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Woggelstein

Wer bog die Banane krumm?

von Volker Friebel (Autor:in)
65 Seiten

Zusammenfassung

„Wer bog die Banane krumm?“ – Mit dieser Frage spaziert der kleine Drache Woggelstein eines Tages mitten in das Wohnzimmer von Franz-Alfred. Ohne die Antwort kommt er nämlich nicht mehr auf die Dracheninsel zurück. Und weil Franz-Alfred bald die Kieselsteine ausgehen, die der Drache so gerne zum Frühstück verspeist, ist guter Rat teuer. Die beiden machen sich auf, die Bananenbieger zu finden ... Franz-Alfred lacht. „Schließlich sind doch alle Bananen krumm, da muss überhaupt nichts gebogen werden.“ Woggelstein starrt ihn an. Eigentlich, denkt er, sieht Franz-Alfred ganz harmlos aus, wenn auch ein bisschen groß. Aber auf der Schriftrolle steht doch, dass Spatzen und Löwen manchmal gefährlich sind. Franz-Alfred ist zwar ein Mensch, aber vielleicht hat die Gefährlichkeit ein bisschen auf ihn abgefärbt, so ein ganz kleines bisschen vielleicht. Vielleicht ist er gerade in einer gefährlichen Laune und man darf ihn nicht reizen. „Alle Bananen sind natürlich gerade“, säuselt Woggelstein deshalb sanft und lässt nur ein paar ganz winzige Flammen aus seinen Nüstern tanzen, so winzige, als wären sie überhaupt nicht da. Franz-Alfred runzelt die Stirn und starrt Woggelstein an. Eigentlich, denkt er, kommt mir dieser Drache gar nicht gefährlich vor, von den Flammenstößen mal abgesehen und von dem eigenartigen Schädel. Der runde Bauch wirkt sogar eher gemütlich. Aber wenn er einen schlimmen Dachschaden hat, dann sollte man ihn besser nicht reizen. Er sieht fast so aus, als könnte er Feuer speien – besonders wenn er gerade Feuer speit. „Alle Bananen sind natürlich krumm“, entgegnet er deshalb ganz ruhig und mit seiner sanftesten Stimme.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Woggelstein

Wer plötzlich auftaucht.

 

Franz-Alfred sitzt wie jeden Morgen in seinem Arbeitszimmer und schreibt an einem Buch. Da läutet es an seiner Tür.

Franz-Alfred setzt einen Punkt hinter den letzten Satz und liest den Satz noch einmal ganz genau durch. Er löscht den Punkt wieder und tippt dafür ein Ausrufezeichen. Dann erhebt er sich brummend und schlendert zur Wohnungstür.

Am Sprechapparat meldet sich niemand. Franz-Alfred öffnet die Tür – niemand zu sehen. ,Sicher wieder Schulkinder beim Klingelnputzen', denkt er, schüttelt den Kopf und schließt die Tür eben wieder.

Brummend geht er in die Küche und setzt Tee auf. Endlich Pause! Sein Brummen verändert sich, es steigt vergnügt die Tonleiter aufwärts. Die Amsel vor dem Küchenfenster singt noch viel heller. Franz-Alfred lauscht ihr, während das Wasser kocht. Mit einer heißen Tasse Tee macht er sich schließlich auf den Rückweg ins Arbeitszimmer. Jetzt summt er hell vor sich hin, denn er hat für sein Buch eine neue Idee.

Als er das Arbeitszimmer betritt, trifft Franz-Alfred nicht der Schlag. Er lässt noch nicht einmal die Tasse fallen. ,Wie ruhig ich doch bin', denkt er, ,fast so ruhig wie der Stuhl.' Er stellt die Tasse vorsichtig auf seinem Schreibtisch ab und setzt sich. Doch unter ihm der Stuhl bricht zusammen.

„Hallo, ich bin Woggelstein“, brummelt es durch die Staubwolke.

 

Knast 7

Warum Woggelstein ausgerechnet Franz-Alfred besucht.

