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Das Schicksal der Torwelt

von Patrick Arbogast (Autor:in)
474 Seiten
Reihe: Die Torwelt-Saga, Band 3

Zusammenfassung

Alle Fäden des Schicksals laufen endlich zusammen!

Die Prophezeiung hat sich erfüllt, die Verdammten sind zurück! Prinz Cordian, Träger der Schicksalsklinge, ist der Einzige, der sie aufhalten kann. Doch dazu benötigt er die Hilfe der geheimnisvollen Tao, die in die Fänge finsterer Mächte gerät. Während der junge Thronfolger den Kampf allein aufnimmt, ist seine Schwester Lissina fest entschlossen, Tao zu retten. Selbst wenn sie sich dafür auf eine Reise voller Gefahren begeben muss, die sie weiter von zu Hause wegführt, als sie es je für möglich gehalten hätte. Sie darf nicht scheitern. Das Schicksal der Torwelt steht auf dem Spiel.

Das große Finale der epischen Saga! Drachen und Raumschiffe treffen in einem dramatischen Showdown aufeinander! Science-Fantasy jenseits aller Genre-Grenzen!

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis



Die Torwelt-Saga

Teil 3

 

 

Das Schicksal der Torwelt

Patrick Arbogast


Roman

 


Alle Fäden des Schicksals laufen endlich zusammen!

 

Die Prophezeiung hat sich erfüllt, die Verdammten sind zurück! Prinz Cordian, Träger der Schicksalsklinge, ist der Einzige, der sie aufhalten kann. Doch dazu benötigt er die Hilfe der geheimnisvollen Tao, die in die Fänge finsterer Mächte gerät. Während der junge Thronfolger den Kampf allein aufnimmt, ist seine Schwester Lissina fest entschlossen, Tao zu retten. Selbst wenn sie sich dafür auf eine Reise voller Gefahren begeben muss, die sie weiter von zu Hause wegführt, als sie es je für möglich gehalten hätte. Sie darf nicht scheitern. Das Schicksal der Torwelt steht auf dem Spiel.

 

Das große Finale der epischen Saga! Drachen und Raumschiffe treffen in einem dramatischen Showdown aufeinander! Science-Fantasy jenseits aller Genre-Grenzen!

 

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Prolog

Mehrmals erwachte sie aus dem Fieber. Das erste Mal waren die Schmerzen unerträglich. Ihr ganzer Körper schien in Flammen zu stehen. Glühende Pein brandete in heftigen Wogen durch ihren Leib. Sie versuchte, nach Sirain zu greifen, konnte die nötige Konzentration jedoch einfach nicht aufbieten. Ebenso gut hätte sie versuchen können, einen Wasserfall hinaufzuschwimmen. Sie wollte schreien, doch ihrer Kehle entrann nur ein gequältes Röcheln. Ihr Kopf wurde angehoben und eine Schale aus Ton an ihre Lippen gehalten. Sie schluckte die warme Flüssigkeit hinunter, nur um die Hälfte davon wieder auszuhusten. Dann entglitt ihr Verstand in einen dämmrigen Schwebezustand zwischen Wahn und Wirklichkeit. Fiebertraum reihte sich an Fiebertraum, während die Qualen aufloderten und abflauten. Sie vermochte nicht zu sagen, ob es Stunden oder Tage dauerte, bis sie endgültig das Bewusstsein verlor.

Als sie das zweite Mal zu sich kam, waren die Schmerzen immer noch da, aber auf ein Maß gesunken, das sie mit Mühe ertragen konnte. Es fühlte sich an, als steckten tausend heiße Nadeln in ihrer Haut und als hätte jemand sämtliche Knochen und Gelenke in ihrem Leib mit einem Schmiedehammer bearbeitet. Sie spürte außerdem, dass ihr Körper in Bandagen gewickelt war, und nahm den Geruch von wundheilenden Kräutern wahr. Irgendwer hatte sie fachmännisch versorgt. Es musste also zumindest einen Menschen auf der Welt geben, der sie nicht tot sehen wollte. Sie fand genug Kraft, das rechte Augenlid zu heben. Über ihr war ein niedriges Strohdach. Vergeblich versuchte sie, das andere Auge zu öffnen, bis sie begriff, dass auch ihr Gesicht zum größten Teil bandagiert war. Sie verkniff sich alle Versuche, den Kopf zu drehen, und zwang sich, die Schmerzen so weit wie möglich aus ihrem Geist zu verbannen. Dann öffnete sie sich für Sirain und ihre Wahrnehmung veränderte sich. Ihr geschundenes Fleisch, das einfache Bett, in dem sie lag, die schlichten Wände aus Lehm: Alles im Kosmos war miteinander verbunden. Eins mit der Urkraft der Schöpfung fühlte sie die Schwingungen der kleinsten Bausteine allen Seins. Sie spürte keine weitere Person in unmittelbarer Nähe. Für den Augenblick war sie sicher. Erleichtert lenkte sie ihre schwindenden Kräfte in die Heilung des eigenen Körpers, bis ihr vor Erschöpfung erneut die Sinne schwanden.

Erst beim dritten Erwachen erlangte Alandrel Gewissheit, dass sie überleben würde. Die Schmerzen waren zu einem schwachen Echo der Agonie verklungen, die sie zuvor durchlitten hatte. An ihre Ohren drang das leise Knacken und Prasseln eines Holzfeuers und der Duft von heißem Tee streichelte ihre Nase. Die vage Ahnung, nicht mehr allein zu sein, ließ sie ihr unbandagiertes Auge öffnen. Eine andere Frau trat an ihr Bett. Sie musste bemerkt haben, dass sie wach war. Ihr graues Haar und ihre gebeugte Haltung verrieten ihr hohes Alter, unzählige Falten im sonnengebräunten Gesicht erzählten von einem entbehrungsreichen Leben. Alandrel fühlte sich wie immer ein wenig abgestoßen von der unvorteilhaften Art und Weise, auf die gewöhnliche Menschen alterten. Sie selbst zählte vermutlich doppelt so viele Jahre wie die Fremde, hätte aber als ihre Tochter durchgehen können.

»Wie lange?«, krächzte Alandrel aus wunder Kehle.

»Acht Tage, seit die Fischer dich aus dem Belk zogen und zu mir brachten.«

Die alte Frau half ihr dabei, sich im Bett aufzusetzen, und führte eine Schale mit warmem Tee an Alandrels Lippen, den diese in gierigen Zügen trank. Nach wenigen Schlucken hob sie die Hände, um das Gefäß selbst zu halten, da sie es hasste, hilflos zu wirken. Ihr linker Arm war bis zum Handgelenk bandagiert, der rechte wirkte ausgemergelt, aber unverletzt.

»Du bist eine Heilerin?«, erkundigte sich Alandrel schwach.

»Nur eine Kräuterfrau«, gab sich die Angesprochene bescheiden. »Ich helfe, wo ich kann, aber dein Leben lag allein in Arns Hand. Oder an welche Götter du auch immer glaubst. Du triebst reglos im Fluss mit Verbrennungen am ganzen Körper. Von deiner Kleidung waren nur noch Fetzen übrig. Ich konnte nicht viel mehr tun, als zu beten.«

Die Alte nahm die Schale, die in Alandrels Händen langsam unangenehm schwer wurde, wieder zurück. »Ich habe natürlich nach den Kalhiri geschickt«, fügte sie hinzu. »Torgen ist sofort nach Madaras aufgebrochen. Er ist ein guter Junge, macht manchmal Besorgungen für mich. Aber sie haben ihn nicht in die Stadt gelassen. Bereiten sich auf eine Belagerung vor. Eine Armee aus Fant sei auf dem Weg, hieß es.«

Sie hatten ihn nicht hineingelassen? Alandrel lachte. Jedenfalls versuchte sie es; ihrer Kehle entrann lediglich ein kränkliches Röcheln, das ihre Wohltäterin mit einem besorgten Stirnrunzeln quittierte. Hätten diese Närrin oder ihr nutzloser Laufbursche gewusst, wer sie war, hätten die Salas Kai ihn nicht nur angehört, sondern reich entlohnt. Dann wären allerdings keine Heiler gekommen, sondern bewaffnete Wächter des Turms.

Alandrel dachte daran zurück, was passiert war. An den Schwall aus Drachenfeuer, der sie getroffen hatte, sowie den tiefen Sturz in die kalten Fluten des Belk, als sie den Halt im Sattel ihres Tieres verloren hatte. An die lange Zeit, während der sie Atmung und Pulsschlag mithilfe Sirains verlangsamt hatte, um unter Wasser zu bleiben, damit ihre Feinde sie für tot hielten. Wie sie dann versucht hatte, ans Ufer zu schwimmen, ihre Kräfte aber letztlich versiegten. Wie sie hilflos dahintrieb, ihr Körper langsam auskühlte und sie sich mit dem scheinbar Unausweichlichen abfand.

Ja, sie war dem Tod nur knapp von der Schippe gesprungen, doch es war nicht Arn oder ein anderer Gott, dem der Dank dafür gebührte. Sie war nicht so leicht umzubringen! Sie war das Oberhaupt der Kesenchai, die erste Wächterin des Turms! Selbst wenn ihre Brüder und Schwestern sie nun als Verräterin betrachteten.

»Was ist vorgefallen?«, erkundigte sich ihre Pflegerin einfühlsam.

Alandrel schwieg.

 

Sie redete auch während der folgenden Tage nicht viel, sondern konzentrierte sich darauf, wieder zu Kräften zu kommen. Sie aß mit Honig gesüßten Haferbrei, den die Kräuterfrau auf einem kleinen Holzofen zubereitete, der sich gegenüber dem Fußende des Bettes befand und angenehme Wärme im Raum verbreitete. Die Alte selbst verbrachte die Nächte auf einem einfachen Lager, das durch eine Bretterwand separiert war. Immer wenn Alandrel sicher war, dass sie schlief, griff sie nach Sirain. Sie war keine ausgebildete Heilerin, aber auch in der Schule der Wächter lernte man, seine Kräfte zur Wundversorgung einzusetzen. Sie hatte viel Zeit zum Nachdenken, während sie gesundete, und je mehr sie nachdachte, desto heißer brannte der Zorn in ihr. Sie war keine Verräterin! Alles, was sie getan hatte, hatte sie für den Orden getan! Sie hatte nie gewollt, das Salas Kai dabei starben, das hatte einzig und allein dieser selbstgerechte Narr Tennlor zu verantworten! Er hatte durch seine Neugier und seine sentimentale Wertschätzung jener, die unter ihnen standen, eine glorreiche Zukunft für sie alle verspielt! Die Ironie, dass ausgerechnet diese wertlosen Menschen sie gerettet, sie erst aus dem Fluss gezogen und dann ihre Wunden verbunden hatten, entging ihr keineswegs. Und dieser Umstand machte sie noch wütender. Mit jedem Tee, den die Alte ihr aufkochte, mit jedem Mal, da sie ihre Bettpfanne entleerte, stand Alandrel tiefer in ihrer Schuld – und hasste sie dafür.

Als am dritten Tag ihre Verbände gewechselt werden mussten, war Alandrel entsetzt über die verbrannte Haut, die darunter zum Vorschein kam. Ihre gesamte linke Seite war schwer vom Feuer gezeichnet. Dies schloss auch ihr Gesicht ein, wie ihr vorsichtiges Betasten verriet. Dass ihr linkes Auge nicht erblindet war, konnte man bestenfalls als Glück im Unglück bezeichnen, denn der Anblick, den sie bot, musste schrecklich sein. In diesem Moment war sie froh darüber, dass es keinen Spiegel in der ärmlichen Hütte gab. Die Kräuterkundige hingegen riet ihr, den Göttern zu danken, dass sie so glimpflich davongekommen war.

Alandrel ließ sie in dem Glauben an göttliche Fügung und gab auch weiterhin nichts von sich preis. Stattdessen holte sie unauffällig Erkundigungen ein, denn ihre Gastgeberin war umgekehrt nur zu gerne bereit, von sich zu erzählen. So erfuhr Alandrel, dass ihr Name Nareike lautete, und sie seit dem Tod ihres Mannes, der Köhler gewesen war, allein im Wald lebte. Das nächste Dorf war etwa zwei Meilen entfernt und sie bestritt ihren Lebensunterhalt, indem sie dort am Markttag Heilkräuter verkaufte. Manchmal brachte ihr einer der Bauern etwas vorbei, sei es aus Dankbarkeit, weil sie sich um einen Kranken aus seiner Familie gekümmert hatte, oder schlicht aus Mitleid. Torgen, der für sie zwei Tagesmärsche nach Madaras auf sich genommen hatte, war der Sohn des Schmieds, zu dem sie ein beinahe großmütterliches Verhältnis pflegte. Alandrel interessierte das alles nicht. Für sie war nur wichtig, dass sie weit genug den Belk hinuntergetrieben war. Die Salas Kai würden hier nicht so bald nach ihr suchen, sollte ihr Orden sie nicht ohnehin längst für tot halten.

 

Am sechsten Tag fühlte Alandrel sich kräftig genug, um die Obhut der Heilerin zu verlassen. Als diese die Bandagen abnahm, waren die Brandnarben darunter zu einem beträchtlichen Teil verschwunden und glatter, geröteter Haut gewichen. Der Rest würde bleiben, das spürte Alandrel. Sie hatte getan, was in ihrer Macht stand, aber sie war nun mal keine Kalhiri.

Nareike begutachtete den Heilungsfortschritt ungläubig. Möglicherweise ahnte sie, dass ihre Patientin mehr war, als es den Anschein hatte, doch sie fragte nicht danach.

Es war dunkel draußen und die Nächte wurden im nördlichen Eltera bereits sehr kalt. Alandrel würde eine weitere Nacht unter Nareikes Dach verbringen und bei Tagesanbruch aufbrechen. Sie wusste nicht wohin, doch sie wollte sich nicht darauf verlassen, so nahe bei Madaras weiterhin unentdeckt bleiben zu können.

Das war zumindest der Plan – bis es an die Tür klopfte.

Es war ungewöhnlich, dass sich so spät jemand zu dieser einsamen Hütte verirrte. Sie war sofort alarmiert. Hatten die Häscher des Saphirturms sie letztendlich doch aufgespürt?

Während die Kräuterfrau in ihrem Tun innehielt und stirnrunzelnd zur Tür schlurfte, glitt Alandrel lautlos aus dem Bett und drückte sich an die raumteilende Bretterwand, wo sie vom Eingang aus nicht gesehen werden konnte. Sie war nackt, bis auf die noch nicht gänzlich abgenommenen Bandagen. Ihr sonst gut trainierter drahtiger Körper war ausgemergelt und schlaff. Es gab im ganzen Raum nichts, was sich als Waffe benutzen ließ.

Als Nareike die Tür öffnete, sog die alte Frau erschrocken die Luft ein. Wer immer dort Einlass begehrte, musste ihr einen gehörigen Schreck eingejagt haben. Auch Alandrel verspürte ein seltsames Unbehagen, dabei sah sie nicht einmal, was dort vor sich ging.

»Wer seid Ihr, Herr?«, fragte die Heilerin den unerwarteten Besucher unsicher.

Eine kehlige Stimme antwortete ihr: »Ich komme mit einer Botschaft für Alandrel Kai.«

Man hatte sie gefunden! Alandrel griff nach Sirain. Sie war überrascht, wie leicht es ihr trotz ihres geschwächten Zustandes fiel. Die kosmische Kraft strömte wie von selbst in sie hinein, doch unter dem warmen, beruhigenden Strom spürte sie unvermutet auch eine zweite, kalt brodelnde Macht. Eine Macht, die sie ängstigte und gleichzeitig lockte: das Zaihor.

Kampfbereit trat sie hinter der Bretterwand hervor. In der Eingangstür stand eine hagere Gestalt, gekleidet in eine schwarze Kutte. Sie hatte ihre Kapuze weit genug über den kahlen Schädel gezogen, dass man die blutigen Runen nicht sehen konnte, die ihn bedeckten. Alandrel jedoch war sicher, dass sie da waren – mit einem scharfen Messer in die Kopfhaut geritzt. Sie wusste, mit wem sie es zu tun hatte.

»Was willst du, Dar’zai?«, knurrte sie drohend.

»Du fühlst es«, antwortete der ungebetene Gast. Sein Kopf zuckte beim Sprechen hin und her, als habe er seine Muskeln nicht richtig unter Kontrolle. »Du spürst den Strom der Macht. Das Tor ist offen. Unser Herr ist frei. Und er benötigt deine Dienste.«

»Ich bin kein Werkzeug Balza’ans«, wies sie ihn zurück.

Nareike, die, soweit es die beengten Verhältnisse zuließen, zur Seite gewichen war, zuckte bei der Erwähnung des Verdammten unwillkürlich zusammen. Furchtsam blickte sie von einem zum anderen. Weder Alandrel noch der Dar’zai würdigten sie ihrerseits eines Blickes.

»Mein Meister dachte eher an eine Partnerschaft unter Gleichen«, behauptete der Bote. »Er und die Seinen mussten einige bedauerliche Verluste beklagen. Sie finden, dass es an der Zeit sei, ihre Reihen wieder zu füllen. Um eine neue Weltordnung zu schaffen, braucht es Hände, die mit anpacken.«

Alandrel schnaubte abfällig. »Etwas Ähnliches müsst ihr Severon erzählt haben. Und wir wissen beide, wie es für ihn ausging.«

Sie hatte aus nächster Nähe mit angesehen, wie der Hüter des Zepters, besessen vom Geist eines Verdammten, seinem Leben sowie dem aller Umstehenden ein Ende gesetzt hatte. Sie verspürte kein Bedürfnis, es ihm gleich zu tun.

»Er war schwach«, erwiderte der Dar’zai kalt lächelnd. »Das Zaihor bestraft die Schwachen. Du bist um vieles stärker als er. Sieh, was du ertragen hast. Sieh, was sie dir angetan haben. Und doch ist dein Wille ungebrochen! Stärke wird belohnt.«

Fasziniert lauschte Alandrel und spürte, wie die martialische Philosophie in ihr widerklang. »Alles, was ich tat, tat ich für meinen Orden«, rechtfertigte sie sich. »Ich wollte ihn erneuern, ihn stählen für die kommende Umwälzung. Ihn von seiner Schwäche befreien und ihm zu alter Größe verhelfen.«

»Die Salas Kai sind nicht bereit für Veränderungen«, behauptete der nächtliche Besucher, erneut von krampfhaften Zuckungen geplagt. »Aber aus ihrer Asche kann ein neuer Orden entstehen. Einer, den du in die Zukunft führen könntest.«

Nun war ihr Interesse endgültig geweckt. »Was verlangt dein Meister von mir?«

»Es gibt etwas, das er begehrt. Und das befindet sich in Madaras. Komm mit mir und er wird dich alles lehren, was du benötigst, um deine Rache zu vollenden. Deine Rache am neu gewählten Kai Thul: Tennlor Kai.«

Tennlor! Dieser undankbare kleine Verräter führte jetzt ihren Orden? Sie verabscheute die widernatürliche Kreatur, die vor ihr stand, doch Tennlor hasste sie noch mehr. Oh, das Schicksal meinte es gut mit ihr: Sie würde auf das Angebot des Dar’zai eingehen und dann würde sie zum Saphirturm zurückkehren. Ihre Brüder und Schwestern, die sie für tot hielten, würden sich wünschen, sie wäre es – Tennlor ganz besonders! Vorher blieb nur eins zu tun. Sie drehte sich zu Nareike und trat einen Schritt näher.

»Es tut mir leid«, verkündete Alandrel trocken, doch die Worte waren nicht mehr als eine Floskel. In Wahrheit empfand sie erstaunlich wenig.

»Bitte, ich verstehe nicht …«, wimmerte die Kräuterfrau und drückte sich mit dem Rücken gegen die Wand. »Was hat das alles zu bedeuten?«

»Dieses Gespräch war nicht für deine Ohren bestimmt. Ich kann nicht riskieren, dass die Salas Kai gewarnt werden. Da du jedoch gut zu mir warst, gewähre ich dir die Gnade eines schnellen Todes.«

Alandrel griff nach dem Zaihor. Es war ein aufregend neues und zugleich seltsam vertrautes Gefühl, das sie am ganzen Körper wohlig erschaudern ließ. Die in all den Jahren mühsam antrainierte Selbstkontrolle brauchte sie jetzt nicht mehr. Im Gegenteil: Mentale Disziplin und Ausgeglichenheit hielten sie bloß zurück. Mit der Stärke eines Bären packte sie die alte Frau am Hals und hob sie am ausgestreckten Arm in die Luft. Sie spürte kaum, wie ihr sprödes Genick brach, derart berauscht war sie von der Macht, über die sie nun so mühelos gebot. Der Dar’zai, der immer noch in der Tür stand, sah ihr zu und lächelte zufrieden. Dies war also die Kraft, welche die Salas Kai seit Jahrtausenden fürchteten und einzudämmen versuchten, die sie selbst ihr ganzes Leben lang bekämpft hatte. Welch närrisches Unterfangen! Das Zaihor ließ sich nicht aufhalten. Es würde alles in seinem Weg zermalmen!

Doch noch war es nicht so weit, zügelte sie sich. Fürs Erste galt es zu verhindern, dass ihre Ordensbrüder ihr vorzeitig auf die Spur kamen. Mit übermenschlicher Kraft schleuderte sie Nareike durch die Bretterwand, sodass sie mit verdrehten Gliedern auf dem Bett zum Liegen kam, in dem Alandrel von ihr gesund gepflegt worden war. Dann trat die Salas Kai den Holzofen um. Die brennenden Scheite verteilten sich über den Boden. Sie wartete nicht ab, ob das Feuer übergriff; ein zorniger Gedanke von ihr und das Strohdach ging an einem Dutzend Stellen in Flammen auf. Wenn Torgen das nächste Mal nach der Heilerin sah, würde er nur noch schwelende Ruinen vorfinden. Grimmig folgte Alandrel dem Dar’zai hinaus in die Nacht.

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Mit der Geschwindigkeit eines Meteors stürzte die Landungskapsel durch die tief hängende Wolkendecke. In achthundert Metern Höhe sprengte sie Teile ihres rot glühenden Hitzeschildes ab und sofort zündeten die Bremsdüsen. Sie verlangsamten den Sturz des ovalen Objektes derart abrupt, dass es einem Menschen sämtliche Knochen im Leib gebrochen hätte. Auf einem heißen Strahl aus Feuer und Dampf setzte das Raumfahrzeug auf. Im Moment des Bodenkontaktes hatte es immer noch genug Wucht, um einen Krater in das Kopfsteinpflaster zu rammen und die Fachwerkhäuser auf beiden Seiten der Straße zum Einsturz zu bringen. Während hölzerne Dachschindeln auf das Ei aus Metall und Verbundstoffen herabregneten, erschütterten weitere dumpfe Schläge den Grund, als die restlichen Kapseln des Schwarms in der Umgebung niedergingen. Es war, als bearbeite ein wütender Riese die Stadt mit seinen Fäusten.

Der Staub hatte sich noch nicht gelegt, da öffnete sich das fünf Meter durchmessende Transportgefährt wie eine Knospe und entließ einen fast ebenso großen Sturmlandungsmechanoiden. Getragen von vier dünnen gebogenen Beinen, den Rumpf in Form einer abgeflachten Kugel, glich er entfernt einer Riesenkrabbe. Zwei drehbare Ringe umfassten den Torso: Der obere war mit Sensoren bestückt, der untere mit Waffensystemen. Sie ermöglichten es, Ziele im Umkreis von dreihundertsechzig Grad zu bekämpfen. Noch bevor der Mechanoid den ersten Schritt machte, löste sich ein diskusförmiges Objekt von seinem Scheitelpunkt und stieg surrend in die Höhe. Dicht über den Giebeln der noch stehenden Häuser verharrte es in der Luft und stellte eine Richtstrahlverbindung mit den anderen Drohnen der ersten Welle her. In perfekter Abstimmung begann die robotische Vorhut damit, die Landezone für die Bodentruppen der Galaktischen Union zu sichern. Um sie herum brannte die goldene Stadt Ganthalas nieder.

 

***

 

»Ist das die Verstärkung?«, vergewisserte sich Cordian, als er wachsam, mit der Hand am Schwert, die Flugbahn der herabstürzenden eiförmigen Objekte verfolgte.

»Aye«, bestätigte Dex, der bei ihm stand. »Ab jetzt übernehmen wir.«

Auf das Wort des jungen Sternfahrers vertrauend, wandte der Prinz den Blick ab und ging neben der ohnmächtig darniederliegenden Tao in die Hocke. Sie sah so unschuldig, so friedlich aus, selbst jetzt, da ihr die Kleidung in Fetzen vom zierlichen Leib hing und sie von Schmutz und Kratzern bedeckt war.

»Wird sie es schaffen?«, fragte er verzagt in die Runde.

»Ich bin keine Heilerin, aber ich glaube nicht, dass sie in Lebensgefahr schwebt«, antwortete Mo. Die Seherin kniete an Taos Seite und hielt den Kopf der bewusstlosen jungen Frau sanft im Arm. Mit der freien Hand fischte sie ihr behutsam ein paar ihrer zerzausten grünen Strähnen aus dem Gesicht.

»Sie wird schon wieder«, pflichtete Dex bei. »Ich meine, Alphas können Verletzungen überleben, die einen normalen Menschen locker umbringen würden.«

Cordian zuckte unwillkürlich zusammen. Er hätte es begrüßt, nicht daran erinnert zu werden, dass Tao alles andere als eine gewöhnliche junge Frau war.

