Kilian wissen, „ist er krank?“

„Nein, ist er nicht. Aber er meint, ich soll mit Philip Frieden schließen.“

„Ich habe überhaupt keine Ahnung, warum wir keinen Frieden haben“, murrte Philip. „Du rempelst mich an, du bedrohst mich und deine Bemerkungen …“

„Welche meinst du?“

„Beim Engoal“, schimpfte Philip, „schon wieder vergessen? Ich renn bis zur Erschöpfung und du fauchst mich an, ich soll mitspielen. So was Schäbiges. Dabei kenn ich dich kaum.“

„Ja, deswegen bin ich jetzt hier.“ So kleinlaut hatten sie den immer drohend auftretenden Sylvester noch nie erlebt. „Jordan hat gesagt, er hilft mir. Und er hätte dir schon erklärt, dass du meinem schlimmsten Feind von früher ähnlich siehst. Immer wenn ich dich sehe, drehe ich durch.“

Kilian kicherte: „Das ist ein toller Beginn einer neuen Freundschaft.“

„So habe ich es nicht gemeint“, natürlich hatte Sylvester Kilians Bemerkung genau verstanden. „Ich wollte nur sagen, dass es mir leidtut, weil wir immer super zusammengespielt haben. Philip ist beim Engoal echt spitze.“

„Hört, hört, ganz neue Töne“, wunderte sich Kilian.

Ricky kicherte seit einiger Zeit: „Also, ihr beiden. Ich schlage vor, ihr gebt euch die Hand. Dann muss Sylvester nicht länger rumdrucksen. Immerhin sind wir jetzt keine Fundamentals mehr. Du sowieso schon lange nicht mehr.“

„Eben“, bemerkte Sylvester. „Ich bin jetzt in der Vierten und da müssen wir Vorbild sein. Hat Jordan gesagt.“

Nach kurzem Herumdrucksen war die Angelegenheit erledigt. Anscheinend froh über den glimpflichen Ausgang, verschwand Sylvester so schnell wie möglich.

„Und, Philip?“, grinste Ricky, „zufrieden?“

Philip schüttelte den Kopf: „Zuerst verstehe ich nicht, warum der zu mir immer so ekelhaft ist, und jetzt wundere ich mich über seine Hundertachtziggradwende.“

Der erste Schultag war lustig, es gab viel zu erzählen. Sarah erschien, wie immer strahlend, in einem neuen violetten Pullover. Eine schöne Farbe. Natürlich bemerkte sie leise lächelnd die anerkennenden Blicke der drei Jungs, Philip, Ricky und Kilian.

Die Geschwister Anna und Chris Boning kamen kurz vor der ersten Pause hereingekeucht: „Tschuldigung, Herr Professor“, rief Chris, „bitte entschuldigen Sie. Staus ohne Ende. Mein Vater ist gefahren wie ein Verr…“

„… ist schon in Ordnung.“ Professor Wulf Vorhuf war nett und freundlich wie immer und deutete den Geschwistern, Platz zu nehmen. Dort wurden sie von ihren Tischnachbarn Pauline und Fabian aufgeregt empfangen: „Wir dachten schon …“ flüsterte Fabian, doch Chris winkte ab.

Professor Vorhuf, der Klassenleiter, begann mit Geografie. Vorher erwähnte er kurz: „Vielleicht wissen es einige bereits. Euer Lehrer für Deutsch und Latein, Professor Qualtus, ist nicht mehr an unserem Institut. Er wurde leider versetzt.“

Philip und seine Tischnachbarn grinsten sich unmerklich an. Sarah flüsterte: „Habt ihr gehört? Man bezeichnet das als versetzt.“

„Und zwar leider!“ bemerkte Ricky.

„Rausgeschmissen haben sie ihn“, flüsterte Kilian zurück. Sarahs scharfer Blick ließ ihn verstummen.

„Wir haben eine neue Lehrkraft für diese beiden Fächer“, fuhr Professor Vorhuf fort, „sein Name ist Raffael König. In der nächsten Stunde lernt ihr ihn kennen.“

Dann lernten sie ihn kennen. Als Raffael König den Klassenraum betrat, stockte einigen Schülern der Atem. Er war lang, dürr und mit einer Nase ausgestattet, die eher an einen Geier erinnerte. Einen ähnlichen Eindruck machten auch seine Augen. Er trat nicht aufrecht herein, wie die meisten Lehrkräfte, sondern schlich gebückt, ähnlich einer Katze.