 

Bei einer guten Tasse Tee lässt sich alles bereden. Franz-Alfred dachte schon oft, es gäbe nicht halb so viel Streit, wenn mehr Leute Tee tränken. Woggelstein allerdings will lieber Kakao. „Am besten den Guten von den Südhängen des Vulkans“, sagt er.

Franz-Alfred weiß allerdings von keinem Vulkan und keinen Südhängen. Sein Kakao kommt aus einer Packung auf dem obersten Brett seiner Vorratskammer. Franz-Alfred holt die Packung und setzt Milch auf den Herd. Das Teewasser kocht. Schon fängt Franz-Alfred wieder zu brummen an. Aus dem Arbeitszimmer brummt etwas mit. Und bald ist nach einem Tässchen Tee für Franz-Alfred und einer Kanne Kakao für Woggelstein alles wieder in schönster Ordnung. Nur der Computerstuhl bleibt kaputt. Dafür hat Franz-Alfred einen Stuhl aus dem Wohnzimmer geholt.

„So, so“, nickt er gemütlich und wiederholt noch einmal alles, was Woggelstein ihm gesagt hat. „Du bist also ein, hm, Drache, du kommst von der“, er kratzt sich hinter dem Ohr, „Dracheninsel, und du hast“, er verschluckt sich und muss husten, „in einem Spiel verloren ...“

„Nicht verloren, überhaupt nicht verloren, bloß eine Strafrunde aufgebrummt“, protestiert Woggelstein sofort.

„... eine Strafrunde aufgebrummt bekommen. Und die sitzt du nun ab. Weil du nämlich glaubst, unsere schöne Stadt sei das Gefängnis in einem Drachenspiel.“

„Nämlich Knast 7. Der Schiedsrichter hat mich hergeschickt“, sagt Woggelstein, „für eine Aufgabe.“

„Knast 7“, Franz-Alfred seufzt. „Manchmal kommt mir unsere schöne Stadt auch ein bisschen merkwürdig vor. Aber Knast 7 in einem Drachenspiel?“ Franz-Alfred seufzt noch einmal. „Wie auch immer. Wie kann ich dir helfen? Und wieso fragst du gerade mich?“

„Der Schiedsrichter setzt einen irgendwo ab, wo es etwas von der Dracheninsel gibt“, brummelt Woggelstein, leckt sich ein bisschen Kakao von den Lippen und lässt gemütlich seinen Drachenschwanz über den feinen Bezug von Franz-Alfreds Lesesofa raspeln. „Und was, das muss man selbst herausfinden.“

Franz-Alfred runzelt die Stirn. „Etwas von der Dracheninsel? Mir fällt nichts ein“, sagt er dann.

„Grünenstein“, gluckert der kleine Drache und schenkt sich aus der Kanne den letzten Kakaorest nach.

Franz-Alfred schließt kurz die Augen und lacht.

„Du schreibst Bücher. Andere Leute lesen sie dann“, fährt Woggelstein fort. „In einem Buch hast du von der Dracheninsel geschrieben und von Grünenstein. Und das ist ein Vetter von mir. Und deshalb musst du mir helfen.“

Franz-Alfred öffnet den Mund, aber Woggelstein setzt noch dazu:

„Das einzige, was mir der Schiedsrichter mitgegeben hat, ist eine Tarnkappe. Aber jetzt bist ja du da!“ Er blinzelt Richtung Kakaokanne.

„Na prima!“, sagt Franz-Alfred und erhebt sich, um Milch für die nächste Kanne Kakao aufzusetzen.

„Was ist das für ein Rätsel?“, fragt er beim Gang zur Küchentür.

 

 

Das Rätsel

Über Bananen und anderes vielleicht Gefährliche.

 

Frischer Kakao ist gemacht und Franz-Alfred hat sich wieder in seinen Stuhl gesetzt. „Also, das Rätsel?“, erinnert er und nimmt einen Schluck kalten Tee. Woggelstein zieht eine zerknitterte Schriftrolle aus seiner Tarnkappe. Er rollt sie auf, streicht sie glatt und fängt laut an zu lesen.