»Sie schafft das«, stimmte nun auch Lissina mit ein, die sich neben ihn hockte und ihm in einer vertrauten Geste die Hand auf die Schulter legte. »Sie ist eine Kämpferin. Bevor du dich versiehst, ist sie wieder ganz die Alte und isst uns das gesamte Frühstück weg. Du wirst sehen.«

Er drehte den Kopf, um seine Schwester anzusehen. Das verschmitzte Lächeln in ihrem sommersprossigen Gesicht vertrieb die Sorgen tatsächlich für einen kurzen Moment.

»Wie viele Marmeladenbrote hat sie am Tag verdrückt? Ein Dutzend?«, fragte er, um sich abzulenken.

»Mindestens«, antwortete Lissina zwinkernd. »Wenn sie am Abend vorher gut gegessen hatte.«

Mit Wehmut dachte Cordian an jene wenigen glücklichen Tage zurück, die sie drei in Keld am Hof seines Vaters verbracht hatten. Es war nicht viel länger als einen Monat her, aber es kam ihm vor wie ein anderes Leben. Eines, in dem es keine Besucher von fremden Welten gab und keine Schrecken aus grauer Vorzeit, die Jagd auf ihn machten. Ein Leben, das eine verheißungsvolle Zukunft für ihn bereitgehalten hatte, möglicherweise sogar eine mit Tao an seiner Seite.

Die Wahrheit war: Keiner von ihnen konnte sagen, was nun mit ihr geschah. Die Salas Kai mit all ihrer Weisheit nicht, der Sternfahrer mit all seiner wundersamen Technik nicht, und er, der heimatlose Prinz, der vertriebene Thronfolger Keldors, am allerwenigsten. Tao war mit drei Angralen verschmolzen, war dadurch zum Sarangral geworden, dem Gefäß für die Macht der Ewigen. Das war zum letzten Mal vor drei Jahrtausenden geschehen und damals hatte es ein tragisches Ende genommen.

Cordian holte tief Luft, erhob sich und blickte in die Ferne, während er versuchte, sein aufgewühltes Inneres zu beruhigen. Dort unter ihm brannte die Hauptstadt Elteras, des mächtigsten Reiches ganz Eddors. Menschen starben in den Straßen, kämpften auf Leben und Tod gegen die widernatürlichen Geschöpfe des Zaihor, die weder Furcht noch Schmerzen kannten. Er stand hier auf dem Trümmerhügel des einstmals prachtvollsten Palastes der Welt. Die Reste seiner Mauern, die als uneinnehmbar gegolten hatten, zeichneten sich nun im Widerschein der Flammen wie Mahnmale vor dem Nachthimmel ab.

Und zwischen ihnen bewegten sich Schatten.

»Wiedergänger«, knurrte der Prinz. Seine Hand glitt unwillkürlich zum Schwertknauf, doch die abscheulichen Kreaturen kamen nicht in ihre Richtung. Er versuchte auszumachen, worauf sie es abgesehen hatten, und bemerkte flackernden Lichtschein in einem noch nicht vollständig eingestürzten Gebäude. Eine Frau kreischte in Panik.

»Da sind noch Menschen …«, erkannte er bestürzt. Sein erster Impuls war, loszulaufen und ihnen zu Hilfe zu eilen, doch das würde bedeuten, Tao und seine Schwester zurückzulassen. Unentschlossen verlagerte er sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen.

»Na los, geh schon«, ermutigte ihn Lissina. »Wir können auf uns aufpassen.«

»Sicher?«, fragte er zurück und suchte nach Spuren der Furcht in ihren Zügen. Stattdessen fand er grimmige Entschlossenheit.

»Wir haben eine Salas Kai bei uns«, erinnerte sie ihn. »Und außerdem ist da noch Dryvar.« Sie zeigte mit dem ausgestreckten Arm die Geröllhalde hinauf, wo bis vor Kurzem noch der Thronsaal gestanden hatte. Dort hatte es sich der über zehn Mannslängen messende Drache der Seherin bequem gemacht und wachte über seine Herrin. In der Tat, ihnen würde nichts passieren. Cordian hob den Sternenschild vom Boden auf und lief los.

 

Der Königspalast war terrassenförmig angelegt, wobei der ehemalige Thronsaal mit seiner nun zerborstenen goldenen Kuppel den höchsten Punkt darstellte. Parkflächen, Wehranlagen und Gebäude hatten eine Stadt innerhalb der Stadt gebildet. Nun, da alles in Trümmern lag, war der junge Prinz gezwungen, über Schutthalden zu klettern und Mauern hinabzuspringen. Das Beben, das dem Angriff vorausgegangen war, hatte tückische Spalten und Löcher entstehen lassen, sodass er auf jeden Schritt achten musste. Es wäre wahrhaft Ironie des Schicksals, wenn er sich, kurz nachdem er das Unmögliche vollbracht und einen Verdammten erschlagen hatte, im Dunkeln den Hals brach.

Als er näher kam, erkannte er, was vor sich ging: Einige Überlebende hatten sich in der Ruine eines Gesindehauses verschanzt und die Tür mit einem hölzernen Tisch verbarrikadiert. Gut zwei Dutzend Wiedergänger hatten sich davor zusammengerottet und versuchten, mit Gewalt einzudringen. Aus dem Inneren ertönten ängstliche Schreie. Die Wesen hatten ihn noch nicht bemerkt, doch das würde sich gleich ändern. Er festigte seinen Griff um den Sternenschild und zog die Schicksalsklinge. Der Kampf gegen Asmarel und seine Schergen hatte ihn körperlich ausgelaugt, aber mit den beiden mächtigen Sal’diren im Besitz fühlte er sich unbesiegbar. Sildarett erstrahlte hell und golden in seiner Hand. Die Waffe der Ewigen, vor Jahrtausenden geschmiedet, um das Zaihor zu vernichten, dürstete danach, ihr Werk zu verrichten. Verschrumpelte Köpfe drehten sich in seine Richtung. Rote Augen funkelten ihn an. Augen, die einst menschlich gewesen waren, bevor man die Körper dem Tod entrissen und ihnen neues Unleben eingehaucht hatte.

Cordian stürmte los. Noch während er sich näherte, begann flüssiges Gold seinen Schwertarm herabzufließen und eine undurchdringliche und dennoch gewichtslose Rüstung zu bilden, die ihn nicht im Geringsten behinderte. Im Gegenteil: Sämtliche Bewegungen fielen ihm plötzlich leichter, so als würde ein Teil der Last von seinen strapazierten Muskeln genommen. Es war ein angenehm warmes Gefühl, das ihm inzwischen keine Angst mehr machte. Der Panzer schloss sich, just da er heran war. Obwohl die Rüstung auch sein Gesicht vollständig bedeckte, war seine Sicht nicht eingeschränkt, ebenso wenig seine Atmung. Er und die Schicksalsklinge waren eins.

Schon bevor der Sarangral, aus dem die Waffe ihre Macht bezog, wiederhergestellt worden war, hatte eine flüchtige Berührung Sildaretts ausgereicht, einen Wiedergänger auf der Stelle zu fällen. Nun war die Wirkung noch weitaus spektakulärer: Als Cordian ausholte, fuhr ein Strahl hellen Lichts wie eine Verlängerung der Klinge durch die Reihen seiner Gegner und mähte sie nieder wie reifes Korn. Ein Dutzend Leiber stürzte gleichzeitig zu Boden, des unheiligen Funkens beraubt, der sie am Leben gehalten hatte.

Der Prinz ließ die Waffe noch zweimal kreisen, dann rührte sich niemand mehr.

Schweratmend blieb er stehen und besah sein Werk. Das Hochgefühl, das ihn sonst nach einem gewonnenen Kampf überkam, wollte sich nicht einstellen. Dazu war er einfach zu erschöpft. Als die goldene Rüstung wieder in den Schwertgriff zurückfloss, stieg er über die verkohlten Reste der Wiedergänger hinweg und sah nach den Menschen. Ungläubig lugten sie über die Reste ihrer improvisierten Barrikade zu ihm hinaus. Es waren Diener, Knechte und Mägde. Er glaubte, auch den einen oder anderen vornehm gekleideten Beamten zu erspähen. Dicht zusammengedrängt suchten sie Schutz und Trost in gegenseitiger Nähe. Die Standesunterschiede waren für den Moment vergessen.

»Alles in Ordnung?«, rief er ihnen zu. »Gibt es Verletzte da drinnen?«

»Uns geht es gut«, antwortete eine junge Frau zögerlich. »Dank Euch, edler Herr.«

In ihrem Blick lagen Ehrfurcht und Bewunderung. An einem anderen Tag hätte ihn das vielleicht in Verlegenheit gebracht, heute nahm er es ungerührt zur Kenntnis.

»Bleibt, wo ihr seid«, riet er den Geretteten, »bis es hier draußen sicher ist.«

Cordian schöpfte Atem und spähte hinaus in die von Flammen erhellte Nacht. Was von der Palastgarde übrig war, kämpfte in der Stadt. Dex hatte ihm versichert, dass seine Leute unterwegs waren, doch bis sie hier eintrafen, mochte es dauern. Sollte es weitere Überlebende geben, würde es für diese womöglich zu spät sein. Er durfte sich jetzt keine Pause gönnen, er musste so viele retten, wie er konnte.

Als er sich zum Gehen wandte, rief die Frau vom Eingang ihm nach, er möge doch bitte warten und seinen Namen verraten.

»Ich bin Cordian Leongart, Sohn von Garin Leongart, Prinz von Keldor«, verkündete er, als alle Augen gebannt auf ihn gerichtet waren. »Und ich werde derjenige sein, der Asmarel und die Verdammten zur Strecke bringt!«

Damit verschwand er in der Dunkelheit.

 

***

 

Missmutig starrte Ivan Kasov auf die Ladeanzeige seines Impulsgewehres und klopfte mit der Handfläche mehrmals fest gegen die nahezu erschöpfte Potenzialzelle. Natürlich gewann sie dadurch keinen Joule verbrauchter Energie zurück, was er mit einem verärgerten Schnauben quittierte. Wenn die Wiedergänger jetzt noch einmal angriffen, wurde es ernst. Während der Waffenoffizier und Ex-Marine versuchte, seine verspannten Schultern zu lockern, ließ er seinen Blick über die hastig errichtete Straßensperre gleiten. Im Wesentlichen bestand sie aus zwei querstehenden Eselskarren und einigen Kisten und Fässern, die sie aus einem benachbarten Wirtshaus zusammengeklaubt hatten. Die Männer rechts und links von ihm starrten verbissen in die Nacht. Im besten Fall gehörten sie der Stadtwache an, wussten also zumindest, wie man mit einem Schwert umging. Bei den meisten jedoch handelte es sich um einfache Bürger, die Keulen und Spieße in ihren verkrampften Händen hielten. Ihre Gegner waren unbewaffnet, kämpften aber wie tollwütige Tiere. Und sie waren schwer zu töten. Am besten ging es immer noch mit Feuer, da ihre ausgetrockneten Körper wie Zunder brannten. Ja, Verbrennen funktionierte derart gut, dachte Ivan zynisch, dass inzwischen die halbe Stadt in Flammen stand.

Auf dem großen Platz hinter ihm hatte sich mittlerweile eine beachtliche Menschenmenge versammelt. Alles Bürger, die aus ihren niedergebrannten Häusern geflüchtet waren und sich nun um die notgelandete Raumfähre drängten. In deren Inneren versorgte Divone die Verletzten so gut sie konnte. Im Cockpit hielt Tara Kontakt zur eintreffenden Verstärkung. Da seine Biotronik nicht mehr funktionierte, seit er die Zuflucht der Ewigen verlassen hatte, was ungewöhnlich für das robuste Neuralimplantat war, kontaktierte er die Pilotin über seinen Armbandkommunikator. Das Gesicht der jungen Frau erschien auf einem kleinen holografischen Display über seinem linken Handgelenk. Ihr schwarzes Haar hatte sie seit ihrer letzten Begegnung auf eine Länge von zwei Zentimetern rasiert, ihre rot gefärbten Strähnen abgeschnitten.

»Hier draußen wird es langsam eng«, meldete er. »Wie ist die Lage?«

Er hatte natürlich mitbekommen, dass Sturmlandungskapseln heruntergekommen waren. Die Einheimischen leider auch, und wenig überraschend, hatten sie das Gesehene völlig falsch gedeutet. Die Hälfte der Verteidiger war geflohen, weil sie dachten, der Himmel würde ihnen auf den Kopf fallen. Es hatte den hünenhaften Mann viel Mühe gekostet, die Übrigen zur Ordnung zu rufen. Zum Glück hörten die meisten verängstigten Menschen instinktiv auf den Größten in der Gruppe.

»Ich habe unsere Position durchgegeben«, berichtete Tara angespannt. »Verstärkung ist auf dem Weg hierher. Sie etablieren gerade eine zweite Landezone außerhalb der Stadt. Divone will die Verletzten dorthin ausfliegen. Ich denke, wir können einen Start riskieren. Die Instrumente funktionieren alle wieder normal.«

»Ja, was immer der Junge da oben gemacht hat, er scheint Erfolg gehabt zu haben.« Ivan blickte hinauf zur Ruine des Palastes und hoffte, dass Cordian wohlauf war. Er würde es zwar nicht offen zugeben, aber er konnte den kleinen Prinzen inzwischen recht gut leiden.

»Sieht ganz so aus«, stimmte Tara zu. »Und nun schwing deinen Arsch an Bord, damit wir starten können.«

»Negativ. Fliegt ohne mich. Ich bleibe hier, bis die Leute sicher sind. Falls der Commander das erlaubt, meine ich.«

Lange brauchte er auf seine Antwort nicht warten. Das Hologramm von Taras Gesicht verschwand und wurde durch das Divones ersetzt, als sie ihn rief. Der Stress, unter dem sie stand, war ihr anzumerken und ließ die Züge der Mittdreißigerin deutlich älter wirken.

»Ivan, wenn du glaubst, etwas gutmachen zu müssen, ist das jetzt ein schlechter Zeitpunkt«, stellte sie klar. Ihre Stimme klang wie immer sanft. Es lag kein Vorwurf darin, vielmehr ehrliche Sorge.

»Das ist es nicht«, versicherte er, obwohl er sich insgeheim fragte, ob sie mit ihrer Vermutung nicht näher an der Wahrheit lag, als er sich selbst eingestehen wollte. Er hatte als Offizier der Ikarus direkte Befehle des Captains missachtet. Die Tatsache, dass er unter einer Art Hypnose gestanden hatte, war dabei nur ein schwacher Trost. Zunächst jedoch gab es dringendere Probleme. »Jemand muss die Leute hier beschützen, bis die Verstärkung da ist. Es könnte jederzeit ein neuer Angriff erfolgen. Ich komme nach, sobald ich kann.«

»Also gut«, gestattete seine Vorgesetzte. »Pass auf dich auf.«

Die versammelten Menschen gingen auf Abstand, als die Fähre startete. Wer auf die entsprechende Lautsprecherwarnung nicht reagierte, der suchte spätestens dann das Weite, als die in die Deltaflügel eingebetteten Mantelrotoren anliefen. Langsam und in niedriger Höhe steuerte das überladene Fluggerät auf die Stadtgrenze zu. Ivan blieb nicht viel Zeit, ihm nachzublicken, da er Warnrufe von der östlichen Barrikade vernahm. Vier Straßen trafen sich auf dem Platz. Aus allen Richtungen außer von Süden hatte es bereits Angriffe durch Wiedergänger gegeben. Er wies ein paar Männer an, ihm zu folgen, und lief los. Sein Impulsgewehr packte er fester. Für eine Salve würde die Ladung noch reichen, hoffte er.

An der provisorischen Verteidigungsstellung angekommen, erkannte er sofort den Ernst der Lage. Vierzig bis fünfzig gebeugte grauhäutige Gestalten näherten sich. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Attacken agierten sie nicht besonders koordiniert: Einige rannten voraus, der Rest schlurfte langsam hinter ihnen her. Gut möglich, so schlussfolgerte er, dass sie niemand mehr kontrollierte und sie bloß noch ihren Instinkten folgten. Doch es waren genug, um die verausgabten Verteidiger schon durch ihre pure Anzahl zu überwältigen. Einer der wenigen Bogenschützen in ihren Reihen schoss einen Brandpfeil auf die vorderste Kreatur, traf sie in die Brust und schickte sie damit zu Boden. Das Wesen wand sich auf dem Pflaster, als die Flammen auf seinen trockenen Körper übergriffen.

Ivan nickte dem Schützen anerkennend zu und feuerte einzelne, gut gezielte Partikelimpulse hinterher. Fünf weitere Angreifer teilten das Schicksal des ersten, dann gab die Potenzialzelle seiner Waffe endgültig den Geist auf. Mit gefletschten Zähnen ließ er das Gewehr fallen, ballte die Fäuste und ließ seine implantierten Knöchelklingen aufschnappen. Die elf Zentimeter langen Kunstmetallsporne würden ihm gegen einen Gegner, der weder Angst noch Schmerzen kannte, ja nicht einmal blutete, wenig nutzen. Aber es war besser als nichts. Die Verteidiger rechts und links von ihm packten ihre improvisierten Waffen fester und wappneten sich für das Handgemenge.

Doch so weit kam es nicht: Ganze Salven gleißender Partikelimpulse fraßen sich urplötzlich von hinten durch die Reihen der Wiedergänger und streckten sie mit systematischer Präzision nieder. Der letzte Angreifer fiel, kurz bevor er die ausgedünnte Linie der Verteidiger erreicht hatte. Im selben Moment schälte sich hinter ihnen ein massiver vierbeiniger Umriss aus der Dunkelheit, der die Straße fast in ganzer Breite ausfüllte.

Ivan fiel vor Erleichterung ein Stein vom Herzen, als er den Sturmlandungsmechanoiden im Widerschein der allerorts lodernden Brandherde erkannte. Zu spät wurde ihm klar, dass der Anblick des Metallkolosses auf die Umstehenden eine gänzlich andere Wirkung hatte. Einer nach dem anderen lösten sich die Stadtbewohner aus ihrer Erstarrung und bewegten sich zögerlich ein paar Schritte rückwärts. Als die Kampfmaschine weiter auf den Platz vorrückte, machten sie schreiend kehrt und nahmen die Beine in die Hand.

»Wartet!«, versuchte der Hüne noch, sie aufzuhalten. »Euch droht keine Gefahr!«

Doch die wenigsten hörten auf ihn. In alle Richtungen rannten die panischen Menschen davon, ihre Waffen ließen sie dabei nicht selten einfach fallen, wo sie gerade gestanden hatten.

Als letzte Person weit und breit wurde er von dem Mechanoiden identifiziert und über Lautsprecher angesprochen: »Verstärkung eingetroffen. Erwarte Befehle.«

Resigniert ließ Ivan den Blick über den leergefegten Platz schweifen, den sie so mühsam verteidigt hatten. »Stellung halten«, wies er die Maschine an. Dies versprach, eine lange Nacht zu werden.

2

Der Morgen dämmerte bereits, als Captain Meyers befreit wurde. Aus dem kleinen vergitterten Kerkerfenster hatte er nicht sehen können, was die Nacht über vor sich ging, aber seine Leute hatten ihn per Visicom auf dem Laufenden gehalten. Er konnte hören, wie einige Trümmer aus dem Weg geräumt wurden und sich schwere mechanische Schritte näherten. Einen Moment später war ein verspiegeltes Helmvisier durch die Sichtluke der Kerkertür zu erkennen.

»Treten Sie von der Tür zurück, Sir«, wurde er von einer Stimme draußen auf dem Gang aufgefordert. Kurz darauf bohrte sich eine Fissionsklinge durch das dicke eisenbeschlagene Holz und schnitt das Schloss mit routinierten Bewegungen heraus.

Die Tür schwang auf und ein Marine in voller Exorüstung lugte herein. In der servobetriebenen, vakuumdichten Gefechtspanzerung war er so massig, dass er in dem engen Gewölbe kaum aufrecht stehen konnte. Nur mit Schwierigkeiten gelang es ihm, vor dem Captain zu salutieren. Rangabzeichen und Namensschriftzug wiesen ihn als Sergeant Kaya aus.

Meyers dankte seinem Befreier knapp. Er war nicht etwa wegen irgendwelcher Vergehen in dieser Zelle gelandet, sondern hatte sich vor den blutrünstigen Wiedergängern hierher geflüchtet. Die massive Kerkertür hatte ihrem Wüten standgehalten, doch dazu hatte jemand von außen abschließen müssen. Als der Captain am Sergeant vorbei auf den Gang hinaus trat, sah er die Leiche des Königs mit dem Gesicht nach unten im Dreck liegen. Obwohl er wusste, dass der Regent tot war, ging Meyers neben ihm in die Hocke und fühlte vergeblich nach einem Puls. Er hatte Regaland den Vierten aufgrund seiner besonnenen Art und seiner Aufrichtigkeit respektiert. Mehr als das: Er hatte den alten Mann gern gehabt. Eltera hatte einen großen und gütigen Herrscher verloren. Wieso, dachte er niedergeschlagen, trifft es bloß immer die Falschen?

»Stellen Sie sicher, dass dieser Leichnam geborgen und sorgsam behandelt wird«, wies Meyers den Soldaten an, der den Befehl ohne Rückfragen bestätigte.

Als der Captain sich erhob, um Sergeant Kaya ins Freie zu folgen, vernahm er ein leises Geräusch, das ihn innehalten ließ. Es war ein Klopfen, das aus einem anderen Teil des Gewölbes zu kommen schien. Der Marine blieb stehen. Er hatte es offensichtlich auch gehört.

»Ich schätze, da lebt noch jemand«, schlussfolgerte Meyers. Falls der Trakt, wie er glaubte, nur für privilegierte Gefangene vorgesehen war, hatte er schon eine konkrete Ahnung, um wen es sich handeln mochte. Da er sich in seinem eng anliegenden leichten Kampfanzug besser durch den teilweise eingestürzten Korridor bewegen konnte als der schwergepanzerte Marine, ließ er sich den Fissionsschneider geben und machte sich auf den Weg.

Vorsichtig drang Meyers tiefer in das Gemäuer vor, immer wieder besorgte Blicke zur Decke richtend, die an einigen Stellen bedrohliche Risse zeigte. Das Klopfen wurde zu einem Hämmern, ab und zu unterbrochen von Hilferufen. Er erkannte die Stimme und sein Verdacht bestätigte sich.

An der einzig belegten Zelle angelangt, tat er es Sergeant Kaya gleich, sprach eine Warnung aus und schnitt dann die Tür auf. Ein sichtlich verstörter Kardinal Vaspar blickte ihm furchtsam entgegen. Seine Wangen wirkten eingefallen, sein schütteres Haar stand zerzaust ab.

»Meyers! Was bei Arns wachendem Auge geht hier vor?«

 

Auf dem Weg nach draußen versuchte der Captain, es ihm schonend beizubringen – soweit das angesichts der Umstände überhaupt möglich war. Der Palast war zerstört, die Stadt zur Hälfte niedergebrannt, der König tot. An diesen Fakten ließ sich kaum etwas schönreden. Der Sockel aus Nihilitgestein, welcher die übernatürlichen Kräfte der Salas Kai und damit auch die der Verdammten blockiert hatte, war von Trollen heimlich ausgehöhlt und abgetragen worden. Durch die Tunnel waren die grauenerregenden Wiedergänger in Scharen unter den Mauern hindurch direkt in den Palast geströmt. Immerhin hatte Prinz Cordians heldenhafter Mut verhindert, dass Asmarel weitere Angrale in seinen Besitz bringen konnte.

»Außerdem«, so schloss Meyers, kurz bevor sie hinter Kaya ins Tageslicht traten, »wissen wir nun, dass Sie zu Unrecht verdächtigt wurden, für den Feind spioniert zu haben. Es war Fürstin Tarisa, bei der es sich in Wahrheit um die Verdammte Selessa handelt, die uns alle manipuliert hat.«

Vaspar versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, nahm die Neuigkeiten mit der stoischen Ruhe eines machterprobten Politikers auf. Als sie jedoch hinaus ins Freie gelangten, wo die eingestürzten Mauern den Blick auf die verheerte Stadt freigaben, gelang es ihm nicht mehr, seine Erschütterung zu verbergen.

Ganthalas, das pulsierende Herz Elteras, lag zu großen Teilen in Schutt und Asche. Die reicheren Viertel rund um den Palast hatte es besonders schlimm getroffen. Kaum ein Haus war unversehrt geblieben, vielerorts quoll noch Rauch aus den Ruinen. Menschen krochen verstört zwischen den Trümmern umher oder betrauerten in Schockstarre den Verlust ihrer Existenz. Von einem trüben Morgenhimmel rieselten erste Schneeflöckchen herab, als wollten sie die Stadt in ein dünnes weißes Leichentuch hüllen.

»Die Stadt der Sonne wird fallen …«, murmelte der Kardinal heiser. »Früher glaubte man, dieser Teil der Prophezeiung beziehe sich auf Istala. Doch Istala ging unter, ohne dass das Zaihor zurückkehrte. Gemeint war von Anfang an Ganthalas.«

Meyers legte dem gebrochenen Mann verständnisvoll die Hand auf die Schulter. »Ich würde nicht allzu viel auf alte Weissagungen geben. Noch ist nicht alles verloren. Die Schäden sind immens, aber das lässt sich alles wieder aufbauen.«

Ihm war selbst klar, dass dies leichter gesagt als getan war. Der Königspalast war praktisch dem Erdboden gleichgemacht. Nicht weit entfernt war eine Raumfähre auf einer Schutthalde gelandet. Bewaffnete Marines in Exorüstungen sicherten das Areal. Weiter unten, am äußeren Mauerring, glaubte er zu sehen, wie Männer der Palastwache Trümmer zur Seite räumten, um sich einen Weg ins Innere zu bahnen. Wie aufs Stichwort kamen soeben zwei Sanitäter aus dem Kerkergewölbe, den zugedeckten Leichnam des Königs auf einer Bahre transportierend. Der Kardinal musste ihn trotzdem erkannt haben, möglicherweise an seinem Gewand, das unter der Abdeckung hervorlugte, denn er zuckte sichtlich zusammen und fragte Meyers beklommen, ob dies tatsächlich Regaland sei.

