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Die Rettung von Futureworld

von Ben Lehman (Autor:in)
147 Seiten
Reihe: Die Alfas, Band 4

Zusammenfassung

Schon wieder Neuerungen im Groof! Eine junge Alfa, Theresa Ebener, soll über Ge-heimorganisationen referieren und wird künftig öfter im Groof sein. Das erfahren die verblüfften Alfas kurz und schmerzlos in der gewohnt knatterigen Art von Prof. Tips am ersten gemeinsamen Alfaunterrichtsabend aller Alfaklassen. Aber dazu, über das Referat zu diskutieren, kommen die Alfas kaum, denn Tips taucht mit einer weiteren Frau auf, die ziemlich gewaltig ist. Professor Tips könnte sich dreimal hinter ihr verste-cken, würde er es versuchen. Er stellt sie als seine Kollegin Doktor Britta Christiansen vor: „Sie kommt aus Schweden und hat eine aufsehenerregende Doktorarbeit über moderne Sicherheitssysteme geschrieben.“ Was hat das nun wieder zu bedeuten? Die Alfas kommen aus dem Rätselraten nicht mehr heraus. So viele Neuerungen auf einen Schlag? Was war mit Prof. Qualtus, der doch für die Sicherheit zuständig war? Und dann taucht noch eine neue Person auf: Max. Da ein Teil der Schüler bereits in der neuen Residenz Bavaria wohnt, werden die Alfas, die zuletzt umziehen, jeden Tag zur Schule gefahren. Das übernimmt nun Max. Wieso macht Jordan das nicht? Hat er wieder wichtige Aufgaben, von denen er nichts erzählt? Zwischen allen Geheimnissen geht die reguläre Alfaausbildung weiter: Die Fundamen-tals dürfen endlich die magische 7 spielen und von Groof zu Groof beamen, um ihre Aufgaben zu erledigen. Und dann gibt es sogar noch richtig spannende und auch ge-meine Engoal-Matches mit anderen Schulen aus anderen Ländern! Doch ein Ereignis stellt alles andere in den Schatten: Auf der Megakronsitzung erfahren die Alfas, dass Futureworld gefangen wurde. Was für ein Schreck! All die Technologie! Wenn diese Gamma+ in die Hände fällt, wäre die Welt verloren. Das darf nicht passie-ren. Und so wie es aussieht, steckt natürlich Gamma+ dahinter. Philip, der endlich die verschiedenen Labore kennenlernen durfte, schmiedet einen geheimen Plan, der für ihn tödlich enden kann. Er muss sehr sorgfältig vorgehen und er muss schweigen, denn keiner würde seiner Idee zustimmen. Alle würden ihn davon abhalten, das weiß er. Wird Philip es schaffen? Werden Alfa und Futureworld weiter bestehen? Dieses Buch ist nichts für schwache Nerven!

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Prolog: Schön wär’s …

Welches Mädchen, welcher Junge wäre nicht liebend gerne ein Alfa und würde alle damit verbundenen Mühen und Anstrengungen in Kauf nehmen?

Wahrscheinlich jede und jeder, wenn sich denn eine Möglichkeit ergäbe. Doch nur Wenigen wird diese fantastische Zukunft ermöglicht. Alle Übrigen haben vom Vorhandensein einer so grandiosen Geheimorganisation nicht die geringste Ahnung.

Es sind zehn Fundamentals, fünf Mädchen und fünf Jungen, die im vergangenen Jahr vom großen Alfarat ausgewählt wurden, Alfas zu werden. Sie hatten sich natürlich schnell entschlossen, mitzumachen. Inzwischen sind sie ziemlich erfahren und konnten bei verschiedenen wichtigen Alfaaufgaben helfen. Zwei von ihnen, Jennifer Brix und Linus Karlson, wiederholen allerdings die Fundamentalklasse. Sie hatten die sauschwere Abschlussprüfung nicht geschafft. Linus war damals nicht in der Lage gewesen, seinen Kron in den Beamstatus zu versetzen, was eine echte Herausforderung an die Fingerfertigkeit eines jeden Alfas ist.

Bei Jennifer war die Sache jedoch ganz anders. Alfa enttarnte sie als Verräterin, das war für die Gemeinschaft zunächst total überraschend. Der Kron wurde ihr abgenommen, sie musste Alfa verlassen. Später stellte sich jedoch heraus, dass sie gar nichts dafürkonnte, weil ihr Gehirn mit einem gestohlenen Identitätskonverter von den Halunken der Geheimorganisation Gamma+ manipuliert worden war. Darüber war Dr. Braun sehr froh, weil er immer glaubte, sich auf jeden Fundamental hundertprozentig verlassen zu können.

Die fünf Fundamentals, Julia, Sarah, Kilian, Philip und Ricky, haben beschlossen, alles, aber wirklich alles im Bavaria mit besonderer Aufmerksamkeit zu beobachten. Nicht ohne Grund. Immer wieder passieren merkwürdige Dinge, die sie künftig nicht mehr hinnehmen wollen. Deshalb treffen sie sich regelmäßig im Groof oder in einer sicheren Ecke im Gemeinschaftsraum und überdenken die aktuellen Vorkommnisse.

Obwohl sie erst ein halbes Jahr im Groof sind, sind ihre Fähigkeiten in der Alfaorganisation längst anerkannt. Der alte Lex bat Julia und Philip und Ricky sogar bei einer gefährlichen Entführung in Berlin um Unterstützung. Gemeinsam schafften sie es, dieses Verbrechen zu vereiteln.

Die letzten sechs Monate in der Fundamentalklasse, bis zum Beginn der Sommerferien, versprechen eine spannende Zeit zu werden. Und es erwartet sie noch die Alfaprüfung!

1. Handeln, bevor etwas passiert!

Bisher fand der Alfaunterricht der Fundamentals immer im Unterrichtsraum U1 statt. Ohne lange nachzudenken, hockte jeder sofort auf seinem lieb gewonnenen Stuhl. Der erste Blick huschte immer automatisch hinüber zu den wunderbaren Süßigkeiten, Nachspeisen und Säften.

Professor Tips hatte bereits angekündigt, dass im neuen Jahr die Fundamentalausbildung anders ablaufen werde, nämlich an jedem zweiten Freitag eines Monats Alfapraxis und am vierten Freitag Gruppenunterricht gemeinsam mit allen vier Alfaklassen.

Nun war es so weit. An diesem Abend fand der erste Gruppenunterricht mit den Alfaklassen zwei, drei und vier statt. Treffpunkt war die gemütliche Groofbibliothek. Der Raum war in sanftes Licht gehüllt, auf den Tischen standen frische, leuchtende Blumen und auf einem runden Tisch wurden Getränke und Leckereien angeboten. Philip rempelte Sarah an: „Kennst du die Schülerin dort drüben? Ist bestimmt eine Neue.“

„Noch nie gesehen”, schüttelte Sarah den Kopf, um dann schelmisch hinzuzufügen, „deinem Freund Robert gefällt sie anscheinend sehr gut.“

„Wieso Robert?“

„Weil er sie dauernd anstarrt. Genau wie du.“

Darüber ärgerte sich Philip: „Unsinn Sarah! Ich habe sie gar nicht angestarrt. Ich denke nur nach, ob ich sie schon mal gesehen habe. Und Robert kennt hier sowieso jeden.“

Julia reckte ihren Kopf herüber und bemerkte: „Wenn ihr mich fragt. Ich denke, das ist überhaupt keine Schülerin. Weil sie viel älter ist als wir.“

„Aber nicht älter als Robert“, mischte sich Kilian ein.

„Du träumst“, auch Nicole hatte zugehört, „wetten, dass die älter als Robert ist?“

„Glaub ich nicht“, beharrte Philip.

„Frag doch ganz einfach!“ Auch Ricky wollte sich an den Überlegungen beteiligen.

Nicole zischte: „Jetzt haltet endlich den Mund, Tipsi will was sagen.“

„Ich habe dieses Mädchen auch noch nie gesehen“, piepste Fiona noch schnell.

Mit schnellen kurzen Schritten war unterdessen Professor Tips herangestakst: „Schön, euch alle beisammen zu sehen“, knarrte er. Das sollte vermutlich eine freundliche Begrüßung sein. „Heute, am ersten Gruppenunterrichtstag, lassen wir es ruhiger angehen. Entspannung pur. Kein Engoal und sonst auch keine Aufregung.“

„Schade!“, rief Wim.

„Warum schade?“ Professor Tips hob die Augenbrauen.

„Weil Engoal spitze ist.“

Professor Tips lächelte: „Heute lernen wir uns alle besser kennen und hören uns gegenseitig zu. Nun, die meisten kennen sich ja sowieso. Aber trotzdem ist es wichtig, dass die Alfas sich gegenseitig kennenlernen, denn ihr wisst nie, wann ihr vielleicht jemanden der anderen braucht. Und da ist es gut zu wissen, was jede und jeder von euch so draufhat.“

Inzwischen war Herr Donner aufgetaucht. Er ging genau auf jene fremde junge Frau zu. Er begrüßte sie mit Handschlag und setzte sich neben sie. Viele Augenpaare beobachteten die beiden.