 

Knast 7. Denn in einem Labyrinth steht kein Klavier, sondern tobt ein gefährlicher Stier. Das Labyrinth war also eine Falle. Du hättest keine Notenblätter mit hineinnehmen sollen, schon weil du gar nicht Klavier spielen kannst, sondern die Lanze, die du aber schon als Zahnstocher benutzt und abgebrochen hast. 

Bestimmungen: Du wirst in Knast 7 verbannt, eine Stadt mit vielen komischen Zweibeinern, genannt Menschen, außerdem mit Katzen, Spatzen, Löwentatzen und noch manchen anderen Leckereien, aber fast ganz ohne Drachen. Dort musst du ein Rätsel lösen. Die Hilfe eines Menschen oder eines Löwen darfst du suchen und annehmen – wenn dieser Mensch oder Löwe irgend etwas mit der Dracheninsel zu tun hat. Jeden Tag um 12 Uhr mittags darfst du unter einem Kirschbaum eine Lösung hinein in den Himmel brüllen. Wenn sie richtig ist, darfst du zurück auf die Dracheninsel und das Spiel geht weiter. Wenn sie falsch ist, musst du noch bleiben. Außerdem (hähähä) erhältst du für jeden Tag 24 Punkte Abzug.

Hilfsmittel: Eine Tarnkappe. Alles andere muss von der Hilfsperson entliehen werden.

Warnung: Die Eingeborenen können manchmal gefährlich werden, vor allem die Löwen und die Spatzen!

Und nun das Wichtigste, das Rätsel:

 

Fauch es, schrei es oder summ:

Wer bog die Banane krumm?

 

Woggelstein hat fertig gelesen. Er schaut zu Franz-Alfred, der die Augen geschlossen hat und entweder eingeschlafen ist oder immer noch zuhört. Woggelstein nutzt die gute Gelegenheit, den Rest des Kakaos in sich hinein zu schütten und gleich noch die Teetasse zu leeren. Er schüttelt sich. Franz-Alfred schüttelt sich auch und öffnet die Augen.

„Die Frage ist doch Unsinn“, behauptet er.

„Ja“, meint Woggelstein, „das ist klar. Es gibt so viele Bananen. Wenn ich sagen soll, wer eine davon krumm gebogen hat, dann muss ich doch wissen, welche Banane der Schiedsrichter meint.“

„Du hast schon Ideen“, Franz-Alfred lacht. „Schließlich sind doch alle Bananen krumm, da muss überhaupt nichts gebogen werden.“ 

Woggelstein starrt ihn an. Eigentlich, denkt er, sieht Franz-Alfred ganz harmlos aus, wenn auch ein bisschen groß. Aber auf der Schriftrolle steht doch, dass Spatzen und Löwen manchmal gefährlich sind. Franz-Alfred ist zwar ein Mensch, aber vielleicht hat die Gefährlichkeit ein bisschen auf ihn abgefärbt, so ein ganz kleines bisschen vielleicht. Vielleicht ist er gerade in einer gefährlichen Laune und man darf ihn nicht reizen.

„Alle Bananen sind natürlich gerade“, säuselt Woggelstein deshalb sanft und lässt nur ein paar ganz winzige Flammen aus seinen Nüstern tanzen, so winzige, als wären sie überhaupt nicht da.

Franz-Alfred runzelt die Stirn und starrt Woggelstein an. Eigentlich, denkt er, kommt mir dieser Drache gar nicht gefährlich vor, von den Flammenstößen mal abgesehen und von dem eigenartigen Schädel. Der runde Bauch wirkt sogar eher gemütlich. Aber wenn er einen schlimmen Dachschaden hat, dann sollte man ihn besser nicht reizen. Er sieht fast so aus, als könnte er Feuer speien – besonders wenn er gerade Feuer speit. 

