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Die Gefährtinnen

von Martin Amadeus Weber (Autor:in)
410 Seiten
Reihe: Seelengefährten, Band 1

Zusammenfassung

Das gibt es nicht, dachte er und hielt sich zitternd an seinem Glas fest. Krampfhaft öffnete er seine Augen, aber sie saß immer noch am Nachbartisch. Sie, die Frau von der er ständig träumte. In seinem Magen bildete sich ein dicker Knoten und vibrierte immer heftiger, seine Retterin, seine Traumgefährtin saß vor ihm. Verdammt, was mach ich den jetzt blos. So wie ich mich fühle, wie ich aussehe, so kann ich sie doch nicht ansprechen. Noch nach vielen Jahren dachte er beschämt an diesen Augenblick und sah die Frau an, die er im Arm hielt. Ein neuer Anfang, ein neues Glück und wachsende Macht hatte sie in rasend schnellem Tempo zusammengeschweißt. Als Seelengefährten hatten sie eine einzigartige Bindung, die ihnen paraphysischen Fähigkeiten und damit steigende Macht verlieh. Macht haben ist aber ein zweiseitiges Schwert, denn zu Macht gehört auch Verantwortung und Pflicht, sonst wird sie missbraucht. Nachdenklich dachte er an die schweren Aufgaben, die jetzt vor ihnen lagen. Fest schlang sie ihre Arme um ihn. „Wir schaffen das“, flüsterte sie leise und drückte ihn fest, während sich ihre goldene Aura mit seiner dunkelblauen vermischte und ein prickelndes Knistern zu hören war.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


November 1986

Es war ein trüber nasskalter Mittwoch im November. In einer billigen schmuddeligen Kneipe unweit des Neckars saß Peter Weber vor seinem schalen, halb ausgetrunkenen Bier und ließ sein Leben an sich vorüberziehen. Das letzte Jahr, mit dem Auszug aus der Familienwohnung. Die endlose Suche nach einem Zimmer oder einer kleinen Wohnung. Und als er eine gefunden hatte, die langen, einsamen Nächte mit seinem Freund, dem Computer und viel Alkohol. Die trüben Tage, welche auf die langen Nächte folgten, die er nur verschwommen, wie im Nebel wahrgenommen hatte.
Exfrau muss es jetzt ja wohl heißen, dachte er mit einem Blick auf das Scheidungsurteil, das heute von dem Anwalt in der Post war. Verschwommen erinnerte er sich an die Verhandlung. Auf den vergeblichen Schlichtungsversuch des Richters. Nichts war mehr gegangen.
„Das war`s“, seufzte er mit einem Blick auf das Schreiben und Tränen tropften auf das Gerichtssiegel. Alles Scheiße, alles im Eimer. Zornig knüllte er das Papier zusammen.
Sein leicht getrübter Blick wanderte durch das Lokal. Die Vorhänge vor den kleinen, staubigen Fenstern waren vom Nikotin gelb verfärbt. Der geflieste Boden von undefinierbarer grauer Farbe. Die ehemals weiß getünchte Decke hatte eine bräunliche Schattierung und auf den Lampenschirmen lag dick der Staub. Die alten Holztische, vernarbt von unzähligen Krügen, die darauf geknallt worden waren, standen entlang der Wand, so dass in der Mitte eine freie Fläche blieb, auf der, spät nachts, manchmal, wenn alle besoffen waren, getanzt wurde.
Hinter dem verschmierten Tresen stand der Wirt, in seiner alten schmuddeligen Hose, dem ausgeblichenen karierten Hemd und einer fleckige Schürze gekleidet, vor seinem tropfenden Bierhahn und war sich selbst sein bester Gast. Wie gewohnt hatte er einen steinernen Bierhumpen vor sich stehen, aus dem er zu jeder Tageszeit einen Schluck zu nehme pflegte. Immer wieder wischte er sich seine glänzende Glatze mit einem, vom vielen Gebrauch schmuddelig gewordenen Tuch, ab und schnäuzte sich gelegentlich auch lautstark hinein. Seine, vom vielen Alkohol rotgeäderte Nase schien immer zu tropfen und forderte seine ständige Aufmerksamkeit.
Nur das Tagesgericht konnte man essen, denn seit neuestem hatte er eine ältere Ungarin eingestellt. Eine sehr saubere, freundliche Frau, die in der Küche arbeitete und ausgezeichnet kochte.
Zwei Tische weiter saß eine einfach gekleidete braunhaarige Frau und beobachtete ihn verstohlen. Als er den Kopf in ihre Richtung drehte senkte sie schnell den Blick und tat so als lese sie. Bei ihrem Anblick zuckte er zusammen und wurde blass wie ein Leintuch. Ein Gefühl, wie ein elektrischer Schlag zuckt durch seinen Körper. „Mein Gott, das ist sie, das ist doch nicht möglich“, flüsterte er lautlos vor sich hin.
Verstohlen wischte er sich mit dem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht. Es war ihm ungeheuer peinlich, von dieser fremden und doch vor seinem Inneren so vertrauten Frau, beim Weinen beobachtet zu werden.
Was will sie denn nur von mir, dachte er fast trotzig wie ein kleines Kind, soll sie mich doch in Ruhe lassen.
Er versuchte sich wieder auf die amtlichen Papiere zu konzentrieren, die immer noch zerknüllt vor ihm lagen, aber seine Gedanken schweiften immer wieder ab. Endlich gelang es ihm, sich zu konzentrieren. Sie hat mich fast total über den Tisch gezogen, dachte er als er die Unterhaltsregelungen studierte, nachdem er die Papiere sorgfältig wieder geglättet hatte. Von seinem Gehalt blieben ihm nach Abzug aller Kosten noch knapp zweitausend Mark übrig. Ein Glück, dachte er, dass ich die billige Wohnung gefunden habe.
Wieder glitt sein Blick durch das Lokal und die Frau drehte schnell den Kopf zur Seite.
