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Unterwegs durch Marokko

Texte und Bilder

von Volker Friebel (Autor:in)
108 Seiten

Zusammenfassung

Das Buch enthält den Erlebnisbericht einer Rundreise durch den Norden und die Mitte Marokkos, ergänzt durch Sachinformationen zu Land und Leuten. Die Prosa wird unterbrochen durch Haiku, die jeweils einen Moment einfangen, fast immer in drei Zeilen. 64 Fotos zeigen Eindrücke der Reise. Die Reise fand Mitte März bis Anfang April statt, eine Zeit, zu der die Temperaturen angenehm sind. Das gefiel nicht nur uns, sondern auch den vielen Störchen, denen wir überall begegneten und von denen uns der eine oder andere irgendwie bekannt vorkam – vielleicht aus der Heimat. Wer es kurz haben und sich den Rest des Buchs sparen will: Marokko ist schön und überraschend vielfältig, eine Reise dorthin empfehlenswert. Den anderen, die gerne mehr Einzelheiten hätten, wünsche ich viel Freude beim Lesen und Schauen!

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Anreise

 

Tief unter uns ziehen Schneeberge, in weißen, lautlosen Schwärmen, von Wolken oft kaum unterscheidbar. Ich will ihnen zurufen und lausche doch nur dem tiefen Schweigen unter dem Fahrtwind und den Motoren.

Landung in Málaga, Spanien. Wir beginnen unsere Busreise durch Marokko im Süden Spaniens. Das einmal zu Marokko gehörte und heute viel weiter als durch die Straße von Gibraltar von ihm getrennt ist.

Vom Flughafen fahren wir gleich weiter, übernachten in Marbella an der Costa del Sol. Es ist viele Jahre her, dass ich in Nordafrika war, und bisher erst einmal. Tief Atem holen: ein langer Spaziergang am bevölkerten Strand. 

 

Ich lasse im Geiste das Wichtigste passieren, was ich in der Vorbereitung zur Reise über Marokko, das „Maghrebinische Königreich“, erkundet habe. 

Marokko grenzt an Mittelmeer und Atlantik. Jenseits der Meerenge von Gibraltar liegt Spanien, westlich liegt Algerien, die Südgrenze Marokkos ist unklar. Das wenig besiedelte Territorium „West-Sahara“, das dort liegt, wird von Marokko beansprucht und ist teilweise von ihm annektiert. 

Das Klima im Nordwesten ist mediterran, das im Südosten und Süden dagegen von der Sahara beeinflusst. Die verschiedenen Züge des Atlas-Gebirges entstanden beim Zusammenprall der eurasischen und der afrikanischen Kontinentalplatte. 

Die Bevölkerung beträgt etwa 35 Millionen Menschen, das sind 76 Menschen pro Quadratkilometer (in Deutschland sind es 232). Ein Zehntel davon sind Mauren (aus Mauretanien eingewandert), der Rest je zur Hälfte Berber (Ureinwohner) und Araber. Dabei ist Nordmarokko (um Fès) eher arabisch und Südmarokko (um Marrakesch) eher berberisch geprägt. 

Fast alle Marokkaner sind Moslems, 90% davon Sunniten. Der Islam ist Staatsreligion. 

Fast alle Marokkaner sprechen Darija, ein marokkanisches Arabisch, die Hälfte auch einen Berberdialekt: Neben Arabisch ist Mazirisch Amtssprache. 

 

Die Berber wanderten im 2. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung ein. Um das Jahr 0 geriet das Land unter römischen Einfluss (vorher gab es phönizische Küstenstädte) und wurde schließlich römische Provinz. 

Um 700 erreichte mit den Arabern der Islam das Land. Ab dem Jahr 789 löste sich unter Idris I. das Land mit der Hauptstadt Fès vom Kalifat. Von Marokko aus wurde ab dem Jahr 711 das Westgoten-Reich in Spanien besiegt und in der Folge Spanien zu großen Teilen islamisch beherrscht, erst im Jahr 1492 wurde seine Rückeroberung durch christliche Könige abgeschlossen. 

Ab dem 16. Jahrhundert gerieten Küstenstädte unter Kontrolle von Portugal und Spanien. Im 19. Jahrhundert kam Marokko unter den Einfluss Frankreichs. Ab 1912 war das Land teils spanisches, teils französisches Protektorat, 1956 wurde es unabhängig. 

Die Lebenserwartung der Menschen ist hoch, die wirtschaftliche Lage des Landes liegt in einem Mittelbereich, ist im Vergleich zu seinen afrikanischen Nachbarn gut – nicht aber im Vergleich zu Mitteleuropa. 