Julia flüsterte: „Hab ich’s nicht gesagt?“

Professor Tips schnaufte, vielleicht ging es ihm an diesem Abend nicht gut. Sprechen schien ihn besonders anzustrengen oder die Tätigkeit als Groofleiter war für ihn zu schwierig geworden. Als Wissenschaftler der Weltraumbeobachtung war er fast immer allein gewesen. Nicht nur Philip hatte längst erkannt, dass Professor Tips seine Informationen am liebsten so schnell wie möglich hinter sich brachte. So auch dieses Mal.

„Nun! Wie gesagt. Heute Gruppenunterricht, sonst wärt ihr gar nicht hier.“ Sein metallenes Lachen klang wie ein „Klick-klick“. „Sollt alle was vom heutigen Unterricht haben.“

Herr Donner stand auf und trat zu Professor Tips. Er flüsterte ihm etwas ins Ohr und verschwand anschließend in Richtung Transferwand.

Professor Tips wandte sich wieder den Alfas zu: „Ich möchte euch heute ein spannendes Thema ankündigen. Nämlich ein Referat über Geheimorganisationen. Schließlich gehören wir alle dazu, oder? Klick, klick. Dafür habe ich euch eine nette junge Dame mitgebracht.“

Professor Tips deutete auf jene blonde junge Frau, die alle Alfas dauernd interessiert beobachteten.

Er winkte sie zu sich und stellte sie vor: „Theresa Ebener hat vor einigen Jahren genauso in der Alfaorganisation begonnen wie ihr und ich. Sie kennt sich mit Geheimorganisationen besonders gut aus und wird euch von ihrem Wissen eine kleine Kostprobe geben. Unser heutiges Thema lautet also: Geheimorganisationen.“

Der kleine Professor wischte mit einer weit ausholenden Luftbewegung, die er vielleicht Professorin Maltus abgeschaut hatte, das aufkommende Gemurmel weg. Dabei erhob er sich auf Zehenspitzen, damit ihn jeder sehen konnte.

„Heute zeigt er uns seinen Spitzentanz“, kommentierte Linus seine Schritte. Sarah blickte ihn streng an und räusperte sich, ein Schüler aus einer höheren Klasse kicherte gemein.

Inzwischen stand Theresa Ebener neben Professor Tips. Es war für ihn gar nicht einfach, an der groß gewachsenen jungen Frau hochzuschauen. Das schien ihm aber nichts auszumachen.

„Liebe Theresa, klick, klick, dann legen Sie doch einfach los.“

Nach dieser, für ihn anscheinend anstrengenden Rede, war Professor Tips froh, einen Haken schlagen zu können. Genau das tat er, und zwar schneller als sonst. Also stand Theresa Ebener allein vor dem Haufen junger Alfas.

„Ich hätte nicht gedacht, dass wir so schnell unter uns sind“, murmelte sie leicht verwirrt. „Das heutige Thema habt ihr gehört. Wir sehen uns heute zum ersten Mal, deshalb zunächst ein paar Sätze über mich. Also, ich heiße Theresa Ebener. Professor Tips schlug vor, dass ich künftig des Öfteren bei euch über verschiedene Themen referieren soll, sofern es meine Zeit erlaubt. Natürlich bin ich eine Alfa, wie ihr auch. Ich bin in Wien zu Hause. Zwei Jahre nach meinem Übertritt ins Gymnasium erhielt ich den Alfakron, ich war damals Klassenbeste.“

Es folgte zustimmendes Gemurmel, weil schließlich jeder der Anwesenden immer zur Klassenelite gehört hatte.

„Ja …, dann habe ich meine vier Alfaklassen durchlaufen und anschließend im Groof in meiner Heimat bis zur Matura weitergemacht. Ich wusste erst nicht, was ich studieren soll. Dr. Braun hat mir sehr geholfen. Seit zwei Jahren studiere ich Physik. Eine prima Entscheidung, wie ich inzwischen weiß.“

Sarah rutschte seit einiger Zeit hin und her, schließlich fragte sie: „Und wo warst du nach den vier Alfaklassen?“

Theresa blickte sie erstaunt an: „Ich verstehe deine Frage nicht. Ich war immer in meinem Groof in Wien. War das deine Frage?“

„Ja, schon. Aber ich dachte, wir verlassen nach der Alfaausbildung den Groof“, antwortete Sarah.

„Ach, das meinst du. Nein, nein. Überhaupt nicht. Klar, das kannst du. Aber du musst nicht. Das machst du so, wie du willst. Ich dachte ihr wisst das.“

Stefan wollte auch mitreden: „Bleibst du jetzt hier im Bavariagroof?“

„Kann ich nicht. Ich studiere doch in Wien. Sagte ich bereits.“

Stefan wollte trotzdem wissen: „Und wie bist du hierhergekommen.“

„Professor Tips hat mich geholt.“

„Ja, klar.“

Einer aus der dritten Klasse schnaubte: „Diese Fundamentals.“

„Nun, da heute Fundamentals teilnehmen, gebe ich euch am besten erst einmal einen kurzen Überblick über die Alfaausbildung. Anschließend komme ich zum eigentlichen Thema.“

Theresa wartete, bis auch der letzte Lachanfall über Stefans Bemerkung verstummt war.

„Die Alfaorganisation ist das Beste, was einem jungen Menschen passieren kann. Aber das wisst ihr sowieso. Unser wichtigstes Arbeitsinstrument ist der Kron. Während der vierjährigen Ausbildung erfahrt ihr alle Geheimnisse unserer Organisation und erlernt den Umgang mit unseren fantastischen Technologien. Danach besucht ihr weiterhin das dem Groof angeschlossene Gymnasium, wenn ihr möchtet, oder irgendein anderes Gymnasium auf der Welt. Während dieser Zeit könnt ihr jederzeit bei wichtigen Aufgaben in einem Groof mitarbeiten. Schließlich seid und bleibt ihr Alfas. Ihr lernt immer die neuesten Alfaentwicklungen kennen. Euer Wissen ist damit immer aktuell. Später, während des Studiums, könnt ihr engen Kontakt zur Organisation halten. Deswegen bin ich heute hier. Irgendwann wird euer Studium beendet sein und ihr entscheidet euch für eine langfristige Zusammenarbeit mit Alfa oder auch nicht. Punkt. Mehr nicht zu diesem Thema.“

Julia musste etwas sagen: „Freilich wissen wir das. Aber es klingt so toll, alles so zusammengefasst zu hören.“

„Ich habe schon von dir gehört“, kam die überraschende Antwort. „Du bist Julia Wegg, die Gedächtnisweltmeisterin.“ Theresa grinste, es war ihr klar, dass sie mit dieser Feststellung Julia verblüffte.

„Das weißt du?“, wunderte sich Julia.

Robert konnte endlich mitreden: „Ich habe dir doch gesagt, Julia, dass dich hier jeder kennt.“

Das hatte er zwar nicht gesagt, doch Julia hörte es nicht ungern und Robert konnte eine interessante Bemerkung machen.

Theresa nickte und fuhr fort: „Ich habe sogar über deinen Erfolg in der Zeitung gelesen. Schließlich erzählte mir Prof-Lex, dass du dich entschlossen hast, eine Alfa zu werden.“ Sie lächelte Julia an: „Aber jetzt zu unserem Thema: Geheimorganisationen.“

Theresa schob eine Kunstpause ein und blickte freundlich in die Runde.

„Es gibt verschiedene Geheimorganisation. Und zwar solche und solche.“

Dieser Witz kam gut an.

Wolf Obermeier konnte es nicht lassen und gackerte: „Dann gehören wir aber zu den solchen.“

Einige prusteten, Flo Jaro meinte: „Mann, bis du heute kindisch!“

Theresa bemerkte Wolf Obermeiers Dialekt und fragte:

„Aha, noch eine Stimme aus Österreich. Kommst du auch aus Wien?“

„Naa, aus Graz.“ Er gluckste immer noch, weil ihm seine lustige Bemerkung dermaßen gut gefallen hatte.

Theresa setzte ein ernstes Gesicht auf und begann mit ihren Ausführungen:

„Warum gibt es Geheimorganisationen? Ganz einfach. Weil sie dringend benötigt werden.“

Ein vielstimmiges „Ha, ha, … na so was“ quittierte diese Bemerkung.

Sie ließ sich jedoch nicht beirren: „Einer unserer Leitsprüche lautet: Handeln, bevor etwas passiert!

Mit diesem Satz ist tatsächlich alles gesagt. Bitte prägt ihn euch gut ein und verhaltet euch in kritischen Situationen in diesem Sinne, dann werdet ihr immer echte Alfas bleiben.“

Theresa schwieg einige Zeit und fuhr danach fort:

„Seit in unserer Welt Terror, Zerstörung, Entführung und Schlimmeres zum Alltag gehören, sind wir es unseren Mitmenschen schuldig, Bedrohungen abzuwehren, die von Verantwortlichen der NoKrons oft nicht mehr verhindert werden können. Immer geht das freilich nicht, aber wir sind sehr oft erfolgreich. Ihr kennt die Fähigkeiten unserer Spezialisten und wollt eines Tages …“

Theresa fasste die Schwerpunkte der Alfaorganisation zusammen. Sie sprach über die wunderbaren Ziele, die sich Organisationen wie Alfa oder Futureworld gesetzt hatten. Sie erwähnte mit Stirnrunzeln auch feindliche Organisationen, wie Gamma+ oder Secret Limited, die sich genau solch gemeine Dinge auf ihre Fahnen geschrieben haben.