Der Captain bejahte pietätvoll, woraufhin Vaspar mit der Hand einen Doppelkreis vor der Brust beschrieb, das Schutzsymbol Arns. »Wie starb er?«

Ein Kloß bildete sich in Meyers’ Hals, als er antwortete: »Er hat sich für mich geopfert.«

Es fiel ihm schwer, diese Wahrheit auszusprechen. Sein Gewissen wurde nicht müde, ihm die Schuld am Tod des Monarchen zu geben. Er fragte sich, wie wohl der Kardinal darüber denken mochte, doch Vaspars Miene war wie versteinert.

»Sir«, meldete sich Sergeant Kaya zu Wort, »Admiral Singhal möchte Sie sprechen. Wir fliegen Sie zuerst für den medizinischen Check ins Camp. Ihre Crew ist bereits dort. Sie können dann den nächsten Raumtransporter zur Timor nehmen.«

»Verstanden«, bestätigte der Captain und wandte sich wieder an den Kirchenmann. »Wir werden die sterblichen Überreste des Königs selbstverständlich in Ihre Obhut übergeben. Wenn Sie wünschen, dass unsere Ärzte sich um Sie kümmern oder wir sonst etwas für Sie tun können …«

Vaspar bedachte die Raumfähre und den gepanzerten Soldaten mit einem abschätzigen Blick und schüttelte den Kopf. Mit einem bitteren Unterton in der Stimme, der den Captain ein wenig beunruhigte, entgegnete er: »Nein danke, Meyers. Ich finde, Ihr habt bereits genug getan.«

 

Die Maschine mit Meyers und den Marines an Bord hatte gerade abgehoben, da öffnete Kaya zum ersten Mal sein Helmvisier. Zum Vorschein kam das Gesicht eines jungen Mannes mit platter Nase und breitem Kinn, das von kurzen Bartstoppeln bedeckt war. Beide Männer standen sich gegenüber, jeweils eine Hand an Haltegriffen über ihren Köpfen. Die Exorüstungen waren zu breit, um sich vernünftig auf den Sitzbänken niederzulassen, und Meyers hatte sich den Hintern lange genug auf einer Holzpritsche plattgedrückt.

»Sir, wenn die Frage gestattet ist«, eröffnete der Sergeant vorsichtig, »wer zum Teufel sind diese Primitiven? Ich meine, ist das eine verlorene Kolonie oder was?«

»Keineswegs«, verneinte Meyers. »Und sie sind nicht primitiv. Wir haben es hier mit einer Kultur zu tun, die über dreitausend Jahre alt ist. Wir können vielleicht noch einiges von ihnen lernen.«

»Was denn? Wie man mit Pfeil und Bogen schießt?«, erwiderte Kaya abfällig, stutzte dann aber, als er die Missbilligung in Meyers’ Blick bemerkte.

»Ich meine«, lenkte er das Gespräch in eine andere Richtung, »wie ist das denn überhaupt möglich?«

Meyers konnte ihm seine Haltung im Grunde nicht verübeln. Wenn er zurück an das Gespräch dachte, das er bei seiner Ankunft auf diesem faszinierenden Planeten mit Divone geführt hatte, musste er sich eingestehen, dass er damals eher Kayas Position vertreten hatte.

»Wie es aussieht«, antwortete er auf dessen Frage, »ist die Menschheit nicht die erste raumfahrende Zivilisation der Milchstraße. Und wer auch immer vor uns kam, hat die Vorfahren dieser Leute hierher gebracht.«

»Und diese Dinger, die wir getötet haben? Waren das Aliens

»Sie werden Wiedergänger genannt«, erklärte Meyers. »Es sind Opfer einer Seuche, die Menschen in Monster verwandelt.« Einen Anflug von Schrecken im Gesicht des hartgesottenen Soldaten erkennend, fügte er augenzwinkernd hinzu: »Keine Sorge, die waren schon tot, bevor Sie sie erschossen haben.«

Kaya wurde noch ein wenig bleicher.

 

Das Camp entstand westlich der Stadt auf einem brachliegenden Acker. Als Meyers eintraf, umfasste es bereits gut zwei Dutzend Mehrzweckmodule in unterschiedlichen Größen und wuchs beständig. Mechanoiden legten unablässig flache Quader aus, die von Technikern verkabelt wurden, damit sich das polymorphe Material selbstständig zu weiteren Einheiten formen konnte. So entfalteten sich Unterkünfte, Depots, Sanitäranlagen, Werkstätten und Verbindungsstücke. Regelmäßig starteten und landeten Raumfähren, um Nachschub aus dem Orbit herbeizuschaffen.

Der medizinische Komplex war als Erstes fertiggestellt worden. Der ursprünglich weiße Fußboden war bereits mit schmutzigen Stiefelabdrücken übersät, sodass der Captain beim Eintreten kein schlechtes Gewissen hatte, seine eigenen zu hinterlassen. Es ging hektisch zu, die Betten waren gut belegt, hauptsächlich mit Planetenbewohnern. Sie würden sich weiter füllen, denn Rettungstrupps bargen nach wie vor Verletzte aus der Stadt. Er hatte auch von einigen Beinahe-Zusammenstößen zwischen Kampfeinheiten und der lokalen Bevölkerung gehört, die zum Glück glimpflich ausgegangen waren. Inzwischen war die elteranische Sprachdatenbank in jede Biotronik hochgeladen worden, was die Verständigung erleichterte, dennoch las er Angst und Verwirrung aus den meisten Gesichtern. Ein Kind schrie nach seiner Mutter, eine Frau weinte und Soldaten packten einen Mann, der um sich schlug, damit ein Sanitäter ihm ein Beruhigungsmittel verabreichen konnte. Diese Menschen hatten viel durchgemacht.

Das galt auch für seine Crew, die hier auf ihn wartete. Er war froh, dass alle, von ein paar Kratzern abgesehen, unverletzt waren, und befahl ihnen als Erstes, etwas Schlaf nachzuholen. Divone war bei Tao, die man von den anderen Patienten isoliert hatte, wie er erfuhr. Er würde nach ihr sehen, sobald die Ärzte ihn untersucht hatten. Zunächst jedoch nahm er Ivan auf ein Wort beiseite. Sein Waffenoffizier hatte unter dem geistigen Einfluss einer Verdammten gestanden und eindeutige Befehle ignoriert. Eigentlich hatte der Captain vorgehabt, ihm bei seiner Rückkehr gründlich die Leviten zu lesen. Da er nun aber am eigenen Leib erfahren hatte, wie leicht es Selessa fiel, einen Menschen zu manipulieren, konnte er dem Mann keinen echten Vorwurf mehr machen. Das tat der Soldat ohnehin selbst schon zu Genüge, wie Meyers deutlich an seiner Körpersprache erkannte. Nachdem er Ivan versichert hatte, dass ihm von seiner Seite aus kein Ärger drohte, ließ er ihn wegtreten. Unwillkürlich fragte er sich jedoch, was wohl aus der Frau geworden war, die ihr beider Wille so mühelos gebrochen hatte. Es wäre ihm ganz recht, sie nie wiederzusehen, doch insgeheim fürchtete er, nicht zum letzten Mal von der Verdammten gehört zu haben.

Als er wenig später nach einer kurzen Untersuchung endlich die offizielle Bestätigung bekam, dass ihm nichts fehlte, begab er sich in den abgeschotteten Teil des medizinischen Traktes. Es war ruhiger hier, beinahe schon gespenstisch. Neben dem gelegentlichen Tappen von Füßen waren nur die rhythmischen Geräusche der allgegenwärtigen Maschinen zu hören. Pro Abteil waren es nur noch zwei statt zwanzig Betten und es gab schließende Türen anstelle von einfachen Vorhängen. Hier waren Patienten untergebracht, die länger bleiben würden. Meyers sah Männer und Frauen mit schweren Verbrennungen an Schläuchen hängen, die ihren Körper mit Schmerzmitteln vollpumpten. Möglicherweise konnten Nanobots den Schaden beheben, vielleicht musste aber auch synthetisches Gewebe verpflanzt werden. Es gab außerdem zwei gläserne Regenerationstanks, gefüllt mit grünblauem Gel. In einem davon hing wie schwerelos ein Körper, dem beide Beine fehlten. Er würde einige Wochen im künstlichen Koma verbringen, bis ihm neue gewachsen waren.

In Taos Krankenzimmer hielt sich neben Divone noch eine weitere Person auf. Es handelte sich um einen dürren älteren Mann mit beginnender Glatze, der die Uniform des Sanitätsdienstes trug. Die Biotronik des Captains identifizierte ihn als Doktor Lee, den Admiralstabsarzt der Timor. Die beiden standen am Bett der jungen grünhaarigen Frau und diskutierten leise miteinander. Zu Meyers’ Überraschung war auch das zweite Bett belegt. Darin schlief in abgewetzter Straßenkleidung und staubigen Stiefeln niemand anderes als Prinz Cordian. Schwert und Schild lehnten neben ihm an der Wand. Anders als bei Tao waren die zahlreichen Maschinen und holografischen Displays, die den Gesundheitszustand überwachten, bei ihm abgeschaltet.

»Was macht der denn hier?«, erkundigte sich der Captain leise bei seinem ersten Offizier, nachdem sie einander begrüßt hatten.

Divone zuckte entschuldigend mit den Achseln. »Er hat sich geweigert, ihr von der Seite zu weichen.«

»Und wie geht es ihr?«, fügte er mit einem Nicken in Taos Richtung hinzu.

Es war der Doktor, der antwortete: »Körperlich ist sie allem Anschein nach unversehrt, aber sie reagiert nicht auf äußere Reize. Wir können sie derzeit nicht aufwecken.«

»Heißt das, sie liegt im Koma?«, fragte Meyers besorgt.

»Nein, ihre Gehirnströme legen nahe, dass sie schläft. Aber um ehrlich zu sein, wissen wir nicht, was mit ihr los ist. Obwohl das Schläfenkontaktpad fehlt, scheint sie eine Art Biotronik im Kopf zu haben, es ist uns bisher jedoch nicht gelungen, irgendwelche diagnostischen Daten auszulesen. Auf Bitten von Commander Alwana haben wir vorläufig darauf verzichtet, ihren Zustand mit Medikamenten zu beeinflussen.«

Es war dem Admiralstabsarzt deutlich anzumerken, dass er Divones Einschätzung nicht unbedingt teilte. Die Gaianerin rechtfertigte sich geduldig: »Wir wissen weder, wie Alphas im Allgemeinen auf die üblichen Mittel reagieren, noch, welche Auswirkungen sie auf ihre spezielle Verbindung mit den Angralen haben könnten. Am besten warten wir ab, was passiert, und behandeln sie solange wie ein rohes Ei.«

»Das sehe ich genauso«, pflichtete Meyers bei, der sich gar nicht ausmalen wollte, welch zerstörerische Macht nun in Tao schlummerte. »Wie ein Ei, das mit Antimaterie gefüllt ist.«

Als Doktor Lee widerstrebend nickte, empfahl sich der Captain. Er wollte den Admiral nicht unnötig warten lassen. Seinen ersten Offizier wies er wie den Rest seiner Leute an, sich etwas Ruhe zu gönnen.

Als er ging, wäre er vor der Tür des Krankenzimmers beinahe mit einem schlanken hochgewachsenen Kerl zusammengestoßen. Überraschenderweise trug dieser keine Uniform der Unionsflotte, sondern einen ziemlich teuer wirkenden schwarzen Anzug. Ein sorgfältig getrimmter Bart rahmte ein markantes Kinn ein, das zu einem gut aussehenden Mann Mitte vierzig gehörte.

»Draco!«, entfuhr es Meyers. Im Grunde war er nicht überrascht, den Konzernchef hier anzutreffen, er hatte nur nicht damit gerechnet, dass es so bald sein würde.

Mit dem selbstgefälligen Blick eines Mannes, der immer bekam, was er wollte, sah Alexandro Draco auf ihn herab. »Schön, Sie wohlauf zu sehen, Captain«, grüßte er ihn höflich. »Sie haben es tatsächlich geschafft, die Alpha hierher zu schaffen. Gilt unsere Vereinbarung noch?«

»Natürlich«, schnaubte er ungehalten. »Sie können mit ihr sprechen, sobald sie zu sich kommt. Aber ich glaube nicht, dass sie auf Sie hören wird. Und zu Ihrer eigenen Sicherheit rate ich Ihnen, sie zu nichts zu drängen. Es sei denn, Sie wollen mitsamt diesem Camp von der Landkarte getilgt werden.«

Draco ließ mit keiner Regung erkennen, ob ihn die ernst gemeinte Warnung im Geringsten beeindruckte. Nicht in der Stimmung, sich dieses überhebliche Lächeln weiter anzutun, kehrte Meyers ihm unhöflich den Rücken. Er würde sich jetzt noch schnell frisch machen und dann die nächste Raumfähre besteigen. Admiral Singhal wurde vermutlich schon ungeduldig.

 

Die Timor gehörte als Flottenträger mit fünfhundertachtzig Metern Länge zu den größten Kampfschiffen der Union. Der Rumpf war wie bei allen hyperraumtauglichen Schiffen grob keilförmig, um den Erfordernissen des Antriebs gerecht zu werden. Am Heck maß er stolze dreihundert Meter in der Breite. Zweihundertvierzig Besatzungsmitglieder verrichteten ihren Dienst auf dem Träger, dazu kam das Vierfache an Jägerpiloten, Marines, Pionieren sowie Logistik- und Sanitätspersonal. Begleitet wurde er von zwei schweren Kreuzern mit massiver Feuerkraft, der Riga und der Trondheim, zwei leichteren Fregatten, der Arjuna und der Tengu, sowie dem Versorgungsschiff Frankfurt.

Als Meyers die Raumfähre über die Luftschleuse verließ, wurde er von einem adretten Lieutenant aus dem Stab des Admirals empfangen, der ihn zum Konferenzraum der Timor begleitete. Der Captain hatte den leichten Kampfanzug, den er in den letzten Wochen getragen hatte, bereitwillig gegen einen bequemen Bordoverall getauscht. Elektromagnete in den Fasern seiner Kleidung machten es möglich, sich in der Schwerelosigkeit bequem vom Bordleitsystem durch die Korridore ziehen zu lassen.

Im Gegensatz zu den schlichten funktionalen Gängen wirkte der Konferenzraum mit seinen hellen Wandpaneelen und einem mächtigen ovalen Tisch aus Holzimitat geradezu vornehm. Meyers schmunzelte: Ein Flottenträger war immer auch so etwas wie ein mobiles Hauptquartier und so mochten sich in diesem Raum schon etliche hochrangige Vertreter der Flotte getroffen haben. Dennoch waren Tische, insbesondere solch wuchtige Exemplare, in der Schwerelosigkeit relativ sinnlose Möbelstücke. Natürlich konnte man Gegenstände magnetisch oder adhäsiv an ihnen befestigen, aber das ging überall sonst ebenso gut. Nein, sein Vorhandensein war mehr der jahrhundertealten Tradition geschuldet, die vorsah, dass wichtige Gespräche eben an Tischen wie diesen stattzufinden hatten.

Admiral Rajesh Singhal wartete bereits auf ihn. Es handelte sich um einen kleinen, auffallend stämmigen Mann mit grauem Haarkranz um das ansonsten kahle Haupt. Name und Hautton ließen auf eine indische Abstammung schließen, sein Wuchs auf eine Kindheit in hoher Schwerkraft. Meyers kannte ihn lediglich vom Sehen, war ihm ein paar Mal auf der Ambato-Flottenbasis über den Weg gelaufen, hatte aber nie persönlich mit ihm zu tun gehabt.

»Möchten Sie einen Kaffee?«, bot der Admiral ihm an, nachdem sie einander begrüßt hatten.

»Schwarz bitte.«

Singhal, der vor dem Getränkespender schwebte, füllte einen durchsichtigen Beutel mit der heißen Flüssigkeit ab und warf ihn Meyers zu, bevor er sich ebenfalls bediente. Kaffee war eines der Dinge, die der altgediente Raumschiffkommandant auf Eddor schmerzlich vermisst hatte. Geschickt fischte er den Beutel aus der Luft und friemelte das Mundstück heraus, darauf achtend, sich nicht die Finger zu verbrennen.

Auf einen Wink des Admirals nahmen beide Männer Platz. Die Schalensitze verfügten über keine Gurte, da sie nicht für die Benutzung unter Beschleunigung vorgesehen waren, dafür erzeugte das Polster bei Berührung einen leichten lokalen Unterdruck, der sie sanft an die Sitzflächen saugte. Meyers nahm einen ersten vorsichtigen Schluck seines belebenden Getränks, während sein Vorgesetzter ein holografisches Display aktivierte, das den Einsatzbericht zeigte, den er vom Captain einige Stunden zuvor erhalten hatte.

»Ihr Bericht«, begann Singhal mit Sorgenfalten auf der Stirn, »liest sich stellenweise wie ein Märchenbuch. Ich habe eine zehnjährige Enkeltochter, die gerade alles verschlingt, was mit Elfen und Einhörnern zu tun hat. Der würde das gefallen.«

»Ich bin mir sicher, dass in diesem Dokument keine Elfen und Einhörner vorkommen, Sir«, verteidigte sich Meyers. Er hatte durchaus mit einer solchen Reaktion gerechnet, schließlich konnte er selbst kaum glauben, was er in den letzten Wochen erlebt hatte.

»Aber Drachen und Trolle. Finden Sie, das macht einen Unterschied?«

»Nun, die beschriebenen Lebensformen existieren wirklich. Sie können ihnen natürlich andere Namen geben, wenn die mythologischen Bezeichnungen Sie stören …«

»Ich schätze, die sind unser geringstes Problem«, befand Singhal mit ernster Miene. »Sie haben den Einheimischen Militärhilfe und Satellitenaufklärung gewährt. Ihnen ist doch sicher bekannt, dass die Union sich aus den Angelegenheiten von Nicht-Mitgliedern grundsätzlich heraushält.«

Meyers rollte mit den Augen. Hätte der Geheimdienst der Flotte sich mal an diese Grundsätze gehalten, dann wäre er jetzt gar nicht hier.

»Wir saßen am Boden fest und mussten den Leuten irgendetwas im Austausch für ihre Unterstützung anbieten. Außerdem lag eine humanitäre Krise vor«, rechtfertigte er sich deshalb geduldig. »Eine Krise übrigens, an deren Entstehung Behörden der Union zumindest eine Mitschuld tragen.«

»Sie meinen die Aegis-Division?«, schlussfolgerte der Admiral richtig.

Meyers nickte. »Die Division hat auf verantwortungslose Weise mit außerirdischer Technologie experimentiert, was die Zerstörung ihres Stützpunktes nach sich zog und noch weitere unabsehbare Folgen haben könnte. Unsere dringlichste Aufgabe sollte jetzt sein, herauszufinden, was mit dem Tor vor sich geht.«

Singhal schwieg einen Moment, als sich der Inhalt des holografischen Displays änderte und Informationen über das Tor darbot.

»In der Tat. Es scheint, als sende dieses Artefakt starke elektromagnetische Störsignale aus, und zwar, seit Ihr Schiff eine Antimateriewaffe darauf abgefeuert hat. Dies geschah, als ein eigentlich unter Arrest stehender Agent der Division sich kurzzeitig der Brücke bemächtigte. Erklären Sie mir bitte, wie es zu einer derart schwerwiegenden Sicherheitspanne kommen konnte.«

Meyers’ Züge verfinsterten sich. Commander Lapaga hatte sich nach dem Abfeuern des Torpedos ohne Widerstand ergeben. Ron Digger, sein Ingenieur und einziges Besatzungsmitglied an Bord, war wohlauf. Dennoch nagte der Vorfall am Gemüt des Captains. Am liebsten wäre er sofort auf die Ikarus zurückgekehrt und hätte sich diesen Mistkerl persönlich vorgeknöpft.

»Er hat eine Hintertür in der Schiffsintelligenz ausgenutzt.«

»Das meine ich nicht«, präzisierte der Admiral grimmig. »Meine Techniker haben die Protokolldateien ausgewertet und Ihre Schilderung der Ereignisse bestätigt. Was nebenbei bemerkt ungeheuerlich ist. Aber«, er hob drohend den Zeigefinger, »der Agent konnte mit seiner Sabotage nur Erfolg haben, da Sie und der Großteil Ihrer Mannschaft nicht an Bord waren, sondern sich am Boden auf unverantwortliche Weise in die Politik eines souveränen Staates eingemischt haben.«

Meyers schluckte seine Antwort hinunter. In diesem Punkt hatte der Admiral ohne Zweifel recht. Er hätte den konfiszierten Sprengkopf unbedingt sicherer verwahren müssen! Betreten sah er zu Boden.

»Ich nehme Ihnen durchaus ab, dass Sie improvisieren mussten und nach bestem Wissen und Gewissen handelten«, gestand Singhal ihm nun etwas versöhnlicher zu. »Doch ab jetzt laufen die Dinge hier wieder streng nach Vorschrift. Ich möchte, dass Ihre Crew auf die Ikarus zurückkehrt. Sie bekommen von der Frankfurt alle Ersatzteile, die sie benötigen, um den Hyperantrieb zu reparieren. Wenn das erledigt ist, wird Ihr Schiff den inhaftierten Agenten unverzüglich nach Ambato überführen, wo er vor ein Militärgericht gestellt werden kann.«

Der Captain schluckte. Sein Vorgesetzter wollte ihn abziehen? Das gefiel ihm ganz und gar nicht.

»Sir, bei allem Respekt«, widersprach er vorsichtig, wohl wissend, dass er sich auf sehr dünnes Eis begab. »Die Situation hier ist explosiv. Vom Tor könnte eine ernste Gefahr ausgehen. Am Boden herrscht noch immer Krieg. Sie brauchen jemanden, der diese Welt kennt. Jemanden, der Beziehungen zu den Einheimischen hat …«

»Da haben Sie völlig recht«, pflichtete der Admiral ihm bei. »Deswegen befördere ich Sie hiermit in meinen Stab, wo sie eine beratende Funktion ausfüllen werden. Sie bleiben, aber die Ikarus fliegt ab.«

 

3

Als Cordian erwachte, schmerzte jeder Knochen und jeder Muskel in seinem Körper. Sein Schädel pochte und seine Kehle war ausgedörrt. Er fühlte sich wie gerädert. Es lag nicht an dem ungewohnt weichen Bett der Sternfahrer – Ursache waren ohne Zweifel die übermäßige Anstrengung des vergangenen Tages sowie die zahlreichen kleineren und größeren Blessuren, die er davongetragen hatte.

Auf einer Ablage fand er einen Becher Wasser in Griffweite, den er gierig leerte. Tao schlief, in weiße Laken gehüllt, auf der Liege neben ihm noch immer. Das Licht war gedämpft und künstlich. Mangels Fenster gab es keine Möglichkeit, die Tageszeit zu bestimmen und damit, wie lange er geschlafen hatte. Der Raum war angefüllt mit unheimlichen Apparaturen, deren Funktion er nicht einmal erahnen konnte. Manche gaben gelegentlich seltsame Geräusche von sich, die ihn jedes Mal in Alarmbereitschaft versetzten. Divone, die Heilerin aus Captain Meyers’ Mannschaft, hatte ihm zwar am Vorabend versichert, dass ihm hier keinerlei Gefahr drohe, dennoch ließ sich die Anspannung nicht so ohne Weiteres abschütteln. Es gab hier einfach nichts Vertrautes, das ihm Sicherheit gegeben hätte. Sogar die Luft roch künstlich.

Cordians Blick blieb an einer daumengroßen Steinfigur hängen, die auf einer Ablage neben Taos Bett lag. Ein Schmetterling aus Trollstein, den er für sie hatte anfertigen lassen. Er gestattete sich, es als gutes Omen zu deuten. Wenn das Kleinod die Strapazen unbeschadet überstanden hatte, würde Tao das auch, daran glaubte er fest.

Das verständliche Bedürfnis verspürend, sich erleichtern zu müssen, gürtete der Prinz sein Schwert und verließ das Krankenzimmer. Dass die Tür von allein aufglitt, sobald man sich näherte, bescherte ihm immer noch eine Gänsehaut. Die Wachen auf dem Gang musterten ihn mit einer Mischung aus unverhohlener Neugier und Geringschätzung, während er sich seinerseits Mühe gab, sie einfach zu ignorieren. Wie er bereits am Vorabend festgestellt hatte, waren die Latrinen nicht weniger beängstigend als der Rest der Krankenunterkünfte. Es schien, als würde ein dienstbereiter Geist in dem Gebäude hausen, der jeden seiner Schritte voraussah und ihm Türen öffnete, für Licht sorgte und Wasser laufen ließ. Sensoren hatte Divone das genannt. Ein Wort, das er sich gemerkt hatte. Es gab auf dem stillen Örtchen auch einen Spiegel: Nun hatte er Gewissheit, dass er tatsächlich so schrecklich aussah, wie er sich fühlte. Er versuchte, sein zerzaustes dunkelbraunes Haar notdürftig glattzustreichen, und wischte sich den Schmutz aus dem Gesicht. Dort, wo es nicht von ungepflegten Bartstoppeln bedeckt wurde, hatte es eine ungesunde blasse Farbe angenommen.

Als er zurückkam, hinderte ihn eine der Wachen am Betreten von Taos Zimmer.

»Sie hat gerade Besuch«, behauptete der Soldat. Er sprach dabei in seiner Muttersprache, aber fast gleichzeitig hörte Cordian seine Stimme zusätzlich auf elteranisch. Ganz genauso hatte er es bei ihrer ersten Begegnung auch bei Captain Meyers und seinen Leuten erlebt. Es war verwirrend und er hatte ohnehin schon Kopfweh.

