Es ist tiefseestill. Niemand sagt ein Wort. Nur das Dröhnen des Busmotors ist zu hören. Die Mienen meiner Mitfahrer sind angespannt. In meiner Brust ballt sich die Angst zu einem Klumpen zusammen. Ich sitze neben Felix. Er hat mit sich gehadert, ob er Éli allein zurücklassen kann. Aber Éli wird als Techniker in der Kommandozentrale gebraucht.
Froh, dass er sich entschieden hat, mich zu begleiten, lasse ich meinen Kopf gegen seine Schulter fallen. Mein Magen gluckst und mir ist leicht übel. In mir brodelt es wie das Meer vor einem Vulkanausbruch. Entweder werde ich explodieren oder zusammenbrechen. Ich konzentriere mich auf unser Ziel und starre durch die Scheibe.
Bis auf den inneren Stadtring haben wir ganz Selvia eingenommen.
Aaron und die anderen sind vor einer Woche los, um Präsident Adam zu stürzen. Hinter mir liegen sieben Tage elendes Warten auf eine Nachricht. Bangen, hoffen und beinahe verrückt werden. Lebt Aaron noch? Ist er verletzt?
Bis endlich eine Drohne mit dem Rebellenzeichen aufgetaucht ist, doch Éli hat nicht viel herausgefunden. Die Drohne war kaputt und unsere Technik ist zu marode. »Bitte kommen!«, war alles, was er entziffern konnte.
Wer und wohin genau wir kommen sollen, konnte er nicht in Erfahrung bringen. Also habe ich mich mit einem Rettungsteam aufgemacht, um Aaron und die anderen zu suchen und herauszufinden, ob sie erfolgreich waren. Ist Präsident Adam besiegt? Das Warten hat ein Ende, aber die Freude darüber, endlich etwas tun zu können, wird Stück für Stück von Angst aufgelöst. Was erwartet mich?
Das hier ist nicht nur ein Kampf um Essen, sondern ein Kampf um eine ganze Insel. Ein Kampf gegen alle, die sich unserem Ziel nicht verschrieben haben. Bürger, die meinen, wir Frauen sollten keine Rechte bekommen. Bürger, die glauben, es sei richtig, dass andere hungern, damit sie im Reichtum leben können. Ich umklammere die Waffe, die auf meinem Schoß liegt. Hoffentlich schwimmen wir in keine Falle. Ich hätte mehr üben sollen.
In meinem Hirn suche ich nach den Funktionen der Knöpfe am Griff, die Aaron mir oft genug auf dem Schießstand erklären musste.
Mein Verstand sträubt sich. Ich ziehe meine Hände zurück und schiebe die Waffe auf meinen Schoß weit von mir. Der Geschmack von Blut breitet sich in meinem Mund aus. Ich löse die Zähne von den Lippen und bewege meinen Kiefer hin und her. Es knackt. Felix spekuliert leise mit unserem Sitznachbarn darüber, was vorgefallen sein könnte.
Ich blende es aus, empfinde es als nervenaufreibend. Es schürt meine Angst, die mir kalte Schauer über den Rücken schickt, nur noch mehr.
Wir wissen nichts. Sind unvorbereitet. Trotz der Waffen vom Festland, von Abels wichtigsten Verbündeten.
Lillits Worte, das dies seinen Preis haben wird, klingeln mir in den Ohren. Aber das kann ich jetzt nicht mehr ändern. Ich muss mich auf die bevorstehende Mission konzentrieren.
Ich lockere meine Schultern. Reiß dich zusammen, Martha!, weise ich mich selbst zurecht und ignoriere den Klumpen in meiner Brust. Wenn ich mich jetzt von der Angst überwältigen lasse, bin ich niemandem eine Hilfe. Der Bus rumpelt und holpert und ich halte mich an dem Griff neben mir fest.
Wir fahren an grauen Gebäuden vorbei. Mehr erkenne ich nicht. Zu milchig ist die Scheibe.
Jemand schreit und ich zucke zusammen. Ich springe auf, um den Grund herauszufinden. Auch Felix steht auf und ich lehne mich schwankend an ihn. Er ist zwei Köpfe größer als ich und um einiges schwerer. Ihn wirft so schnell nichts um. Durch die Frontscheibe erkenne ich riesige graue Paläste.