„Sie wollen die Welt beherrschen, wenn sie es jedoch nicht schaffen, ist rücksichtslose Vernichtung und Zerstörung ihr Ziel.“

Quinky wollte wissen: „Gibt es Gamma+ überhaupt noch? Ich dachte, die wurden nach dem Überfall im Dezember erledigt. Philip Saller wurde damals groß ausgezeichnet und von Gamma+ habe ich seitdem nichts mehr gehört.“

„Ja, ja, Philip Saller“, sie nickte Philip freundlich zu, „und seine Freunde Jordan Finkbein und Jack Blacksmith. Ein starkes Gespann.“

„Du hast davon gehört?“, rief Philip begeistert.

„Klar. Quinky, leider kann ich deine Frage nicht vollständig beantworten. Es wäre ein großer Erfolg, wenn damals Gamma+ endgültig ausgelöscht worden wäre.“ Theresa schüttelte ernst den Kopf. „Ich befürchte jedoch, dass das nicht der Fall ist.“

Philip nickte leise vor sich hin. Immerhin hatte er die schäbigen Hackerangriffe der Schufte von Gamma+ noch lebhaft in Erinnerung, als sie vor kurzer Zeit in das Intranet von Georgs Arbeitgeber eingedrungen waren.

Theresa ergänzte: „Tatsächlich entstehen dauernd neue Gruppen und Zellen, die sich zusammenfinden und mit ihrer Brutalität die Welt in Schrecken versetzen. Wir alle müssen alles sehr aufmerksam beobachten. Aber, wie gesagt, über Gamma+ weiß ich leider nichts Genaues.“

Philip wiegte fast unscheinbar den Kopf hin und her, während Theresa ihren Vortrag beendete: „Seit dem letzten Überfall sind wir alle besonders vorsichtig und aufmerksam. Mehr als früher.“

Matti Sperling aus der dritten Alfaklasse warf ein: „In letzter Zeit habe ich hier bei uns auch keine Menschenseele mehr von Futureworld gesehen. Das waren doch immer unsere besten Freunde und wir haben viel mit ihren Spezialisten zusammengearbeitet.“

„Ja, ja, Matti“, antwortete Theresa gedehnt. „Schon. Sie sind immer noch unsere Freunde. Aber wir haben ein Problem. Dr. Braun meint, es gibt irgendein Geheimnis. Keiner weiß, was es ist. Wir bemühen uns, die alten Kontakte wiederaufzubauen. Ist uns bis heute noch nicht gelungen. Wir schaffen es einfach nicht.“

Robert meldete sich: „Es wurde doch behauptet, dass Gamma+ unsere Freunde von Futureworld in einem hinterhältigen Handstreich überfallen und gefangen genommen haben sollen. Hast du davon irgendetwas gehört?“

„Ja, das weiß ich. Jene Meldung war zum Glück falsch und wurde von Gamma+ selbst in Umlauf gebracht. Gamma+ möchte die Welt beherrschen. Sie setzen alles daran, dieses Ziel zu erreichen. Futureworld hat geniale Techniker, auf deren Können waren die Halunken von Gamma+ schon immer scharf. Die Alfaorganisation hat gemeinsam mit Futureworld fantastische Entwicklungen für unsere Welt von morgen und übermorgen geschaffen. Auch unser Alfakron-1 stammte aus dieser Zusammenarbeit. Futureworld hatte seine Entwicklungslabors immer geheim gehalten, auch wenn ihr das nicht für möglich haltet. Nur wenige Alfas wussten, wo sich ihre technischen Labors befinden. Das war kein Misstrauen. Sie waren Technikfreaks und hatten keine Zeit und auch keine Lust, für ihre Labors ausgefeilte Schutzmaßnahmen einzurichten. Sie entwickelten und entwickelten, immer neue und noch perfektere Geräte. Sie waren einfach von ihren Erfolgen besessen. Denkt nur an Geräte wie den Identitätskontroller, den Energiekonzentrator, die Transferwand, die Transitstation und, und, und. Da wurde der eigene Laborschutz immer wieder hintenangestellt. Also blieben die Labors geheim und sie glaubten, das wäre ausreichend. Eine unzureichende Vorsichtsmaßnahme, die sich inzwischen als völlig wertlos herausgestellt hat.“

„Tolle Freunde“, bemerkte Wolf Obermeier abwertend.

„So darfst du nicht reden, Wolf“, antwortete Theresa, „Futureworld ist wirklich unser Freund. Die Alfaorganisation ist riesengroß und weltweit tätig. Trotz Schutzmaßnahmen kann sich schon mal ein Kuckuck einschleichen, der Geheimnisse verrät. Futureworld wäre da schnell erledigt. Die mussten schon immer höllisch aufpassen. Ich meine, auch wir Alfas haben inzwischen allen Grund, vorsichtiger zu sein.“

„Ich kenne sogar zwei Verräter“, murmelte Philip, „Jennifer Brix und Sakato Makuso.“

„Um Gottes willen, Philip“, zischte Julia, „hör bloß mit dem auf.“

Philip flüsterte zurück: „Ja, ja, Julia. Du hattest sein doppeltes Spiel erkannt und keiner wollte es dir zuerst glauben. Aber das ist längst Vergangenheit.“

„Bravo, Julia“, bemerkte Kilian, der zugehört hatte und klopfte Julia anerkennend auf die Schulter. Sie schüttelte seine Hand ärgerlich ab.

Theresa erklärte noch kurz: „Mein letzter Wissensstand ist, dass Gamma+ irgendwie das technische Nervenzentrum von Futureworld entdeckt haben soll. Sie wollten angeblich ihre Labors stürmen, seien jedoch an deren neuer Transferwand gescheitert. Mehr weiß ich wirklich nicht. Und bestätigt wurde das auch nicht.“

Robert war vor Aufregung hochgesprungen: „Wir können sie doch unterstützen. Warum haben sie uns nicht um Hilfe gebeten?“

„Haben sie doch, Robert. Dr. Braun kümmert sich um die Sache von London aus. Ihr kennt ihn so gut wie ich. Wenn er etwas in die Hand nimmt, dann klappt es.“

Sarah brummte leise etwas von London und Gefangennahme und Julia seufzte tief. Kilian flüsterte, ohne die Lippen zu bewegen: „Mir hat das super gefallen. Das war endlich mal Spannung pur.“

Theresa ergänzte: „Wichtig ist zu wissen, dass die Banditen von Gamma+ ihr Ziel nicht erreicht haben.“

„Gott sei Dank“, rief Flo erleichtert.

„Und was jetzt?“, wollte Quinky wissen.

„Wir warten, bis Dr. Braun einen Entschluss gefasst hat.“

„Ich bin dabei, wenn es losgeht“, rief Robert, „und Quinky auch.“

Quinky war vorsichtiger und erhob Einspruch: „Das muss ich mir noch überlegen.“

„Ich mach auf jeden Fall wieder mit“, verkündete Philip mutig.

Sylvester Blab, der Philip überhaupt nicht leiden konnte, schubste seinen Nachbarn an und knurrte: „Dieses Würstchen! Hast du das gehört?“

Viele hatten es gehört, Philip war überrascht. Warum verhielt sich Sylvester ihm gegenüber schon wieder so feindselig? Er beschloss, Robert zu fragen.

„I moch a mit“, posaunte Wolf Obermeier aus Graz.

Theresa stellte fest: „Ich habe verstanden. Alle sind dabei, Quinky überlegt es sich noch. Toll von euch. Werde ich Dr. Braun berichten.“

Quinky rief aufgeregt: „Halt, Theresa, halt. Ich hab’s mir gerade überlegt. Ich bin auch dabei.“

Philip wollte noch wissen: „Wer ist eigentlich Secret Limited? Vorhin hast du den Namen erwähnt. Als wir in London gefangen genommen wurden, hörte ich ihn schon einmal.“

„Was hast du gesagt? Gefangen genommen?“ Theresa war überrascht. Auch verschiedene Alfas wussten nichts Genaues. Dr. Braun hatte die Alfalehrer zu Stillschweigen verdonnert, weil er sich der Sache noch immer schämte.

„Los, erzähl.“

Philip wandte sich zu Sarah, die neben ihm saß: „Sarah, erzähl’ du.“

Sie tat das sehr gerne und ausführlich, unterstützt von Julia. Das hatte es in der Geschichte der Alfaorganisation noch nie gegeben, dass Fundamentals mit einer Story aufwarten konnten, die den Rest der Zuhörer in Sprachlosigkeit versetzte. Schließlich meinte Theresa: „Also, Sarah und Julia, bei eurem Bericht haben einige zustimmend genickt und Julia ist noch immer völlig erledigt. Das muss wirklich schlimm gewesen sein.“

Ricky meldete sich zu Wort: „Es ist genauso, wie Sarah berichtet hat. Ich war schließlich auch dabei.“

„Jetzt weiß ich immer noch nicht, wer Secret Limited ist“, beklagte sich Philip.