»Lasst mich sofort zu ihr«, verlangte er. Seine Hand glitt zum Knauf der Schicksalsklinge und er spürte, wie die beiden Männer rechts und links der Tür sich spannten. Die Situation drohte zu eskalieren, doch wenn es um Tao ging, hatte er nicht vor, zurückzustecken.

Als hätten sie aus dem Nichts neue Befehle erhalten, lockerten die Soldaten plötzlich ihre Haltung. Der Wachtposten, der ihm eben noch den Weg verstellt hatte, trat zur Seite und bedeutete ihm mit einer Geste, einzutreten.

Misstrauisch leistete Cordian Folge. Tao war tatsächlich nicht allein. Auf einem Stuhl neben dem Bett der Schlafenden hatte es sich ein hochgewachsener Mann in seltsamer Kleidung bequem gemacht. Der Unbekannte mochte um die vierzig Jahre zählen, aber bei den Sternfahrern war das Alter nach allem, was er wusste, beinahe ebenso schwer abzuschätzen wie bei den Salas Kai. Mit lässig übereinandergeschlagenen Beinen saß er da und schenkte ihm ein gewinnendes Lächeln.

Als sich die Tür hinter dem Prinzen schloss, erhob sich der Mann und streckte ihm die Hand entgegen.

»Cordian, nicht wahr?«, vermutete der Unbekannte richtig. Im Gegensatz zu den Wachen sprach er, wenn auch mit deutlichem Akzent, elteranisch. »Ich habe bereits viel von dir gehört. Verzeih bitte den Männern, sie machen nur ihren Job. Krankenhausvorschriften, du weißt schon …«

Nein, er wusste nicht, und er machte keine Anstalten, die ausgestreckte Hand anzunehmen. Der mysteriöse Besucher wirkte freundlich und zuvorkommend, doch der Prinz erinnerte sich noch gut an die Worte des Waldläufers Ralm, der ihn gewarnt hatte, dass bei zu viel Freundlichkeit Misstrauen angebracht war. Und er spürte, dass hinter der charismatischen Fassade ein kalter, berechnender Verstand arbeitete.

Cordian beschloss, den Eindringling zur Rede zu stellen: »Wer seid Ihr und was wollt Ihr von Tao?«

Ohne sich durch seinen Vorstoß im Geringsten aus der Ruhe bringen zu lassen, stellte sein Gegenüber sich vor: »Ich bin Alexandro Draco. Und ich will dasselbe wie du: dass deine Freundin möglichst schnell wieder gesund wird.«

Der Name sagte ihm nichts, doch Cordian hatte plötzlich einen dringenden Verdacht, warum der andere Mann hier war, und der besserte seine Laune ganz und gar nicht.

»Ihr wollt sie mitnehmen«, stellte er drohend fest.

Draco versuchte erst gar nicht, seine Absichten zu leugnen. »Sie hat ihr Gedächtnis verloren«, rekapitulierte er. »Auf der Erde können wir ihr helfen, wieder ganz sie selbst zu werden.«

»Was, wenn sie das nicht will?«, warf der Prinz ein.

»Meinst du nicht, sie sollte das entscheiden?«

»Sie hat sich schon entschieden«, behauptete Cordian. »Sie möchte nicht länger Eure Sklavin sein.«

Draco schmunzelte belustigt und trat neben Taos Bett. Einen Moment lang blickte er nachdenklich auf die Schlafende herunter.

Wenn er sie jetzt anfasst, breche ich ihm den Arm …

»Was weißt du über sie?«, fragte der ungebetene Gast stattdessen und drehte sich wieder zu Cordian herum.

»Ich weiß, dass sie für Euch getötet hat«, antwortete der Prinz kühl und versuchte damit, seine Unsicherheit zu überspielen. In Wahrheit wusste er erschreckend wenig über Tao.

»Das ist wahr«, gab Draco unverblümt zu. Mit einem Blick auf Cordians Schwert fügte er hinzu: »Ich nehme an, du hast in dieser Hinsicht ebenfalls eine gewisse Erfahrung?«

»Ich hatte jedoch eine Wahl«, erwiderte der junge Prinz verärgert.

»Hattest du die wirklich? Würdest du heute hier stehen – wäre sie jetzt hier –, wenn du dich gegen das Töten entschieden hättest?«

»Worauf wollt Ihr hinaus?«, entgegnete Cordian, dem der Sinn im Augenblick nicht nach philosophischen Debatten stand, gereizt.

»Keiner von uns kann seiner Natur entfliehen«, behauptete Draco. »Ich nehme an, du hast bemerkt, wie schnell sie durch Beobachtung lernt?«

Cordian nickte zögerlich. Tao hatte ihn immer wieder mit neuen Fähigkeiten überrascht. Was andere jahrelange Übung kostete, schaute sie einfach ab. Er war nicht sicher, ob er tatsächlich hören wollte, was Draco zu sagen hatte, aber seine Neugier war bereits geweckt, also lauschte er weiter.

»Die Gabe zur Imitation ist ihr gewissermaßen angeboren«, fuhr eben jener fort. »Die ersten drei Jahre ihres Lebens reifen Alphas in einem Tank, ähnlich denen, die du den Gang hinunter vielleicht gesehen hast. Wir füttern sie in dieser Zeit mit audiovisuellen Eindrücken. Wenn sie das erste Mal auf eigenen Füßen stehen, können sie nicht nur laufen: Sie sind erstklassige Turner, sprechen fünf Sprachen und sind in der Lage, mit verbundenen Augen ein Gewehr zusammenzusetzen. Deine Freundin mag alles verloren haben, was sie ausmachte, aber diese Fähigkeit ist ihr geblieben. Also hat sie sich wie einen Flickenteppich eine neue Persönlichkeit und ein passendes Weltbild zusammengesetzt aus allem, was sie zufällig gesehen und aufgeschnappt hat.«

Draco hielt kurz inne, damit sein Zuhörer ihm folgen konnte, dann drehte er den Dolch in der Wunde herum: »Du glaubst vielleicht, sie mag dich. Womöglich hegst du sogar die Hoffnung, sie würde dich lieben. Aber sie imitiert nur das Verhalten, das du ihr entgegenbringst. Sie kann ebenso wenig etwas für dich empfinden, wie dein Spiegelbild es je könnte.«

»Nein«, stöhnte Cordian bestürzt. »Das ist nicht wahr!« Er weigerte sich, es zu glauben, und dennoch konnte er die Bilder nicht aus seinem Kopf verbannen: Tao, die das Reiten lernte, indem sie ihm dabei zusah, Tao, die den Hofknicks seiner Schwester imitierte, Tao, die ihn küsste, nachdem sie beobachtet hatte, wie Passanten es taten. Er zwang sich, diesen Gedanken nicht weiter zu verfolgen, und sagte stattdessen: »Sie hat das Recht, ein glückliches selbstbestimmtes Leben zu führen. In Frieden alt zu werden und Kinder zu bekommen.«

»In Frieden alt werden?« Draco bedachte ihn mit einem mitleidigen Lächeln. »Hast du je von der Lebensratentheorie gehört?«

Er deutete sein Schweigen richtig und holte weit aus: »Nach dieser einfachen Vorstellung ist unsere Lebenszeit von der Zahl der Herzschläge begrenzt. Schlägt das Herz eines Lebewesens langsam, wird es alt, schlägt es hingegen schnell, stirbt es früh. Nun, in Wahrheit ist es etwas komplizierter, dennoch fordert eine hohe Stoffwechselrate immer ihren Preis.«

Cordians ratloser Blick bremste Draco kein bisschen. »Dir ist vielleicht aufgefallen«, fuhr er fort, »wie schnell sie sich bewegt, wie rasch ihre Wunden heilen, und vielleicht hast du sogar bemerkt, wie viel sie essen muss, um ihren Energiebedarf zu decken.«

Cordian schluckte schwer. Das hatte er in der Tat. Hieß das etwa …?

Während der Prinz mit einem dicker werdenden Kloß im Hals rang, setzte der ungebetene Besucher seinen Monolog unbeirrt fort: »Alphas haben viele Vorzüge, ein langes Leben gehört jedoch nicht dazu. Unser Produkt ist auf eine Einsatzdauer von zwanzig Jahren ausgelegt. Dieses Exemplar«, er klopfte mit der flachen Hand auf Taos Bett, »hat davon schon fünfzehn abgeleistet.«

Cordian kämpfte gegen plötzlichen Schwindel und Übelkeit an. »Ihr wollt sagen«, brachte er heraus, »dass Tao nur noch fünf Jahre zu leben hat?«

»Nicht unbedingt«, schränkte Draco beschwichtigend ein. »Auf der Erde könnten wir bei guter medizinischer Betreuung sicherlich ein paar Jahre mehr für sie herausholen. Unser Produkt fällt nicht sofort aus, wenn die Garantiezeit abgelaufen ist – so eine Firma sind wir nicht.«

Er schmunzelte über den Witz, den wohl nur er selbst verstand, und knüpfte in versöhnlichem Tonfall an: »Mit etwas Glück könnte sie sogar ihren fünfundzwanzigsten Geburtstag erleben. Allerdings ohne Kinder. Alphas sind selbstverständlich unfruchtbar.«

Am liebsten hätte Cordian ihm hier und jetzt sein selbstgerechtes Grinsen aus der Visage geprügelt, doch der Schock saß zu tief. Wenn es stimmte, was dieser Mann sagte – und er wirkte sehr überzeugend –, dann hatte Tao noch maximal zehn Jahre zu leben! Und diese Zeit würde sich um die Hälfte verkürzen, wenn sie bei ihm blieb. All die Träume, all die Hoffnungen, die er insgeheim gehegt hatte, zerplatzten vor seinem inneren Auge wie Seifenblasen. Es war, als würde die gehässige Stimme des Schicksals ihn auslachen. Was hast du dir gedacht?, schien sie ihn zu verhöhnen. Ihr deine Liebe zu gestehen, sie zur Frau zu nehmen und irgendwann einen kleinen grünhaarigen Sohn auf dem Arm zu halten? Wie naiv kann man sein?

»Ich …«, stammelte er benommen. »Entschuldigt mich, ich muss nach meiner Schwester sehen.«

Er musste raus hier! An die frische Luft. Die Wände schienen ihn zu erdrücken, sein Herz raste und sein Atem ging stoßweise. Er zwang sich, Taos Zimmer ruhigen Schrittes zu verlassen, wollte Draco nicht die Genugtuung gönnen, es wie eine Flucht aussehen zu lassen, doch genau das war es. Die letzten Meter rannte er ins Freie. Erst als er matschigen Boden und halb geschmolzenen Schnee unter seinen Füßen spürte, blieb er stehen, lehnte sich an die Außenwand der Krankenunterkunft und blickte hinauf zum trüben Himmel.

»Arn, ihr Götter, wer immer dort ist«, flüsterte er mit Tränen in den Augen. »Warum treibt ihr solch ein böses Spiel?«

 

Es dauerte eine ganze Weile, bis Cordian sich soweit gesammelt hatte, dass er wieder zu klaren Gedanken fähig war. Es lastete nach wie vor ein schweres Gewicht auf seinem Herzen, aber er durfte sich nicht erlauben, in Schwermut zu versinken. Es musste schon Mittag sein, und er sollte wirklich einmal nachsehen, ob es Lissina gut ging. Bei aller Sorge um Tao durfte er seine Schwester nicht vergessen. Zudem hatte auch sie das Recht, zu erfahren, wie es um ihre Freundin stand. Er fragte sich nur, wie er es ihr schonend beibringen konnte …

Tief luftholend machte er sich auf den Weg. Derart aufgewühlt waren seine Gedanken, dass ihm erst nach einer Weile bewusst wurde, dass er keine Ahnung hatte, wohin er eigentlich wollte. Das Lager der Sternfahrer war das reinste Chaos. Überall eilten Leute umher, ebenso andere Dinge – Maschinen –, scheinbar ganz ohne menschliches Zutun. Seltsam aussehende Gebäude entstanden vor seinen Augen wie von Zauberhand und alle paar Minuten donnerte irgendein Fluggerät über ihn hinweg. Es war wie in einem Albtraum. Er fragte einen der Fremden, wo er seine Schwester finden konnte, doch der zuckte nur ratlos mit den Schultern. Ein anderer beschwerte sich, dass er im Weg herumstand und ein dritter verwies ihn zurück zur Krankenunterkunft, alle Einwände ignorierend, dass sie nicht zu den Verletzten gehörte.

Als er Ivans hoch aufragende Erscheinung in dem hektischen Treiben ausmachte, atmete er erleichtert auf und eilte dem Soldaten entgegen. Der Mann, der auf der Suche nach der Schicksalsklinge wochenlang sein Weggefährte gewesen war, grüßte ihn herzlich und erkundigte sich höflich nach Taos Zustand.

Sie wird sterben. An meiner Seite noch schneller als ohne mich.

»Den Umständen entsprechend. Sie ist noch nicht aufgewacht.«

»Sie wird schon wieder«, kommentierte der Hüne. »Aber was ist mit dir? Bist ganz schön blass im Gesicht …«

»Ich kann Lissina nicht finden«, wechselte Cordian das Thema, bevor ihm die eingebildete Schlinge um seinen Hals jegliche Luft abdrückte. »Weißt du vielleicht, wo sie ist?«

»In der Stadt«, verriet Ivan. »Wollte nach ihrem Zimmermädchen suchen oder so.«

»Allein?«, stöhnte Cordian entsetzt. Das würde seiner Schwester ähnlich sehen!

»Keine Sorge, Dex und Tara sind bei ihr. Wenn du möchtest, frage ich nach, wo genau sie sich gerade befinden.«

»Tu das. Ich muss sofort zu ihr.«

 

***

 

Hunderte von Helfern waren damit beschäftigt, in den Trümmern des Palastes nach Überlebenden zu suchen. Palastwache, Stadtwache, Bedienstete, einfache Bürger. Auch die Sternfahrer beteiligten sich und brachten Maschinen mit, die problemlos Arbeiten verrichteten, für die die Kraft von zwanzig Männern nicht gereicht hätte. Keiner von ihnen hatte Martena gesehen, wie Lissina enttäuscht feststellte, oder wusste etwas über ihren Verbleib. Wurde einer der Fürsten gefunden, egal ob tot oder lebendig, sprach sich das sofort herum. Besonders der Tod des Regenten war inzwischen in aller Munde. Niemand jedoch interessierte sich für eine einfache Zofe.

Es war frustrierend. Die Prinzessin hatte keine Ahnung, was sie noch tun konnte. Aus lauter Verzweiflung fing sie an, Steinbrocken von einem Trümmerhaufen abzutragen, nur um zu sehen, ob das arme Mädchen vielleicht darunter begraben lag.

»Hilf mir doch mal«, beschwerte sie sich bei Dex, der neben ihr stand und ihr kopfschüttelnd zusah.

Der Sternfahrer trat näher und hinderte sie sachte daran, sich nach einem weiteren Stein zu bücken. »Das bringt doch nichts«, appellierte er geduldig und nahm sie sanft in den Arm. Lissina ließ es geschehen und genoss für einen Augenblick einfach das Gefühl, dass da jemand war, an den sie sich anlehnen konnte.

»Unsere Leute haben Geräte, die ihnen genau sagen, wo noch Verschüttete liegen«, führte der Navigator aus. »Wir stehen hier nur im Weg. Lass uns lieber mal logisch nachdenken: Hat sie eine Familie, zu der sie gegangen sein könnte?«

Lissina ließ resigniert die Schultern sinken. »Keine Ahnung.«

Sie wusste so gut wie nichts über das junge Mädchen, das man ihr als Zofe zugeteilt hatte, außer, dass sie zu den Palastdienern gehörte und ein gutes Ohr für Gerüchte hatte. Letzteres hatte Lissina sehr geholfen, als sie Nachforschungen angestellt hatte, und nun fühlte sie sich, als hätte sie die Bedienstete einfach im Stich gelassen.

In diesem Moment kam Tara zurück, begleitet von einem Sternfahrer in einer Rüstung, die so absurd massig war, dass Lissina sich ohne das aufgeklappte Helmvisier nicht sicher gewesen wäre, ob überhaupt ein Mensch darin steckte. Zwar hatte es seit dem Morgengrauen keine Angriffe mehr von Wiedergängern gegeben, aber schwer gerüstete Männer wie er sicherten trotzdem wachsam das Gelände. Wie sie sich mit derart viel Stahl am Körper noch bewegen konnten, war ihr allerdings ein Rätsel.

»Es gibt Neuigkeiten«, vermeldete die Pilotin. »Laut Sergeant Kaya«, sie deutete mit dem Daumen über die Schulter auf den wandelnden Metallberg, »sind viele Verletzte zur Kathedrale gebracht worden.«

»So ist es«, bestätigte der Soldat. »Meine Leute und ich haben heute Morgen einen Leichnam dort abgeliefert. Irgendein Prominenter. Die Leute liegen dort dicht an dicht.«

Lissina horchte auf. Das ergab Sinn in ihren Ohren. Die Kathedrale war eines der wenigen größeren Bauwerke, das die Nacht unbeschadet überstanden hatte. Wenn Martena noch lebte, waren die Chancen gut, sie dort anzutreffen.

»Dann lasst uns keine Zeit verschwenden!«, entschied die Prinzessin und schritt voran.

 

Zwar war die Kathedrale nur wenige Querstraßen vom Palast entfernt, doch der Weg war mit Trümmern übersät und beschwerlich. Mit Fuhrwerken gab es kein Durchkommen, also mussten sie laufen. Auf jeder Kreuzung stand eines dieser Dinger – Dex nannte sie Mechanoiden – und hielt stumm Wache. Obwohl die Technik der Sternfahrer für Lissina in den vergangenen Wochen fast schon zu etwas Vertrautem geworden war, fühlte sie sich unwohl in ihrer Nähe. Sie standen völlig reglos da, fast so, als schliefen sie. Dann jedoch drehte sich ohne erkennbaren Grund einer der den Körper umlaufenden Ringe und erinnerte die Prinzessin daran, dass sie ständig von kalten Augen beobachtet wurde. Sie war mit ihrem Unbehagen nicht allein, wie sie feststellte: Die Stadtbewohner hielten beim Vorbeigehen größtmöglichen Abstand zu den metallischen Wächtern und warfen ihnen misstrauische Blicke zu.

»Ihr solltet die Mechanoiden abziehen«, mahnte Lissina ihre Begleiter. »Die Leute fühlen sich bedroht von ihnen.«

»Wieso?«, fragte Dex verdutzt. »Dafür gibt es doch gar keinen Grund.«

»Sie fürchten sich aber trotzdem. Ich meine, schon allein, wie sie aussehen …«, beharrte Lissina auf ihrem Standpunkt.

»Wie ein Ei auf vier Beinen«, kommentierte der Navigator. »Was ist daran furchteinflößend?«

Es war Tara, die ihr beisprang: »Womöglich hat sie recht. Die Menschen hier kennen nichts Vergleichbares. Und wenn ich daran denke, wie du reagiert hast, als du zum ersten Mal einen Drachen gesehen hast …«

»Das war etwas völlig anderes!«, wehrte sich Dex, erklärte sich dann aber doch kleinlaut dazu bereit, die Beschwerde weiterzuleiten.

Sie setzten ihren Weg schweigend fort. Der Navigator informierte sie kurz darauf, dass er eine Nachricht von Ivan empfangen hatte: Ihr Bruder wollte sie sehen und war ebenfalls zur Kathedrale unterwegs. Lissina war froh, dass es Cordian gut ging. Sie hatten am gestrigen Abend nicht viel Zeit gehabt, miteinander zu sprechen, aber es war klar, dass er auf seiner Suche nach Sildarett einiges durchgemacht hatte. Stur, wie er war, hatte er jede Hilfe seitens der Sternfahrer abgelehnt und sich selbstlos um Tao gekümmert. Vielleicht hatte er Neues von ihr zu berichten, dachte die Prinzessin aufgeregt, doch das würde sie schon früh genug erfahren – jetzt galt ihre Sorge erst einmal Martena.

 

Die Kathedrale von Ganthalas war ein imposanter Sakralbau, der dank seines über hundert Schritt hohen Glockenturms weithin sichtbar war. Das Bauwerk war dem Propheten Darion geweiht, der einst die heilige Tafel Arns vom Schöpfer selbst empfangen und den Glauben damit begründet hatte. Das war zumindest die offizielle Lehre der Kirche. Zwei konzentrische Kreise prangten in Gold gefasst kurz unter der Turmspitze. Sie symbolisierten das Auge Arns und erinnerten die Gläubigen daran, dass der Allmächtige stets über sie wachte. Wenn Lissina an die Schrecken der vergangenen Nacht dachte, dann kamen ihr allerdings Zweifel an dieser Wachsamkeit. Wie die meisten Bewohner Keldors war sie aus Sicht der Kirche nicht besonders fromm. Die alten Götter waren noch recht lebendig in ihrer Heimat, speziell in den nördlichen Teilen des Landes, und nicht selten richtete man seine Gebete neben Arn auch an sie. Eine zusätzliche Absicherung konnte schließlich nicht schaden, so glaubten nicht wenige. Aber in diesem Fall hätte wohl auch das nichts geholfen.

Im Halbdunkel des ausladenden Kirchenschiffes waren die hölzernen Sitzbänke so gut es ging beiseite geräumt worden, um Platz für die Verletzten zu schaffen. Von denen gab es viele und sie lagen dicht gedrängt. Ein allgegenwärtiges an- und abschwellendes Klagen erfüllte die Luft. Helfer schritten die Reihen ab und verteilten Wasser an die Durstigen. Nachdem sie die sauberen und wohltemperierten Krankenquartiere der Sternfahrer gesehen hatte, wurde der Prinzessin erst so recht bewusst, wie kalt und schmutzig es hier drinnen war. Lissina sprach einen Messdiener, der die Aktivitäten zu koordinieren schien, auf Martena an und tatsächlich konnte er sie in die richtige Richtung weisen. Während Tara und Dex am Eingang zurückblieben, fand sie ihre Zofe auf einem provisorischen Lager aus Decken und Stroh. Sie trug einen Kopfverband und lächelte gequält, als sie die Prinzessin erkannte.

»Mir geht es gut«, versicherte sie auf Lissinas besorgte Frage hin. »Ich bin aus dem Palast entkommen, bevor es richtig schlimm wurde. Mir ist ein Ziegel auf den Kopf gefallen, das wird aber wieder. Ihr hättet wegen mir doch nicht herkommen brauchen, Herrin.«

Kritisch musterte Lissina den Verband. »Du kannst mich in das Lager der Sternfahrer begleiten, wenn du möchtest. Die könnten sich das mal ansehen.«

Martena wirkte alles andere als glücklich über diesen Vorschlag und erwiderte: »Ich würde lieber hierbleiben, wenn Ihr gestattet. Ich meine, die Sternfahrer sind doch letztendlich schuld an alledem.«

»Was?«, entfuhr es Lissina verblüfft. »Wie kommst du darauf? Wer sagt so etwas?«

Die Zofe deutete furchtsam mit dem Finger an ihr vorbei. Als die Prinzessin sich umdrehte, erblickte sie am gegenüberliegenden Ende des Kirchenschiffes niemand anderen als Kardinal Vaspar. Der war gerade damit beschäftigt, gestenreich Anweisungen zu erteilen, dachte aber natürlich nicht daran, selbst mit anzupacken.

Dass ausgerechnet der unsympathische Kirchenmann zu den Überlebenden zählte, überraschte sie nur milde. Leute wie er waren wie Unkraut: einfach nicht auszurotten. Mochte Arn wissen, was er nun wieder im Schilde führte, aber sie würde nicht zulassen, dass Dex und die Seinen zu Sündenböcken gemacht wurden. Es war an der Zeit, ein ernstes Wörtchen mit ihm zu reden!

 

Lissina passte Vaspar ab, ehe er durch eine Seitentür verschwinden konnte. Obwohl ihr durchaus danach war, ihn vor allen Anwesenden zur Rede zu stellen, wusste sie, dass sie damit nichts erreichen würde, und schluckte ihren Ärger vorübergehend herunter.

»Kardinal, auf ein Wort«, bat sie stattdessen so taktvoll, wie sie es in ihrer augenblicklichen Laune vermochte.

Ihre Manieren wurden belohnt. Nach dem kurzen Austausch von Höflichkeiten lud Vaspar sie ein, ihm zu folgen. Die Prinzessin signalisierte Tara und Dex, zurückzubleiben, und begleitete den geistlichen Würdenträger über einen gepflasterten Hof zu einem Nebengebäude der Kathedrale. Obwohl fast unscheinbar im Vergleich zum gewaltigen Gotteshaus waren auch hier die Fassaden kunstvoll verziert und das Innere mit feinsten Teppichen und goldenen Kerzenhaltern fürstlich ausgestattet. Ganthalas war wahrlich eine Stadt des Reichtums und des Überflusses. Gewesen, ergänzte sie in Gedanken, als sie die hastig mit Brettern verrammelten Fenster im Erdgeschoss bemerkte.

»Willkommen in meiner bescheidenen Residenz«, verkündete Vaspar, als sie ein Arbeitszimmer im ersten Stock erreichten, das kaum weniger protzig eingerichtet war als jenes, das der Kardinal im Palast sein Eigen genannt hatte. Einzig ein paar Spinnweben in den Ecken wiesen darauf hin, dass dieser Raum sonst nur selten genutzt wurde. Die Scheite im prasselnden Kamin waren indes frisch aufgelegt. Die hier herrschende Wärme stand in krassem Gegensatz zur klammen Kühle, in der die Verletzten ausharren mussten.