Wir nähern uns dem Zentrum.
Ruinen und Trümmer säumen unseren Weg. Menschen stehen apathisch an der Straße und starren den Bus mit leeren Augen entgegen.
Die Häuser weisen große Einschusslöcher auf oder sind in sich zusammengebrochen. Die Menschen haben keinen Zufluchtsort.
Womit wurde hier gekämpft? Unsere Waffen hätten diese Zerstörung nie anrichten können.
Vieles habe ich mir vorgestellt. Dass die Straßen leer sind. Die Menschen sich vor uns verstecken. Dass die Schutzpolizei die Straßen kontrolliert und die Rebellen gefangen genommen wurden.
Alles habe ich erwartet.
Dass wir gewonnen haben. Mit Glanz und Gloria.
Dass wir verloren haben. Sang- und klanglos.
Alles, aber nicht das.
Und plötzlich zerreißt mich die Sorge um Aaron. Mein Herz schlägt schmerzend in meiner Brust. Ich setze mich und atme tief ein. Versuche, mich zu beruhigen. Halte mich an dem Gedanken fest, dass er auf sich aufpassen kann, auch wenn das bei dieser Zerstörung bedeutungslos ist.
Stotternd bleibt der Bus stehen.
»Wir müssen aussteigen. Die Straße ist versperrt«, ruft Thomas, unser Fahrer.
Geschäftiges Chaos bricht aus. Alle greifen nach ihren Taschen und drängen zur Tür. Mein Atem geht keuchend und vor meinen Augen flimmert es. Der Geruch von Verbranntem dringt in meine Nase. Ich werde von Felix nach vorne geschoben und zwänge mich durch die Schiebetür.
Draußen atme ich die stickige Luft ein und schaue mich um. Ich war noch nie zuvor in der Stadt. Mein Weg hat mich nie weiter als bis zu den Versorgungszonen gebracht. Die Hitze des Sommers umhüllt mich und legt sich mit dem Rauch auf meine Haut.
Für einen Moment habe ich das Gefühl, nicht atmen zu können.
Die Häuser müssen vor ihrer Zerstörung einen übermächtigen Eindruck gemacht haben. Auch halb vorhanden, schüchtern mich die eingestürzten Gebäude aus festem Gestein ein. Funkelnde Scherben liegen zu meinen Füßen. Ich hebe eine auf und schneide mich prompt an einer Ecke. Glas. Echtes Glas.
»Was ist hier passiert?«, frage ich mich selbst und lasse das Stück fallen.
Felix kommt an meine Seite. Schweißperlen rinnen sein Gesicht hinunter und seine blonden Haare hängen ihm bereits nass in die Stirn.
»Suchen wir unsere Freunde«, sage ich etwas lauter zu ihm.
»Alles klar!«, antwortet er und schultert seinen Rucksack. Orange leuchtend fällt er in der grauen Welt auf.
»Ich wette, so haben sich Aaron und Chamuel das nicht vorgestellt«, rede ich, ohne eine Antwort zu erwarten.
Abel und seine engsten Vertrauten sind von einer schnellen Übernahme ausgegangen.
Wir gehen langsam durch die Straßen. Die Stadtbürger, die scheinbar aus den Häusern fliehen konnten, haben sich in die Ruinen zurückgezogen. Sie drängen sich in den Schatten, um der beißenden Sonne zu entkommen. Halb versteckt zwischen zerbrochenen Mauern, spüre ich ihre Blicke unangenehm auf meiner Haut. Sie sagen kein Wort, was die Situation umso gespenstischer wirken lässt. Ihre Gesichter und Kleidung sind mit grauem Staub bedeckt. Mit meiner Zunge fahre ich mir über die trockenen Lippen. Ich traue mich nicht, meine Flasche aus der Tasche zu holen und etwas zu trinken. Haben wir genug, um alle zu versorgen?
Einer unserer Sanitäter geht auf eine kleine Gruppe Bürger zu, die müde und zusammengesunken in einer engen Gasse zusammenstehen, doch sie weichen zurück. Eine Frau schreit.