„Entschuldige. Habe ich ganz vergessen. Sarahs Bericht war so überwältigend.“ Theresa lächelte. „Also. Secret Limited. Das sind genauso hinterhältige Gesellen wie Gamma+. Ihre Absichten und Taten lassen uns oft den Schweiß aus allen Poren fließen. Sie halten sich irgendwo im Hochland von Schottland versteckt, keiner weiß genau, wo. Sie terrorisieren, was ihnen gerade unterkommt. Ohne bestimmtes Ziel. Ohne Sinn. Einfach drauf los. Wahrscheinlich hatten euch die Alfas im Londongroof so übel mitgespielt, weil sie echt Angst vor Secret Limited haben. Wirklich krass.“

Nachdem Theresa ihren interessanten Vortrag beendet hatte, entwickelten sich hitzige Diskussionen.

„Ich habe einen ganz einfachen Vorschlag“, meldete sich die kluge Julia zu Wort. „Wenn sich zwei Menschen oder Gruppen nicht einigen können, lassen sie einfach einen Dritten entscheiden. Dieser muss aber neutral sein.“

Auch Sarah fand diesen Vorschlag sehr sinnvoll.

Stefan war dagegen und meinte, dass dies schon seit tausend Jahren erfolglos versucht würde.

Susan Camper war überrascht, weil sich einige Fundamentals so in Rage geredet hatten.

Quinky stellte fest, dass sie keine Lust mehr hatte, immer nur rumzuquatschen. Sie sei müde und wolle schlafen gehen.

Sie registrierten zunächst nicht, dass Professor Tips hinter Theresa stand. Aber er war nicht allein gekommen. Schließlich räusperte er sich mit knarrendem Ton.

„Ihr seid ja immer noch ganz aufgeregt.“

Es wurde allmählich stiller. Die Alfas blickten überrascht auf die unbekannte Frau neben Professor Tips. Was für ein Anblick! Eine Frau wie ein Berg. Riesengroß und breitschultrig. Nicht dick, aber gewaltig. Professor Tips hätte sich hinter ihr dreimal verstecken können, wenn er es versucht hätte.

„Ich habe euch noch jemanden mitgebracht“, knarrte er.

Alle starrten ihn und seine Begleiterin an.

„Ich möchte euch meine liebe Kollegin Doktor Britta Christiansen vorstellen. Sie kommt aus Schweden und hat eine aufsehenerregende Doktorarbeit über moderne Sicherheitssysteme geschrieben.“

Philip war noch in Gedanken bei den Geheimorganisationen, deshalb war ihm zunächst nicht klar, warum unter den älteren Alfas erstauntes Gemurmel begann. Dann jedoch schubste ihn Julia an und flüsterte: „Hast du gehört, Philip, Sicherheit. Genau das war unser Problem!“

Schlagartig war Philip im Bilde. Klar, Professor Qualtus ist sowieso umstritten. Vielleicht bahnte sich da etwas an. Solche Gedanken schienen auch die älteren Mitschüler zu bewegen. Flo Jaro, die in Philips Nähe saß, machte einen langen Hals zu Robert und tuschelte irgendetwas über Qualtus. Professor Tips hörte zwar das Gemurmel, verstand allerdings nicht, worum es sich handelte.

„Also, wie gesagt, meine liebe Kollegin Britta Christiansen ist seit vielen Jahren eine Alfa. Sie kommt aus Stockholm und möchte künftig gerne im schönen Oberbayern arbeiten. Ich freue mich darauf. Für heute gute Nacht.“

Nach dieser besonders kurzen Erklärung verließ er mit schnellen, kleinen Schritten den Groof, gefolgt von der anscheinend überraschten Frau Dr. Christiansen mit langen, kräftigen Schritten sowie Theresa Ebener, die sich noch zweimal winkend umdrehte.

Für die zurückgebliebenen Alfas war der Abend noch nicht beendet. Diskutierten sie bis vor ganz kurzer Zeit noch über Geheimorganisationen und das Abenteuer in London, so war es jetzt das überraschende Auftauchen von Britta Christiansen.

Robert brachte die Sache auf den Punkt: „Warum stellt er sie einfach nur vor und sagt nicht, welche Aufgaben sie übernehmen soll? Ihr habt alle den Vortrag von Professor Qualtus und die haarsträubenden Diskussionen miterlebt. Der ist verantwortlich für Alfasicherheit. Leider immer noch.“

Quinky stimmte ihm zu: „Einige von uns sind der Meinung, dass er heimlich mit Gamma+ unter einer Decke steckt. Und was ist inzwischen geschehen? Nichts!“

„Ich meine, er soll nicht vorverurteilt werden. Bis heute gibt es keinen einzigen Beweis, nur Spekulationen“, ergriff Sylvester Blab Partei für den abwesenden Professor Qualtus.

Philip machte sich über diese Bemerkung verschiedene Gedanken. Warum ergriff er plötzlich Partei für Professor Qualtus, wo er sich doch sonst immer aus allem heraushielt?

„Allerdings auch keine Entlastung“, ereiferte sich Susan Camper, „und das Wichtigste für uns ist immer noch die hundertprozentige Sicherheit im Groof. Vergesst nie den Überfall durch Gamma+!“

Einige Alfas standen auf, weil die Diskussionen sowieso zu keinem Ergebnis führten.

Nach wenigen Minuten war die Groofbibliothek leer.

Das milchige Licht erhellte noch immer den Zentralbereich. Irgendwo knackte etwas.

2. Residenz Bavaria

Der Januar neigte sich dem Ende entgegen. In der Residenz Bavaria sollte ab Februar der komplette Internatsunterricht stattfinden. Die Baustelle erweckte allerdings den Anschein, als sei das Fertigstellungsjahr verwechselt worden. Kilian schüttelte immer wieder den Kopf: „Wird das Gebäude eigentlich aufgebaut oder abgerissen?“

Tag für Tag nervte abscheuliches Hämmern, Bohren und Sägen, oft sogar bis zum späten Abend. Das Lärmen und Schimpfen der Bauarbeiter nahm fast unerträgliche Ausmaße an. Statt Schnee gab es auch noch Dauerregen. Der klebrige Matsch im gesamten Baustellenbereich wurde tiefer und tiefer. Immer wieder blieben Fahrzeuge stecken und vergrößerten die Matschlöcher noch. Später lieferten Lastwagen jede Menge neue Einrichtungsgegenstände an. Alles verschwand in endlosen Fluren, um bald danach wiederaufzutauchen, erneut verladen und weggefahren zu werden. Was für eine merkwürdige Baumethode.

Neugierig beobachteten die Schüler dieses unsinnige Treiben. Als künftige Bewohner lästerten sie immer lauter über so eine hirnrissige Arbeitsweise. Als Professor Tips vorbeitippelte und kurz zugehört hatte, knarrte er seine Meinung: „Gut beobachtet. Hier geht es zu, wie überall im richtigen Leben, klick, klick, aufbauen, abreißen und wieder aufbauen.“

Ricky kicherte leise: „Aber nur bei den NoKrons.“

Bei den dauernden Beobachtungen ließ es sich nicht vermeiden, dass die Schuljugend durch den ekelhaft klebrigen Schlamm waten musste, um alle Einzelheiten deutlicher erkennen zu können. Als Pauline, Philips Mitschülerin, die grundsätzlich eine dicke Hornbrille trug, mit dem linken Fuß im Morast stecken blieb und wie erwartet der Länge nach im Dreck verschwand, gab es ein höllisches Gelächter. Die herumstehenden Mitschüler schüttelten sich vor Vergnügen, worauf Matti Sperling nach einem unvorsichtigen Schritt nicht nur in genau demselben Schlammloch landete, sondern seinen Mitschülern ebenfalls eine filmreife Bauchlandung vorführte. Ein Bauarbeiter, der sich gerade von seiner Arbeit ausruhte, grölte am lautesten. Das vielstimmige Gelächter schwoll an, als Pauline wieder aus dem Dreck auftauchte und aufzustehen versuchte. Es gelang ihr nicht richtig, ihr linker Schuh blieb stecken. Sie war auch nicht mehr zu erkennen. Schlamm von oben bis unten. Die Brille war auch verschwunden.

„Wer bist du denn?“, kreischte Sophie von Stein. Sie entging nur durch einen mutigen Sprung einer schlammigen Ohrfeige.

Es wäre alles viel einfacher gewesen, wenn, der Jahreszeit entsprechend, Schnee gefallen wäre. Dieses Jahr fiel jedoch kein Schnee. Deswegen erzeugten die Lastwagen, die pausenlos hin- und herdröhnten, immer neue Schlammlöcher von beträchtlichem Ausmaß. Jordan schimpfte fürchterlich. Schließlich räumte er Schneefräse und Schneeschaufeln, über die er sowieso oft stolperte, kurzerhand zurück in den Geräteschuppen.

„Kein Schnee in diesem Jahr, basta. Ist doch mir egal“, grunzte er, als Philip ihn frech angrinste. Wie sehr sich Jordan getäuscht hatte, erfuhren sie am übernächsten Tag. Als sie morgens aus dem Fenster blickten, war die Landschaft mit einem weißen Teppich bedeckt.

„Jordan wird sich freuen. Jetzt kann er endlich mit seiner Schneefräse herumkutschieren“, meinte Kilian.

„Geht doch nicht, ist längst aufgeräumt“, antwortete Philip.