„Alle Bananen sind natürlich krumm“, entgegnet er deshalb ganz ruhig und mit seiner sanftesten Stimme. 

Nun runzeln sie beide die Stirn und starren sich an.

 

Ein Zimmer wird eingerichtet

Über Kieselsteine und warum der letzte Platz der beste Platz ist.

 

Wenn zwei Tee trinken, dann werden sie sich schon irgendwie einig. Auch wenn sich einer davon anschließend schüttelt. Jedenfalls hat Franz-Alfred versprochen, Woggelstein bei der Lösung des Rätsels zu helfen. Und Woggelstein hat schon ein Zimmer ausgeräumt, um es sich ein bisschen gemütlich zu machen.

Als Franz-Alfred vom Markt zurückkommt, staunt er nicht schlecht. Woggelstein schaut ihn erwartungsvoll an, um zu hören, wie gut er doch die überflüssigen alten Möbel zu Aschehäufchen verbrannt hat. Da entdeckt er die Bananen, ganz oben in Franz-Alfreds Einkaufstasche. „Was ist denn das?“, fragt er und lässt ein paar Flammen aus seinen Nüstern tanzen.

„Ein Kilo Bananen“, murmelt Franz-Alfred und hält sich den Kopf.

„Sie haben dir krumm gebogene angedreht!“, faucht Woggelstein. „So etwas esse ich nicht!“

Franz-Alfred schaut auf die rauchenden Überreste seiner Möbel, sein Blick schweift zu Woggelstein, dann zu den Bananen und wieder zu Woggelstein zurück.

Irgendwie dauert es ein bisschen, bis sie sich dieses Mal einig werden, vielleicht weil der Tee ausgegangen ist. Aber dann entscheiden sie sich dafür, dass die Felsen und Kiesel aus dem Garten in Woggelsteins Zimmer bleiben und Franz-Alfreds Sachen dafür in den anderen Zimmern – bis auf das demolierte Lesesofa. Das bekommt Woggelstein in sein Zimmer gestellt. Und die Aschehäufchen bekommt die Mülltonne.

„Wenn du hier einziehst“, meint Franz-Alfred, „dann muss ich dich beim Einwohnermeldeamt anmelden. Das ist sehr kompliziert.“ Er seufzt.

„Nur zu“, meint Woggelstein und dreht eine Banane zwischen den Pranken.

„Aber was für einen Personenstand hast du? Und was für eine Religion? Nach deinem Alter mag ich schon gar nicht fragen. Und nicht nach deiner vorherigen Adresse“, klagt Franz-Alfred.

„Also“, Woggelstein blickt nun doch von der krumm gebogenen Banane auf und reibt sich den Bauch, „an das Einwohnermeldeamt musst du schreiben. Ich räume dafür weiter auf. – Wo ist deine Vorratskammer?“ 

Franz-Alfred seufzt noch einmal: „Das Essen koche ich lieber selbst.“ Er betrachtet Woggelsteins Bauch und fügt hinzu: „Und mache wohl besser doppelte Portionen.“

 

„Was ist denn das für ein Drachen-Spiel?“, fragt Franz-Alfred wenig später am Esstisch.

„Irgend so ein Spiel eben“, antwortet Woggelstein und beißt den Rand seines Tellers ab.

„Und wie ist der Spielstand?“, setzt Franz-Alfred nach.

„Ich bin auf dem letzten Platz“, sagt Woggelstein stolz und reckt sich.

Franz-Alfred runzelt die Stirn, denkt an die Bananen und bemerkt dann vorsichtig: „In unserer Stadt gilt der auf dem ersten Platz als der Beste.“

„Das ist auf der Dracheninsel genauso“, sagt Woggelstein. „Aber ich lasse mir lieber Zeit, dann habe ich mehr vom Spiel.“

„Allerdings“, sagt Franz-Alfred.

„Also ist der letzte Platz der beste Platz“, meint Woggelstein. „Die anderen müssen jetzt Däumchen drehen. Sie machen vielleicht Kieselweitspucken oder spielen Ameisenreiten – da gefällt es mir hier besser“, sagt er, wischt den Reis vom Teller und beißt sich noch einen tüchtigen Happen Tellerrand ab.