Die Kneipe füllte sich jetzt langsam mit lärmenden Arbeitern, die ihren Feierabend mit ein paar Bieren begießen wollten. Der Wirt kam mit dem Bierzapfen schier nicht mehr nach und strahlte Hände reibend über das ganze Gesicht.
Zeit zu gehen, dachte er, trank sein Glas leer, schüttelt sich, denn es schmeckte entsetzlich und zahlte beim Wirt, der ihm freundlich zunickte, war er doch seit einiger Zeit ein regelmäßiger Gast.
Mit hochgezogenem Kragen trat er in die feuchtkalte Dämmerung und machte sich auf den Heimweg. Von der Hauptstraße bog er in eine enge, dunkle Nebengasse und betrat ein altes Fachwerkhaus. Langsam stieg er die ausgetretenen, knarrende Holztreppen hinauf bis in das Dachgeschoß. Im Treppenhaus stank es nach einem Gemisch aus schmutziger Wäsche, Essensdünsten, Fäulnis und Urin. Der Putz bröckelte in großen Brocken von den Wänden und zwei der vier nackten Glühbirnen die das Treppenhaus beleuchten sollten, waren kaputt. Kindergeschrei und betrunkenes Brüllen erfüllte das Treppenhaus. Der alte Meier ist heute aber wieder schwer in Fahrt, dachte er kopfschüttelnd.
Im trüben Licht kramte er seinen Schlüssel aus der Hosentasche, schloss auf und betrat sein neues Reich.
An der Wand im engen Flur hing an einem Nagel seine zweite Jacke. Ein alter Badezimmerspiegel und ein wackeliger Holztisch dienten als Garderobe. Erhellt wurde das Ganze von einer Stoffschirmlampe, die er im Sperrmüll gefunden hatte. Der rote Lampenbezug ließ den Flur wie den Eingang zu einem einschlägigen Etablissement wirken. Der Boden war ausgetreten, vergilbt und fleckig. Vom Flur gingen drei Türen ab.
Die erste führte in ein türkisfarben gefliestes Bad mit einer alten fleckigen Badewanne neben der sich die Kloschüssel befand. Trotz stundenlangem Scheuern war es ihm nicht gelungen Badewanne oder Klo in einen halbwegs sauberen Zustand zu versetzen. Die in vielen Jahren gewachsene Kalkschicht ging einfach nicht mehr weg. Auch die Wandkacheln hatten sich jedem Säuberungsversuch widersetzt. Ein alter Spiegel mit einer darunter befestigten Glasplatte, auf der ein Zahnbecher mit Bürste und Zahnpasta stand, sowie ein Rasierer mit Rasierwasser, vervollständigten die Einrichtung. Die Türe gegenüber gab den Blick in eine kleine Küche frei. Ein altes, graues Steingut Spülbecken. Einen zwei flammigen Gasherd. Einen mindestens 15 Jahre alten Kühlschrank und einen Küchentisch mit einem Stuhl davor, konnte man vom Flur aus sehen. Hinter der Tür befand sich noch ein Küchenschrank, dessen oberer Teil verglast war. Ein geblümter, löchriger Vorhang verwehrte teilweise den Blick hinein. In ihm bewahrte er seine spärlichen Kochutensilien und das Geschirr auf. Die Küche hatte einen ca. 1,5 Meter hohen gelbbraunen Ölanstrich, der obere Teil der Wände war weiß gekalkt wie die Decke.
Durch die letzte Türe am Ende des Flurs trat er jetzt in den Wohn-Schlafraum und ließ seinen Blick langsam durch das Zimmer wandern. Rechts an der Wand das alte Bett, mit dem als Nachttisch umfunktionierten Blumenhocker, auf dem sich ein Wecker und zwei Bücher den Platz streitig machten. Gegenüber an dem kleinen Giebelfenster stand der Schreibtisch bestehend aus zwei Böcken, über die er eine Pressspanplatte gelegt hatte. Vor ihm auf dem rissigen Linoleumboden lag ein alter Teppich, ausgetreten und an dem einen Ende zerschlissen. Links vom Schreibtisch hatte er sich aus Ziegelsteinen und Brettern ein Regal gebaut auf dem in tadelloser Ordnung seine Fachbücher und andere Literatur einsortiert waren. Unter dem Schreibtisch stand der Computer. Tastatur und Monitor befanden sich auf der Platte. Daneben lagen einige Fachzeitungen. Links in der Dachschräge stand ein altes Sofa und dahinter in der Ecke eine Sammlung leerer bzw. halb leerer Flaschen, meistens billiger französischer Rotwein, Weinbrand und Ouzo. Links neben der Türe stand ein ramponierter, billiger Kleiderschrank, den irgendein Vorgänger mit Fußballvereinsaufklebern verziert hatte.
Mit einem Aufseufzen warf er sich auf das Bett, die Bettdecke dabei an die Wand schiebend. Während er die altmodische vergilbte Tapete an der Dachschräge über sich musterte schossen ihm die verschiedenartigsten Gedanken durch den Kopf. Versonnen betrachtete er den Riss genau über ihm. Er verlief in Zick- Zack- Linien bis hinauf zur Decke. Nachts, wenn nur die Schreibtischlampe brannte, wirkte er zusammen mit den beiden Tapetenfetzen wie das Gesicht einer alten Frau, die auf ihn heruntersah.
Was für ein Scheißtag, dachte er. Langsam stand er auf, zündete sich mit zitternden, fieberigen Händen eine Zigarette an, griff nach einer der halbvollen Rotweinflaschen und trank sie in einem Zug leer. Schon leicht angetrunken, er hatte den Tag über kaum etwas gegessen, suchte er nach einer weiteren Flasche und ging mit ihr zum Schreibtisch. Auf dem Schreibtisch stand neben dem Monitor ein Bild. Es zeigte ihn mit seinen Kindern. War’s das jetzt Piet” sagte er zu dem Bild, stellte es mit zitternden Händen wieder hin. Der Rest des Abends versank in Alkoholnebel und Zigarettendunst.