Es dauerte nicht lange und sie sahen, wie Jordan mit verärgertem Gesichtsausdruck und Flüchen auf den Lippen alle winterlichen Hilfsmittel wieder aus dem Gerätehaus holte. Dann widmete er sich den schneller anwachsenden Schneebergen, die den Schülern bereits bis an die Hüften reichten. Das Ergebnis war, dass auf der Baustelle Residenz Bavaria endgültig das Chaos ausbrach. Nicht nur die vielen unnötigen Arbeiten rächten sich, jetzt blieben auch noch manche Lastwagen im Schnee stecken. Die Arbeiter fluchten aufs Neue, weil sie wiederholt unsanft auf ihren Kehrseiten landeten und ein Stück dahin rutschten. Die Schüler im Schloss Bavaria erlebten eine amüsante Zeit. Die Tage eilten im Eiltempo dahin. Der erste Februar war nur noch wenige Tage entfernt.

Auch in Philips Klasse wurde heiß über den bevorstehenden Umzug diskutiert. Chris Boning, der Philip wiederholt bemitleidet hatte, weil er leider in dem alten, düsteren Schloss Bavaria bleiben musste, änderte überraschend seine Meinung: „Also, Philip, ich hab’s mir überlegt. Ich bleibe hier und zieh später mit dir um. In diese Baustelle mag ich nicht. Mir geht das ganze Theater gewaltig auf den Wecker.“

Philip antwortete missgelaunt „Klar, Chris, rede mit Jordan, unserem Oberorganisator. Was sagt überhaupt deine Schwester dazu?“

„Ich glaube, … die will auch hierbleiben.“

Anna Boning mischte sich ein: „Hab ich nicht gesagt, Chris, wir ziehen um! Verstanden? Es soll im Neubau sehr schön sein.“

Chris überhörte die Bemerkung und redete weiter: „Philip, ich hab gehört, ihr lernt gerade ein neues Spiel. Kann ich da mal mitmachen?“

Philip vermutete, dass Chris von irgendeinem Spitzel Informationen über Engoal erhalten hatte, obwohl das Spiel streng geheim war. Er beschloss, cool zu bleiben: „Das ist kein neues Spiel. Herr Donner hat mit uns Fußball gespielt und ein paar blöde Neuerungen eingeführt, die keiner so richtig verstanden hat. Ich auch nicht.“

Chris betrachtete Philip länger als sonst. Philip beschlich ein ungutes Gefühl.

Am Morgen des letzten Januartages war, wie durch ein Wunder, auf dem Gelände der Residenz Bavaria Ruhe eingekehrt. Viele der großen Baumaschinen waren über Nacht verschwunden, nur wenige Arbeiter trödelten noch herum. Lediglich im halb fertigen Gebäude C war der Innenausbau noch voll im Gange. Da wieder Schnee gefallen war, erstrahlte der Neubau in weißer Stille. Wegen des großen Umzugs war für diesen Tag schulfrei angekündigt worden.

Noch lag trügerische Ruhe über dem gesamten Gelände. Das änderte sich schnell, als der Frühstücksraum geöffnet wurde. Die ersten Schüler stolperten verschlafen zur Essensausgabe, doch dann begann hektisches Getöse. Keiner wollte etwas verpassen. Jordan stand nach wenigen Minuten im Türrahmen und rief die ersten Zimmernummern zum Umzug auf. Die genannten Schüler schlangen schnell die letzten Bissen hinunter und sausten los. Die Koffer waren schon am Vortag gepackt worden. Die Schüler wurden in den Schulbus verfrachtet. Jordan war stundenlang unterwegs, hin und her. Schloss Bavaria leerte sich zusehends.

Chris stand plötzlich neben Philip: „Jetzt muss ich doch umziehen. Jordan hat angeordnet, dass in letzter Sekunde nichts mehr geändert werden darf. Ich wäre gerne mit dir hiergeblieben.“

Philip war ein wenig geistesabwesend. Er klopfte Chris auf die Schulter und murmelte: „Ist doch nicht schlimm, Chris. Wir sehen uns jeden Tag im Unterricht. Vielleicht machen wir mal eine Radtour, ich borge mir eines unserer Bavariaräder.“

„Im Winter? Spinnst du?“, rief Chris.

Philip ärgerte sich, weil er mit seinen Gedanken gerade so weit weg gewesen war: „Okay, dann eben Ski fahren.“

Am Abend war der Umzug abgeschlossen. Alles hatte prima geklappt. Im Schloss Bavaria herrschte nun beängstigende Stille. Dort wohnten nur noch die 33 Alfas sowie ein paar Alfalehrer. Der übliche Trubel fand nunmehr in der Residenz Bavaria statt.

Am nächsten Morgen war es unmöglich, im Schloss Bavaria den normalen Tagesablauf einzuhalten. Bereits während des Frühstücks stand Jordan mit dem Schulbus vor der Tür und wartete auf die Alfas, um sie zum Unterricht in die Residenz Bavaria zu fahren. Es klappte nichts. Als kurz vor Unterrichtsbeginn immer noch Schüler fehlten, startete Jordan den Motor und fuhr schimpfend los.

„Morgen funktioniert das besser. Das verspreche ich euch“, fauchte er, „sonst gibt’s gewaltigen Ärger.“

Die kurze Strecke war schnell zurückgelegt. Sie mussten zuerst durch das Haupttor das Gelände von Schloss Bavaria verlassen, dann um das kleine Wäldchen herumfahren. Nach höchstens hundert Metern öffnete Jordan per Funkfernsteuerung das nagelneue Haupttor zur Residenz Bavaria. Vor dem großen Portal stoppte Jordan den Bus.

„Los, raus jetzt, … muss noch mal rüber, die Langschläfer abholen.“

Wütend legte er den ersten Gang ein und verschwand wieder in Richtung Schloss Bavaria.

Professor Qualtus, leider immer noch verantwortlich für Alfasicherheit im Bavaria, stand am Eingang und führte die Gruppe ziemlich missgelaunt zu den Unterrichtsräumen. Die Tische in den Klassenzimmern waren ähnlich angeordnet wie im Schloss Bavaria. Jeder setzte sich an seinen alten Platz, es sah fast unverändert aus. Der Raum roch nach frischer Farbe und neuen Holzmöbeln. Nach wenigen Unterrichtsstunden hatte sie der Alltag wieder im Griff. Das Mittagessen fand im nagelneuen Speisesaal statt, sie meinten sogar, dass auch das Essen besser schmeckte. Schließlich noch Nachmittagsunterricht und dann stand Jordan wieder mit dem Schulbus vor der Tür.

Als sie im Schloss Bavaria angekommen waren, sagte Jordan: „Ihr kriegt einen neuen Fahrer.“

„Du machst das doch prima“, grinste Matti.

„Hab schließlich noch was anderes zu tun. Solltest auch du wissen, Matti. Kann nicht dauernd in der Gegend rumkutschieren.“ Jordan hatte immer noch miese Laune.

Als Philip ausstieg, sagte Jordan leise zu ihm: „Hab für dich eine interessante Aufgabe, wenn du Lust hast.“

„Au cool, ich habe heute Zeit“, erwiderte Philip.

„Dann bis später.“

Als Philip die windschiefe Hütte betrat, wollte Jordan zur Begrüßung wissen: „Wie gefällt dir das neue Schulgebäude?“

Philip antwortete: „Wurde höchste Zeit, ich meine der Umzug.“

„Was soll das heißen?“

„Chris Boning hat eine Bemerkung gemacht. Vielleicht hat er uns beobachtet, als wir Engoal spielten.“

Jordan machte eine wegwerfende Handbewegung: „Das kann nicht sein. Ihr habt doch im Groof gespielt. Chris hat nur getrickst. Kannst du mir glauben.“

„Oder wir haben mal wieder eine undichte Stelle.“

Jordan stutzte kurz, dann sagte er: „Nein, wirklich nicht. Kann gar nicht sein.“

Philip blickte Jordan fragend an: „Und, was machen wir jetzt?“

„Komm mit.“ Jordan stand auf und öffnete die Geheimtür zu seinem Entwicklungslabor. Bisher hatte es Philip noch nie geschafft, mehr als einen schnellen Blick hinter diese Tür zu werfen. Und plötzlich durfte er das Labor betreten! Mit ein paar schnellen Sätzen durchquerte er das kleine Zimmer und stand im Türrahmen zu Jordans streng gehütetem Geheimnis, die Augen weit aufgerissen. Doch er sah überhaupt nichts, es war stockdunkel.

„Komm endlich rein. Ich muss die Tür wieder schließen.“ Jordan zog ihn unsanft hinter sich her und zog die Geheimtür ruckartig zu, sodass sie mit einem dumpfen Plopp ins Schloss fiel. Es umgab sie ein merkwürdig schummriges Licht, an das sich Philips Augen erst gewöhnen mussten. Philip wollte weitergehen. Jordan packte ihn und hielt ihn fest:

„Philip! Um Gottes willen! Du hast doch Augen im Kopf!“

Verblüfft blieb Philip stehen: „Ich seh doch fast nichts.“ Allmählich erkannte er die Konturen der Umgebung. Ein erstickter Schrei entfuhr ihm. Der kurze, schmale Gang endete direkt im NICHTS.

„Jordan! Hier ist ein schwarzes Loch!“

„Ich habe doch gesagt, du sollst aufpassen. Ich muss erst die Treppe aktivieren. Kann doch nicht hexen.“

Ein paar Klicks auf seinem Kron und es schwang von unten mit leisem Surren eine Treppe herauf. Mit sattem Klicken rastete sie in unsichtbare Scharniere.