„Na toll“, bemerkte Kilian, „Latein könnte mein Lieblingsfach werden.“

Endlich Freitagabend.

„Ich dachte schon, wir werden nie wieder Groofunterricht haben“, sagte Kilian.

Ricky stand auf: „Jetzt kommt schon, oder wollt ihr die Letzten sein?“

Als sie den Zentralbereich betraten, waren bereits viele Alfas anwesend. Jordan grinste fröhlich: „Dass ihr hier auch mal wieder auftaucht?“

„Ich bin so froh, wieder hier zu sein“, antwortete Philip. „Warum hast du uns nicht wenigstens ein einziges Mal im Rosswaldgroof besucht?“

„Hatte keine Zeit“, Jordan zuckte die Schultern, „und jetzt geht sowieso nichts mehr.“

„Ist Prof-Lex hier?“, wollte Philip wissen.

„Klar, wirst ihn schon sehen.“

„Wohin sollen wir gehen?“, fragte Ricky, „unser alter U1 ist bestimmt für die Neuen reserviert, oder?“

„Du sagst es. Wir gehen in die Groofbibliothek. Dort findet die allgemeine Begrüßung statt. Frau Walster hat leckere Sachen hergerichtet.“

„Da wird sich Nicole Brantner freuen.“

„Du nicht?“

„Und ob.“ Philip lief schon jetzt die Spucke im Mund zusammen.

Die meisten Plätze waren bereits besetzt. Philip schaute sich um. Die frühere vierte Alfaklasse fehlte natürlich komplett.

„Die sind wirklich nicht gekommen.“ Ricky stupste Philip an. Der nickte: „Ist doch klar. Robert hat gesagt, er besucht uns öfter mal, er kann jedoch nicht immer hier sein.“

Die Groofbibliothek war festlich gestaltet. Tische mit weißen Tischdecken und brennenden Kerzen ließen sofort eine angenehme Stimmung aufkommen. Aus dem Hintergrund ertönte sanfte Musik.

„Schöne Musik“, sagte Kilian, „wie von einem anderen Stern.“

„Das wird Alfamusik sein“, vermutete Philip.

„Woher weißt du das?“, antwortete Ricky.

„Ich weiß es nicht, ist aber schön.“

Fiona, Julia, Nicole, Sarah und Sophie hatten einen schönen Tisch belegt. Sarah winkte: „Kommt her, ich habe auch für euch reserviert.“

Die drei Jungen setzten sich und dann erschien Stefan Lagerstein: „Mann, ihr seid schon alle hier. Ich dachte, ich bin der Erste.“

„Jetzt sind wir neun vollzählig“, erklärte Sarah.

Stefan grinste spöttisch. Sarah bemerkte es, sagte jedoch kein Wort.

„Bei uns ging‘s mal wieder richtig zur Sache“, begann Ricky.

Die Mädchen waren total überrascht, nur Julia nickte bestätigend. Kilian rief: „Und wieder ohne mich! Kein Mensch informiert mich, wenn‘s bei euch wieder kracht.“

„Nicht bei uns“, erklärte Ricky, „das war eine Alfasache. Also schon bei uns.“

„Ja, was jetzt, bei euch oder nicht bei euch?“ stutzte Stefan.

Ricky begann zu berichten, wie die Kripo bei Prof-Lex aufgetaucht war und mit einem Haufen Alfas nachts der Eingang zum Rosswaldgroof entfernt wurde.

„So etwas kannst du doch nicht so einfach verschwinden lassen“, zweifelte Fiona.

„So einfach war das auch nicht. Wahrscheinlich waren das hundert Alfas oder mehr. Sie bauten alles ab und vergruben die wertvollen Teile weit hinten im Garten von Prof-Lex. Darüber wurde Geröll geschaufelt. Bei Prof-Lex ist das nicht verdächtig, das gesamte Grundstück sieht sowieso aus wie eine Müllhalde. Ja, und schließlich wurde der Liftschacht zugeschüttet, der Boden in der alten Hütte wieder eingesetzt und die ganze Hütte mit Gerümpel zugepfeffert. Die Kripo hat zwar den ganzen Vormittag gefilzt, aber nichts gefunden.“

Kopfschüttelnd lehnte sich Sarah zurück, sie konnte es nicht zu fassen.