Wovor haben sie Angst?
Ein Surren lenkt meine Aufmerksamkeit nach oben. Überrascht erkenne ich Drohnen, die ziellos über den Himmel fliegen. Dröhnend nimmt die rechte Kurs auf eine Häuserreihe. Mein Mund steht offen. Ich will ›stopp‹ schreien, doch sie kracht, ohne zu bremsen, in die Häuserwand und zerschellt in Einzelteile.
Erschrocken ziehe ich den Kopf ein. Was auch immer passiert ist, die Schaltanlage für die Drohnen ist nicht mehr unter Kontrolle. Ein gutes Zeichen? Ein schlechtes?
Ich fühle mich beobachtet und stelle mich dichter zu Felix.
Ein Kind versteckt sich hinter den Beinen einer Frau. Seine Kleidung wirkt trotz des Schmutzes feiner als meine beste Hose. Ein Kind im Anzug. Ein Erwachsener im Miniaturformat.
Ich konzentriere mich auf meine Aufgabe. Dränge das ungute Gefühl, welches sich zu dem Klumpen Angst in meiner Brust gesellen will, weg und ergreife die Hand von Felix. Auch er hat bisher kein Wort gesagt.
Die Ungewissheit um Aaron, die bizarre Situation vor Ort und eine böse Vorahnung treiben mich an. Ich möchte etwas tun. Irgendwas.
Wir marschieren los, arbeiten uns Schritt für Schritt vor. Klettern über Trümmer und umlaufen Autos, die zum Teil umgeworfen auf der Straße liegen. Hier hat keine Übernahme stattgefunden, sondern ein Krieg.
Eine weitere Drohne fliegt über unseren Köpfen hinweg. Eine mit dem Rebellenzeichen. Irritiert schaue ich ihr nach. Sie fliegt in Zickzack-Kurven zwischen den Dächern. Ist sie kaputt? Oder sucht sie etwas?
Greifarme fahren aus der Unterseite. Nein, keine Greifarme, sondern längliche Rohre. Ich bleibe stehen. Die Stangen schwenken hin und her, als suchten sie etwas. Die Menschen um uns herum rennen los. Das Kind weint und die Bürger rufen durcheinander.
Es knallt und ein zerstörtes Haus fällt komplett in sich zusammen. Das Beben fährt mir in die Glieder und ich strauchle. Ich halte mich an Felix fest, der ebenfalls beinahe gestürzt wäre. Hustend ziehe ich ihn von der aufkommenden Rauchwolke weg. Meine Augen tränen und ich weiß nicht, wohin ich mich wenden soll. Was ist passiert? Doch mein Verstand verweigert mir die Antwort.
Die Drohne zielt und feuert immer weiter auf die Trümmer. Das Zeichen der Rebellion prangt groß auf dem Fluggerät. Der Lärm ist ohrenbetäubend und vermischt sich mit den Schreien der Menschen um mich herum.
»Wir müssen weg«, schreie ich Felix an und renne. Er stolpert mir hinterher und ich umfasse seine Hand fester, um ihn nicht zu verlieren.
Mit der anderen taste ich durch Luft, um nicht gegen ein auftauchendes Hindernis zu rennen.
Ein einziger Gedanke schießt mir durch den Kopf: Was haben wir getan!
Wir rennen und rennen. Überall um uns herum brummen die Motoren der Drohnen. Sie schwirren über unseren Köpfen und feuern wahllos auf Häuser. Der Qualm nimmt nicht ab. Hustend und mit tränenden Augen falle ich über einen dicken Brocken, der sich im Rauch vor mir versteckt hat. Ich lande unsanft auf der Seite.
Ich erhebe mich stöhnend. Rufe tönen aus einem zertrümmerten Gebäude.
»Was ist das? Wer ruft da?«, brülle ich.
»Egal! Wir müssen weg. Bevor wir getroffen werden.« Felix greift meinen Oberarm und will mich wegziehen.
Die Schreie werden lauter. Jemand kreischt eindeutig »Hilfe«.
Ich wende mich von Felix ab und dränge in Richtung des Hilferufs. Kurz fasst Felix mich fester, doch ich reiße mich vom ihm los.