Als sie beiderseits eines wuchtigen Schreibtisches Platz genommen hatten, konnte Lissina sich nicht länger zurückhalten: »Mir kam zu Ohren, Ihr macht unsere Freunde von der Galaktischen Union für die gegenwärtige Misere verantwortlich. Trifft das etwa zu?«

Vaspar rümpfte pikiert die Nase: »Misere ist ja wohl kaum das richtige Wort für eine Katastrophe diesen Ausmaßes. Und ja, ich mache die Fremden verantwortlich. Sie haben uns in einer falschen Sicherheit gewogen, unschuldige Männer ins Gefängnis gebracht, während Verräter im Palast unbemerkt ein- und ausgingen.«

Die Prinzessin wusste, worauf er anspielte. »Ich bedauere, wie mit Euch verfahren wurde. Seid versichert, ich habe alles versucht, Eure Unschuld zu beweisen, und dabei waren Captain Meyers’ Leute eine unschätzbare Hilf…«

»Captain Meyers hat König Regaland sterben lassen«, fiel ihr Vaspar verärgert ins Wort. »Er trägt die Schuld am Tod des Regenten!«

Lissina hob beschwörend die Hände. »Nicht Meyers hat den Palast angegriffen. Es waren die Verdammten. Wir haben sie zurückgeschlagen, doch um sie endgültig zu besiegen, müssen wir alle an einem Strang ziehen. Wenn die elteranischen Truppen nach Keldor ausrücken, brauchen wir die Sternfahrer an unserer Seite.«

Der Kardinal sah sie an, als hätte sie einen dummen Witz gemacht. »Wenn die Truppen ausrücken?«, fragte er mit hochgezogener Augenbraue. »Die elteranische Armee geht nirgendwohin, die Lage hat sich grundlegend geändert.«

Jetzt war es Lissina, die ihren Ohren nicht traute. Die Lage hatte sich geändert? Wie meinte er das? »Aber der Thronrat hat doch bewilligt …«

»Zwei Drittel des Thronrates sind tot!«, fuhr Vaspar dazwischen und hieb mit der Faust auf den Tisch. »Die Fürstenhäuser müssen Nachfolger ernennen, ein neuer König muss gewählt werden. Wir brauchen die Soldaten, um die Stadt gegen weitere Angriffe zu verteidigen.«

Lissina, die nun allmählich begriff, dass sie vor den Scherben ihrer gesamten politischen Bemühungen stand, hielt verzweifelt dagegen: »Die Verdammten werden nicht erneut angreifen. Jedenfalls nicht so bald. Sie waren doch bloß auf den Angral aus, der im Königspalast versteckt war. Aber wir haben ihre Pläne vereitelt. Mein Bruder hat sogar eigenhändig einen von ihnen erschlagen.«

Der Unglauben war deutlich herauszuhören, als Vaspar nachfragte: »Einen Verdammten getötet? Prinz Cordian werden wahrlich so einige Heldentaten nachgesagt, aber das erscheint mir doch ein wenig unwahrscheinlich. Wie will er das angestellt haben?«

Ärgerlich verschränkte die Prinzessin die Arme vor der Brust. Welchen Grund hatte der Kardinal, an ihren Worten zu zweifeln? »Am besten fragt Ihr ihn das selbst, mir glaubt Ihr anscheinend ja doch nicht.«

»Oh, das würde ich beizeiten gerne. Bis dahin jedoch bedürfen andere Angelegenheiten meiner Aufmerksamkeit. Wenn Euch also sonst nichts auf dem Herzen liegt …«

Er wurde unterbrochen, als es an die Tür klopfte. Auf Vaspars Aufforderung lugte ein Diener hinein und vermeldete kleinlaut: »Unten ist jemand, der behauptet, Prinz Cordian zu sein, und seine Schwester zu sprechen verlangt. Er weigert sich, seine Waffen abzulegen.«

»Wenn man vom Fürsten der Lügen spricht …«, schnaufte Vaspar einer alten Redensart gemäß. »Lass ihn ein.«

 

***

 

Cordian traf seine Schwester im ersten Stock der Kardinalsresidenz im Arbeitszimmer irgendeines Geistlichen. Er war zu erschöpft, um sich Gedanken darüber zu machen, was sie hier überhaupt wollte, und platzte ohne Umschweife heraus: »Ich muss mit dir reden.«

Lissina jedoch räusperte sich und erklärte förmlich: »Cordian, das ist Kardinal Vaspar. Kardinal, mein Bruder Cordian Leongart, Prinz von Keldor.«

Der Mann, den sie soeben vorgestellt hatte, erhob sich hinter seinem Schreibtisch und setzte zu einer Begrüßung an, doch der Prinz, dem der Sinn kein bisschen nach Konversation stand, ignorierte ihn geflissentlich: »Unter vier Augen.«

Das zornige Funkeln, das sie ihm zuwarf, überraschte ihn ein wenig. Mit honigsüßer Stimme entschuldigte Lissina sie beide für einen Augenblick beim Hausherrn und ging mit ihm vor die Tür. Dort fauchte sie ihn mit gedämpfter Stimme an: »Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen? Wo sind deine Manieren?«

Cordians Kopf schmerzte. Ihm war schwindlig. Langsam glaubte er, dass er sich etwas eingefangen hatte. Möglicherweise eine Grippe, vielleicht auch etwas Ernsteres. Eine verbale Auseinandersetzung mit seiner Schwester war das Letzte, wonach ihm jetzt der Sinn stand. »Es tut mir leid, ich bin gerade einfach nicht in der Stimmung, mich mit irgendwelchen Leuten …«

Anscheinend hatte er genau das Falsche gesagt, denn sie echauffierte sich bloß noch mehr: »Oh ja, du bist nicht in der Stimmung. Du reitest lieber in die Welt hinaus und erlebst Abenteuer. Ich habe die gesamten letzten Wochen damit verbracht, mit irgendwelchen Leuten zu reden. Leuten, die ich nicht mag, Leute, die mich nicht mögen, Leute, die mir bei der ersten Gelegenheit in den Rücken fallen würden. Alles, um Eltera dazu zu bringen, schnelle Hilfe nach Keldor zu entsenden. Mach mir das jetzt bitte nicht kaputt!«

»Ich wollte doch nicht …«, stammelte Cordian überrumpelt und hielt sich dabei die pochenden Schläfen.

»Dann geh jetzt mit mir da rein, sei nett zum Kardinal und beantworte seine Fragen. Einverstanden?«

Schweren Herzens willigte er ein. Er war im Augenblick einfach nicht in der Verfassung, sich mit ihr zu streiten, und wenn es den Moment hinausschob, da er ihr von Taos drohendem Schicksal erzählen musste … Nun, es gab Schlimmeres.

Als sie das Zimmer wieder betraten, machte er notgedrungen gute Miene zum bösen Spiel, entschuldigte sich förmlich bei Vaspar und stand ihm wie gewünscht Rede und Antwort. Er erklärte, wie die Wiedergänger unbemerkt durch von Trollen angelegte Tunnel in die Stadt gelangen konnten und dass diese unterirdischen Aktivitäten auch für den Einsturz des Palastes verantwortlich waren. Der Geistliche glaubte ihm nicht, dass er sich den Verdammten allein gestellt und sie besiegt hatte, bis er Sildarett zog und die Schicksalsklinge vor sich auf den Tisch legte. Der goldene Schimmer um die Schneide ließ erahnen, dass es sich dabei um weit mehr als ein gewöhnliches Schwert handelte. Natürlich interessierte Vaspar, wie er an diese Waffe gekommen war, also gab er ihm eine Kurzfassung seiner abenteuerlichen Suche. Wie er an die erste Hälfte des Wegschlüssels nach Tirvaness gelangt war, verschwieg er dabei, berichtete lediglich, dass die Seherin Mo die zweite unter dem Gipfel des Reißzahns, einem der höchsten Berge des Drachengrats, verortet hatte.

Als er schilderte, wie er dort auf die unterirdische Trollstadt Olgorun gestoßen war, wurde Vaspar misstrauisch: »Wieso sollten diese vom Zaihor verderbten Diener der Verdammten Euch helfen, eine Waffe zu finden, mit der ihre Herren besiegt werden können?«

Cordian rollte genervt mit den Augen: »Die Trolle sind genauso viel oder wenig verdorben, wie die Menschen es sind. Einige folgen dem dunklen Pfad, die meisten sind aufrichtige und friedliche Wesen. Sie versuchen, das Werk der Ewigen zu bewahren.«

Da sein Gegenüber wenig überzeugt wirkte, legte er nach: »Ihr Anführer, den sie den Weisen nennen, zeigte mir die Sal’dire, die sie vor der Zerstörung gerettet hatten. Es waren Dutzende. Sogar Arns heilige Tafel war darunter.«

Vaspar verschluckte sich fast. »Unmöglich«, widersprach er vehement. »Arns heilige Tafel ging zusammen mit Istala unter.«

»Ich habe sie mit eigenen Augen gesehen.«

Ein ziehender Schmerz in seinem linken Unterarm machte es Cordian zunehmend schwer, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. Er musste das hier schnell hinter sich bringen: »Und mit dem wiederhergestellten Wegschlüssel konnte ich durch die Nebelwelt nach Tirvaness, in die geheime Zuflucht der Ewigen, gelangen. Dort wurde mir die Schicksalsklinge übergeben.«

»Soll das heißen, die Ewigen selbst, die Kinder Arns, haben Euch auserwählt?«

»Nein, die Ewigen sind … fort. Es ist kompliziert. Verzeiht mit, ich fühle mich nicht wohl und würde das Gespräch gerne bei anderer Gelegenheit fortsetzen.«

Der Prinz erhob sich, was ihn mehr Mühe kostete, als er sich anmerken ließ, und verabschiedete sich von einem Kardinal, der seit der Erwähnung der Tafel seltsam abwesend erschien und keine Einwände vorbrachte.

Auch Lissina hatte inzwischen bemerkt, dass mit ihm etwas nicht in Ordnung war. Draußen auf dem Gang sprach sie ihn an: »Was ist denn los mit dir?« Sie hielt ihm die Hand auf die Stirn und erkannte: »Du hast ja Fieber!«

»Ich weiß nicht«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, während er die Treppe hinuntertorkelte. Seine Schwester war sofort bei ihm, um ihn zu stützen. »Mein Arm …«

Auf dem Weg nach draußen mühte er sich damit ab, den Ärmel seines Hemdes weit genug nach oben zu schieben, um zu sehen, was ihm solche Schmerzen bereitete und riss ihn schließlich auf, als sie auf den Hof hinaustraten.

Ein behelfsmäßiger Verband kam darunter zum Vorschein, der eine kleine, an sich harmlose Schnittwunde bedeckte. Nicht die einzige Blessur, die er sich in den letzten Tagen zugezogen hatte. Hatte sie sich etwa entzündet? Das wäre übel, doch er erkannte sofort, dass es in Wahrheit noch weit schlimmer war: Die Adern, die von dem Verband zu seinem Ellenbogen hinaufzogen, hatten sich tiefschwarz verfärbt!

Lissina und er hielten vor Schreck den Atem an. »Was in Arns Namen ist das?«, wollte sie von ihm wissen.

»Mantredt!«, zischte Cordian unter Qualen. Der Schwindel zwang ihn in die Knie, doch es stand ihm wieder klar vor Augen: Die Wunde stammte vom Schwert des verräterischen Grafen! Er hatte sie schon fast vergessen, ihr keine Bedeutung beigemessen. »Seine Klinge muss vergiftet gewesen sein!«

»Mantredt?«, fragte seine Schwester entgeistert, die mit ihm in die Hocke ging und ihn immer noch stützte, so gut sie konnte. »Lebt er etwa noch?«

»Jetzt nicht mehr«, hauchte er schwach. Seine Sicht trübte sich ein. Das Letzte, was er sah, bevor er hintenüberkippte und ihm endgültig die Sinne schwanden, waren Tara und Dex, die herbeigeeilt kamen, als Lissina verzweifelt um Hilfe rief.

4

Tausend Stimmen brausten einem Wirbelsturm gleich durch Taos Kopf. Wie Brandungswellen schwollen sie von einem Flüstern zu einem dröhnenden Crescendo an, nur um kurz darauf wieder als entferntes Raunen zu verklingen. Es war schwer, sich auf eine einzelne Stimme zu konzentrieren, trotzdem bemühte sie sich, als sie glaubte, eine davon wiederzuerkennen. Es war der verzweifelte Versuch, das Chaos in ihrem Geist irgendwie zu bändigen, ihre Gedanken zu ordnen.

Als sie dem vage vertrauten Eindruck folgte, ihren Verstand darauf fokussierte, beschwor ihr Gedächtnis Bilder herauf. Erinnerungen, die unmöglich ihre eigenen sein konnten und sich dennoch so anfühlten: Sie rannte, so schnell sie es vermochte, durch knietiefen Schnee, doch sie steckte dabei im Körper eines alten Mannes in abgetragener Kleidung. Ein Wolfsfell fiel ihr über die Schultern herab und diente ihr als Mütze. Unter ihrem Hemd spürte sie das vertraute Gewicht eines faustgroßen Kristallanhängers, eines Angrals.

»Eoni! Nein!«, hörte sie sich selbst mit fremder Stimme in die winterliche Stille hinausbrüllen. Sie war an einer Schneise angelangt, die eine Lawine in die bewaldete Flanke des vor ihr aufragenden Berges gerissen hatte. Sie wusste, dass die junge Frau, die sie als ihre Nachfolgerin auserkoren hatte, unter den Schneemassen begraben lag. Verzweifelt sank sie auf die Knie, kramte nach dem Kleinod an ihrer Brust und flüsterte zu dem Kristall: »Bitte, bring sie mir zurück, ich will sie nicht verlieren.«

Wind setzte ein. Der Schnee stob auf und nahm ihr schon bald jegliche Sicht, als die Brise zu einem Blizzard heranwuchs. Schützend hielt sie die Hände vor ihr Gesicht und kauerte sich zusammen. Als der Sturm genauso plötzlich verschwand, wie er gekommen war, hatte sich ein tiefer Trichter in der Schneedecke gebildet und dort lag sie: Eoni, äußerlich unversehrt, doch ihre Augen starr und von Eiskristallen überzogen …

Tao erschrak und floh aus dieser Erinnerung. Ralm, der letzte Bewahrer, hatte ihr einst von jenem Moment erzählt. Nun hatte sie ihn durch seine Augen gesehen, hatte gefühlt, was er gefühlt hatte: derselbe furchtbare Schmerz, die Leere des Verlustes, und die Selbstvorwürfe, zu spät gekommen zu sein. Die ungebändigten Emotionen drohten sie zu überwältigen und so folgte sie der erstbesten Stimme zum nächsten Gedächtnisfetzen.

Sie sah sich unter einer großen Kuppel stehen. Unter ihren Füßen waren die Umrisse Eddors aus Marmor nachgebildet, über ihr montierten Arbeiter auf Leitern goldene Fassungen an die gewölbte Decke, die wie die Sternbilder am Nachthimmel angeordnet waren. Auf ihrem von den Jahren der Regentschaft ergrauten Haupt ruhte eine juwelenbesetzte Krone. Zufrieden mit dem Fortschritt der Bauarbeiten begab sie sich in ihr Privatgemach und setzte einen Brief auf. Es war ihr Letzter Wille. Sollte ihr Herz aufhören zu schlagen, bevor ihr Werk vollendet war, so musste doch sichergestellt werden, dass der Angral, den sie ihr Leben lang gehütet hatte, in die Kuppel eingesetzt wurde. Sie fragte sich, ob die Könige, die nach ihr kamen, die Stimme des Angrals hören würden, so wie sie es manchmal getan hatte. Ob der Kristall die Herrscher gar mit seiner Weisheit anleiten möge. Wahrscheinlich war das Wunschdenken. Letztendlich zählte nur, dass keiner ihn als das erkannte, was er war. Auf dass niemand seine Macht missbrauchen könne.

Tao ließ sich von einer neuen Stimme davontragen, dann von noch einer und einer weiteren. Sie war Handwerker, Bauer, Künstler, Krieger, spielte als Kind im Wald, saß als Greis am Strand, erlebte ihren ersten Kuss unter bunten Girlanden und ihren letzten auf dem Totenbett. Wie ein Schmetterling, der von Blüte zu Blüte flog, tauchte sie von Erinnerung zu Erinnerung. Es waren Ausschnitte aus den Leben der Bewahrer, an denen sie teilhatte, manche traurig, andere glücklich, alle auf irgendeine Weise gespeichert und über die Jahrtausende konserviert in der energetischen Matrix der Angrale.

Sie hatte diese Stimmen schon früher in den tiefsten Winkeln ihres Bewusstseins vernommen, doch erst jetzt, da alle drei Splitter wieder in ihr zum Sarangral vereinigt waren, konnte Tao sie verstehen. Im Konzert der Stimmen machte sie eine aus, die lauter und klarer war als die anderen, und lauschte ihr gebannt.

Im nächsten Moment wünschte sie sich, sie hätte es nicht getan: Dies war nicht einfach die Erinnerung eines Bewahrers, sondern die eines Mannes, der die Verschmelzung mit einem Angral vollzogen hatte. Ein gebildeter und ehrgeiziger Forscher war er einst gewesen, doch zum Zeitpunkt der Vereinigung bereits gebrochen und traumatisiert. Tao fand sich gefangen im eigenen Körper wieder, förmlich erdrückt von der übermächtigen dunklen Präsenz, die alle ihre Handlungen steuerte. Sie war gezwungen, mit anzusehen, wie sie einem alten Mann, der vor ihr kniete und schrie, mit einem Messer blutige Runen in die Kopfhaut ritzte. Sie wollte sich wehren, aber sie war zu schwach, konnte nichts ausrichten gegen den eisernen Willen, dessen Werkzeug sie geworden war. Im hintersten Winkel ihres Bewusstseins kauerte sie sich zusammen, wie ein kleines Kind, das sich unter der Decke versteckte und kaum zu atmen wagte, aus Angst vor dem schrecklichen Monster im Zimmer. Und das Schlimmste für sie war das Wissen, dass sie es hereingelassen hatte, weil sie auf seine Versprechungen von Macht und Ruhm hereingefallen war.

Zutiefst erschüttert versuchte Tao, die fürchterliche Erinnerung zu verbannen, doch es fiel ihr entsetzlich schwer, ihre Persönlichkeit von der des Doktor Curtis’, so sein Name, zu lösen. Wie mit Krallen hatte sich die Präsenz des Dunklen in ihren Verstand gegraben, selbst als die Szenerie vor ihrem inneren Auge verblasste. Sie fand sich wieder in einem aufrecht stehenden gläsernen Tank voll zäher grünblauer Flüssigkeit, die sie jedoch nicht erstickte, sondern ihr im Gegenteil ein gewisses Gefühl von Leichtigkeit und Geborgenheit spendete. Hier drinnen war sie sicher, jedenfalls für den Moment. Dennoch wagte sie es nicht, sich zu entspannen. Sie bemerkte, wie eine Veränderung vor sich ging, wie die vielen Hundert Stimmen langsam, aber beständig zu einer einzigen verschmolzen. Und plötzlich stand sie da, jenseits der Glaswand: Eine junge Frau mit grünen Haaren, eine Kopie ihrer selbst, die mit der ausgestreckten Hand den Tank berührte.

»Wer bist du?«, fragte Tao furchtsam. Ihre Worte klangen dumpf im flüssigen Medium.

»Ich bin du«, antwortete die Erscheinung und ein Echo der vielen Stimmen des Sarangrals schwang in der ihren mit. »Ein Teil von dir, den du früher oder später akzeptieren musst.«

»Nein!«, wehrte sich Tao, die einen Hauch der Dunkelheit in ihrem Ebenbild spürte, vor der sie hierher geflüchtet war. »Ich will nicht! Du bist böse!« Wie zur Bestätigung funkelten die Augen der anderen kurz purpurn auf.

»Du kannst nicht ewig da drin bleiben.« Ihre Doppelgängerin klopfte mit den Handknöcheln gegen das Glas. »Niemand kann auf Dauer vor sich selbst davonlaufen. Und keiner wird kommen und dich vor deiner dunklen Seite retten.«

»Cordian wird mich retten«, antwortete Tao trotzig. »Er liebt mich.«

Sie war selbst überrascht, als sie es aussprach. Es war ihr nie so recht bewusst gewesen, doch nun, reflektiert vor dem Hintergrund von hundert Leben, an denen sie teilhatte, erschien es ihr plötzlich glasklar. Und im selben Moment begriff sie, dass sie ihn auch liebte.

 

Es war ihr unmöglich zu sagen, wie lange sie sich in ihrem mentalen Glastank zusammenkauerte und alle Gedanken, bis auf einen, den an Cordian, aussperrte. Er würde kommen, sie finden, in den Arm nehmen und alles wieder in Ordnung bringen. So, wie er es immer tat. Dann würden sie zusammen sein und ihr dunkler Zwilling hätte keine Macht mehr über sie. Irgendwann, es mochten Minuten verstrichen sein oder auch Jahre der Einsamkeit, ließ eine vertraute Stimme sie aufhorchen. Es war jedoch nicht die Cordians: »Fünf-Acht-Siebzehn, kannst du mich hören?«

Sie konnte den Sprecher nicht sofort einordnen, dennoch war sie sicher, dass er kein Unbekannter war. Seine Worte legten lange verschüttete Gedächtnisbrocken in ihr frei, Erinnerungen an das, was sie einmal gewesen war. Als würden sich die Scherben einer zerbrochenen Vase wieder zusammenfügen, nahm sein Bild in ihrem Geist Gestalt an: Ein hochgewachsener Anzugträger mit markantem Kinn stand vor ihrem Tank und musterte sie eingehend.

»Lass mich in Ruhe!«, rief sie trotzig. »So heiße ich nicht mehr!«

Auch wenn seine äußere Erscheinung ihrer Erinnerung entsprang, war der Mann keine Projektion ihres Unterbewusstseins, da war sie sich sicher. Er war ein Besucher von außen. Ein unwillkommener Besucher.

»Mein Fehler«, korrigierte sich der Störenfried. »Deine Freunde nennen dich Tao, nicht wahr? Weißt du noch, wer ich bin?«

Sie überlegte ein paar Sekunden, bis ihr der passende Name zum Gesicht wieder einfiel. »Draco«, hauchte sie.

»Sehr gut«, lobte der Mann. »Dein Gedächtnis kehrt zurück. Dann weißt du auch, dass ich ebenfalls dein Freund bin. Man könnte mich sogar«, er stockte einen Augenblick, als müsse er sich selbst an den Gedanken gewöhnen, »als deinen Vater bezeichnen.«

Tao schüttelte den Kopf. »Du bist nicht mein Freund. Cordian und Lissina sind meine Freunde!«

Wie ein kleines Kind hielt sie sich die Ohren zu, seine Stimme drang trotzdem zu ihr durch: »Sie mögen dich, weil du ihnen etwas vorgespielt hast. Weil du vorgabst, jemand zu sein, der du nie warst. Sie werden sich von dir abwenden, wenn sie sehen, wie du wirklich bist.«

»Cordian nicht!«, widersprach sie trotzig. »Das würde er nie!«

Draco schüttelte bedauernd den Kopf. »Dein Märchenprinz konnte nicht schnell genug das Weite suchen, nachdem ich ihm ein paar Dinge über dich erzählt habe. Ich schätze, es war der Umstand, dass ihr keine Kinder bekommen könntet. Adelige nehmen diese ganze Sache mit der Thronfolge so furchtbar wichtig …«

»Nein!«, schrie Tao. »Du lügst!« Doch der Zweifel nagte bereits an ihr. Seine Worte kamen ihm zu leicht, zu selbstverständlich von der Zunge, als dass er sich das Ganze einfach ausgedacht haben konnte. Tränen krochen ihr in die Augen und vermischten sich mit der grünblauen Flüssigkeit des Tanks. Und plötzlich war da auch wieder ihre Doppelgängerin. Sie stand direkt neben Draco, ohne dass dieser Notiz von ihr nahm.

»Ich könnte ihm wehtun«, bot sie an. »Ihn töten, wenn du willst.«

»Hör auf«, stammelte Tao leise, doch sie spürte, wie ihr Widerstand bröckelte. Draco trug Schuld daran, falls Cordian sie nicht mehr liebte. Sie wollte ihn verletzen. Ein gezackter Haarriss zeigte sich plötzlich im Glas des Tanks.

Nein!, riss sie sich entsetzt zusammen. Das waren nicht ihre Gefühle, das waren die ihrer dunklen Seite. »Verschwinde!«, schrie sie Draco an, der von ihrem inneren Konflikt nichts mitzubekommen schien.