„So, jetzt kann der Herr lustwandeln.“ Jordan hatte wieder sein Grinsen aufgesetzt. „Du weißt doch, dass wir seit dem Überfall von Gamma+ unsere Sicherheitsmaßnahmen verschärft haben. Diese Treppe gehört dazu. Wer das tiefe Loch übersieht, so wie du, landet im Abgrund. Jeder, der sich auskennt, weiß das. Du auch. Ab heute.“

Philip lief es noch immer siedend heiß den Rücken hinunter: „Wieso denn? Müssen wir uns immer noch vor Gamma+ schützen? Die können uns doch nichts mehr anhaben.“

„Das glaubst du! Ich sag dir nur eines: Gamma+ ist gefährlicher denn je!“

„Warum weiß ich das nicht?“

„Hast mich nicht gefragt. Die sind auch schuld, dass wir mit Futureworld keinen Kontakt mehr finden.“

„Theresa hat uns einiges erzählt. Sie wusste aber nicht viel. Gibt es Futureworld noch?“

Jordan machte ein bedenkliches Gesicht: „Gibt es schon noch. Ist aber alles sehr merkwürdig. So eine Art Sendepause.“

„Wieso Sendepause?“

„Weiß nicht, sie melden sich nicht mehr. Angeblich ist ihre Sendeanlage zerstört. Sehr geheimnisvoll“, murmelte Jordan.

„Ist Gamma+ daran schuld?“

„Ich weiß auch das nicht. Wahrscheinlich schon.“

„Du kannst es doch herausfinden, Jordan.“

„Hab ich schon tausendmal versucht. Jetzt kümmert sich Dr. Braun darum.“

Philip nickte: „Hat uns Theresa schon erklärt.“

„Na also, dann weißt du genauso viel wie ich.“

„Vielleicht gab’s Ärger mit Futureworld?“

„Philip! Spinner. Wir streiten nicht mit unseren Freunden. Tust du doch auch nicht. Dr. Braun sagt, es gibt ein Geheimnis. Ich weiß aber nicht welches!“

Philip kniff die Augen zusammen: „Vielleicht willst du es mir nur nicht sagen.“

Jordan schimpfte: „Jetzt komm endlich. Wir wollen hier im Gang keine Wurzeln schlagen.“

Vorsichtig trat Philip auf die Treppe, die bis vor wenigen Minuten noch nicht vorhanden gewesen war. Sie fühlte sich fest und sicher an. Nachdem sie unten angekommen waren, drehte sich Jordan um. Zwei schnelle Klicks und die Treppe schwang nahezu lautlos zurück ins Nichts. Die große, dunkle Öffnung endete nirgendwo.

„Ist das Loch tief?“, wollte Philip wissen.

Jordan brummte: „Tief genug. Kannst ja mal einen Stein runterwerfen.“

Sie betraten einen großen Raum, der in indirektes Licht getaucht war. Überall glänzten technische Apparaturen. Da waren auch etliche Menschen, die an Computerbildschirmen saßen und irgendwelchen Tätigkeiten nachgingen. Sogar Mister Rex hockte da, vertieft in irgendein Problem. Sein blanker Schädel strahlte deutlich heraus. Sie gingen an ihm vorbei, Mister Rex bemerkte Philip und nickte ihm zu. An einem weiteren Bildschirm sah er Robert Zeger.

„Hallo Robert, musst du jetzt immer hier arbeiten?“

„Müssen? Philip! Dürfen! Du kannst dir nicht vorstellen, wie spannend das ist. Ich muss mich oft losreißen. Ich könnte hier Tag und Nacht sitzen.“

Jordan zog Philip weiter. Auf einem größeren Arbeitstisch waren mehrere unterschiedliche Bildschirme. Dort saßen zwei fremdartige Personen.

„Philip, die beiden wirst du hier öfter sehen“, erklärte Jordan, als sie angelangt waren. „Das ist Professor Fu, einer unserer wichtigsten Spezialisten. Und seine Mitarbeiterin, Frau Wang.“

Die beiden unterbrachen ihre Arbeit und verzogen ihr Gesicht zu einem maskenhaft asiatischen Lächeln.

Jordan stellte Philip vor: „Sie haben bestimmt schon von unserem neuen Megakron gehört, Professor Fu: Das ist Philip Saller.“

Beide standen auf, verbeugten sich tief vor Philip und sagten ein paar nette Worte. Dann drehten sie sich um und waren sofort wieder in ihre Arbeit versunken.

„Professor Fu und Frau Wang arbeiten oft hier in unserem Entwicklungslabor. Solch fähige Leute brauchen wir dringend. Eigentlich kommen sie aus einem unserer großen technischen Labore in China, ziemlich weit von hier. Aber du weißt ja, wie schnell wir von einem Groof zum anderen beamen können.“

„Wo ist dieses große Labor?“, wollte Philip wissen, „kann ich da auch mal hin?“

„Klar, wenn es einen Grund gibt, immer. Der Ort heißt Guilin. Dort gibt es in einem Berg eine ganz berühmte Höhle. Die Rohrflötenhöhle. In dieser Höhle befindet sich auch der Eingang zu unserem Groof. Da tummeln sich tagtäglich unzählige Besucher, tausend oder mehr. Da fallen wir Alfas nicht auf. In einer versteckten Felsspalte befindet sich der Eingang zum Groof.“

Sie gingen ein paar Schritte weiter.

„Hier links siehst du die Türen. Dahinter gibt es Wohnungen. Wenn Alfamitarbeiter von irgendwo auf der Welt hier an einem großen Projekt arbeiten, wollen sie manchmal nicht dauernd hin und her beamen. Da können sie abends in ihrer Arbeitsgruppe weiterdiskutieren. Sie schlafen einfach bei uns, ist doch schön hier, oder? Wohnungen gibt es in allen größeren Groofs.“

„Wohin führt der Weg dort hinten?“ Philip hatte einen schmalen Durchgang erspäht.

„Ha! Das ahnst du nie“, scherzte Jordan.

„Dann sag´s mir.“

„Also gut. Das ist eine direkte Verbindung zum Groof.“

„Ich fass es nicht“, Philip war überrascht. „Aber ich habe schon öfters Alfas plötzlich verschwinden sehen. Dich auch.“

„Da drüben, siehst du die Holzwand? Das wird der neue Geheimgang zur Residenz Bavaria. Wenn alles fertig ist, zieht ihr ins neue Haus C um.“

Jordan wechselte das Thema: „Komm. Ich erklär dir, woran Robert gerade arbeitet.“

„Au ja.“

Sie gingen an einen freien Arbeitsplatz und Jordan schaltete den Bildschirm ein.

„Im nächsten Schuljahr gibt’s bei euch eine neu entwickelte Stufe Informatikunterricht“, erklärte Jordan.

„Nur für Alfas?“

„Erst einmal für alle. Sobald ihr im Internatsunterricht die allgemeinen Grundlagen begriffen habt, gibt’s für Alfas Alfainformatik. Darauf kannst du dich heute schon freuen. Weil du den Megakron besitzt, darf ich dir aber Einiges erklären.“

Die nächsten Stunden faszinierten Philip unendlich. Jordan erläuterte, wie mit wenigen programmtechnischen Hilfsmitteln Informationen an den Bildschirm gebracht und beliebig verändert werden konnten. Aufgrund Philips Intelligenz musste Jordan seine Erläuterungen nur einmal ausführen. Jede Erklärung saß danach bombensicher. Die Stunden verrannen wie im Fluge.

„Nun hast du einen kleinen Einblick. Und jetzt zu Roberts Aufgabe.“

Jordan machte eine Pause. Professor Fu war an ihren Tisch getreten und wartete, bis Jordan ihn ansprach.

„Wenn Sie später Zeit haben, kommen Sie bitte zu uns. Wir müssen ein Problem besprechen.“

Jordan nickte: „Zehn Minuten. Ist das okay?“

Professor Fu nickte und ging zurück an seinen Arbeitstisch.

„Schau her“, fuhr Jordan fort, „hier ist eine Tabelle mit allen Alfas und ihren Alfanummern. Alle Daten sind in unserem Intranet gespeichert. Künftig wird protokolliert, wo sich jeder einzelne Alfa befindet und was er gerade macht.“

Bei der Erwähnung des Wortes Intranet erinnerte sich Philip an Georgs große Sorge, als sich feindliche Eindringlinge in das Firmennetz seines Arbeitgebers eingeschlichen hatten. Er erzählte Jordan von dem Gespräch. Damals war ihm bei Nennung des Namens „Gamma+“ vor lauter Schreck sein Buch aus der Hand gefallen. Jordan hörte sich die Geschichte mit bedenklicher Miene an, ohne Philip ein einziges Mal zu unterbrechen. Schließlich sagte er:

„Philip, ich bin sehr froh, dass du mir davon berichtet hast. Ich werde Dr. Braun informieren. Zurück zu Robert. Er schreibt ein wichtiges Programm für unser Intranet.“

„Robert? Das gibt’s nicht! Der ist doch noch Alfaschüler.“

Jordan überhörte Philips Bemerkung: „… und zwar erfasst er in einer Datei jede Bewegung der Alfas.“

„Und wie melde ich mich im Intranet an?“

„Du bist doch drin. Immer! Dein AK2 ist immer aktiv. Vergessen?“

„Äh …, nein.“

„Robert speichert alle wichtigen Ereignisse. Zum Beispiel wann du einen Groof betrittst oder verlässt, wohin du beamst und so weiter. Mit Uhrzeit und allem möglichen Zeug. Später können wir jederzeit feststellen, wer, wo, wie lange war. Er macht das super.“

Weder Jordan noch Philip hatten bemerkt, dass Robert seit einiger Zeit hinter ihnen stand.