 

Es ist Vorfrühling. In Deutschland sahen wir Reif auf den Gleisen während unserer Zugfahrt zum Flughafen Frankfurt am Main. Hier in Spanien, in Marbella, steigt die Temperatur bis 20 Grad Celsius. Morgen in Marokko sollte es noch ein, zwei, drei Grad wärmer sein. 

Über 140.000 Einwohner hat Marbella, darunter einen sehr hohen Ausländeranteil, auch tausende sicherlich des Klimas wegen zugezogene Briten und Deutsche. Wir sehen nichts von der Stadt, nur den endlos scheinenden Strand. 

 

 

Costa del Sol.

Ich werfe Steine

zurück ins Meer.

 

 

Am nächsten Morgen sind die Tische vor unserer Unterkunft nass vom Tau. Frauen wischen mit Tüchern ab. Zwischen zerrissenen Wolken taucht der Vollmond auf, verschwindet wieder. Dämmergesang erster Vögel. Inmitten der vergehenden Nacht ein erleuchtetes Fenster.

 

 

Hahnenschrei.

Über der Autobahn dröhnt

Brandung.

 

 

Bald stehen wir, nach einer Fahrt die Küste entlang, 80 Kilometer südlich im Hafen Algeciras. Von hier gehen die Fähren ab, durch die Meerenge von Gibraltar nach Ceuta, der spanischen Exklave auf dem Boden Nordafrikas. Elisabeth hat ihr Gesicht erhoben, bietet es mit geschlossenen Augen dem Licht. 

 

 

Sie spricht mit der Sonne.

Ein Wind über die Meerenge,

aus Afrika.

 

 

Die Überfahrt ist rau. In Ceuta Zollformalitäten. Wir verlassen die Stadt rasch, durchfahren die schwer gesicherte Grenze, rollen in das wirkliche Nordafrika hinein.

 

In das Land hinein

 

Unser Reisebus fährt zunächst entlang der Mittelmeerküste. Im Wind segeln Möwen. Das Land ist grün. Stechginster blüht. Weizenfelder. An der Landstraße schlendert ein Alter im Djellaba, dem traditionellen bodenlangen Mantel mit langen Ärmeln und spitzer Kapuze. Ein anderer Mann bewacht seine einzige Kuh. 

Wir biegen landein und kommen nach Chefchaouen, der heiligen Stadt. Sie liegt auf 560 bis 600 Meter Höhe am Hang des Rif, einer zum Atlas-Gebirge gehörenden Kette, die sich über 350 Kilometer parallel zur Mittelmeerküste hinzieht und mit 2.448 Meter ihre höchste Erhebung hat. 45.000 Menschen leben in der Stadt.

Im Jahre 1471 wurde die Stadt gegründet, im selben Jahr entstand die große Moschee, die auch als islamische Ausbildungsstätte dient. Die Stadt wirkt andalusisch. Das geht auf das Jahr 1492 zurück, in dem nicht nur Kolumbus Amerika entdeckte, mit dem auch die Reconquista, die christliche Rückeroberung Spaniens endete und als letztes islamisches Reich auf spanischem Boden Granada fiel, mit der Festung Alhambra. Das Alhambra-Edikt der katholischen Könige Isabella von Kastilien und Ferdinand II. von Aragón ordnete die Ausweisung aller Juden an, soweit sie sich nicht zum Christentum bekehrten. Obwohl die Eroberung vor allem von Juden finanziert worden war. Und, weitere grausame Ironie: Viele, die zum Christentum übertraten, wurden später von der Inquisition angeklagt und verbrannt. Die Muslime verließen das Land.

 Marokko blühte unter den aus Spanien Vertriebenen auf. Jahrhunderte lang war Ausländern der Zutritt zu Chefchaouen verboten, sie galt als heilige Stadt.

Enge Gassen, weiße Häuser, Straßencafés, viel Blau (es soll vor dem Bösen Blick schützen).

 

 

Der Muezzin ruft.

Grell

die Pomeranzen im Baum.

 

 

Wir fahren weiter, über Ouezzane nach Moulay Idris, einem islamischen Wallfahrtsort. Dort liegt das Grab von Idris ibn Abdellah, einem Sohn des Kalifen, der seine Heimat Medina verlassen musste, als Idris I. eine Dynastie in Marokko gründete und dazu beitrug, dass das westliche Maghreb unter eigenständigen islamischen Herrschern der Herrschaft des Kalifats entglitt.

Die Landschaft ist grün. Dass Nordafrika früher als eine der Kornkammern Roms galt, verstehen wir nun. Allerdings soll Nordafrika damals noch fruchtbarer als heute gewesen sein. Selbst die Sahara war in Folge von Klimaveränderungen zeitweise grün.

Im Feld stehen Reiher.