»Es wird Zeit, dass du aufwachst und mit mir kommst«, drängte er sie, ahnungslos, wie dünn der Faden bereits war, an dem ihre Selbstkontrolle und sein Leben hingen. »Ich bin der Einzige, der dich so akzeptiert, wie du bist.«

Tao schüttelte den Kopf und presste die Zähne zusammen. Ihre Doppelgängerin hatte sich von Draco unbemerkt hinter ihn geschlichen und nahm bereits Maß, um ihm mit einer schnellen Bewegung den Hals umzudrehen, sollte das Kommando dazu kommen. »Es ist zu gefährlich …«

»Keine Angst«, interpretierte er ihre Warnung falsch. »Dir wird nichts passieren, das verspreche ich.«

»Du verstehst nicht!«, schrie Tao aus vollem Halse und hielt sich gleichzeitig die pochenden Schläfen. »Es ist zu gefährlich für dich! Und für alle anderen!«

 

***

 

Das Flackern der Deckenbeleuchtung war das erste Zeichen, dass etwas nicht stimmte. Kurz darauf hielten Dutzende Ärzte und Sanitäter im medizinischen Trakt verdutzt in ihrer Arbeit inne, als mindestens ebenso viele Geräte schrille Warntöne von sich gaben und die holografischen Bildschirme nur noch Unsinn anzeigten. Natürlich setzte sogleich nervöses Gemurmel ein. War es ein technischer Defekt? Ein elektronischer Angriff gar? Divone wusste es besser. Sie spürte es in ihrem Bauch, an der Art und Weise, wie er sich zusammenzog. Als würde sich eine Erdbebenwelle durch ihre Eingeweide bewegen. Jemand setzte die Macht Sirains frei. Und zwar viel davon. Sie ließ sofort alles stehen und liegen und rannte zu Tao, während der Boden unter ihren Füßen zu vibrieren begann. Die beiden Wachen vor ihrer Tür hatten ihre Gewehre im Anschlag und sicherten nervös nach allen Seiten, ließen sie jedoch wortlos passieren, als sie in das Krankenzimmer der Alpha stürmte. Kaum über der Schwelle bremste die Gaianerin so abrupt, dass sie beinahe ausgerutscht wäre. Diverse kleine Gegenstände, Ampullen, Subkutaninjektoren und Ähnliches kreiste langsam in der Luft, als herrsche Schwerelosigkeit, und Tao selbst bildete immer noch schlafend den Mittelpunkt dieses Miniaturplanetensystems. Noch eine Person befand sich im Raum und dabei handelte es sich zu Divones Missfallen um niemand anderen als Alexandro Draco. Als er sie eintreten sah, löste er mit der linken Hand rasch ein kleines Gerät vom Schläfenkontaktpad seiner Biotronik und ließ es in einer Anzugtasche verschwinden, ganz so, als fühle er sich von ihr ertappt. Falls dies zutraf, so überspielte er es sogleich mit einem selbstsicheren Lächeln. »Diese Macht«, eröffnete er verzückt und machte eine Geste, die den ganzen Raum einschloss, »ist sie nicht herrlich?«

Divone sah ihn bloß fassungslos an. Sie hatte jetzt keine Zeit, sich mit ihm zu befassen. Sie wies ihn schroff an, zu verschwinden, und eilte schnurstracks an ihm vorbei. Sie duckte sich unter einem losgelösten Infusionsbeutel hindurch und fing einen kleinen Gegenstand aus der Luft, der auf Kollisionskurs mit ihrer Nase war und sich als steinerne Schmetterlingsfigur entpuppte. Die holografischen Diagnosebildschirme waren ausgefallen, darum überprüfte sie per Hand Puls und Atemfrequenz der Patientin, als sie das Bett erreichte. Beides war stark erhöht und Taos Augen bewegten sich hinter geschlossenen Lidern rasch hin und her. Es schien fast, als hätte sie gerade einen Albtraum. Einen Albtraum, der das ganze Camp verwüsten könnte, dachte Divone schaudernd. Schon wieder flackerte das Licht.

In diesem Moment platzte Doktor Lee begleitet von einem weiteren Sanitätsoffizier herein und blieb genauso erschrocken stehen, wie sie es getan hatte.

Er brauchte nur Sekunden, um die Lage zu erfassen und die richtigen Schlüsse zu ziehen. »Wir müssen sie sofort ruhigstellen«, wies er seinen Kollegen an.

»Davon rate ich ab.«

Der Einwand kam nicht von Divone, der auf die Schnelle auch nichts Besseres eingefallen wäre, sondern von Draco, der sich entgegen ihrer Anweisung nicht vom Fleck bewegt hatte. »Ihre Nanozyten werden die gängigen Betäubungsmittel rasch neutralisieren. Das Einzige, was Sie damit bewirken, wäre eine Erhöhung ihres Stresslevels.«

»Wenn Sie eine bessere Idee haben, dann raus damit«, schnaubte Divone, verärgert über so viel Anmaßung.

Dracos Antwort bestand lediglich aus einem Wort: »Kryostasis.«

»Ist das Ihr Ernst?«

»Natürlich. Legen Sie sie auf Eis. Alphas vertragen den Einfrierprozess wunderbar, in der Regel sogar besser als normale Menschen. Ihr Organismus wird nicht gegen die Frostschutzmittel ankämpfen.«

Divone presste die Lippen zusammen. Es behagte ihr nicht, Tao einzufrieren. Zwar war die Methode in der Praxis erprobt und das Risiko überschaubar, doch niemand, der es je am eigenen Leib erlebt hatte, beschrieb den Vorgang als angenehm. In diesem Moment barst eines der Lichtpaneele und Scherben regneten auf den Boden des Krankenzimmers herab.

Sie tauschte einen kurzen Blick mit Lee, der ihr bestätigte, dass sie diesmal einer Meinung waren, und willigte notgedrungen ein: »Bereiten wir sie vor.«

5

Die Einschläge hallten wie entfernter Donner zu ihm herüber. Vom höchsten Punkt des Saphirturms aus betrachtet hatte das nächtliche Schauspiel beinahe etwas Erhabenes. Die umlaufende Fensterfront der kreisrunden Aussichtsplattform bot Tennlor einen freien Blick über die Stadt Madaras und die Armee am nördlichen Flussufer. Dort, wo bis vor Kurzem noch die einfachen Bürger ihrem Tagwerk nachgegangen waren, befand sich nun ein Heerlager. Geschäfte, Tavernen und Wohnhäuser waren umfunktioniert zu Waffenkammern, Wachstuben und Befehlsständen. Parks waren mit Zelten übersät und auf Marktplätzen brannten Lagerfeuer. An einigen Stellen hatten die Invasoren aus Fant Gebäude abgerissen, um Platz für ihre Kriegsmaschinen zu schaffen. Fünf Batterien zu je drei Katapulten schleuderten unablässig brennende Geschosse in Richtung der inneren Stadt. Keines davon erreichte sein Ziel oder überquerte auch nur den trennenden Fluss. Wo sie gegen den zart schimmernden Schild aus Licht stießen, zerschellten sie unter lautem Getöse und loderten ein letztes Mal unheilvoll purpurn auf. Bumm, bumm, bumm. Wie ein Schmied, der wütend auf ein Hufeisen einhämmerte.

Nachdenklich kratzte sich Tennlor am bärtigen Kinn. Sein Blick wanderte zu einer der langen freitragenden Brücken, die die nördlichen Viertel mit der inneren Stadt verbanden. Am jenseitigen Ende stand mit ausgebreiteten Armen eine jener Wächterstatuen, die den Schild erzeugten. Der einzige Weg hinein führte zwischen ihren breiten Beinen hindurch. Die Fantis hatten versucht, die Brücken einzunehmen, doch diese Engpässe konnten von wenigen Kesenchai gegen jede Übermacht gehalten werden und so hatten die Angreifer es vorerst aufgegeben.

Auf der hiesigen Seite mündete die Brücke in eine ungewohnt dunkle innere Stadt. Der silbrige Glanz, den Madaras sonst des Nachts verströmte, fehlte. So waren die Salas Kai zum ersten Mal seit Jahrtausenden gezwungen, Lampen und Fackeln zu entzünden. Ohne deren spärliches Licht wäre die vom Belk umströmte Felseninsel vollständig in Dunkelheit versunken.

»Das geht jetzt schon die ganze Nacht so«, vernahm er Kandras Stimme hinter sich. Er hatte gar nicht bemerkt, dass sie zu ihm heraufgekommen war. »Ich dachte, sie hören auf, wenn die Sonne untergeht, aber nein, sie machen einfach weiter. Das raubt einem den letzten Nerv.«

Tennlor drehte sich zu ihr um und schenkte ihr ein mitfühlendes Lächeln. Ihr altersloses Gesicht war blasser als sonst, ihr wallendes schwarzes Haar ungekämmt. Vermutlich hatte sie seit zwei Tagen kein Auge zugemacht. Die wenigsten hatten das, er selbst eingeschlossen. Sogar die Drachen waren unruhig. Sie spürten die Anspannung ihrer Meister, wollten hinausfliegen und feurigen Tod über ihre Feinde bringen. Angesichts der vielen Speerschleudern am gegenüberliegenden Flussufer wäre der Preis dafür hoch. Das schwarze Metall, aus dem die fantischen Bolzenspitzen geschmiedet waren, wirkte wie Gift auf jeden, den es verletzte. Sie hatten bereits eines der geflügelten Geschöpfe verloren, bevor ihnen klar geworden war, womit sie es zu tun hatten. Nein, ein Frontalangriff war eine schlechte Idee, er hatte andere Pläne.

»Die Fantis haben längst begriffen, dass es sinnlos ist«, vermutete er. »Diese Stadt hat den Krieg der Götter unbeschadet überstanden. Sie wollen uns bloß zermürben.«

Kandra nickte grimmig. »Ich bin gekommen, um dir mitzuteilen, dass alles bereit ist. Es gab mehr Freiwillige, als wir brauchen, ich habe die Besten ausgewählt.«

»Sehr gut«, lobte er sie. Als seine rechte Hand war sie wirklich unersetzlich. Egal, um was er sie bat, sie organisierte es, und zwar schneller, als Tennlor es vermocht hätte. »Es wird Zeit.«

Er blickte nach Osten. Bald würde sich dort ein erstes zartes Morgenrot zeigen. Bis dahin mussten sie zurück sein.

»Ich finde immer noch, du solltest nicht selbst gehen«, mahnte sie an. »Du bist immerhin der Kai Thul.«

Während sie sprach, legte sie ihm die Hände auf die Schultern, fingerte nach seinem Kragen und begann damit, seine Robe zurechtzuziehen, die die Farben aller acht Schulen zeigte. Das Gewand des Herrschers des Saphirturms. Hier im Halbdunkel war es kaum von ihrer Heilerrobe zu unterscheiden, dennoch wussten sie beide von der enormen Verantwortung, die es bedingte.

»Stellvertretender Kai Thul«, schränkte er ein, ergriff ihre Hände und hielt sie für einen Moment fest. »Und genau deshalb muss ich gehen.«

Eine Weile standen sie schweigend voreinander und genossen die vertraute Berührung. Es war wieder fast wie in alten Zeiten, als sie sich sehr nahe gewesen waren. Näher als heute. Dann löste sich Kandra und seufzte: »Du irrst, aber es ist zwecklos, dir etwas ausreden zu wollen. Pass bitte einfach auf dich auf.«

 

Eine halbe Stunde später hatten sich alle am Flussufer versammelt: Zwei Dutzend Salas Kai, Tennlor mitgezählt, aufgeteilt in sechs Gruppen. Fünf, um die Katapultstellungen auszuschalten, und eine, die er persönlich anführen würde. Der Beschuss hatte tatsächlich kurz zuvor aufgehört, sodass es nun sehr dunkel über dem Wasser war. Trotzdem hatten die Ulnalun für ausreichend Morgennebel gesorgt, um sie zusätzlich zu verbergen. Nachdem er den Plan noch einmal leise mit allen durchgesprochen hatte, teilten sie sich auf. Jede Gruppe wurde von einem Gaidir geführt und bestand außerdem aus einem Kesenchai, um die feindlichen Wachen auszuschalten, und einem Nexada, um sich lautlos mit den anderen zu koordinieren. Der vierte im Bunde war ein Ulnalun, der sie trockenen Fußes über die Wasser des Belk bringen würde.

Die Fantis rechneten sicherlich mit einem Angriff in den Morgenstunden, doch Tennlor hoffte, dass sie ihre Aufmerksamkeit vor allem auf den Himmel und die Brücken richteten. Wenn alles gut ging, kamen sie vor Anbruch der Dämmerung unversehrt zurück. Falls nicht … Er führte den Gedanken nicht zu Ende, sondern rief sich stattdessen Kandras Bitte ins Gedächtnis: Er würde auf sich aufpassen.

Nachdem er eine Weile gewartet hatte und sicher sein konnte, dass die anderen Gruppen in Position waren, gab er seinem Ulnalun ein Zeichen. Der Mann – Gudlef war sein Name – trat vor, baute sich in seiner ganzen beeindruckenden Leibesfülle am Flussufer auf und krempelte die Ärmel seiner grauen Robe hoch. Tennlor spürte, wie der Erwecker der Kraft nach Sirain griff. Es dauerte keine Minute, da bildete sich von ihm ausgehend ein Steg aus Eis auf dem Wasser, breit genug, um darauf stehen zu können. Hoffentlich auch stabil genug. Als hätte Gudlef seinen Gedanken erraten, drehte er sich zu ihnen herum. Raureif hatte sich in seinem zerzausten Bart verfangen. Zufrieden verkündete er: »Ich gehe zuerst. Wenn es mich trägt, dann trägt es euch ebenso.« Dabei klatschte er sich mit beiden Händen auf die Wampe und lachte.

Tennlor nickte und legte den Finger an die Lippen. Er kannte Gudlef als echte Frohnatur, doch für Späße war jetzt ein denkbar schlechter Zeitpunkt. Die kühle Nachtluft trug den Schall weit über das Wasser.

»Ab jetzt Ruhe«, flüsterte er seiner Gruppe zu und griff nun seinerseits nach Sirain. Es fiel ihm ungewohnt leicht, die Urkraft der Schöpfung zu rufen und zu formen, als wären Gewichte von seinen Schultern genommen worden, die er zeitlebens mit sich herumgetragen hatte. Das Tor war geöffnet, so hatten die Seher am gestrigen Tage berichtet. Trotz der neu gewonnenen Kraft waren das schlechte Nachrichten, bedeutete es doch, dass die Verdammten ihrem Exil endgültig entronnen waren – ein Grund mehr, diese närrische Belagerung schnellstmöglich zu beenden.

Mit der Macht Sirains formte er eine Schicht aus viskoser Luft, die sie wie eine Seifenblase umschloss und Geräusche nur stark gedämpft nach außen dringen ließ. Nacheinander liefen sie los. Die Oberfläche der gefrorenen Brücke war rau wie überfrorener Schnee, sodass sie nicht ins Rutschen gerieten. Gudlef gehörte vielleicht nicht zu den Besten, wenn es ums Anschleichen ging, aber was die Beherrschung der Elemente betraf, war er herausragend. Die kleine Gruppe überquerte den Belk zügig, da das Eis bereits wieder zu schmelzen begann. Das jenseitige Ufer wurde von einer drei Schritt hohen Kaimauer gesäumt, von deren Oberkante sich der Schutzschild in den Himmel erhob – dort war kein Durchkommen. Ganz in ihrer Nähe jedoch trat ein Kanalrohr knapp oberhalb des Wasserspiegels aus der Wand hervor. Über etwas frisch erzeugtes Eis gelangten sie an ihr vorläufiges Ziel, wo Tennlor dem Kesenchai in seinem Gefolge ein Zeichen gab. Der Wächter des Turms, der auf den Namen Remo hörte, rüttelte prüfend an dem verrosteten Gitter, das ihnen den Weg versperrte. Das Material war so mürbe, dass der kleine Mann mit dem gepflegten Schnauzbart nicht einmal die Hilfe Sirains brauchte, um es aus der Halterung zu brechen. Tennlor bückte sich und kroch als Erster in den Abwasserkanal, seine Ordensbrüder folgten ihm.

Es war feucht, eng und kalt im Inneren und natürlich stank es fürchterlich nach Unrat. Sie konnten sich nur gebückt fortbewegen und die Säume ihrer kunstvoll bestickten Roben waren nach wenigen Schritten durchweicht. Nicht unbedingt ein Weg, den ein stolzer Salas Kai wählen würde, um sich in das Heerlager der Fantis zu schleichen. Genau deshalb nahmen sie ihn.

Tennlor wandte sich an den Nexada, der sie begleitete, und fragte: »Sind die anderen sicher angekommen?« Aufgrund der geräuschdämpfenden Blase, die er nach wie vor aufrechterhielt, hallten seine Worte nicht allzu weit.

Febian, wie der Angesprochene hieß, schloss kurz die Augen und griff nach Sirain. Der wortkarge schlaksige Mann war ein erfahrener Erspürer des Geistes und brauchte nur Sekunden, um mit den anderen Mitgliedern seiner Schule mentalen Kontakt aufzunehmen. »Alle Gruppen haben den Fluss ohne Zwischenfälle überquert.«

»Gut, sie sollen in Position gehen und warten, bis ich das Zeichen gebe.«

Sie gingen weiter. Schon nach wenigen Schritten war es stockdunkel, da nicht einmal der schwache vom Fluss reflektierte Schimmer des Schildes bis hierher reichte. Tennlor griff erneut nach Sirain und diffuses Licht erhellte den Kanal. Sie folgten dem Rohr in nördliche Richtung, bogen an einer Abzweigung nach Westen ab und dann wieder nach Norden. Er führte sie, ohne innezuhalten. Der Orientierungssinn der Gaidir war Quell zahlreicher Legenden über die angebliche Allwissenheit der Salas Kai. Die existierte natürlich nicht, doch wenn er den Ort kannte, zu dem er wollte, dann leitete Sirain ihn dorthin. Und Madaras kannte er gut.

Normalerweise hätte ihn die dreifache Belastung, der er seinen Geist aussetzte, schnell erschöpft, doch seit das Tor offenstand, war es anders. Die Macht floss geradezu bereitwillig in ihn hinein. Es wäre ein erhebendes Gefühl gewesen, hätte er nicht gleichzeitig etwas Dunkles, Bedrohliches in diesem Kraftstrom gespürt, das ihn zurückschrecken ließ: das Zaihor. Diese Antithese Sirains war überproportional stark und ergoss sich nun mit Macht in ihre Welt. Ein Umstand, der ihm große Sorge bereitete, mit dem er sich aber im Augenblick nicht befassen konnte.

Unter einem eisernen Gitter ließ er die Gruppe anhalten. Diffuses Licht fiel zu ihnen hinab, sodass er das Seine löschte. Rostige Sprossen führten den Schacht hinauf auf die Straße.

»Na endlich«, grummelte Remo und strich sich pikiert über seinen gepflegten Schnauzbart. »Wir waten hier die ganze Zeit durch Fanti-Pisse.«

Mit einem strengen Blick gebot Tennlor ihm, zu schweigen, und lauschte angestrengt. Es war ruhig, und er spürte, dass die Straße über ihnen leer war, aber in den angrenzenden Gebäuden mochten sich schlafende Soldaten befinden. Er hatte nicht vor, sie zu wecken. Zwar war er zuversichtlich, es selbst mit einer Übermacht aufnehmen zu können, doch die unheiligen schwarzen Waffen der Fantis stellten auch für einen Salas Kai eine konkrete Gefahr dar. Remo schickte er zuerst hinauf, damit der Kesenchai das Gitter aufstemmen konnte, die Übrigen folgten. Gudlef, der als Letzter kam, hatte sichtlich Mühe, die Sprossen zu erklimmen. Tennlor und Febian halfen ihm beim letzten Stück und zogen ihn durch die Öffnung. Sie fanden sich in einer engen dunklen Seitengasse wieder. Das Obergeschoss der Fachwerkhäuser zu beiden Seiten ragte ein gutes Stück auf die Straße hinaus, sodass lediglich ein schmales Stück Nachthimmel über ihren Köpfen sichtbar war. Nur in wenigen Fenstern brannte Licht, was es den vier Salas Kai einfach machte, mit den Schatten zu verschmelzen.

Sie liefen bis ans Ende der Gasse und spähten vorsichtig auf den Platz hinaus, auf den sie mündete. Schräg gegenüber stand eine aufgegebene Kaserne der Stadtwache. Das einzige Gebäude ringsherum, das aus massivem Stein gefertigt und damit einigermaßen feuerfest war. Kein Zufall, dass sich Prinz Rogert, Heerführer und jüngster Sohn des fantischen Königs Hestor, ausgerechnet hier einquartiert hatte.

»Zwei Wachen vor der Tür«, stellte Tennlor fest. »Wenn die Wa’dur recht haben, zehn weitere im Inneren. Alle gut ausgebildet. Schaffst du das?«

Die Frage galt Remo, der ob der Zweifel des stellvertretenden Kai Thul eine beleidigte Miene aufsetzte. »Eine kleine Ablenkung wäre nett«, befand er und huschte auch schon davon. Febian ließ sich nicht lange bitten, griff nach Sirain und lenkte die Aufmerksamkeit der Wächter nach links, indem er sie sich ein Geräusch einbilden ließ, während Remo sich von rechts anschlich. Als der Kesenchai auf zehn Schritt heran war, ging alles sehr schnell: Der kleine Mann bewegte sich plötzlich mit der Schnelligkeit einer angreifenden Viper, traf beide mit Schlägen am Kinn, bevor sie ihn überhaupt bemerkten, und ließ ihre bewusstlosen Körper leise zu Boden gleiten. Dann winkte er die anderen zu sich.

Die Eingangstür war von innen verriegelt, doch für Tennlor war es ein Leichtes, den Riegel mit der Hilfe Sirains zu öffnen. In der Kaserne schaltete Remo fünf Leibwächter auf ähnliche Weise aus wie die beiden vor der Tür. Die übrigen fünf schliefen, und Febian schickte sie so tief ins Reich der Träume, dass sie selbst eine Marschkapelle überhört hätten, die den Flur entlangmarschierte. Als die Salas Kai den Raum betraten, den der Prinz sich zum Schlafgemach auserkoren hatte, schreckte dieser völlig überrumpelt aus seinem Bett hoch.

»Was …? Wer …?«, murmelte er auf fantisch und tastete schlaftrunken nach einem Schwert, das neben seinem Bett lehnte. Tennlor machte eine Geste mit dem Finger und die Klinge rutschte außer Reichweite. Mit donnernder Stimme richtete er das Wort an den Befehlshaber der Invasoren: »Prinz Rogert, es wird Zeit, dass wir uns unterhalten.«

Als jüngster von drei Brüdern war der Bursche gerade mal zwanzig Jahre alt, aus Sicht Tennlors praktisch noch ein Kind. Ängstlich umklammerten seine Finger die Bettdecke. »Wer seid Ihr? Meine Wachen …«

»Sind am Leben«, unterbrach Tennlor das Gestammel, »aber im Moment unpässlich. Schweigt nun und hört mich an, dann wird Euch nichts geschehen.«

Unter den strengen Blicken der vier Salas Kai nickte der Kommandant eingeschüchtert.

»Als Kai Thul könnte ich meinen Drachen jederzeit den Befehl geben, Euch und Eure Armee einzuäschern. Ich habe dies nur aus dem einen Grund noch nicht getan, weil ich zuvor an Eure Vernunft appellieren wollte. Beendet diese kindische Belagerung bei Sonnenaufgang und zieht ab. Ihr habt freies Geleit. Weder die Salas Kai noch die Truppen Elteras werden Euch behelligen. Bleibt, und erleidet einen Tod in Flammen.«

»Wenn ich sterbe«, drohte der Prinz, der vorübergehend seinen Mut wiedergefunden hatte, »wird Fant noch mehr Soldaten schicken, um mich zu rächen. Unsere Waffen können Eure Drachen verletzen und sogar töten.«

»Und genau diesen törichten Krieg möchte ich vermeiden«, belehrte ihn Tennlor. »Ihr wurdet hergeschickt, ohne Aussicht auf Erfolg, damit genau das passiert. Um meinen Orden und Euer Reich gegeneinander auszuspielen.«

»Ihr habt Euch auf die Seite unserer Feinde aus Brascheer gestellt«, protestierte Rogert empört. »Diese Hunde haben …«

Tennlor fiel ihm drohend ins Wort: »Das kleinliche Gezänk Eurer Reiche interessiert den Saphirturm nicht im Mindesten. Die Salas Kai beschützen diese Welt seit dreitausend Jahren vor den Mächten der Finsternis. Alles, was wir taten, war zwischen Euch zu vermitteln, in der Hoffnung, dauerhaften Frieden zu schaffen, auf dass ihr Seite an Seite steht, wenn das Zaihor dereinst zurückkehrt. Genau dies ist nun geschehen und ihr schlagt euch immer noch gegenseitig die Schädel ein wie verzogene Kinder.«

Die Standpauke hatte offenbar Wirkung erzielt. Sichtlich erschüttert fragte Rogert: »Was meint Ihr damit, das Zaihor sei zurückgekehrt?«

»Ihr kennt mit Sicherheit die alte Prophezeiung. Der Schweif des Drachen hat sich am Nachthimmel gezeigt. Das Tor wurde geöffnet. Die Verdammten wandeln erneut auf Eddors Antlitz. Was glaubt Ihr, woher eure Waffen stammen? Der schwarze Stahl wurde beim Schmieden mit der Macht des Zaihor durchtränkt. Ihr, Rogert, wart als Bauernopfer in einem Krieg vorgesehen, der vor vielen Zeitaltern begonnen wurde.«

Entsetzt schüttelte der Königssohn den Kopf. »Das ist ein Trick, Ihr lügt! Unsere Waffen werden von der Konstrukteursgilde hergestellt. Mein Bruder hat sie damit beauftragt.«

»Habt Ihr schon mal einen dieser Konstrukteure aus der Nähe gesehen?«

Rogert nickte und erschauderte dabei leicht. Die Erinnerung war ihm offenbar nicht angenehm.