Als er ihn sah, erschrak Jordan: „Robert! Wie lange stehst du denn schon hier?“

„Lange genug“, grinste er. „Ich wusste gar nicht, wie wichtig meine Arbeit ist.“

„Jetzt weißt du es“, lächelte Jordan.

Robert zeigte auf seine Uhr: „Wollt ihr hier übernachten? Ich geh jetzt.“

„Wieso?“, antwortete Philip, er konnte seinen Blick kaum vom Bildschirm wenden.

„Jetzt siehst du, wie es mir oft geht“, lachte Robert. „Ich meine auch immer, erst eine Stunde hier zu sein, und dann schaue ich auf die Uhr …“

Philip erschrak: „Jordan! Weißt du, wie spät es ist?“

„Klar! Für mich ist das Alltag. Ich denke, wir hören für heute auf. Ich muss auch noch zu Professor Fu.“

Robert und Philip wandten sich in Richtung Ausgang.

„Kannst du auch die Treppe verschwinden lassen, Robert?“

„Die ist doch verschwunden. Aber ich hole sie jetzt für uns.“

Ein paar Klicks auf den AK2, Philips Hals wurde deutlich länger.

„Jetzt hab ich’s gesehen“, frohlockte er.

Am nächsten Morgen standen fünf Minuten vor acht Uhr alle Alfas abfahrbereit vor dem Gebäude. Philip wollte mit Jordan noch etwas zu besprechen. Der Schulbus kam, allerdings saß nicht Jordan am Steuer. Ein unbekannter, mittelgroßer Mann öffnete die Tür. Er sah lustig aus mit seiner dunkelblonden Igelfrisur. Der kräftigen Statur nach zu urteilen, war er ein starker Mann. Er begrüßte die wartenden Schüler:

„Ab heute bringe ich euch zum Unterricht. Ich bin der neue Fahrer und außerdem unterstütze ich Jordan Finkbein bei verschiedenen Hausmeistertätigkeiten. Ich heiße Max. Manche sagen Maxwell zu mir. Ich freue mich, dass ich hier bin. Und jetzt rein mit euch. Wir müssen zum Unterricht.“

Verwundert stiegen die Schüler in den Bus.

„Mir reicht’s“, schimpfte Ricky. „Jetzt schon drei neue Leute und null Aufklärung. Irgendetwas ist im Gange, Philip. Es wird schon wieder alles heruntergespielt.“

Sie vereinbarten, sich nach dem Unterricht aus wichtigem Grunde zu treffen.

Und sie trafen sich wie so oft in der Groofbibliothek. Als Philip, Ricky und Kilian aufkreuzten, warteten Julia und Sarah bereits.

„Den neuen Fahrer müssen wir nicht überbewerten“, meinte Julia, nachdem Ricky seinem Ärger Luft gemacht hatte. „Philip, du hast erzählt, was Jordan für wichtige Aufgaben hat. Alle NoKrons glauben, er ist hier nur der Hausmeister, in Wirklichkeit ist er ein wahnsinnig wichtiger Alfa. Er braucht dringend Hilfe. Er kann schließlich nicht alles allein machen.“

„Der Meinung bin ich auch“, stimmte Philip zu.

Ricky murrte: „Hm, vielleicht hast du recht, Julia.“

Auch Sarah nickte zustimmend.

Kilian war noch unentschlossen: „Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Es könnte doch auch ganz anders sein.“

Philip überlegte: „Aber wir ziehen bald um. Warum kommt für die paar Tage dieser Max oder Maxwell?“

„Hat er doch gesagt“, meinte Sarah, „Hausmeisterarbeiten übernehmen.“

Julia warf ein: „Ich denke, viel wichtiger ist die Sache mit Britta Christiansen. Habt ihr das gehört? Sie hat eine aufsehenerregende Doktorarbeit über Sicherheitssysteme geschrieben und möchte gerne bei uns im Groof arbeiten! Wer soll denn das glauben? Und Tipsi sagt nicht, welche Aufgabe sie übernehmen soll.“

Sarah grübelte: „Vielleicht ist es noch nicht entschieden. Die Sache mit Professor Qualtus hat so viel Wirbel verursacht. Warum haben sie ihn damals nicht einfach gefeuert?“

„Vielleicht suchen sie noch letzte Beweise“, Ricky hob unentschlossen seine Schultern.

Philip sagte: „Ich finde auch Vieles merkwürdig. Da erscheinen Dr. Christiansen, Theresa Ebener und dieser Maxwell fast gleichzeitig. Und was wissen wir? NICHTS. Es sieht alles nach Zufall aus und wird als unwichtig heruntergespielt.“

Sarah drängte zu einer Entscheidung: „Wir müssen was unternehmen! Herumquatschen nützt überhaupt nichts. Habt ihr eine Idee, was wir tun können?“

„Nein!“, war die einstimmige Antwort. „Wir müssen Augen und Ohren aufhalten.“

„Mir reicht das auch nicht“, sagte Julia entschlossen. „Ich möchte Gewissheit haben. Schließlich sollen wir irgendwann die wichtige Generation der Alfas sein.“

„Julia hat recht“, stimmte Philip zu. „Aber wir müssen geschickt vorgehen. Dr. Braun sollten wir im Augenblick vergessen. Ich könnte ihn zwar besuchen, aber wahrscheinlich redet er nur herum, wie er es immer macht. Jordan darf nichts verraten, tut er sowieso nicht. Vielleicht Robert Zeger. Den könnte ich fragen. In der vierten Alfaklasse wissen die ziemlich viel.“

Alle fanden diesen Vorschlag gut.

Beim Abendessen hielt Philip nach Robert Ausschau. Er saß zwei Tische weiter.

„Robert, hast du Zeit?“, sprach er ihn an.

„Klar, was gibt’s denn?“

„Wir haben uns Gedanken gemacht, meine Freunde und ich. Darüber möchte ich gerne mir dir sprechen.“

Robert nickte: „Gute Idee. Wir treffen uns nach dem Essen.“

Philip berichtete Robert von dem Gespräch mit seinen Freunden: „Wir sind alle fünf der Meinung, dass hier merkwürdige Dinge geschehen. Vielleicht hast du eine Ahnung?“

„Und ob ich Ahnung hab! Ich dachte, du auch“, antwortete Robert.

„Ich weiß aber nichts“, antwortete Philip nervös.

„Also, Philip. Die Sache mit dem Umzug und so, das ist schon in Ordnung. Ist keine Geheimniskrämerei. Vollkommen harmlos. Der Neubau war schon ewig geplant. Dass ausgerechnet wir Alfas später umziehen sollen, ist auch verständlich. Gebäude C ist das Schwierigste, mit all dem technischen Zeug, Sicherheitslift, Zugang zum Groof und Pipapo. Alle Alfas wohnen dann im neuen Gebäude C. Mädchen Eingang Nord, Jungen Eingang Süd.“

„Ja, ja, das weiß ich schon“, antwortete Philip ungeduldig,

„… und weiter?“

„Na ja, dass der Groof und die Zugänge viel sicherer sein werden, ist dir auch bekannt. Denk nur an die wahnsinnige Treppe in Jordans Häuschen.“

„Ist das alles?“, Philip war enttäuscht.

„Nein, das ist nicht alles. Jetzt kommt der Hammer. Pass auf! Professor Qualtus wurde abgesägt.“

„Sag das noch mal.“ Philip war aufgesprungen: „Also doch!“

„Na ja, so richtig bestätigt wurde uns gegenüber noch gar nichts. Seit dem Überfall von Gamma+ ist die gesamte Alfaorganisation unter Hochspannung. Die passen jetzt auf wie die Luchse. Bei der Sache mit Professor Qualtus ist uns allerdings ein riesiger Zufall zu Hilfe gekommen.“

„Jetzt rede schon“, zappelte Philip.

„Gamma+, verstehst du, das sind ääh, … das sind richtige Schweine. Die haben es nicht nur auf die Alfaorganisation abgesehen. Die denken nur an Terror und was weiß ich. Die meisten Mitglieder sind echte Halunken. Aber nicht alle. Einer zum Beispiel wusste anfangs noch nicht, was bei Gamma+ gespielt wird. Als er die Wahrheit erfuhr, war er entsetzt. Er schwor, bei diesen kriminellen Dingen nicht mehr mitzumachen. Er ist untergetaucht.“

„Woher weißt du denn das?“, rief Philip.