Wie er am nächsten Morgen aus dem Bett gekommen war und wie er den Arbeitsvormittag hinter sich gebracht hatte, wusste er nicht. Benommen saß er hinter dem Schreibtisch und sah den Kollegen nach, die zum Essen davoneilten.
Ich muss hier raus, dachte er nur noch und schlurfte mit hängenden Schultern den Gang hinunter, die mitleidigen Blicke der Kollegen ignorierend.
Erst als er am Neckar entlang ging, besserte sich sein Zustand etwas und er schaute den Enten und Möwen zu, die sich im Wasser tummelten. Heute arbeite ich nicht mehr, dachte er. Ich habe für den Laden schon genug getan.
Nachdem er über die Brücke gehend sein Wohnviertel erreichte, steuerte er zielsicher die schäbige Kneipe an.

Die bekannte Unbekannte

Gulasch mit Nudeln und Salat 8,20 DM stand auf der Tafel links vom Eingang. Ausnahmsweise, dachte er, denn oft konnte er sich solche Extravaganzen nicht leisten. Außer dem Wirt war die Kneipe leer.
Das erste Bier trank er fast auf einen Zug aus und beobachtete dann gebannt, wie das Zittern seiner Hände schwächer wurde. Du bist ein Alkoholiker, schoss es ihm durch den Kopf. Plötzlich fühlte er, dass er nicht mehr allein im Schankraum war. Als er vorsichtig den Kopf drehte, sah er am Nebentisch die Frau von gestern sitzen. Die Frau mit den schönen hellbraun wirkenden Haaren und den golden strahlenden Augen. Sie beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Wieder war sie einfach, aber adrett gekleidet und hatte ein kleines Bier vor sich stehen. Ein Glücksgefühl durchschoss ihn, dass er schnell verdrängte. Was will sie? fragte er sich. Verfolgt sie mich etwa? Oder Ist sie vielleicht auch nur einsam? Sie sieht nicht sehr glücklich aus, dachte er als er sie verstohlen musterte. Soll ich sie ansprechen? Eigentlich ist es blöde, wenn wir beide allein an unseren Tischen sitzen und jeder hofft, dass der Andere den ersten Schritt wagt. Ob die mit einem so heruntergekommenen, versoffenen Typ wie mir überhaupt redet? Diese und ähnliche Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Dann fasste er sich ein Herz, beugte sich zu ihr hinüber und fragte „Möchten Sie sich nicht zu mir an den Tisch setzen, dann können wir uns etwas unterhalten. Natürlich nur wenn Sie möchten.“ Uff, geschafft, dachte er und wartete gespannt auf ihre Reaktion. Sie drehte den Kopf und musterte ihn mit ihren hellbraunen, leicht spöttisch wirkenden Augen. Unter ihrem Blick begann sich sein Magen zusammen zu ziehen und eine Wärmewelle durchströmte ihn. „Warum nicht”, meinte sie dann, nahm ihr Glas und setzte sich ihm gegenüber hin. Von dem Fenster hinter ihm fiel mehr Licht auf ihr Gesicht. „Ich heiße Peter Weber”, sagte er mit unsicherer Stimme und sah ihr dabei unverwandt in die Augen.
Nie wieder die Augen wegdrehen und keine Lügen, keine Ausflüchte, immer die Wahrheit auch wenn’s weh tut. Das hatte er sich vorgenommen.
Sie hat wunderschöne Augen, dachte er und wieder war es, als wenn er einen Stromschlag bekommen hätte, der von seinen Augen in den Bauch hinunterfloss, ihm den Atem nahm und in seinem Magen kribbelte es fast unangenehm. Sie lachte plötzlich leise auf. „Ich heiße Michaela”, sie stockte einen Moment „Koch”, sagte sie schnell, als sie seine irritierte Miene wegen ihres Zögerns bemerkte.
„Ich wohne gleich hier um die Ecke”, sprach er schnell weiter damit das Gespräch nicht abbrach. „Ich bin fast jeden Tag hier in dieser Kneipe aber Sie habe ich gestern zum ersten Mal hier gesehen”.
„Ich beobachte Sie schon länger, nur haben Sie mich nicht bemerkt, weil Sie“, sie zögerte kurz und fuhr dann mit fast scheuem Lächeln fort „nun ja, etwas abwesend waren”. Er suchte mit seinen dunkelbraunen, manchmal, vor allem wenn er traurig war, fast schwarzen Augen, den Blickkontakt mit ihr. „Das haben Sie sehr nett gesagt”, murmelte er. „Besoffen war ich, stinkbesoffen.“ Sie hatte den Blick nicht weggewendet und so konnte er beobachten, wie der leicht spöttische Ausdruck in ihren Augen verschwand und sie ihn mit warmen, fast liebevollen leuchtenden Augen ansah. Dann nickte sie langsam mit dem Kopf. „Das mag schon sein” sagte sie, „aber man konnte auch spüren, warum Sie trinken”. Verwirrt sah er sie an. Jetzt kommt’s, dachte er und begann aus Verlegenheit seine groben, von den vielen Ätzbädern, rissigen Finger zu kneten. Er trug selten Gummihandschuhe, wenn er Probeplatinen herstellte. Dabei strich er unbewusst über die Kerbe in der Haut des rechten Ringfingers, wo über zwölf Jahre lang der Ehering gesteckt hatte. Jetzt kriege ich zu hören, dass ich mich zusammenreißen, mich nicht so gehenlassen soll und dass Trinken keine Lösung sei. Er sah ihr fast trotzig in die Augen. „Ich habe gespürt, dass Sie unendlich traurig, verzweifelt, einsam und total verwirrt sind”, sagte sie dann leise „und dass Sie nur Trost, Vergessen und vielleicht auch Linderung suchen”.