»Lasst mich raten«, begann Tennlor zu spekulieren. »Diese Konstrukteure sind auf irgendeine Weise entstellt.«

»Die meisten sind bucklig oder anderweitig verkrüppelt«, bestätigte der Prinz zögerlich, »aber das hat doch nichts …«

»Und sie bedecken stets ihr Haupt.«

Wieder nickte der fantische Heerführer. Zunehmende Verwirrung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Tennlor indes fuhr ungerührt fort: »Weil sonst jeder die schrecklichen Runen sehen würde, die in ihre Kopfhaut geritzt wurden. Runen, die ihnen die Macht des Zaihor verleihen. Die Konstrukteure sind Dar’zai! Wir haben das Symbol eines Skorpions an Euren Kriegsmaschinen gesehen. Der Verdammte Wahas’zir hat sie gezeichnet. Und dein ältester Bruder war ebenfalls seine Marionette.«

»Das ist absurd!«, wehrte sich Rogert trotzig. Dann stutzte er. »Was meint Ihr damit, er war

Tennlor senkte kurz den Blick und sprach dann in ruhigerem Ton: »Meine Seher berichteten mir von seinem kürzlich eingetretenen Tod. Ein Eilbote wird Euch in wenigen Tagen erreichen. Es wird heißen, er habe Euren Vater, König Hestor, ermordet und sich dann selbst das Leben genommen. Aber das ist nur die halbe Wahrheit: Die Verdammten entledigen sich ihrer Spielfiguren, wie sie es auch mit Euch vorhatten. Da Euer anderer Bruder gerade in Brascheer kämpft, solltet Ihr schnellstmöglich nach Tarsis zurückkehren. Das Königreich braucht Führung, oder die politischen Feinde Eures Vaters werden es ins Chaos stürzen.«

»Das … das kann nicht sein«, stammelte der Prinz entgeistert. »Ihr wollt mich hereinlegen …«

Tennlor seufzte. Es wurde langsam Zeit, zu gehen, wenn sie das Lager im Schutz der Dunkelheit verlassen wollten.

»Was hätte ich davon, Euch anzuschwindeln? Mein Angebot steht. Zieht bei Sonnenaufgang ab und lebt für Euer Königreich oder bleibt und sterbt für nichts. Oh, und sorgt Euch nicht, wie ihr in der kurzen Zeit Eure Katapulte abbauen sollt. Das übernehmen wir.«

Er nickte Febian zu, der Tennlors Befehl per Gedanken an die Nexada der anderen Gruppen übermittelte. Nur Augenblicke später erschütterte eine Reihe von fünf Explosionen die Stadt. Orangefarbener Feuerschein erhellte die Nacht, Alarmglocken läuteten. Während Prinz Rogert erschreckt aufsprang und zum Fenster eilte, verschwanden die Salas Kai so lautlos und ungesehen, wie sie gekommen waren.

6

Als Divone die Messe betrat, saßen Ivan und Dex bereits an einem Tisch unweit der Tür und frühstückten. Tara fehlte noch, hatte aber über Visicom angekündigt, gleich einzutreffen. Viel Betrieb herrschte ansonsten nicht, der erste große Ansturm auf die wichtigste Mahlzeit des Tages war schon vorüber. Sie winkte ihrer Mannschaft zu, besorgte sich ein Croissant sowie einen Becher Kaffee und setzte sich dann zu ihnen.

»Was macht unser neuester Patient?«, erkundigte sich Dex mit vollem Mund.

»Es geht ihm immer schlechter«, berichtete Divone niedergeschlagen. Sie hatte den größten Teil der Nacht bei Cordian verbracht und erfolglos versucht herauszufinden, was ihm fehlte. Doktor Lee und die anderen Ärzte der Timor waren zu beschäftigt, um ihr dabei zu helfen. Sie mussten Doppelschichten schieben, da Taos Anfall die Hälfte des medizinischen Equipments zerstört hatte. Zwar hatten sie das Mädchen ohne Probleme in Kryostasis versetzen können, woraufhin die poltergeistartigen Phänomene aufgehört hatten, doch damit war dieses Problem nur vertagt.

Nun lagen tiefe Ringe um ihre Augen und entsprechend lustlos biss sie in das Croissant. Das Gebäck hatte eine pappige Konsistenz, was den Anforderungen für Raumschiffnahrung geschuldet war, die aus Rücksicht auf die Luftfilter möglichst krümelfrei zu sein hatte. Natürlich hätte hier am Boden jemand den Proteinassembler umprogrammieren können, daran hatte aber anscheinend noch niemand gedacht. Sie selbst hatte keine Lust, sich nun auch noch darum zu kümmern, also kaute sie stoisch weiter. Wenigstens der Kaffee schmeckte einigermaßen. Sie wusste, dass zu viel Koffein schlecht für ihren Symbionten war, doch es gab Tage, da ging es nicht ohne, und heute war so ein Tag.

»Aber was fehlt ihm denn nun?«, kam der Navigator erneut auf Cordian zu sprechen.

»Derzeit kann ich nur sagen, dass es sehr wahrscheinlich nicht ansteckend ist«, rekapitulierte sie ihren dürftigen Erkenntnisstand. Von einer Wunde am linken Arm ausgehend hatte das Gewebe begonnen, sich entlang der Adern schwarz zu färben und abzusterben. Labortests hatten keine Hinweise auf eine Infektion erbracht, doch er litt an Schmerzen und hohem Fieber. »Ich tippe auf eine Vergiftung. Das passt zu dem, was er zu seiner Schwester gesagt hat, bevor er seinen Zusammenbruch hatte. Aber bis jetzt hat nichts, was ich versucht habe, wirklich geholfen. Im Moment hat er so viel Schmerzmittel intus, dass er kaum noch auf seine Umgebung reagiert.«

»Oh«, machte Dex, der aufgehört hatte, zu kauen, und starrte sie besorgt an. »Und Lissina?«

»Ist bei ihm.«

»Dann sollte ich nachher wohl mal nach ihm sehen«, meinte er betreten.

»Er ist zäh«, schaltete sich Ivan in das Gespräch ein. »Er wird durchkommen, keine Sorge.« Der Waffenoffizier klang dabei allerdings nicht halb so zuversichtlich, wie er es wahrscheinlich beabsichtigt hatte. Auch Divone hatte ihre Zweifel. Sie hatten zwar noch nicht alle medizinischen Möglichkeiten ausgeschöpft, trotzdem stand seine Genesung auf Messers Schneide. Sie gestand es sich ungern ein, aber sie wäre jetzt froh gewesen, Kandra um Rat fragen zu können. Oder zur Not auch jeden anderen Salas Kai. Leider war Mo seit zwei Nächten verschwunden. Als sie Tao ins Camp gebracht hatten, hatte die Seherin angegeben, einen ruhigen Ort zum Meditieren aufsuchen zu wollen. Das war das Letzte, was Divone von ihr gehört hatte.

In diesem Moment betrat Tara die Messe, besorgte sich ein reichhaltiges Frühstück und setzte sich zu ihnen an den Tisch. Sie gähnte vernehmlich.

»Verzeihung, war eine lange Nacht«, entschuldigte sie ihre Verspätung. »Habe mit den Marines ein bisschen gefeiert. Wer hätte gedacht, dass Elyas so ein Partylöwe ist?«

»Wer?«, fragte Dex verwundert.

»Sergeant Elyas Kaya. Wir haben ihn gestern getroffen. Gut gebaut, süßer Hintern … Sind inzwischen per Du. Ich glaube, er steht auf mich.«

Abwesend zuckte der Navigator mit den Schultern.

Überrascht und gleichzeitig dankbar registrierte Divone, dass er sich jeden eifersüchtigen Kommentar verkniff. Auf das übliche Geplänkel zwischen den beiden konnte sie im Moment wirklich verzichten. Stattdessen erinnerte sie an den Grund ihres morgendlichen Treffens: »Schön, dass alle da sind. Der Captain wollte uns sprechen, und zwar«, sie befragte die Uhr ihrer Biotronik, »genau jetzt.«

Und tatsächlich meldete ihr Kommunikator wie aufs Stichwort eine Visicom-Anfrage von Meyers, der sie und die restlichen Besatzungsmitglieder in eine Konferenzschaltung einlud. Die Avatare ihres Vorgesetzten und die der anderen erschienen vor ihrem inneren Auge, als sie den Kontakt über ihr Neuralimplantat annahm. Tara und Dex taten es ihr gleich, lediglich Ivan aktivierte das kleine holografische Display seines Armbandkommunikators. Entschuldigend tippte er mit dem Finger an das Schläfenkontaktpad seiner Biotronik. »Immer noch kaputt«, murmelte er.

Außer dem Captain war auch noch Ron Digger, ihr Ingenieur an Bord der Ikarus, zugeschaltet. Meyers begrüßte sie alle, dann kam er direkt zur Sache: »Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute ist, dass Admiral Singhal mich in seinen Stab berufen hat. Das Kommando über die Ikarus hat damit ab sofort Commander Alwana, die vom Admiral kommissarisch in den Rang eines Captains befördert wurde. Ich bin gerade bei Ron auf der Brücke und passe sämtliche Autorisierungscodes an. Sobald die Ikarus nach Ambato zurückgekehrt ist, wird das Sektorhauptquartier die benötigten Dokumente ausstellen und die Beförderung offiziell machen. Herzlichen Glückwunsch, Sie haben es sich verdient.«

Divones Herz machte einen freudigen Hüpfer ob der unerwarteten Ehre. Ein Captain? Sie? Damit wäre sie ihres Wissens die erste Gaianerin, die es innerhalb der Unionsflotte so weit gebracht hatte. Während die anderen ihr gratulierten, Tara ihr sogar aufmunternd auf die Schultern klopfte, schaute sie beinahe verlegen in die Runde. Ihre Ohren wurden heiß, vermutlich war sie ganz rot im Gesicht. Doch das kurze Hochgefühl verflog so schnell, wie es gekommen war.

»Was ist die schlechte Nachricht?«, fragte sie besorgt.

Die Antwort des Captains ließ einen Moment auf sich warten. Dem Avatar sah man nicht an, was ihm durch den Kopf ging, aber vermutlich überlegte er, wie er es ihnen am schonendsten beibringen konnte. Als er dann sprach, war die Bestürzung groß: »Die Ikarus wird sich auf den Rückweg begeben, sobald der Hyperantrieb repariert ist. Und das wird in zwei, maximal drei Tagen der Fall sein.«

Nach ein paar Sekunden schockierten Schweigens redeten plötzlich alle durcheinander.

»Das können die doch nicht machen!«, beschwerte sich Dex.

»Bitte, Captain, reden Sie nochmal mit dem Admiral«, flehte Tara.

»Das ist nicht fair«, konnte Ron es kaum fassen.

»Scheiße noch mal«, fluchte Ivan. Da er als Einziger laut sprach und die Worte nicht bloß in Gedanken ausformulierte, erntete er einige verwunderte Blicke von den Nebentischen.

Es bedurfte eines Machtwortes von Meyers, um die Crew zur Ruhe zu bringen.

»Es tut mir leid«, entschuldigte er sich bei ihnen, als sie ihm wieder Gehör schenkten. »Meiner Meinung nach hat jeder Einzelne von Ihnen in den letzten Wochen Großartiges geleistet, aber der Admiral ist nicht glücklich damit, wie die Dinge gelaufen sind. Es hat mich bereits einiges an Überredungskunst gekostet, Sie so lange im Camp aushelfen zu lassen, bis die Ikarus startbereit ist. Singhal hätte Sie lieber jetzt schon an Bord gesehen. Also nutzen Sie die verbleibende Zeit, so gut Sie können.«

»Danke, Sir«, bestätigte Divone betrübt. »Hier unten wird wirklich jede Hand gebraucht.«

»Moment mal!«, glaubte Dex einen Ausweg gefunden zu haben. »Bis die Ikarus repariert ist! Ron, das lässt sich doch sicher aufschieben?«

Der Ingenieur verneinte umgehend: »Die ausgebrannten Resonanzknoten werden gerade von den Technikern der Frankfurt ersetzt. Was soll ich tun? Sie bewusstlos schlagen und mein eigenes Schiff sabotieren?«

»Zum Beispiel!«, fand der Navigator, der seine Idee noch nicht aufgeben wollte.

»Ich kann sie vielleicht ein paar Stunden hinhalten«, überlegte Ron. »Niemand von denen hat Erfahrung mit einem Gravitationsantrieb. Wenn ich ein paar zusätzliche Tests anordne …«

»Sie werden nichts dergleichen tun«, bremste Meyers. »Ich weiß, keinem von Ihnen fällt es leicht, von Eddor Abschied zu nehmen. Aber wir sind Soldaten, und das sind unsere Befehle. So sind die Dinge nun mal.«

»Aber …«, versuchte es Dex erneut.

»Der Captain hat recht«, unterbrach Divone den jungen Offizier schweren Herzens. Niemand wäre lieber geblieben als sie, war die Torwelt doch ein im Universum einmaliges Wunder, das es zu erforschen und zu bewahren galt. Leider hatte sie dafür den falschen Beruf gewählt. Hätte sie ihre Karriere in der Wissenschaft fortgesetzt, anstatt sich zu verpflichten, lägen die Dinge jetzt vielleicht anders. Nur dass sie dann erst gar nicht von der Existenz dieses Planeten erfahren hätte. Nein, diese Überlegungen waren müßig. Sie musste sich damit abfinden, dass die Geschicke Eddors nun von anderen bestimmt wurden.

»Wir sind Soldaten«, wiederholte sie. »Ich wünschte nur, ich hätte mein erstes Kommando unter erfreulicheren Umständen erhalten.«

»Das wünschte ich auch«, tröstete sie der Captain. »Ich muss in Kürze zurück auf die Timor. Wir besprechen die Details, wenn ich dort bin. Meyers Ende.«

Den Rest des Frühstücks nahmen sie schweigend ein. Keinem war besonders nach Reden zumute, nicht einmal Dex. Vermutlich überlegte jeder, wie er seine letzten paar Tage auf Eddor am besten verbringen sollte. Für Divone gab es noch einiges zu tun. Es blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als Cordian in Doktor Lees Obhut zurückzulassen, doch bis dahin würde sie so gut für ihn sorgen, wie sie konnte. Außerdem saß sie hier auf mehreren Feldkisten Impfstoff gegen die Wiedergängerseuche, die erst kürzlich von der Ikarus zur Oberfläche gebracht worden waren. Wenn sie die Verteilung nicht schleunigst organisierte, mochten sie hier womöglich noch wochenlang herumstehen.

 

Den Vormittag verbrachte die Gaianerin damit, ihre Liste abzuarbeiten. Es gelang ihr, Doktor Lee abzupassen und auf den Impfstoff anzusprechen. Der äußerte jedoch Bedenken, seine Mediziner zum jetzigen Zeitpunkt in entlegene Winkel der Welt zu schicken, um die Bevölkerung zu immunisieren. Von Divones Vorschlag, die Salas Kai um Hilfe zu bitten, war er allerdings noch weniger begeistert. Hochentwickelte Ausrüstung in die Hände von – wie er sich ausdrückte – Wunderheilern zu geben, könne letztendlich nur schiefgehen, war er überzeugt. Ihren Einwand, dass die Einheimischen keineswegs dumm waren und Divone sie natürlich vorher gründlich in die Benutzung eines Subkutaninjektors einweisen würde, ließ er nicht gelten.

Da Doktor Lee während ihres Gespräches zu einer Operation gerufen wurde, gab sie es vorerst auf, ihn überzeugen zu wollen, und begab sich stattdessen zu Taos Kryokammer. Auf einen Gedankenbefehl hin glitt die Apparatur geräuschlos in der Waagerechten aus einer Luke in der Wand heraus. Sie erinnerte von der äußeren Form her unangenehm an einen Sarg, an dem diverse Kabel und Schläuche angebracht waren. Durch ein kleines Sichtfenster konnte sie die Gesichtszüge der Eingefrorenen erkennen. Sie sah friedlich aus. Ein holografisches Display zeigte ihre Vitalfunktionen, die extrem verlangsamt waren, wie bei einem sehr tiefen Winterschlaf. Ihr Körper war mit Substanzen vollgepumpt, die als Frostschutz dienten und das Absterben ihrer Zellen beim Wiederauftauen verhindern sollten. Eine in die Kammer integrierte Herz-Lungen-Maschine würde ihren Kreislauf langsam in Schwung bringen, wenn es so weit war. Draco hatte die Wahrheit gesagt: Das Einfrieren war ohne Komplikationen verlaufen. Ihr kam der Gedanke, dass Alphas womöglich standardmäßig in Kryostasis gehalten und nur für Einsätze geweckt wurden. Sie hoffte bloß, dass die Technik nicht wieder anfing, verrückt zu spielen, sobald sich Taos Bewusstsein im Zuge des Auftauprozesses zu regen begann. Für mindestens eine Stunde wäre sie von den lebenserhaltenden Funktionen der Kammer abhängig, erst dann würde sie wieder aus eigener Kraft atmen können. Und obwohl der windige Konzernchef bis jetzt recht behalten hatte, war das Einfrieren schon immer das geringste Problem an der ganzen Prozedur gewesen.

Divone wurde aus ihren Grübeleien gerissen, als sie eine dringliche Nachricht vom Eingang des Camps bekam. Sofort machte sie sich auf den Weg.

 

Anders als noch am vergangenen Morgen war das Lager inzwischen weiträumig mit Zäunen umgeben. Als sie sich im Laufschritt dem offenstehenden Haupttor näherte, sah sie schon von Weitem, was los war. Die wachhabenden Marines waren sichtlich nervös. Zwei von ihnen hatten ihre Waffen auf eine harmlos wirkende Frau in einer violetten Robe gerichtet, die mit verschränkten Armen vor dem Eingang stand und ungeduldig mit dem Fuß tappte. Fünf weitere Wachsoldaten und ein Mechanoid visierten den Ehrfurcht gebietenden ockerfarbenen Drachen direkt hinter ihr an.

Der befehlshabende Sergeant war sichtlich erleichtert, als er Divone kommen sah, winkte sie zu sich und salutierte.

»Sie hat verlangt, mit Captain Meyers oder jemandem aus seiner Crew zu sprechen«, berichtete er. »Wir wissen nicht, was ihre Absichten sind, also seien Sie vorsichtig.«

»Keine Sorge«, beruhigte sie ihn. »Das ist Mo, sie stellt keine Gefahr da.«

»Sie kennen die Person?«

»Ja, ihre Leute sollen die Waffen runternehmen und sie reinlassen. Ich habe sie gewissermaßen erwartet.«

Divone war heilfroh, dass die Salas Kai wieder aufgetaucht war. Sie hatte schon befürchtet, keine Gelegenheit mehr zu bekommen, sich von ihr zu verabschieden, dabei gab es eine Menge, was sie mit ihr besprechen wollte.

»Und das Ding da?«, hielt der Sergeant sie auf, »Dieser … ähm …«

»Drache?«, fragte sie amüsiert. »Treten Sie ihm nicht auf den Schwanz, dann beißt er auch nicht.«

 

Die beiden Frauen umarmten sich kurz. Divone entschuldigte sich für das Misstrauen der Wachleute und lud Mo ein, ein Stück mit ihr zu gehen. Sie glaubte, tiefe Sorge in den Zügen der jungen Salas Kai zu lesen, und fragte beunruhigt nach dem Grund ihres Hierseins.

»Das Tor steht nun offen«, verkündete die Seherin. »Das Zaihor ergießt sich wie ein dunkler Strom in diese Welt. Ich kann es deutlich fühlen.«

Die Gaianerin räusperte sich verlegen. »Also, was das angeht, könnte es sein, dass wir nicht ganz unschuldig an der neuesten Entwicklung sind.«

Mo hob fragend eine Augenbraue.

»Nun, jemand von uns hat versucht, das Tor zu zerstören. Mit einer Waffe, die so verheerend ist, dass wir sie eigentlich mit einem Bann belegt haben.« Sie schüttelte resigniert den Kopf. »Es hat nicht funktioniert, aber die Aktivitäten des Tores haben seitdem deutlich zugenommen.«

Die befürchtete Standpauke blieb aus. »Was geschehen ist, ist geschehen«, kommentierte Mo pragmatisch. »Genau, wie es vor Jahrtausenden prophezeit wurde.«

Divone sah ihre Freundin zweifelnd an. Sie war inzwischen bereit, an so manches zu glauben, was sie vor ihrer Ankunft auf Eddor als Unsinn abgetan hätte, aber dass alles im Universum einem vorbestimmten Plan folgen sollte, konnte sie als Wissenschaftlerin nicht so ohne Weiteres akzeptieren.

»Es war eine Verkettung unglücklicher Zufälle«, hielt sie dagegen. »Niemand hätte das vorhersehen können, schon gar nicht vor so langer Zeit.«

Die Salas Kai schenkte ihr ein mildes Lächeln. »Die Seherin Nylyan sprach nach der Verbannung Asmarels von Feuer, das vom Himmel herabfallen würde, wenn das Tor sich erneut öffnete. Genau das habe ich gesehen, als ich mit meiner Gabe nach Norden blickte. Wenn mich das Studium Sirains eines gelehrt hat, dann, dass es keine Zufälle gibt.« Sie zuckte mit den Schultern und wechselte das Thema: »Wo steckt John Meyers?«

Divone deutete nach oben, wo weit über der grauen Wolkendecke die Timor ihre Bahn zog. »Er bespricht die Lage mit Admiral Singhal. Das ist der Kommandant des neu eingetroffenen Flottenverbandes. Ich kann ihn rufen …«

Sie setzte dazu an, ihren Armbandkommunikator zu aktivieren, doch Mo winkte ab. »Später vielleicht, ich muss zuerst mit Cordian reden. Die Zeit drängt.«

Divone blieb stehen und holte tief Luft. »Er ist im Moment nicht ansprechbar«, verriet sie zögerlich. »Um ehrlich zu sein, er schwebt in Lebensgefahr.«

»Bring mich sofort zu ihm!«, verlangte Mo entsetzt. »Dank des Machtstroms des Tores war es mir möglich, einen kurzen Blick in die Zukunft zu werfen. Eine große Finsternis wird kommen. Und er ist der Einzige, der sie aufhalten kann. Er zusammen mit Tao. Unser aller Schicksal hängt von den beiden ab!«

Eine Dringlichkeit lag in der Stimme der jungen Seherin, die Divone dazu veranlasste, ihre hartnäckigen Zweifel am Konzept des Schicksals zunächst zurückzustellen.

»Hier entlang«, entschied sie, und führte Mo in den medizinischen Trakt.

 

Falls die ungewohnte Umgebung Mo verunsicherte, ließ sie sich davon nicht viel anmerken. Mit schnellen, entschlossenen Schritten folgte sie Divone zu Cordians Krankenbett. Wie Tao zuvor hatten sie ihn von den anderen Patienten isoliert, da sie immer noch nicht genau wussten, was mit ihm los war. Seiner Schwester hatten sie allerdings erlaubt, ihn zu besuchen, und wie erwartet saß sie neben ihm und hielt ihrem schlafenden Bruder die Hand. Als sie die beiden Frauen eintreten hörte, wandte Lissina ihren Blick zur Tür. Ihre sorgenvolle Miene hellte sich ein wenig auf, als sie Mo erkannte. Erleichtert sprang sie auf und begrüßte die Seherin überschwänglich: »Mo Kai, Euch schicken die Götter. Ihr müsst ihm helfen, bitte!«

Während die Salas Kai die Prinzessin mit tröstenden Worten beruhigte, inspizierte Divone den Patienten und seine Vitalwerte. Das Fieber war durch die Medikamente leicht zurückgegangen, sein Atem ging ruhig und gleichmäßig, doch mehr und mehr Adern und Venen in seinem Körper hatten begonnen, sich schwarz zu verfärben. Längst war nicht mehr nur der Arm mit der Schnittwunde betroffen. Ihre Behandlung linderte im Moment nur die Symptome und sie musste damit rechnen, dass sich sein Zustand jederzeit dramatisch verschlechtern würde.

»Ich bin keine Heilerin«, sprach Mo, die zu ihr ans Krankenbett getreten war. »Aber selbst ich spüre das Zaihor in ihm. Was ist geschehen?«

Divone nahm Cordians linken Unterarm und deutete mit dem Finger auf die leicht gerötete Stelle, wo sich die Wunde befunden hatte. Der Schnitt war nicht tief gewesen und Wundgel und Nanobots hatten ganze Arbeit geleistet.

»Es muss mit einer oberflächlichen Verletzung durch eine Klingenwaffe begonnen haben«, rekapitulierte sie. »Eine klassische Infektion können wir inzwischen ausschließen, daher bin ich bis eben von einem unbekannten Kontaktgift ausgegangen.«

Mo ergriff Cordians Hand und schloss die Augen. Divone hatte genug Zeit mit Kandra verbracht, um zu erkennen, dass die Seherin auf Sirain zugriff, darum trat sie einen Schritt zurück und schwieg. Auch Lissina wartete bange, was geschehen würde. Cordian regte sich ab und zu, erwachte aber nicht aus seinen Fieberträumen.

Es dauerte nur wenige Minuten, dann öffnete Mo die Augen wieder und verkündete: »Er wurde von einer schwarzen Klinge aus Fant verwundet. Ich habe es noch nie selbst gesehen, doch es heißt, dass die leichteste Verletzung durch schwarzen Stahl unausweichlich zum Tod führt. Wir müssen ihn sofort nach Madaras bringen. Die Kalhiri dort sind die Einzigen, die ihn vielleicht noch retten können.«

»Bist du dir sicher, was diese Klinge angeht?«, fragte Divone, der der Gedanke nicht behagte, Cordian in seinem Zustand zu transportieren.

»So sicher, wie ich hier stehe«, bekräftigte Mo. »Ich habe es in seiner Vergangenheit gesehen, als sei ich selbst dabei gewesen. Die Zeit drängt. Das Zaihor wird mit jeder Minute stärker in ihm. Sogar mit einem Drachen könnten wir Madaras nicht rechtzeitig erreichen, aber eure Flugmaschinen sind, so Sirain will, schnell genug.«

Daran würde es nicht scheitern, der Flug dauerte vielleicht eine Stunde. Aber wie sollte Divone den skeptischen Doktor Lee dazu bringen, einen todkranken Patienten in die Hände von Wunderheilern zu geben? Im Grunde kannte sie die Antwort bereits: überhaupt nicht. Sie würde ihn notgedrungen übergehen müssen. Ihr als Gaianerin, die stets auf Harmonie bedacht war, bescherte die Erkenntnis ein flaues Gefühl im Bauch, doch als angehender Raumschiffkapitän musste sie bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. Lee mochte den medizinischen Trakt leiten, war aber nicht ihr direkter Vorgesetzter. Sollte er sich ruhig weiter oben in der Befehlskette beschweren; in ein paar Tagen würde sie ohnehin nach Ambato zurückkehren. Entschlossen biss sie die Zähne zusammen, als sie Tara über Visicom kontaktierte und anwies, die Raumfähre der Ikarus startklar zu machen. Dex und Ivan befahl sie, die Kisten mit dem Impfstoff an Bord zu nehmen, denn wenn sie es sich schon mit jemandem verscherzte, konnte sie es auch gleich richtig tun.