Eine Berberin im rosa Gewand auf der Weide hütet Kühe.

Kakteen.

Ein Esel, der auf die Straße starrt.

Eine weitere Berberin. In ihren Eselskarren häuft sie Gras.

An einem Strommast steht noch ein Esel und schaut auf die Straße.

Die langen Schatten einer Eukalyptus-Allee fallen wie eine Mahnung auf die Felder. Eukalyptus verbraucht viel Wasser, für dieses Land zu viel.

Zwischen Kornfeldern sucht ein Berber mit seinen Schafen den Weg.

Leere Plastiktüten wehen über das Grün.

Auf einem Feld schwingen Männer ihre Hacken.

Zwiebelfelder.

Olivenbäume.

Wilder Senf.

Wilder Himmel.

 

 

Ihr Bündel auf dem Rücken –

die Berberin

schaut lang ins Tal.

 

 

Sonnenuntergang.

Ein Berber kniet nieder

im Feld.

 

 

Märzlicht.

Schafe am Flusssaum, Mäuler

wasserumströmt.

 

 

Hotel im Rif-Atlas.

Aus dem Schwimmbecken

quaken Frösche.

 

 

Außer Saison.

Das Hotel

ist von Vögeln besetzt.

 

 

Marokkanischer Morgen.

Durch den Schlitz in der Mauer

ein Streifen Licht.

 

 

Ein Junge am Bach

zwischen Kühen, den Kopf gesenkt

bis zum Gras.

 

Volubilis und Meknès

 

Vier Kilometer von Moulay Idris entfernt, liegen die Ruinen von Volubilis, das einst Residenzstadt der römischen Provinz Mauretania Tingitana war. Die umfasste etwa das nördliche Marokko. Von den Römern übernommen wurde die Stadt um das Jahr 40 unserer Zeitrechnung. Von hier flossen Olivenöl und Getreide nach Rom. Auch Elefanten, Löwen, Leoparden, Bären für die Arenen der Weltstadt wurden von hier aus versandt. Geblieben sind Ruinen.

Zweieinhalb Jahrhunderte nach der Ankunft Roms eroberten Berber Volubilis. Der Regierungssitz der römischen Provinz wurde in das heutige Tanger verlegt.

Die nächsten Besitzer waren die Vandalen, die im 5. Jahrhundert ganz Nordafrika von den Römern übernahmen. Doch die lateinische Sprache blieb in Volubilis bis zur arabischen Eroberung im 7. Jahrhundert erhalten. Erst weitere drei, vier Jahrhunderte später wurde die Stadt aufgegeben und verfiel.

Blumen sprießen aus zerbröselndem Stein. Fußbodenmosaike: Diese Köpfe sind römisch! Ein Mann kämpft mit einem Löwen. Ein Jäger erlegt mit dem Bogen Vögel. Elefanten. Affen. Ein Baum voller Vögel. Reiter.

Teilweise sind kleinere Gebäude erhalten. Kann das der Rest eines Mühlsteins sein? Überall öffnen sich bunte Blumen in unsere Gegenwart, nehmen die Vergangenheit als ihren Dung.

Nur noch einzelne römische Säulen stützen den Himmel. Auf einer davon hat ein Storch sein Nest gebaut, zerrt noch ein paar Zweige zurecht. Wir lehnen an alte Steine. Wind bläst.

 

 

Römische Ruinen –

im nie nachlassenden Wind

wilde Blumen.

 

 

25 Kilometer hinter Volubilis erreichen wir Meknès, eine alte Berber-Stadt. Sie hat etwa 500.000 Einwohner und liegt in einer weiten Ebene vor dem Mittleren Atlasgebirge. Eine wichtige Handelsstadt, eine der vier Königsstädte Marokkos. Fès, Marrakesch und Rabat sind die anderen.

 

 

Marokkanischer Markt.

Vom Glas Minztee

nippt auch die Biene.

 

 

Die alte Frau stützt den alten Mann. Im Vorraum des Königspalasts zwitschern zwei Spatzen unter der Decke. Es ist wechselnd bewölkt, mit bis etwa 22 Grad Celsius. Das Leben ist angenehm!

 

 

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739474557
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (November)
Schlagworte
Rundreise Erlebnisbericht Maghreb Reise Marokko Haiku Nordafrika Naturführer

Autor

  • Volker Friebel (Autor:in)

Volker Friebel wurde an einem Schneesonntag gegen Ende des Jahres 1956 in Holzgerlingen geboren. Nach Wanderjahren Studium der Psychologie und Promotion. Er lebt und arbeitet als Schriftsteller, Ausbildungsleiter, Bildermacher und Musiker in Tübingen.
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Titel: Unterwegs durch Marokko