„Habt ihr eine Ahnung, warum die Kripo überhaupt aufgetaucht ist?“, wollte Nicole, das Computerhirn wissen. „Die erscheinen doch nicht so einfach aus Jux und Dollerei.“

„Das fragst du besser Philip“, winke Ricky ab.

„Los Philip, erklär´s uns!“, forderte Nicole aufgeregt.

„Ich könnte heute noch heulen“, zischte Philip. „Mein Dings, also mein Stiefvater, dieser Obera..., hat das angeleiert, nur weil die Witwe Huber in der Nachbarschaft ein paarmal Mister Rex beobachtet hatte.“

„Als Hund?“, wollte Stefan wissen.

„Doch nicht als Hund. Das würde niemand aufregen. Den kennt doch jeder in unserer Straße. Natürlich als Mensch.“

„So ein Mist“, meinte Sarah ernst. „Ich dachte, Mister Rex ist nie unvorsichtig.“

„Eben doch“, Philip zuckte die Schultern. „Und deshalb haben die Witwe Huber und ihre beiden Nachbarn behauptet, dass Prof-Lex einen Gefangenen hält. Und Georg …, klar, wer sonst, hatte nichts Eiligeres zu tun, als Anzeige bei der Kripo zu erstatten. Sonst kümmert er sich um rein gar nichts. Aber wenn er mir eins auswischen kann, weil er Prof-Lex dick hat, dann ist er sehr schnell.“

„Au verdammt“, murmelte Nicole, „das war dann bestimmt Rettung in letzter Minute.“

Philip, Julia und Ricky nickten stumm.

„Und jetzt?“, wollte Fiona wissen. „Wo sind Prof-Lex und Mister Rex jetzt? Die können doch nicht mehr in ihren Groof, oder?“

„Keine Ahnung“, antwortete Julia, „er hat gesagt, dass er woanders hingehen will. Der Witwe Huber hat er erklärt, dass er völlig fertig ist und jetzt längere Zeit wegmuss. Vielleicht eine Weltreise. Und damit niemand misstrauisch wird, hat er gesagt, dass sein Neffe, Herr Gruber, sich während seiner Abwesenheit um sein Haus und sein Grundstück kümmern wird.“

„Herr Gruber? Kennt ihr Herrn Gruber?“, wollte Sarah wissen.

„Klar. Ihr auch“, grinste Philip. „Es ist Mister Rex, den die Witwe Huber leider ein paarmal gesehen hatte.“

Fiona nickte. „Sehr geschickt eingefädelt. Damit wissen die jetzt auch, wer der angebliche Gefangene ist.“

Der Geräuschpegel hatte inzwischen die Lautstärke einer stark befahrenen Straßenkreuzung erreicht. Mister Rex ging gerade am Tisch der neuen Alfaklasse 2 vorbei und nickte ihnen freundlich zu.

„Hallo, Rex Gruber, wie geht‘s!“, kicherte Nicole.

Seine Gesichtszüge gefroren auf der Stelle: „Meinen Familiennamen kennt hier keiner. So soll es auch bleiben. Und mein idiotischer Vorname ist nur in Verbindung mit Mister zu ertragen. Ich bin doch kein Hund.“

Damit ging er weiter.

Ricky blies die Backen auf. „Auf weia, da ist aber einer stinkig!“

Nicole machte ein bestürztes Gesicht: „Das war wohl ein Superfettnäpfchen.“

Dann erschienen nach und nach die restlichen Alfalehrer, sie stellten die jungen Fundamentals vor. Schließlich betrat Dr. Braun die Groofbibliothek und zuletzt die Institutsleiterin, Frau Professorin Maltus.

Alle waren auf ihre Begrüßungsrede gespannt.

5. Ein neues Alfajahr

Nachdem die Lautstärke erträglicher geworden war, begann Dr. Braun: „Meine lieben Alfas!“

Es folgte endlich wieder einmal das lange vermisste „Hi, hi.“

„Schön, dass ihr alle hier seid. Nach Jordans Zählung fehlt keiner. Dann kann ich das Wort an unsere liebe Frau Professorin Maltus übergeben. Anschließend besuche ich noch jede Klasse im Unterrichtsraum.“

Fröhlich lachend ruderte die Professorin heran: „Mein lieber Herr Braun, wir sind ja alle so froh, dass Sie uns persönlich die Ehre geben.“

Dr. Braun nickte verbindlich und ging ein paar Schritte zur Seite.