Ein weiterer Gedankenbefehl machte das Krankenbett transportfähig. Ein paar Kabel musste sie noch manuell aus der Wand ziehen, die lebensüberwachenden Geräte stellten selbstständig auf Potenzialzellversorgung um. Um dem Computersystem des medizinischen Traktes nicht zu früh zu verraten, was sie vorhatte, gab sie kein Ziel in das Navigationssystem des Bettes ein. Stattdessen bat sie Lissina, die sich bereits Cordians Schwert umgegürtet und seinen Schild auf den Rücken geschnallt hatte, ihr zu helfen, es per Hand zu schieben. Bei all dem ausgefallenen Equipment, mit dem die Ärzte gerade zu kämpfen hatten, würde das sicher kein Aufsehen erregen. Unangenehme Fragen würde sie natürlich trotzdem beantworten müssen, aber erst, wenn sie in der Luft waren, und dann hatte sie bereits Tatsachen geschaffen.

»Was ist mit Tao?«, wollte die Prinzessin wissen.

Divone schüttelte den Kopf. Die Raumfähre der Ikarus war nicht für den Transport von Kryokammern ausgerüstet, und sie aufzutauen würde viel zu lange dauern, ganz abgesehen von dem Risiko, dass sie damit eingegangen wären. »Sie muss hierbleiben, aber keine Sorge, sie ist in guten Händen.«

Mo begleitete sie hinaus und tatsächlich liefen sie weder einem aufgebrachten Doktor Lee noch sonst irgendjemandem in die Arme, der sie aufzuhalten versuchte. Die Frage, ob sie mit an Bord kommen wollte, verneinte die Salas Kai jedoch überraschenderweise.

»Ich möchte Dryvar hier nicht allein zurücklassen, eure Wachen haben sehr nervös gewirkt. Aber ich komme nach, so schnell ich kann. So das Schicksal es will, wird es Cordian dann bereits besser gehen.«

»Und wenn nicht?«, fragte Divone voller Sorge.

»Dann wird die Finsternis uns alle verschlingen.«

7

Von der Spitze des Saphirturms aus beobachte Tennlor, wie die fantische Armee abzog. In letzter Zeit kam er oft hier herauf, den vielen kräftezehrenden Stufen zum Trotz. Es war nicht nur die Aussicht, die ihn lockte, es war auch einer der wenigen Orte, an denen er nachdenken konnte, ohne dass ständig jemand an die Tür klopfte. Insbesondere die sechs verbliebenen Oberhäupter der Schulen drangsalierten ihn gerne mit Beschwerden und Anfragen. Er machte sich nichts vor: Dies war ihre Art, ihn an die vorläufige Natur seines Amtes zu erinnern und daran, wer ihrer Meinung nach wirklich das Sagen hatte. Glücklicherweise war Kandra inzwischen sehr gut darin geworden, die Novizen abzufangen, die sie zu ihm schickten und wichtige von unwichtigen Botschaften zu trennen.

Er war nicht überrascht, just als er an sie dachte, ihre Schritte auf der Treppe zu hören. Kurz darauf trat die Heilerin wortlos neben ihn. Skeptisch observierte sie, wie die letzten fantischen Soldaten ihre Sachen packten und aus der Stadt marschierten. Nachdem sie dem Treiben eine Weile lang zugeschaut hatte, gestand sie: »Ich hätte nicht gedacht, dass deine Schnapsidee Erfolg haben würde.«

»Zuckerbrot und Peitsche«, resümierte Tennlor zufrieden. »Die Kunst ist es, die eine Alternative schrecklich genug und die andere ausreichend verlockend wirken zu lassen. Oh, und ein bisschen Theatralik schadet gewiss auch nicht.«

»Ja, ich kann mir vorstellen, dass ein Mann eher bereit ist, seinem Feind Gehör zu schenken, wenn der plötzlich im eigenen Schlafzimmer steht …«

Beide sahen sich an und mussten grinsen. Kandra knuffte ihn spielerisch in die Seite. »Das war der reinste Leichtsinn!«, beschwerte sie sich.

»Aber es hat sich gelohnt. Die Belagerung wurde nach nur einem Tag beendet, ein Krieg abgewendet und niemand ist dabei gestorben.«

»Es gab ein paar Tote und Verletzte durch Querschläger in den südlichen Vierteln«, schränkte Kandra ein. »Aber die meisten, mit denen ich gesprochen habe, teilen deine Einschätzung. Du hast dir eine Menge Respekt im Orden verdient.«

»Auch unter den Oberhäuptern?«

»Rangulf würde immer noch am liebsten die Drachen satteln lassen und Fant einen Denkzettel verpassen. Rahele, Gerelt und Janor haben dein Vorgehen öffentlich gelobt. Ich weiß nicht, wo Zuldan und Ferendrin stehen, sie haben sich bisher bedeckt gehalten.«

Tennlor nickte anerkennend. »Drei von sechs. Gar nicht übel. Vielleicht bleibe ich länger Kai Thul als gedacht.«

Obwohl er die Bemerkung im Scherz geäußert hatte, verfinsterte sich Kandras Miene sichtlich. »Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen sollte. Außerdem werden die Wa’dur und die Kesenchai in Kürze neue Oberhäupter benennen und dann sind es nur noch drei von acht.«

»Ich bin froh, wenn ich diese Robe wieder ablegen kann«, beeilte er sich zu versichern, »aber solange sich die acht Schulen nicht auf einen neuen Kai Thul geeinigt haben, muss jemand diese Bürde tragen.«

Kandra schnaubte verächtlich. »Erzähl mir nicht, du würdest es nicht genießen. Dafür kenne ich dich zu gut.«

Verlegen sah er zu Boden. Er hatte nie darauf hingearbeitet, eines Tages auf dem Saphirthron zu sitzen, aber er war auch niemand, der sich vor der Verantwortung drückte, wenn sie rief. Die Oberhäupter mochten ihn lediglich ernannt haben, weil sie sich gegenseitig nicht das Schwarze unter den Nägeln gönnten, aber er wollte verdammt sein, wenn er diese Chance nicht nutzte.

Etwas versöhnlicher fügte seine alte Freundin schließlich hinzu: »Und ich muss zugeben, du machst deine Sache gut.«

Dankbar hob er den Blick und sah sie an. Kandras Unterstützung war ihm sehr wichtig.

»Jetzt, da die drängendste Krise überwunden ist«, wechselte sie schnell das Thema, »sollten wir entscheiden, was mit den gefangenen Verrätern geschehen soll. Die Nexada glauben nicht, dass sie noch Informationen zurückhalten, und es ist nicht praktikabel, rund um die Uhr die doppelte Anzahl Kesenchai allein zu ihrer Bewachung abzustellen.«

Er nickte. Schwarze Hexerei wurde normalerweise mit dem Tod bestraft, doch nicht alle von Alandrels Mitverschwörern hatten Blut an ihren Händen. Einige waren schlicht in schlechte Gesellschaft geraten und bereuten ihre Taten nun. Eine Option war, sie in Nihildor einzusperren. Er hatte allerdings selbst vor Kurzem die Bekanntschaft dieses alten Gefängnisses gemacht und wusste, dass es einiges an Arbeit erforderte, zumindest einen Teil der Zellen so weit herzurichten, dass ihre Insassen im Winter nicht erfroren. Er würde sich wohl oder übel mit jedem Fall einzeln beschäftigen müssen.

Nachdenklich ließ er den Blick über den Horizont schweifen, bis er im Süden an einem kleinen silbrig funkelnden Punkt am Himmel hängenblieb. Neugierig beobachtete er die seltsame Erscheinung und stellte fest, dass sie sich bewegte und größer wurde. Als er Kandra darauf aufmerksam machte, bemerkte sie ihn ebenfalls. Aus dem Punkt wurde schnell ein dreieckiger Umriss, der sich in hohem Tempo der Stadt näherte.

»Was bei allen Göttern …?«

»Die Sternfahrer«, erkannte Kandra schließlich. »Ich habe so etwas schon einmal in Ganthalas gesehen, das sind Captain Meyers’ Leute.«

»Unglaublich«, murmelte Tennlor, als das Fluggerät abbremste und über der Stadt in einen steilen Sinkflug überging.

»Der Schild!«, entfuhr es Kandra und sofort eilte die Heilerin zum Podest in der Mitte des Raumes, wo sie das Zepter des Kai Thul aus seiner Fassung zog. Draußen erlosch die bei Tageslicht kaum sichtbare Schutzkuppel, während die Wächterstatuen an den Brückenenden ihre Arme wieder vor der Brust falteten.

 

***

 

Dex war beeindruckt, als er die Stadt über die Außenkameras der Fähre betrachtete. Die Außenbezirke von Madaras unterschieden sich architektonisch nicht besonders von dem, was er aus Ganthalas kannte, die innere Stadt jedoch war völlig anders. Auf einer Insel im Zusammenstrom zweier Flüsse gelegen, erschien sie wie aus einem einzigen Stück Fels gehauen. Nein, gehauen war das falsche Wort. Eher gewachsen. Häuser, Türme und Straßen gingen organisch ineinander über und bildeten zusammen mit bevölkerten Plätzen und verwinkelten Parkflächen ein lebendiges Ganzes.

»Na, gefällt sie dir?«, erkundigte sich Tara vom Cockpit aus über Visicom.

»Kann man wohl sagen«, bestätigte er ihre Vermutung. »Hast du schon einen Landeplatz gefunden?«

»Die Drachenplattform dürfte groß genug sein.«

»Ist das eine gute Idee?«, fragte der Navigator skeptisch. »Wimmelt es da nicht von … na ja, Drachen?«

»Sei doch nicht so ein Mädchen, die werden dich schon nicht fressen!«, kam die prompte Replik. »Und jetzt festhalten, wir gehen runter.«

Dex’ Magen machte einen Hüpfer, als die Fähre ihre Flughöhe rapide verringerte und der Gurt, der ihn auf der Sitzbank hielt, sich straffte. Bevor er sich ausklinkte, sah er über die Außenkameras, wie sich einige Menschen unter ihnen hastig in Sicherheit brachten, als sie senkrecht zur Landung ansetzten. Die Drachenplattform war ein großes Rund, das von einer Seite von einem hallenartigen Bau mit weiten offenen Toren begrenzt wurde, sich aber ansonsten über die umliegenden Häuser erhob. Die Fähre fand selbst mit ausgeklappten Deltaflügeln bequem Platz auf dem Plateau, was Dex nicht weiter verwunderte – Drachen waren schließlich kaum kleiner. Das bedeutete jedoch auch, dass sie den Raumgleiter vermutlich wie eine Blechdose zerfetzen konnten, wenn sie sich auf ihn stürzten. Sein Vertrauen in die guten Manieren der Riesenechsen war jedenfalls längst nicht so stark wie das Taras.

Als sie aufsetzten und nichts Schreckliches geschah, entspannte Dex sich ein wenig. Divone und Ivan machten sich bereits daran, das Krankenbett mit dem immer noch völlig benommenen Cordian aus seiner Halterung in der Mitte des Frachtraumes zu lösen. Er selbst befreite sich von seinem Gurt und wollte Lissina zu Hilfe kommen, doch die stand im selben Moment auf den Beinen. Es war schließlich nicht ihr erster Flug, wie er sich erinnerte.

Sobald sich die Heckklappe senkte, spähte der Navigator nach draußen und erkannte, dass sie womöglich doch ein Problem hatten: Männer und Frauen in roten Roben waren herbeigeeilt und hatten die Fähre umstellt. In ihren Händen hielten sie drohend mannshohe Silberstäbe. Da er dem Ausgang am nächsten stand, sah er sich genötigt, vorzutreten und die Situation zu entschärfen. Mit entschuldigend ausgebreiteten Armen sprach er also: »Tut uns leid, wir hätten ja angerufen, aber …«

Bevor er sich um Kopf und Kragen reden konnte, schob sich Tara an ihm vorbei. »Lass mich das machen«, bat sie ihn und ging zielsicher auf die bewaffneten Wächter des Turms zu. Verblüfft beobachtete Dex, wie diese sich respektvoll vor der Pilotin verneigten, ehe einer von ihnen das Wort an sie richtete: »Sirain elas adim, Tara Sanchez. Willkommen zurück in Madaras.«

Tara erwiderte die Verbeugung und bedankte sich. Dann kam sie ohne Umschweife zur Sache. »Wir haben einen kranken jungen Mann bei uns, der umgehend die Hilfe der Kalhiri benötigt.«

Der Wortführer der Kesenchai nickte. »So soll es geschehen. Wir geleiten Euch zur Schule der Heiler.«

Als Divone und Ivan das Krankenbett die Rampe hinunterschoben, gingen der Sprecher und zwei weitere Robenträger bereitwillig voraus. Lissina und Dex beeilten sich, zu folgen. Tara blieb auf Divones Anweisung hin bei der Fähre zurück.

»Wie hast du es geschafft, dich hier so beliebt zu machen?«, fragte der Navigator seine Kameradin im Gehen. Tara grinste breit. »Ist eine lange Geschichte. Erzähle ich dir vielleicht auf dem Rückflug.«

 

Die Schule der Heiler war ein Gebäudekomplex, der zahlreiche flache Kuppeln aufwies. In unterschiedlicher Form und Größe lagen sie dicht gedrängt wie die Blasen eines Schaumbads nebeneinander und gingen fließend ineinander über. Es gab auch eine Turmspitze, allerdings weniger hoch aufragend als die meisten anderen in der Nähe. Brücken und Galerien verbanden sie mit den umliegenden Teilen des Saphirturms, sodass eine genaue Abgrenzung wie bei allen Gebäuden in Madaras schwierig war.

Sie trafen Tennlor und Kandra am Eingang. Dex, der den beiden noch nicht persönlich begegnet war, musterte sie aufmerksam: Kandras Zügen haftete eine energische Strenge an, die jeden bereits von Weitem warnte, sich nicht mit ihr auf Diskussionen einzulassen. Sie erfasste den Ernst der Lage sofort und gab den Kesenchai, die sie eskortierten, entsprechende Anweisungen. Tennlor hingegen strahlte eine selbstsichere Gelassenheit aus, wie sie nur natürliche Autoritätspersonen besaßen, jener seltene Menschenschlag also, vor dem selbst Dex Respekt hatte. Das hinderte Lissina allerdings nicht daran, ihrem alten Freund erleichtert um den Hals zu fallen. Eine Geste, die dem Oberhaupt der Salas Kai keineswegs unangenehm zu sein schien.

Sie brachten Cordian mitsamt dem Krankenbett in einen kreisrunden Raum, in dem sich bereits mehrere Heiler in weißen Gewändern versammelt hatten. Durch ein verglastes Fenster in der Decke fiel Licht ins Innere. Es gab zwei kleine Wasserspeier, aus denen sauberes Wasser sprudelte, das sich in flachen Becken sammelte. Auf Wandregalen stapelten sich Töpfe und Flaschen mit Kräutern und Tinkturen. Dex hatte den Eindruck, sich in einem mittelalterlichen Operationssaal zu befinden.

Die Kalhiri verschwendeten keine Zeit und begannen sofort, den Patienten in Augenschein zu nehmen. Sie fühlten seine Temperatur, testeten seinen Pupillenreflex und taten Dinge, von denen der Navigator nicht die geringste Ahnung hatte. Dabei tauschten sie sich leise über ihre Erkenntnisse aus. Dex glaubte so etwas wie: Noch nicht zu spät zu verstehen, vielleicht hörte er aber auch bloß, was er hören wollte.

»Ihr könnt ihm doch helfen?«, fragte Lissina flehend und drängte an die Seite ihres Bruders. »Er wird doch bestimmt wieder gesund?«

Das nötigte Kandra offenbar dazu, ein Machtwort zu sprechen: »Das reicht jetzt. Alle raus hier, die keine weiße Robe tragen.« Sie wandte sich direkt an Lissina: »Du bitte auch. Hab keine Angst. Wir tun alles, was in unserer Macht steht.« Divone, die protestieren wollte, kam sie zuvor: »Deine Hilfe wäre uns sehr willkommen, bitte bleib.«

Als sich die Prinzessin immer noch sträubte, nahm Tennlor sie bei der Hand und geleitete sie sanft mit den anderen vor die Tür.

Dex, der deutlich sehen konnte, wie sie litt, versuchte, sie mit aufmunternden Worten zu trösten: »Keine Sorge, deinem Bruder geht es im Handumdrehen wieder besser.«

Alles, was er von Lissina erntete, war ein zweifelnder Blick aus geröteten Augen, dafür schien Tennlor ihn zum ersten Mal wirklich wahrzunehmen.

»Ihr müsst der sein, den sie Dex nennen«, vermutete der Salas Kai richtig. »Tara Sanchez hat mir bei unserer letzten Begegnung viel von Euch erzählt.«

»Ach echt?«, fragte er alarmiert und konnte nicht verbergen, dass er sich ertappt fühlte. »Tja, Tara übertreibt gerne mal …«

»Nur Gutes«, fügte Tennlor hinzu, was den Navigator erleichtert verstummen ließ. Normalerweise war es ihm egal, was jemand über ihn dachte, aber er wollte nicht, dass ein Freund Lissinas einen schlechten Eindruck von ihm hatte. Tennlor indes hatte sich bereits dem Waffenoffizier zugewandt, der schweigend hinter Dex stand. »Und bei Euch kann es sich nur um Ivan handeln. Ein Mann so groß und stark, dass er eine Bestie mit bloßen Händen erlegt hat.«

»Na ja, ich hatte die hier«, entgegnete Ivan lakonisch, ballte die Faust und ließ kurz seine elf Zentimeter langen Knöchelklingen herausschnappen, was Tennlor einen Laut der Überraschung entlockte.

»Nun, wir können im Augenblick bloß abwarten und auf das Schicksal vertrauen«, fasste der Kai Thul die Lage zusammen. »Wie wäre es, wenn ich Euch als meine Gäste ein wenig herumführe? Das bringt uns auf andere Gedanken.«

»Einverstanden«, erklärte sich Dex sofort bereit, der es kaum erwarten konnte, mehr vom Saphirturm und seinen geheimnisvollen Bewohnern zu sehen. Lissina hingegen schien weniger begeistert. Ihr Blick blieb an der geschlossenen Tür hängen, hinter der die Heiler um das Leben ihres Bruders rangen.

»Wenn etwas mit ihm ist, erfahren wir es von Divone als allererste«, versprach Dex und tippte mit dem Zeigefinger auf das Schläfenkontaktpad seiner Biotronik. Widerstrebend signalisierte die Prinzessin ihre Zustimmung.

 

Seine Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Ihre erste Station war die Bibliothek mit ihren endlosen Reihen an Büchern. Ohne Zweifel ein beeindruckender Anblick, da sich jedoch niemand für diese archaische Form der Datenspeicherung interessierte, gingen sie rasch weiter. Als Nächstes kamen sie zur Schule der Wächter. Ausgebildete Kesenchai trafen sie nur wenige an – sie waren laut Tennlor mit der Bewachung der Brücken ausgelastet –, ihren Anwärtern beim Üben zuzusehen, war aber bereits spektakulär. Die Schnelligkeit, mit der sie sich bewegten, die Kraft, mit der sie zuschlugen; das alles kannte Dex bisher lediglich aus übertriebenen VR-Abenteuern.

»Ich hab’s auch mal mit Kampfsport probiert«, merkte der Navigator an, was ihm sofort skeptische Blicke einbrachte. »Wirklich«, versicherte er, »auf meinem Asteroiden gab’s einen Null-g-Judoverein.«

»Und wie lange hast du das durchgehalten?«, spöttelte Ivan. »Drei Wochen?«

Tatsächlich hatte er sich bereits beim Schnuppertraining den Knöchel verstaucht und es dann sein lassen, aber das brauchte er seinem Kameraden ja nicht auf die Nase zu binden. »Es gab eben wichtigere Dinge«, redete er sich deshalb heraus.

Im Anschluss besuchten sie die Schule der Erschaffer. Das Klopfen von Hämmern und das Schaben von Sägen hörten sie schon von Weitem. Im Inneren der von zahlreichen Säulen getragenen Haupthalle ging es geschäftig zu.

»Die Har’dak sind in ganz Eddor bekannt für die Herstellung von Sal’diren«, erklärte Tennlor über die allgemeine Geräuschkulisse hinweg. »Doch nur wenige wissen, dass sie die meiste Zeit als gewöhnliche Handwerker oder Künstler arbeiten. Nun ja, mit den Vorzügen Sirains, versteht sich.«

Dex sah, was er meinte: Ein Salas Kai in gelber Robe schnitzte wie in Trance an einer Holzskulptur und jeder Schnitt saß perfekt. Ein anderer setzte vorsichtig einen zerbrochenen Tonkrug zusammen, fuhr mit dem Finger über die Risse im Material und ließ sie dadurch verschwinden. Das war zweifellos beeindruckend, dennoch erklärte Dex: »Ich würde gerne mal so einen richtig mächtigen Sal’dir sehen!«

»Die ältesten und mächtigsten Sal’dire halten wir unter Verschluss«, enttäuschte ihn der Kai Thul und deutete auf ein massives eisernes Tor in der Rückwand der Halle. »Einige wurden von den Ewigen selbst erschaffen. Bei vielen wissen wir nicht einmal mehr, wozu sie dienen. Aber vielleicht habe ich etwas für Euch …«

Sie folgten ihrem Führer in einen Nebenraum, wo gerade ein rot gewandeter Kesenchai einen langen Silberstab von einem Har’dak entgegennahm und prüfend in der Luft kreisen ließ.

»Remo«, begrüßte Tennlor den Wächter des Turms. »Mal wieder deine Talis’lar verlegt?«

Der Angesprochene, ein kleiner Mann mit vornehm gestutztem Schnurrbart, schmunzelte über den Scherz. »Nicht ganz«, erwiderte er gemessen. »Ich habe sie reparieren lassen. Das ist ein wertvolles Stück. Stammt noch aus dem Krieg der Götter. Davon sind nur wenige übrig.« Er ließ die Waffe geschickt um den eigenen Körper rotieren und dann waagrecht auf dem Zeigefinger des ausgestreckten Armes zur Ruhe kommen. »Perfekt ausbalanciert. Dieselbe Qualität erreichen wir heutzutage gar nicht mehr. Aber sie sind nicht unzerstörbar. Wenn man zu fest damit zuschlägt, verbiegen sie sich.«

»Unsere Gäste möchten mal einen richtigen Sal’dir sehen. Zeit für eine Demonstration?«

Remo musterte Tennlors Begleiter genauer. »Ah, die Besucher von den Sternen. Wie ich hörte, verfügt Ihr selbst über einige Wunderdinge.« Vor Lissina, die vor dem Silberstab nervös ein paar Schritte zurückgewichen war, verbeugte er sich höflich und meinte: »Keine Angst, meine Dame, Euch wird nichts geschehen.«

Dann trat er einen Schritt zurück und präsentierte ihnen noch einmal den Stab in seiner vollen Länge.

»Die Talis’lar ist eine elegante Waffe«, verkündete er. »Für den Unkundigen mag sie wie ein gewöhnlicher Stab aussehen. Doch fasst man sie an der richtigen Stelle«, seine Finger rutschten in unscheinbare Vertiefungen, »und übt ein bisschen Druck aus, dann sprüht sie Funken!«

Kaum hatten die Worte seinen Mund verlassen, züngelten knisternde Blitze über den unteren Teil der Talis’lar und entluden sich in einem grellen Lichtbogen, der fünf Meter entfernt in den Steinboden einschlug. Dex zuckte vor Schreck zusammen, doch auch Remo starrte verblüfft auf die verkohlte Stelle.

»Das war … imposanter, als ich erwartet hätte«, schloss er andächtig und tauschte einen ratsuchenden Blick mit Tennlor.

Der war anscheinend genauso überrascht und antwortete mit einem Schulterzucken. »Vielleicht zapft die Waffe den Machtstrom des Tores an«, spekulierte er. »Sie stammt aus einer Zeit, als es schon einmal offen stand.«

Remo nickte. »Ich werde dem sofort auf den Grund gehen«, bot er an und verabschiedete sich auf ein Nicken Tennlors hin von ihnen.

»Na immerhin«, meldete sich Ivan zu Wort, als der Kesenchai gegangen war, »ist der Name passend.«

Als Dex und die anderen ihn fragend anstarrten, fügte er hinzu. »Na, Talis’lar bedeutet Stab der Bestrafung

»Ihr sprecht die Erste Sprache?«, erkundigte sich Tennlor verwundert.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739456836
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Juli)
Schlagworte
Helden Weltraum Abenteuer Drachen Science-Fantasy Originelle Fantasy Space Fantasy Genre Mix Fantasywelt Raumschiff Space Opera Science Fiction Fantasy

Autor

  • Patrick Arbogast (Autor:in)

Patrick Arbogast studierte Biologie und schreibt hauptberuflich PR-Texte, war aber auch schon freiberuflich für die Lokalzeitung unterwegs. Seine erste selbstveröffentlichte Romanreihe, die dreiteilige Torwelt-Saga, verwebt bekannte Fantasy- und Science-Fiction-Elemente zu einer spannenden Abenteuergeschichte. Sein neuestes Projekt »Sturmzorn« entführt die Leser in eine römisch angehauchte Welt voller Schwertkämpfe und Mystik.
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Titel: Das Schicksal der Torwelt