Betroffen wandte er sich von ihr weg, sein Blick irrte durch den Raum, dann senkte er den Kopf und sah auf seine Hände. „Sie haben ja so recht“, sagte er und schaute ihr wieder ins Gesicht.
Nachdem sie beim Wirt ihr Essen bestellt hatten, begann er zu reden, erzählte von seiner Familie, von seinen Kindern und von den endlosen Auseinandersetzungen. Unterbrochen wurde er nur vom Wirt, der den beiden das bestellte Essen brachte. Auch während sie aßen unterbrach er seinen Redeschwall nicht. Die Worte quollen regelrecht aus ihm heraus. Einige Zeit später, sie hatten die leeren Teller längst an die Tischkante geschoben, stockte er plötzlich. „Herrje”, sagte er „jetzt habe ich Sie”; er sah auf seine Uhr; „fast eineinhalb Stunden mit meinen Problemen vollgelabert. Sie lächelte ihn an und sagte: „Das macht doch nichts und Ihnen hat es gutgetan.“ „Ich werde jetzt ruhig sein”, sagte er und sah sie an. „Jetzt erzählen Sie ein bisschen von sich, von mir wissen Sie ja jetzt schon einiges.“ Er sah sie an.
Sie senkte ihre Augen vor sich auf den Tisch und betrachtete dann ihre Hände. In dieser Zeit, in der sie anscheinend nach einem Anfang suchte, konnte er ungeniert ihr Gesicht betrachten. Sie hatte ein schmales, am Kinn anmutig geschwungenes Gesicht. Braune Augen hatte sie, die in Ausdruck und Farbe je nach Stimmung wechseln konnten. mal golden hell, mal dunkel Braun.
Jedes Mal, wenn sich ihre Augen trafen, durchzuckte es ihn. Ob sie auch etwas empfindet, fragte er sich und musterte sie weiter.
Die Augenbrauen zogen sich in einem leichten Winkel über ihr Gesicht. Von der Nase her schräg nach oben und dann in einem schwachen Bogen nach außen. Die Augenbrauen sind fast so dunkel wie ihr Haar, dachte er. Wahrscheinlich ist ihr Haar nicht gefärbt. Ihre Haare hatte sie nach hinten gekämmt und dort mit einem Kamm zusammengesteckt. Dies verlieh ihr einen etwas strengen Ausdruck, betonte aber auch ihr schönes ovales Gesicht. Die Nase war schmal, aber nicht zu schmal und gerade. Die Lippen passten sich mit ihrem Schwung perfekt in das Gesicht ein und hatten eine zart rote Farbe.
Eine sehr schöne, und offensichtlich ebenfalls einsame Frau, dachte er und wartete darauf, dass sie von sich zu erzählen begann.
Peter erinnerte sich jetzt, dass er sie schon mehrmals auf der Hauptstraße gesehen hatte.
Sie bog immer eine Straße weiter ab als er. In dieser Straße gab es nur Werkstätten und Fabrikhallen.
Das einzige Wohnhaus stand ganz am Ende der Straße, eine Villa. Er war ein paar Mal vor dem Zaun gestanden und hatte das große Haus bewundert. Gelbe Fassade, hohe, helle Fenster, runde Ecktürme und eine gepflegte Einfahrt, die bis zum Hauseingang reichte. Das Haus mochte etwa 80 bis 100 Jahre alt sein. Eine richtige hochherrschaftliche Villa mit einem fast parkähnlichen Grundstück drum herum. Weber Bau und Immobilien Gesellschaft stand auf einem goldenen Schild an der rechten Tor-Säule.
„Mein Mann ist vor zwei Jahren tödlich verunglückt“, sagte sie und starrte weiter ihre Finger an. „Seitdem bin ich allein und versuche mein Leben zu meistern.“ Ihr Blick streifte im Lokal umher und er spürte ihre Trauer. Er schluckt und konnte fühlen, dass sie jetzt nicht mehr von sich erzählen wollte.
„Das ist schlimm“, murmelte er betroffen und sah sie mit einem mitfühlenden Blick an.
Arbeiten Sie in der Villa Weber?”, fragte er und sah ihr dabei wieder mit festem Blick in die Augen.
„Ich bin dort so eine Art Mädchen für alles”, sagte sie und senkte wiederum ihren Blick. „Ich musste diese Arbeit nehmen, denn ich habe keinen Beruf gelernt”. Sie sah plötzlich auf ihre Uhr und stieß einen Seufzer aus. „Ich muss gehen, es ist schon nach 15 Uhr. Wenn ich zu spät komme, kriege ich Ärger.“ Sie legte 15 DM auf den Tisch und bat: “Würden Sie bitte für mich bezahlen, dann kann ich schnell gehen.“ „Selbstverständlich“, antwortete er und stand auf, um ihr in den Mantel zu helfen. Dabei stieß er in seiner Hast den Stuhl um und wäre fast über ihn gestolpert. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht und sie ließ sich bereitwillig von ihm in ihren Mantel helfen. Blitzschnell hatte er während ihres hastigen Aufbruches ihre schlanke, mädchenhafte Figur registriert. Er stellte auch erstaunt fest, dass sie für eine Frau groß war. Sie war nur knapp einen halben Kopf kleiner als er und er war immerhin fast einsneunzig groß. „Werden wir uns wiedersehen?”, fragte er sie leise. „Vielleicht morgen hier in der Kneipe?‘‘ Bittend sah er sie an. „Ich mache morgen um zwei Uhr Schluss und bin um halb drei hier”. Sie sah ihn nur an, sagte aber nichts, drehte sich um und ging.
Er sah ihr nach, wie sie mit schnellen Schritten das Lokal verließ. Mann oh Mann, was für eine Frau, dachte er und sah dann nachdenklich sein halbleeres Bierglas an. Erst das zweite, dachte er und trank es langsam aus. Er winkte dem Wirt mit seinem Geldbeutel. „Kein Bier mehr?“, fragte dieser und lächelte dann verständnisvoll. „Nein danke”, sagte Piet. Piet nannten ihn seine Freunde. Er zahlte die gemeinsame Zeche.