„Ich freue mich sehr“, nickte sie bedeutungsvoll, holte zu einem zischenden Rundumschlag aus und deutete auf die neuen Fundamentals. „Ich freue mich jedes Jahr, wenn junge Menschen zu uns finden. Ihr habt also beschlossen, Alfas zu werden und die gar nicht einfache Ausbildung“, sie hob bezeichnend den rechten Zeigefinger, „zu beginnen.“

Es folgte eine lange, herzliche Begrüßung aller Alfas. Philip meinte, dass sie nahezu dieselben Formulierungen gewählt hatte, wie vor einem Jahr. Verschiedene ältere Alfas hielten die Hand vor den Mund und flüsterten mit Nachbarn. Erst der eindringliche Blick der Professorin ließ sie zusammenzucken.

„Nun zum neuen Jahr“, setzte sie ihre Rede nach kurzer Pause fort. „Wir haben neue Alfas. Neun Stück an der Zahl. Warum neun? Natürlich wisst ihr alle, dass nach den Alfastatuten bei uns nur 33 Alfaschüler ausgebildet werden dürfen. Wir haben dieses Jahr neun Schüler in der Zweiten, acht in der Dritten und sieben in der Vierten. Macht nach Adam Riese 24. Also gibt es in diesem Jahr in der Fundamentalklasse neun Schüler. Einverstanden?“

Sie lachte fröhlich und verteilte mit beiden Händen die Wolke Maiglöckchenduft, die sie umgab.

„Für unsere Fundamentals ist natürlich, wie immer, alles neu. Genauso, wie es für die jetzige zweite Alfaklasse vor einem Jahr war. Wenn ihr das abgelaufene Jahr Revue passieren lasst, werdet ihr gewiss überrascht sein, was in einem Jahr so alles passieren kann. Genau genommen hatten wir im vergangenen Jahr mehr erlebt, als je zuvor in derselben Zeit. Dabei hatten sich besonders unsere Fundamentals hervorgetan.“ Sie nickte den neuen Fundamentals bedeutungsvoll zu. „Heute beginnt für unsere Helden die zweite Klasse. Ist euch bewusst, dass ihr ab heute keine Fundamentals mehr seid. Ihr seid einfach nur Alfaschüler, so wie die Schüler der Klassen drei und vier auch. Trotzdem dürft ihr nicht glauben, dass nun alles seinen langweiligen Weg gehen wird. Das wäre ein Irrtum. Wartet es ab.“

Sie schnaufte tief und lächelte in die Runde.

„Ja, und die Dritte hat genau die Hälfte der Alfaausbildung hinter sich. Ihr gehört ab jetzt zu unserer fortgeschrittenen Elite. Nur die Vierte befindet sich in einer völlig anderen Situation. Am Ende dieses Jahres entscheidet ihr, wie euer weiterer Weg bei Alfa verlaufen wird. Ihr habt also ein ganzes Jahr Zeit, euch darauf einzustellen, so wie im vergangenen Jahr die Vierte mit Robert Zeger als Gruppensprecher.

Ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn das kommende Alfajahr etwas weniger aufregend verlaufen würde als das Abgelaufene. Immerhin liegen wichtige Aufgaben vor uns, die unsere ganze Kraft benötigen werden.“

Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: „Ja, abschließend noch ein paar Worte zu den Neuerungen. Ihr habt bereits im Internatsunterricht erfahren, dass unser Lehrer für Deutsch und Latein, Herr Professor Qualtus, abberufen worden ist.“

An dieser Stelle war leises Prusten aus verschiedenen Ecken zu vernehmen.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752118452
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Oktober)
Schlagworte
Freunde Technik Geheimnis Beamen Jugend Spannung

Autor

  • Ben Lehman (Autor:in)

Ben Lehman kommt aus dem Bayerischen Wald und lebte in München. Seit zehn Jahren ist der Starnberger See seine neue Heimat. Der Informatiker arbeitete als Programmierer und Systemanalytiker, auch in internationalen Unternehmen in New York und Northampton. Sein erfolgreiches Softwarehaus wurde vor einigen Jahren veräußert. Danach begann er seine ehrenamtliche Tätigkeit für die Peter-Ustinov-Stiftung bis zu dessen Tod, Schwerpunkt die Organisation der Peter-Ustinov-Mädchenschule in Afghanistan.
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Titel: In den Fängen von Secret Limited