„Wie kann denn ein Drache auf einer Ameise reiten?“, fragt Franz-Alfred.

„Eben“, antwortet Woggelstein. „Und vom Kieselweitspucken bekomme ich immer Zungenmuskelkater.“

„Aha“, antwortet Franz-Alfred. „Und übrigens isst man nicht den Teller, sondern den Reis.“

Zum Nachtisch gibt es Quark mit Bananen. Franz-Alfred hat die Bananen zu Mus verarbeitet, damit es nicht wieder Streit gibt. Aber er holt ein Lexikon, schlägt es auf und zeigt auf die Abbildung einer Bananenstaude.

„Zu spät!“, brummelt Woggelstein und wischt sich den Rachen. „Da hat schon jemand alle Bananen krummgebogen, bevor der Drache sie in das Buch gemalt hat!“

 

Im Zoo

Über Affen und Menschen.

 

Gesättigt vom Reis und vom Teller, ein Schälchen Bananenquark vor sich, kommen die besten Ideen. Und so stehen Woggelstein und Franz-Alfred wenig später im Zoo.

„Hier muss es sein“, meint Woggelstein vergnügt. „,Katzen, Spatzen, Löwentatzen', heißt es doch in der Schriftrolle. Und Bananen gibt es hier auch.“

Franz-Alfred hat endlich die Eintrittskarten verstaut und schaut sich suchend nach Woggelstein um. Der kleine Drache seufzt. Fünfmal hat er seine Tarnkappe bereits erklärt, aber Franz-Alfred will es einfach nicht begreifen. So gibt Woggelstein das tiefe Grollen von sich, das sie als Erkennungszeichen ausgemacht haben. Franz-Alfreds Gesicht hellt sich auf. Sie gehen zuerst zu den Affenkäfigen, ein einzelner Besucher und ein leises Grollen, das neben ihm wandert.

Sie beobachten die Affen. Zwei jagen sich durch den Käfig, einer hängt an einem Baum und betrachtet die Besucher. Eine Wärterin kommt, Fütterung. Sie bietet dem Schaukler eine Banane an. „Krumm gebogen!“, Woggelstein hält sich die Pranken vor das Gesicht, damit er es nicht sehen muss.

„Und wo ist der Käfig mit den Menschen?“, fragt er dann.

„Die Menschen sind überall“, sagt Franz-Alfred und seufzt.

Im Gewächshaus ist es schön warm und dämpfig. Woggelstein steckt seine große Nase in so viele Blumenkelche wie überhaupt möglich.

Aber dann! Franz-Alfreds Augen bekommen schon wieder diesen triumphierenden Glanz, als sein Zeigefinger Woggelsteins Augen die Blickrichtung angibt. Ein Bananenbaum! Bananen über Bananen!

„Jede einzelne krumm gebogen – diese Banausen!“ Mit Mühe zerrt Franz-Alfred den tobenden Woggelstein aus dem Gewächshaus.

„Was seid ihr nur für Leute, ihr Menschen!“, sagt Woggelstein, als das Auto sie heimfährt. Er hat sich wieder beruht und ist nur noch traurig. „Da ist die Welt so wunderbar eingerichtet, mit Blumen und Bächen und Felsen und Tellern und Reis – und ihr müsst alles kaputt machen. Sogar die Bananen biegt ihr krumm! Warum nicht auch noch die Bäume?“

Als Woggelstein um 12 Uhr des ersten Tages in Franz-Alfreds Garten unter dem Kirschbaum steht, brüllt er als Antwort auf das Rätsel in den Himmel hinein: „Die Menschen waren es! Die biegen die Bananen krumm!“

Aber nichts tut sich, kein Blitz, kein Donner, keine Stimme, die aus den Wolken lacht.