Mit schwungvollen, fröhlichen Schritten ging er nach Hause.

Zu Hause im Elend

In seiner Wohnung angekommen, warf er sich erst mal auf sein Sofa und dachte nach. Träumerisch grübelnd versank er in Zukunftsvisionen, die alle Michaela als Mittelpunkt hatten. Irgendwann tastete er nach der Weinflasche, die neben dem Sofa stand und trank einen gewaltigen Schluck. Er war in Gedanken so mit Michaela beschäftigt, dass er sogar sein Hobby, die Börse mit ihren Aktien, Kursbewegungen und seinem fiktiven Spekulieren vergaß. Seit etwa sieben Jahren beschäftigte er sich mit Aktienkursen, Finanzgeschäften und Geldspekulationen. Als einzigen Luxus leistete er sich zwei Fachzeitschriften für Börsen- und Finanzmakler. Inzwischen kannte er den Markt sehr gut. Erstaunt hatte er gemerkt, dass er mit fast schlafwandlerischer Sicherheit Kursverläufe vorhersagen konnte. Er hatte sich den Spaß gemacht und mit einer fiktiven Million spekuliert. Dies hatte er vor vier Jahren angefangen und nach seiner jetzigen Schätzung besäße er jetzt ungefähr vierzig bis sechzig Millionen Dollar. Plötzlich wachte er aus seinen Träumereien auf und wurde sich der Flasche bewusst.
Angewidert betrachtete er die Flasche, stand dann entschlossen auf, ging in die Küche und -leerte den Wein ins Spülbecken. „Nun ist Schluss“, sprach er laut mit sich. „Ich muss es jetzt packen, jetzt oder nie”. Systematisch ging er durch die Zimmer und sammelte alle Flaschen ein. Die leeren stellte er neben dem Küchenschrank auf den Boden. Die anderen entleerte er ins Spülbecken. Eine halbe Flasche Weinbrand, ein Rest Ouzo und mehrere Reste Rotwein verschwanden gurgelnd. Die leeren Flaschen räumte er dann zu den anderen.
Anschließend zündete er sich im Wohnzimmer eine Zigarette an und schaltete den Computer ein. Stundenlang beschäftigte er sich mit seinem geliebten Börsenprogramm. Eine Verbesserung des Rechenteils des Programms hatte er sich vorgenommen. Er war ein sehr guter Programmierer und hatte das ganze Programm selbst entwickelt. „Einen Internet-Anschluss müsste man haben“, seufzte er „und dann direkt an die verschiedenen Börsen, das wär’s“. Er speicherte das verbesserte Programm ab, beendete Windows und schaltete dann den Computer aus. In Gedanken versunken, hangelte er mit der Linken nach einer Flasche. Als er ins Leere griff, fiel ihm seine vorherige Aktion wieder ein. „Auch gut”, murmelte er, „dann eben nicht.“
Während er sich auszog um ins Bett zu gehen, begann er immer stärker fiebrig zu zittern. Ein dumpfer, drückender Schmerz strahlte von seinem Magen aus, seine Stirn war heiß. Schnell schlüpfte er unter die Decke und wickelte sich eng ein. Nachdem er sich lange hin und her gewälzt hatte, versank er endlich in einen unruhigen Schlaf.
Mitten in der Nacht schreckte er schweißgebadet hoch. Sein Gesicht glühte, stechende Schmerzen in der Brust, der Kopf dröhnte zum Zerplatzen. Aufstöhnend torkelte er auf die Beine. Irgendwo steht bestimmt noch eine, zuckte es ihm durch sein vernebeltes Gehirn. Mit großem Getöse begann er die Wohnung zu durchsuchen. Bücher flogen auf den Boden, in der Küche lag bald das Geschirr verstreut, aber er fand nichts. Vor Enttäuschung warf er sich weinend aufs Bett. Der Rest der Nacht war für ihn die Hölle. Als endlich der Morgen dämmerte, war er erleichtert. So kann ich unmöglich ins Büro gehen, dachte er, während er sich im Spiegel betrachtete. Hohlwangig, unrasiert, blutunterlaufene, fiebrige Augen. Ein fremder Mann glotzte ihn aus dem Spiegel entgegen. Im Bad stank es entsetzlich nach Erbrochenem. Er erinnerte sich jetzt dunkel, dass er sich in der Nacht mehrmals mit letzter Kraft aufs Klo geschleppt hatte. Obwohl er sich schwach und wackelig fühlte und zudem hohes Fieber hatte, stieg er in die Wanne und duschte. In dieser Hinsicht war er eisern. Der Tag begann mit einer Dusche und endet mit einer Dusche.
Anschließend ging er in die Küche, stieg achtlos über das Chaos auf dem Boden und stellte einen Topf mit Wasser auf. Jetzt einen Kaffee, dachte er und suchte nach einer Tasse. Seine Hände zitterten so stark, dass es ihm erst mit dem dritten Anlauf gelang, den Löffel mit dem Kaffeepulver in die Tasse zu bringen. Er goss das heiße Wasser in die Tasse, wobei er sich die Hälfte über die Beine leerte. Laut fluchend führte er die Tasse zum Mund. Ein Teil des Kaffees landete ebenfalls auf dem Boden, so stark zitterten seine Hände.
Als die heiße Flüssigkeit seinen Magen erreichte, hatte er das Gefühl eine Bombe explodiere in ihm. Schnell rannte er ins Bad. Sein Magen schien sich hoch zu wölben und dann erbrach er sich ins Waschbecken, wobei er sich den Kopf heftig am Wasserhahn anschlug. Blut tropfte auf die braune Flüssigkeit, die er von sich gegeben hatte. Langsam beruhigte er sich wieder und richtete sich schwer atmend auf. Schnell öffnete er den Wasserhahn und spülte das Erbrochene hinunter.