„Du wirst noch merken, dass man in der Alfaorganisation alles herausbekommen kann. Dieser Typ hatte sich entschlossen, Gamma+ zu verlassen. Er ist übergelaufen.“

„Aber nicht zu uns?“

„Genau zu uns. Die Alfaorganisation hat ihm eine neue Identität verpasst, damit ihn Gamma+ nicht so leicht finden kann. Das würde er nämlich nicht überleben, du kennst sie ja. So, wie er jetzt aussieht, würde ihn seine eigene Mutter nicht mehr wiedererkennen.“

Robert schnaufte erregt.

„Und was hat das mit Professor Qualtus zu tun.“ Philip fehlte im Augenblick der Zusammenhang.

„Ist doch klar. Der Überläufer hat uns über die Kontakte von Professor Qualtus zu Gamma+ aufgeklärt.“

„Du spinnst! Dann wäre er ja der größte Feind im eigenen Haus. Das kann nicht wahr sein.“

„Und ob das wahr ist. Jetzt haben wir sogar Beweise“, nickte Robert.

„Dann muss aber Professor Qualtus den Überläufer ebenfalls kennen.“

„Keine Spur“, antwortete Robert, „Professor Qualtus kennt nicht jedes einzelne Mitglied von Gamma+. Außerdem habe ich dir gerade gesagt, dass er eine neue Identität erhalten hat.“

„Und wo versteckt sich der Überläufer jetzt?“ Philip war gespannt, ob Robert das auch wusste und ob er damit rausrücken würde.

„Warum soll er sich verstecken, wenn er vor Professor Qualtus keine Angst haben muss? Der Qualtus hat übrigens keinen AK2 erhalten und sein AK1 wurde deaktiviert.“

„Was passiert jetzt mit ihm. Wird er verhaftet?“

„Quatsch, Philip. Die Alfaorganisation ist doch keine Polizei. Unseren Groof kann er nicht mehr betreten, das ist vorbei. Er bleibt noch einige Zeit im Internat als Lehrer. Aber nicht mehr lange, dann fliegt er endgültig. Wegen schwacher Leistung oder so. Weiß er bereits. Das läuft immer so.“

„Mann, das ist vielleicht interessant.“ Philip war restlos begeistert.

„Jetzt bin ich auf den Überläufer gespannt. Wenn der Qualtus weg ist, werden wir ihn bestimmt kennenlernen.“

„Wieso denn? Du kennst ihn doch bereits.“

„Nein!“

„Klar, es ist Max, unser neuer Fahrer. Sein voller neuer Name lautet Kevin Maxwell.“

3. Die magische 7

Ein wahnsinniges Ereignis erwartete sie: die magische 7. Das seit Jahren bei den Alfas beliebte Hightech-Spiel der Superklasse wurde für die Fundamentals erstmals Wirklichkeit. Für Schüler der höheren Klassen war das überhaupt nichts Neues mehr, manche langweilten sich sogar. Die Fundamentals allerdings konnten es kaum erwarten, bis sie loslegen durften. In jedem neuen Schuljahr war das erste Training für die Schüler der neuen Fundamentalklasse ein Höhepunkt ihrer Alfaausbildung.

Die Groofleitung nahm diesen Tag zum Anlass, ein Fest zu veranstalten. Der Groof war ungewöhnlich hell erleuchtet. Etliche Alfalehrer wollten dabei sein, wenn die jungen Schüler ihre Fähigkeiten im Wettkampf gegen ältere und erfahrenere Schüler unter Beweis stellten. Nicht selten gab es Überraschungen.

Sie redeten sich bereits vorher die Köpfe heiß, obwohl sie, genau genommen, von den Regeln des Spiels ziemlich wenig Ahnung hatten. Zwar hatten sie diese gelesen, aber die Praxis sieht oft ganz anders aus. Robert Zeger kam vorbei und fragte: „Habt ihr die Regeln im Kopf? Ist wichtig!“

Keiner beachtete ihn. Robert zuckte die Schultern und verschwand, um kurz danach wieder aufzutauchen. Er fühlte sich an diesem Tag sehr wichtig. Sarah starrte Nicole Brantner an: „Du hast wieder deinen irren Computerblick, Nicole!“

„Ich will gewinnen“, erklärte sie knallhart.

„Das will ich auch“, konterte Sophie von Stein.

„Vielleicht helfen dir deine Sterne“, höhnte Linus und spielte auf ihr astrologisches Hobby an.

„Du bist schon wieder gemein, Linus“, schimpfte Sophie mit ernstem Blick, „warte nur! Bestimmt überhole ich dich. Bin gespannt, welch faule Ausrede dir dann wieder einfällt. Schnupfen, verbeamt oder mal was Anderes?“

„Entschuldige bitte, Sophie“, ruderte Linus zurück und suchte nach einem anderen Opfer.

„Ich will auch gewinnen“, schaltete sich Philip in das Gespräch ein.

„Der Megakron hilft dir dabei wenig“, grinste Stefan.

Robert ging gerade wieder vorbei: „Aber sein IQ von 150, Stefan. Deswegen hat Philip einen Megakron und du nicht. Das ist nämlich ein Intelligenzspiel.“

Stefan schnaubte erbost und schaute gekränkt zur Seite.

„Woher weißt du das von Philips IQ?“, wunderte sich Sophie von Stein.

„Ist Voraussetzung für einen Megakron“, antwortete Robert.

„Richtig. Hatte Dr. Braun schon mal erwähnt.“

Danach verschwand Robert.

Julia verhielt sich ruhig und konzentriert. Ricky beobachtete sie und raunte ihr zu: „He, Julia, du arbeitest eine Taktik aus. Stimmt’s? Heute total die Gedächtnisweltmeisterin?“

Julia lächelte abwesend.

Robert stand schon wieder bei den Fundamentals und mischte sich ein: „Du hast mir noch gar nicht erklärt, wie du das geschafft hast, Julia.“

Julia schrak aus ihren Überlegungen hoch und erwiderte stolz: „Ich hab ganz einfach ewig geübt. Dann haben mich meine Eltern zur Gedächtnisweltmeisterschaft für Jugendliche angemeldet. Wer gewonnen hat, weißt du ja. War ziemlich aufregend.“

„Kann ich mir vorstellen. Du bist ja richtig berühmt, nicht nur bei uns im Groof.“

Julia erwiderte: „Ich glaube, jeder kann viel erreichen, wenn er sich mit einer Sache gründlich befasst.“

„Jetzt stapelst du tief, Julia. Weltmeisterin ist doch was ganz Anderes! Und so fähige Köpfe haben wir hier im Groof. Sogar Theresa Ebener wusste es, obwohl sie aus Wien kommt. Dabei bist du noch so jung.“

„Ich bin gar nicht mehr so jung.“

„Im Vergleich zu uns aus der Vierten schon.“

Der winzige Professor Tips tauchte auf, gefolgt vom langen Herrn Donner. Obwohl sie sich an diesen Anblick längst gewöhnt hatten, kicherten immer noch verschiedene Alfas.

„Wenn ihr so aufgeregt herumschnattert, kann es ja losgehen, klick, klick“, sagte Professor Tips mit seiner metallenen Computerstimme.

„Ihr habt die Regeln gelesen und verstanden?“

„Wird ganz schön stressig“, vermutete Stefan Lagerfeld.

„Bestimmt nicht für einen so guten Sportler wie dich“, widersprach Herr Donner.

„Für mich ich das nicht sooo sportlich. Immer nur herumbeamen.“

„Wir werden sehen, Stefan.

Das Training besteht nicht nur aus herumbeamen“, knarrte Professor Tips. „Ich glaube, dass ihr alle ganz schön schwitzen werdet.“

„Macht mir nichts aus, wenn ich gewinne“, antwortete Stefan.

Prof. Tips lächelte: „Unser Spiel hat noch einen weiteren großen Vorteil. Ihr lernt nicht nur neue Groofs kennen, sondern auch neue Alfas. Ich bin gespannt, wer die Nase vorne haben wird. Es ist schon mal vorgekommen, dass ein Fundamental schneller war als Schüler aus den höheren Klassen.“

Nicole murmelte etwas, ohne die Lippen zu bewegen: „Ich werd’s euch zeigen.“

„Da kann ich nur lachen“, bemerkte Wolf Obermeier, der in Nicols Nähe saß, „wahrscheinlich kommen die ersten Fundamentals zurück, wenn wir alle längst in den Betten liegen und tief schlafen.“

Stefan grollte leise zu Linus: „Hast du das gehört? Dieser Angeber! Meint, er ist schlauer als wir, nur, weil er länger im Bavaria wohnt.“

„Ich bin fast genauso lange hier wie der“, antwortete Linus zum wiederholten Male.

Kilian verdrehte die Augen: „Mann, immer dieselbe alte Platte.“

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752118414
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Oktober)
Schlagworte
Freunde Technik Geheimnis Beamen Jugend Spannung

Autor

  • Ben Lehman (Autor:in)

Ben Lehman kommt aus dem Bayerischen Wald und lebte in München. Seit zehn Jahren ist der Starnberger See seine neue Heimat. Der Informatiker arbeitete als Programmierer und Systemanalytiker, auch in internationalen Unternehmen in New York und Northampton. Sein erfolgreiches Softwarehaus wurde vor einigen Jahren veräußert. Danach begann er seine ehrenamtliche Tätigkeit für die Peter-Ustinov-Stiftung bis zu dessen Tod, Schwerpunkt die Organisation der Peter-Ustinov-Mädchenschule in Afghanistan.
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Titel: Die Rettung von Futureworld