Woggelstein wartet noch ein Weilchen, dann schleicht er in sein Zimmer zurück. Eigenartig, aber ,die Menschen' ist doch nicht die richtige Antwort.

 

Durch das Viertel

Kann es die alte Frau gewesen sein?

 

„Aber Woggelstein“, Franz-Alfred weiß natürlich alles wieder besser, „die Menschen waren es nie, das sind einfach viel zu viele. Wenn irgend etwas passiert, sind immer nur ein paar davon schuld. – Komm, knipps deine Tarnkappe an, wir gehen durch das Viertel!“ 

Und so spazieren sie durch die Straßen des Stadtviertels, in dem Franz-Alfred wohnt.

„Siehst du die alte Frau dort?“ Franz-Alfred zeigt in einen Garten. Gerade macht dort eine Alte Pause beim Unkrautjäten. Sie stützt sich auf ihre Hacke und scheint auf etwas zu lauschen, das vielleicht nur sie hört.

„Glaubst du, die alte Dame setzt sich abends hin und biegt vor dem Fernseher Bananen krumm?“

„Wer kann es wissen, wer kann es wissen“, murmelt Woggelstein. „Aber so gemein sieht sie nicht aus, ich glaube eigentlich, sie ist es nicht.“

„Oder die Kinder im Garten dort drüben“, Franz-Alfreds Zeigefinger zeigt auf die andere Straßenseite, „wie sie schaukeln, unter dem Apfelbaum, und wie sie jauchzen dabei. Glaubst du, dass sie sich später still und heimlich in ihren Zimmern hinsetzen und in einer Ecke Bananen krumm biegen?“

„Nein“, murmelt Woggelstein und schämt sich fast ein bisschen, dass er so etwas behaupten konnte. Denn wenn er „die Menschen“ gerufen hat, dann waren die Kinder doch auch mit gemeint.

„Oder der Mann und die Frau, die dort miteinander spazieren, Arm in Arm, wie lieb sie sich ansehen – glaubst du, dass die nachher bei sich zu Hause zusammen Bananen krummbiegen?“

„Eigentlich nicht.“ Woggelstein seufzt. „Aber wer ist es dann? Irgend jemand muss doch an allem Schuld haben! – Die Katze ist es jedenfalls auch nicht“, sagt Woggelstein und versucht diese eine zu locken, die auf dem Mäuerchen sitzt und zu ihnen herabschnurrt. Aber dann fällt ihm ein, dass er unsichtbar ist und er seufzt noch einmal tiefer.

„Weißt du“, sagt Franz-Alfred, „es muss gar nicht immer einer Schuld haben. Manchmal passieren Sachen einfach. Und wir müssen uns gar nicht fragen, warum, sondern nur, wie wir sie wieder in Ordnung bringen.“

Woggelstein seufzt womöglich noch tiefer. „Also dann, an die Arbeit!“

„An was für eine Arbeit?“, fragt Franz-Alfred, der stehen geblieben ist.

„Na, an das Gerade-Biegen!“

Franz-Alfred schaut noch verwirrter als sonst.

„Du willst doch die Bananen gerade biegen“, sagt Woggelstein klar und deutlich, damit Franz-Alfred es auch versteht.

„Oh“, sagt Franz-Alfred und hält sich wieder einmal den Kopf. „Aber manche Sachen muss man gar nicht in Ordnung bringen oder gerade biegen“, sagt er dann. „Die sind es nämlich schon.“

„Du willst nur nicht“, sagt Woggelstein. „Du bist nur zu faul!“

Nun seufzt auch Franz-Alfred. „Also gut, dann lass uns eben noch einmal genau überlegen, wer es denn gewesen sein könnte.“

 

 

Woggelstein telefoniert

Über Anrufbeantworter, Radios und Waschmaschinen.

 

Franz-Alfred ist Einkaufen gegangen, denn natürlich ist beim Nachdenken nicht viel herausgekommen – außer dass der Tee zur Neige ging. Nun hat er neuen besorgt und noch ein bisschen Obst vom Marktstand. Und vom Flussufer ein paar Kiesel für Woggelstein.