Ich muss telefonieren, dachte er und machte sich auf den Weg ins Wohnschlafzimmer, während er sich ein Taschentuch, welches auf der Glasplatte gelegen hatte, auf die Stirn drückte. Hastig wühlte er nach einer Hose und einem Pullover. Wo ist die Telefonkarte, fragte er sich und eilte in den Gang. Er zog die Jacke an und suchte nach seinem Geldbeutel. Schließlich hatte er ihn gefunden und wühlte mit zitternden Fingern in den Fächern. Endlich, hinter dem Büchereiausweis steckte sie. Hoffentlich ist noch was drauf. Er steckte den Schlüssel ein und verließ die Wohnung. Vorsichtig schlich er die Treppe hinab, wobei er zweimal fast hinuntergefallen wäre. Er wollte möglichst keinem Hausbewohner begegnen, denn er sah furchtbar aus. Die Haustür klemmte natürlich wieder mal und ließ sich nur lautstark öffnen. Aufatmend betrat er die Gasse und ging in Richtung Hauptstraße, wo gleich an der Ecke zwei Telefonhäuschen standen. Schnell öffnete er die Zelle und wählte die Geschäftsnummer. Während er auf die Verbindung wartete, sah er die Straße entlang und erstarrte.
Keine dreißig Meter entfernt ging Michaela und zwar genau auf ihn zu.
Schnell drehte er sich um. Sie war die letzte, die ihn in diesem Zustand sehen sollte. Aber es war schon zu spät. Sie hatte ihn erkannt, kam auf die Zelle zu und blieb stehen. Am Telefon meldete sich jetzt seine Sekretärin und er meldete sich stotternd. „Hier Weber, ich möchte nur durchgeben, dass ich krank bin und heute nicht komme.“ Schwer atmend ließ er den Hörer sinken und vernahm aus der Ferne die guten Besserungswünsche. Scheinheiliges Gesindel, dachte er. Ich weiß genau, was ihr jetzt denkt.

Am Boden, aber es geht aufwärts

Michaela stand immer noch wartend vor der Zelle und es blieb ihm nichts übrig, als hinaus zu gehen. Zögernd drehte er sich um und öffnete die Tür. Mit vor Schrecken weit aufgerissenen Augen sah sie ihn entsetzt an. „Wie sehen Sie denn aus“, rief sie, „Was ist denn passiert?“ „Ich kämpfe gegen mein Fieber”, antwortete er und dabei sind mir einige Missgeschicke passiert.
Entschlossen trat sie auf ihn zu. Mit der Hand berührte sie seine Stirn und sagte: „Hohes Fieber haben Sie. Sie gehören ins Bett”. Sie packte ihn am Arm. „Ich bringe Sie nach Hause.“ Um Gottes Willen, nur das nicht, durchzuckte es ihn und er sagte schnell das ist nicht nötig, ich komme schon allein zurecht. „Keine Widerrede!” Sie sah ihn streng und entschlossen an, nahm seinen Arm und führte ihn. Sie spürte, dass er am ganzen Körper zitterte und total am Ende war. Mit Mühe öffnete sie die Haustür und geleitete ihn die Treppe hinauf. Während er in allen Taschen nach dem Hausschlüssel suchte, schaute sie sich um. Um Himmels Willen ist das ein schäbiges Loch. Er hatte inzwischen die Suche nach dem Schlüssel aufgegeben, trat neben die Tür und schlug mit dem Schuh unten genau zwischen Tür und Rahmen. Knackend ging die Tür auf. „Das hat mich schon ein paarmal gerettet”, meinte er und trat ein. „Oh, verdammt stinkt‘s hier“, sagte er und versuchte in Richtung Wohnzimmer zu gehen. Dabei stolperte er über ein auf dem Boden liegendes Kleidungsstück, krachte mit dem Kopf gegen den Wohnzimmertürrahmen und sank auf den Boden. Erst sah er helle Lichtblitze, alles begann sich zu drehen, dann wurde alles schwarz. Er war bewusstlos.
Vor Schreck wie gelähmt stand sie an der Eingangstür. Jetzt gab sie sich einen Ruck und eilte schnell zu ihm hin. Er lag halb auf der Seite, seine Augen waren geschlossen und auf seiner Stirn bildete sich direkt neben der Wunde vom Wasserhahn eine bläuliche Beule. Sofort ging sie ins Bad, sah sich erst mal entsetzt um, nahm dann den Waschlappen, ließ das kalte Wasser laufen und eilte mit dem nassen Lappen zurück. Dann zog sie ihm die Jacke aus, griff von hinten unter seine Arme und schleppte ihn zum Bett. Als sie ihn aufs Bett zog, sah sie, dass sowohl Pullover als auch die Hose dreckig waren. Runter mit dem Zeug, dachte sie und zog ihm den Pullover aus. Nachdem sie in halb aufs Bett gewuchtet hatte, öffnete sie den Gürtel der Hose, öffnete auch den Hosenknopf und den Reißverschluss. Sie zog heftig an den Hosenbeinen, die Hose glitt herunter und sie stellte fest, dass er jetzt vollkommen nackt war. „Egal“, dachte sie. Deckte ihn zu und platzierte den Waschlappen auf der Beule.
Mit fassungsloser Miene inspizierte sie die Wohnung. Mitleid überflutete sie. Was hat sich hier heute Nacht abgespielt, flüsterte sie leise vor sich hin. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass er im Bett sicher lag, begann sie die Wohnung aufzuräumen. Teller und Töpfe in den Schrank, die herumliegenden Wäscheteile in eine Plastiktüte und die Bücher wieder aufs Regal. Dabei musterte sie erstaunt seine vielen Bücher über Börse und Finanzmarketing. Ein Ingenieur, der sich mit Börse und Finanzen beschäftigt, dachte sie erstaunt.