Diese Menschen waren vor einem Wimpernschlag meine Feinde, aber das habe ich nicht gewollt.
Wir sind hier, um zu helfen. Unsere Wut hat sich auf die Regierung und seine Anhänger gerichtet. Nicht auf Familien und Kinder. Mag sein, dass sie im Luxus gelebt haben, während ich zusah, wie meine Mutter verhungerte. Mag sein, dass sie ihren goldenen Käfig geliebt haben, während ich beinahe meinen Körper verkaufen musste.
Aber ich bin nicht wie die Männer der Regierung – Monster, aufgestiegen aus den Untiefen des Meeres, um alles zu vernichten.
Ich steige durch ein Loch in einer Häuserwand auf der Suche nach dem Ursprung der Rufe. Dankbar nehme ich wahr, dass Felix mir folgt.
Drinnen ist es dunkel, nur schemenhaft erkenne ich eine Wohnung. Zu Bruch gegangene Möbel versperren uns den Weg. Ich klettere über einen Tisch, der in zwei Teile zerbrochen ist – nie wieder als Sammelplatz für familiäre Abendessen herhalten wird.
Die Schreie werden lauter und ich zwinge meine Gedanken wieder zu unserem Vorhaben.
Felix reicht mir seine Hand und gemeinsam kämpfen wir uns durch die Wohnung.
Ein Schrank liegt umgekippt auf dem Boden. Eine Bewegung lässt mich näher herantreten und ich entdecke eine Frau unter dem Koloss. Ich begutachte ihren Körper, der ab dem Rumpf vom Möbelstück bedeckt ist. In den Armen hält sie ein Baby. Mit schmerzverzerrter Miene hebt sie mir ihr Kind entgegen. Tränen fließen ihre Wangen herunter und verfangen sich in ihrem strähnigen Haar.
Wie lange liegen die beiden bereits hier?
»Bitte«, flüstert sie. Ich hocke mich hin und ergreife den leblosen, kleinen Menschen. Er ist kalt und starr. Ich schlucke und lege es behutsam zur Seite. Felix hievt den Schrank hoch. Ich greife der Frau unter die Arme und ziehe sie heraus.
»Mára«, schluchzt sie.
Wahrscheinlich das Baby. Sie langt mit den Armen in Richtung ihres Kindes. Aufstehen kann sie nicht. Ihre Beine liegen merkwürdig verrenkt auf den Boden.
Es genügt ein Blickwechsel mit Felix und er bricht schweigend ein Brett aus dem kaputten Schrank.
In diesem Zustand ist es nicht gut, die Mutter über den Tod ihres Kindes aufzuklären. Stattdessen lege ich ihr das Baby in die Arme.
»Alles wird gut«, lüge ich sie an, weil mir nichts Besseres einfällt.
Mit Felix hebe ich die Frau auf die improvisierte Trage. Gemeinsam schaffen wir es, sie auf die offene Straße zu bringen. Unschlüssig bleibe ich stehen. Das Surren der Drohnenmotoren entfernt sich. Es ist immer noch nebelig, aber sie haben aufgehört, zu schießen.
»Was ist? Wir müssen weg von der Straße!« Felix Stimme klingt drängend.
»Wohin sollen wir?« Ich weiß nicht, wo es sicher ist. Die Drohnen könnten wiederkehren.
Langsam legt sich der Rauch und ich erkenne die Umgebung besser.
»Dorthin, wo keine Gebäude stehen. Die Drohnen haben es anscheinend auf sie abgesehen.« Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Felix sich zu orientieren versucht.
Wir marschieren weiter. Meine Schultern verkrampfen wegen der schweren Last und ich beiße die Zähne aufeinander. Bloß nicht loslassen, Martha.
Die Frau wiegt ihr totes Baby und singt unverständliche Lieder. Bei jeder zu harten Bewegung unterbricht ein Schmerzenslaut ihre wirren Worte.
Erleichtert entdecke ich unsere Leute, die ebenfalls verletzte Bürger die Straße hinaufbegleiten.
Thomas kommt uns entgegen. »Wir benutzen den Bus als Anlaufstelle«, erklärt er uns und weist mit der Hand in die Richtung des Fahrzeugs. Dort wurden Zelte aufgebaut. Hoffentlich ziehen sie nicht die Drohnen auf uns.