Franz-Alfred geht in die Küche und setzt Teewasser auf.

Als er ins Wohnzimmer kommt, legte Woggelstein gerade den Telefonhörer auf. „Also bis dann“, hört Franz-Alfred gerade noch.

Woggelstein sieht versonnen aus.

„Mit wem hast du denn geredet?“, fragt Franz-Alfred und legt seine Einkäufe und die Kiesel auf den Tisch.

„Och, nur ein alter Bekannter“, antwortet Woggelstein und greift sich einen der Kiesel.

„Hm“, brummt Franz-Alfred nachdenklich. Streichen etwa noch mehr Drachen durch die Stadt? „Du lässt ihn aber gar nicht zu Wort kommen“, meint er dann.

„Eigentlich redet er auch nicht so viel, nur am Anfang, und da höre ich immer gut zu – obwohl er jedes Mal das Gleiche erzählt.“ Woggelstein verstellt die Stimme und sagt: „Hier spricht der Anrufbeantworter von ...“

Franz-Alfred schlägt die Hände vor das Gesicht und ruft: „Du hast mit einem Anrufbeantworter telefoniert!“

„Ist doch klar“, brummelt Woggelstein gemütlich. „Du bist oft weg. Dauernd bist du Tee kochen oder Einkaufen oder auf der Toilette oder den Garten nach Steinen umgraben. Aber ich will doch nicht alleine sein! Da telefoniere ich eben mit meinen Freunden.“

„Woggelstein“, meint Franz-Alfred, „ein Anrufbeantworter ist kein Mensch – oder Drache –, ein Anrufbeantworter ist eine Maschine! Wie das Radio oder die Waschmaschine oder, oder ...“, weiter fällt ihm gerade nichts ein, „oder der Wasserhahn“, setzt er dann doch noch dazu.

„Mit dem Radio ist es auch so“, meint Woggelstein nur. „Mit dem habe ich auch schon versucht, mich zu unterhalten. Bloß dass das Radio selbst nie mit Reden aufhört, sondern in einem fort quasselt oder andauernd singt. Der Anrufbeantworter aber sagt, dass ich auch etwas sagen darf. Der ist mein Freund!“

Franz-Alfred schluckt. „Aber Woggelstein, das alles sind keine Leute, sondern bloße Maschinen, bloß Blech und Strom.“

„Ja, aber im Blech oder im Strom, da sind dann die Leute oder die Drachen“, fantasiert Woggelstein. „Wie in dem Auto damals, das mich fast überfahren hat, als ich gerade angekommen war. Bloß dass der kleine Drache, der durch das Auspuffrohr pustet und das Auto damit antreibt, gerade ausgegangen war, als ich das Blech aufriss.“

Franz-Alfred schließt die Augen und nimmt sich vor, sie nie wieder zu öffnen. Zumindest nicht, solange Woggelstein redet.

„Und in der Waschmaschine ist doch sicher ein Wirbeldrache“, fährt der fort. „Der beißt in seinen Schwanz, breitet die Flügel aus – und ab geht die Post! Und im Wasserhahn, da sitzt ein Feuerdrache, der speit Wasser hindurch und heizt, wenn du auf warm stellst. Und im Radio sitzt ein Papageiendrache, der quatscht für jeden. Bloß der Anrufbeantworterdrache redet oder tut nicht nur, sondern hört zu. Ich will auch einmal mit jemand anderem reden, nicht immer bloß mit dir! Bitte sprechen Sie nach dem Signalton.“

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739325071
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (November)
Schlagworte
Drache Computerspiel Witz Kindergeschichte Humor

Autor

  • Volker Friebel (Autor:in)

Volker Friebel wurde an einem Schneesonntag gegen Ende des Jahres 1956 in Holzgerlingen geboren. Er studierte Psychologie, promovierte und lebt heute in Tübingen als Ausbildungsleiter, Schriftsteller, Musiker und Bildermacher.
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Titel: Woggelstein