Hinter ihr stöhnte er leise. Sofort ging sie hin und versuchte ihn festzuhalten, denn er wälzte sich hin und her und wäre beinahe aus dem Bett gefallen. Sie überlegte fieberhaft und dachte dann, es hilft nichts, ich lege mich einfach dazu. Sie stand schnell auf und zog sich, während sie ihn beobachtete, aus. Nur mit einem dünnen, weißen Slip bekleidet, sie trug meistens keinen BH, schlüpfte sie unter die Decke und nahm ihn in den Arm. Auf der Stelle wurde er ruhiger, drehte sich zu ihr hin und sie spürte seinen Arm, der sich auf ihren Bauch legte. Seine Hand berührte ihre Taille und blieb dort liegen. Forschend musterte sie ihn, aber er war wirklich noch bewusstlos. Die Stellung, in der sie jetzt lag, war unbequem. Sie hob daher seinen Kopf vorsichtig an und schob ihren rechten Arm darunter. Er lag nun mit der Wange auf ihrer Schulter, seine Nase berührte fast ihre rechte Brust. Aus den Augenwinkeln konnte sie jetzt einen Teil seines Gesichts sehen. Behutsam, fast zärtlich wischte sie die wirren braunen Haare von seiner Stirn. Dann legte sie den Waschlappen, der bei ihrer Umbettungsaktion heruntergerutscht war, wieder auf die Beule. Sieht schon viel besser aus, dachte sie und betrachtete ihn weiter. Er hatte eine hohe Stirn mit feinen quer verlaufenden Falten. Die strahlenförmig von seinen Augenwinkeln wegführenden Lachfältchen wiesen ihn als einen gern lachenden Mann aus. Die Nase war gerade und gut proportioniert. Die dünne Kerbe im oberen Teil des Nasenrückens sagte ihr, dass er häufig eine Brille trug. Komisch, sinnierte sie, mit Brille habe ich ihn noch nie gesehen. Vom Mund konnte sie nur die Oberlippe sehen, aber von gestern her wusste sie, dass er einen gut geformten Mund hatte.
Warum tue ich das eigentlich? Lege mich zu einem wildfremden Mann nackt ins Bett. Ihre Gedanken schweiften weiter. Schon das erste Mal als ich ihn vor der Kneipe sah, hatte es eingeschlagen wie ein Blitz. Nur wegen ihm bin ich in diese schreckliche Spelunke gegangen. Ich habe mich in ihn verliebt, wie ein Teenager. Mit allem Drum und Dran. Schmetterlinge im Bauch und Tagträume und nun liege ich neben ihm in seinem Bett. Liebe auf den ersten Blick gibt es also doch. Wenn mich jetzt meine Leute sehen könnten. Sie musste kichern. Denen würden die Augen aus dem Kopf fallen. Bei ihren Angestellten und dem Hauspersonal galt sie als männerfeindlich, da sie bisher allen Verehrern, die es nach dem Tode ihres Mannes bei ihr versucht hatten, die kalte Schulter gezeigt hatte. Eisberg, oder eiserne Lady nannten sie viele aus dem Bekanntenkreis hinter ihrem Rücken. Sie sind alle nur hinter meinem Geld her, dachte sie. Mich nehmen sie als notwendige Dreingabe in Kauf und dafür bin ich mir zu schade. Wenn ich nur an Heiner diesen widerlichen Kotzbrocken denke. Wie er das Haus taxiert hat. Ins Gesicht hat er mir nicht gesehen aber auf meinen Busen. Ganz lüstern hat er ausgesehen. Er wollte tatsächlich wissen, was die Firma abwirft und was sie wert ist.
Oder Helmut, der war fast noch schlimmer. Der hat mich kaum angesehen. Der hatte nur Geld im Kopf.
Sie sah den neben ihr liegenden Peter an und strich ihm zärtlich über den Kopf. Sie grübelte weiter. Er weiß nichts von meinem Geld, er denkt ich bin eine Hausangestellte, ein Zimmermädchen oder etwas Ähnliches. Er hat mich wegen mir als Mensch, als Frau angesprochen und ich glaube, er mag mich.
Während sie weiter ihren Gedanken nachhing, wurde Peter immer unruhiger. Er kommt zu sich, dachte sie und beobachtete ihn. Unruhig bewegte er sich. Seine Hand an ihrer Taille bewegte sich und dann wurde er plötzlich ganz starr. Langsam öffnete er seine Augen und sah direkt vor sich, wie in Großaufnahme einen wunderschönen Busen. Er kniff die Augen zusammen und öffnete sie dann wieder. Ungläubig sah er ihre Brust an, dann wanderte der Blick weiter nach oben. Um ihr in die Augen schauen zu können, musste er den Kopf etwas drehen, was er mühsam tat. „Hallo“, sagte sie und lächelte ihn an. „Wieder unter den Lebenden? Wie geht es dir? Hast du Schmerzen?”. Sie duzte ihn jetzt, da sie es komisch fand, mit einem nackten Mann, selbst fast nackt, im Bett zu liegen und Sie zu sagen. Er sah sie fast eine Minute lang an. Seine dunklen Augen schienen in ihren zu versinken. Dann öffnete er den Mund und flüsterte ganz leise. „Ich bin gestorben, ich bin im Himmel”. Sie stieß ein helles Lachen aus und sagte während sie ihn mit dem rechten Arm ganz fest an sich heranzog, „Quatsch! Du bist hier in deiner Wohnung, in deinem Bett. Das einzige was neu ist, ich liege auch drin.“
Sie merkte, wie er sich entspannte und sich fest an sie schmiegte. Dann versuchte er seinen Arm, der immer noch quer über ihrem Bauch lag, wegzuziehen. „Lass ihn ruhig dort wo er ist”, sagte sie schnell, denn sie genoss es, diesen warmen Körper zu spüren. Er lag jetzt halb auf ihr. Sein rechtes Bein lag zwischen ihren Schenkeln. Sie konnte seinen Penis auf ihrem Schenkel spüren. Seine Schulter hatte er herumgedreht, so dass seine rechte Brustseite auf ihrem rechten Busen lag. Den Arm, der an ihrer Taille lag, zog er langsam nach oben und schlang ihn um ihren Hals, so dass ihr Kopf auf seinen Händen ruhte. Bei dieser Armbewegung streifte sein Unterarm ihre linke Brust, glitt über ihre Brustwarze. Es war als streichelte er sie. So unabsichtlich diese Berührung auch war, durchzuckte sie ein herrliches, fast lustvolles Gefühl als sich die Brustwarze aufrichtete und hart wurde. Oh Gott wie schön, dachte sie und schlang ihre Arme fest um ihn. Er zittert immer noch, dachte sie und hielt ihn fest. Fast eine Stunde lang lagen sie unbeweglich aneinandergeschmiegt. Sie streichelte seinen Kopf, glitt mit ihren Fingern bis zu seinem Hals hinunter und fuhr dann ganz zart wieder hinauf. Er genießt das, dachte sie freudig und streichelte ihn weiter.