Keuchend überwinden Felix und ich mit der Trage die letzten Meter bis zum Bus.
Wir legen die Trage ab und ich hocke mich daneben, suche den Blick der Mutter. »War noch jemand im Haus?«
Sie schüttelt wimmernd den Kopf, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie mich verstanden hat.
»Lass es, Martha. Wir müssen zum Regierungszentrum, Abel und die Jungs finden.« Felix zieht mich von ihr weg.
Mein Blick fährt über die Menschen, die vorsichtig nähertreten. Ich sehe mit Schaudern die vielen zerstörten Häuser. Wie viele sind noch darin eingeschlossen?
»Nein, Felix. Ich bleibe. Ich kann die Menschen nicht einfach zurücklassen.«
»Denen helfen wir später.« Felix legt seine Hände auf meine Schultern und erzwingt meine Aufmerksamkeit.
Ich schüttle ihn ab. »Später werden die meisten unsere Hilfe nicht mehr brauchen.« Ich nicke zu dem toten Baby.
Er sieht an mir vorbei zu der Frau. »Was ist mit Aaron?«
Ich verkrampfe. »Johannes und Esther werden sie aufspüren können. Sie kennen sich hier am besten aus.«
Ich drehe mich nach den beiden ehemaligen Städtern um.
Felix seufzt. »Gut. Wir bleiben.«
»Danke.«
Ich gebe die Anweisung, dass Johannes und Esther und ein weiterer Sanitäter nach unseren Freunden suchen sollen. »Wir restlichen Sechs durchkämmen die Häuser und versorgen im Bus die Verletzten.«
Es gibt keine Diskussion und ich bin erstaunt, dass die anderen tun, was ich ihnen sage.
Die aufkommende Dämmerung sorgt für Erleichterung. Dankbar sehe ich zu, wie die Sonne vom grauen Himmel verschlungen wird. Die Luft kühlt ab.
Felix und ich kehren in unser provisorisches Lager zurück.
Mittlerweile haben die meisten Bürger verstanden, dass wir hier sind, um zu helfen. Dennoch werden wir von vielen argwöhnisch betrachtet. Einige haben uns gefragt, ob wir von der Regierung geschickt wurden oder zu den Rebellen gehören.
Dass ich keine Antwort gebe, entsetzt mich und macht mir die Situation klar. Könnten wir die Bösen sein?
»Wir sind zum Helfen da«, wiederholt die Sanitäterin namens Sára immer wieder.
Wir legen Verbände an und verteilen Proviant.
Viele Wunden sind verschmutzt und entzündet. Fliegen fallen in Scharen über uns her. Es mangelt an Wasser, um die Verletzungen zu säubern und den Durst aller zu stillen.
Ich falle müde gegen die Buswand und sinke auf den Boden. Eine kurze Pause. Nicht mehr.
Ich schrecke hoch, als das Mondlicht sich durch die Wolken kämpft. Mein Blick fällt auf eine Bewegung die Straße hinunter.
Dunkle Gestalten tummeln sich dort, sind auf dem Weg zu uns.
In meinen Gedanken schrillen die Alarmglocken. Ich rapple mich auf, obwohl meine müden Beine sich beschweren und mein Kopf sich nach Schlaf sehnt. Wir haben keinerlei Sichtschutz aufgebaut. Ein Fehler, der uns teuer zu stehen kommen könnte. Ich presse die Zähne aufeinander. Vielleicht schon jetzt.
Felix kommt an meine Seite und hebt seine Waffe.
Wo ist meine?
Die anderen stellen sich in einem Halbkreis vor uns und den Bürgern auf. Die Läufe ihrer Waffen schimmern im Mondlicht. Ich presse mich gegen den Bus.
Ach ja. Meine Waffe liegt auf meinem Platz. Wie konnte ich nur so dumm sein?
Ich hocke mich hin und lege die Finger auf meine Lippen. Die Gespräche unserer Patienten verebben.
Alle Blicke richten sich auf die Ankömmlinge. Ein Kind weint.
Ich halte den Atem an.