Nach einer weiteren halben Stunde wurde sie unruhig. Er merkte es sofort. „Was ist los?“, fragte er, „habe ich etwas falsch gemacht?” und sah sie fast ängstlich an.
Ach, ist er lieb. Ich muss aufs Klo, und er hat Angst, ich könnte weggehen. Ich werde mich beeilen, damit er keinen Unsinn macht.
„Quatsch! ich muss nur mal aufs Klo”. Sie stand auf und verschwand durch die Tür. Er hörte es plätschern und lächelte. Sie hat nicht mal die Tür zugemacht, dachte er.
Phasen der Ruhe, in denen er seine Umwelt wahrnahm, wechselten mit Zuständen, in denen er unruhig war, in Fieberschüben um sich schlug und völlig die Orientierung verlor. Im Moment war er in einem ruhigen, fast normalen Zustand, nur seine Stirn glühte nach wie vor.
Unvermittelt stand sie wieder vor dem Bett. Bewundernd betrachtete er sie wie sie lächelnd vor ihm stand. Sie hatte eine tolle Figur. Feste hochsitzende, spitze Brüste mit rosigen Spitzen, eine schmale Taille, schön geschwungene schmale Hüften und schlanke; lange Beine. Sie spürte seinen bewundernden Blick und blieb eine Weile stehen um ihm Zeit zu geben.
Das habe ich noch für keinen Mann gemacht, mich so hingestellt. Nach einigen Sekunden sagte er „Komm wieder ins Bett, aber zieh den Slip aus. Ich bin im Nachteil, denn ich habe nichts an.“ Er lächelte sie dabei so entwaffnend an, dass sie lachen musste. Dann streifte sie sich den Slip langsam ab. Sie sah ihn dabei unverwandt an und registrierte seine Bewunderung. Sie stand nackt vor ihm. Ihr Schamhaar bestand aus einem schmalen Streifen dunkler Haare. Er konnte deutlich ihre rosigen Schamlippen sehen. Wow, dachte er. Was für eine Frau. Er hob die Decke hoch damit sie darunter schlüpfen konnte. Sie legte sich in der gleichen Stellung auf ihn, wie er vorher auf ihr gelegen hatte. Er konnte ihr Schamhaar spüren, dass sich jetzt gegen seinen Schenkel presste. Sie schlang die Arme um seinen Hals und schmiegte sich an ihn. Ihre Wange lag an seiner und sie spürte seine Hände, die ihre Haare und ihren Nacken streichelten. Wohlige Schauer durchrieselten sie und sie genoss die Berührung. Nach einiger Zeit spürte sie wie seine Hände langsam ihren Rücken streichelten. Ganz sachte glitten seine rauen Finger über ihren Rücken, über das Schulterblatt und dann ganz behutsam und zart die Wirbelsäule hinunter. Wie Feuer durchrann es sie. Sie spürte, wie sie auf dem ganzen Rücken eine Gänsehaut bekam. Ein feines Prickeln ging von seinen Fingerspitzen aus und sie bemerkte, dass sie sexuell höchst erregt war. Sie war feucht und total verwirrt.
Er bemerkte von ihrem Zustand nichts. In seinen Schmerzen und Fieberträume versunken, döste er vor sich hin. Das sie kurz vor einem Orgasmus stand und ihn heftig an sich presste entging ihm vollständig.
Lange Zeit blieben sie so liegen. Er in der verzweifelten Hoffnung, die Schmerzen würden endlich nachlassen. Sie in einem Sturm heftiger Gefühle, die sein Streicheln bei ihr auslöste.
Er hat magische Hände, dachte sie während sie seine Berührungen genoss. Wellen von warmem Feuer pulsten ihren Rücken entlang und explodierten in ihrem Kopf. Das gibt’s doch nicht, durchfuhr es sie, während sie sich unter seinen streichelnden Händen räkelte.
Am Rande einer Ohnmacht hatte er nur den einen Gedanken, sie solle bei mir bleiben. Mehr nahm er von seiner Umgebung nicht wahr.
Die Wärmewellen, die ihren Körper durchströmten, wurden immer intensiver. Ein Feuer schien sich in ihrem Schoß auszubreiten und sich impulsartig in ihrem Körper auszubreiten. In ihrem Kopf zuckten grelle, farbige Lichter. Sie hatte das Gefühl zu explodieren. Immer schneller, immer intensiver durchraste es sie. Er hatte nur das Bedürfnis, sie festzuhalten und sie dankbar zu streicheln. Mit leisem Zittern fuhr seine Hand wieder ihr Rückrad hinunter. Fast erstaunt, registrierte er wie sich ihr Körper plötzlich durchbog. Wie eine Feder gespannt lag sie in seinen Armen und stieß ein kehliges immer lauter werdendes Stöhnen aus.
„Was ist denn los?”, fragte er beunruhigt. Aber er bekam keine Antwort. Sie lag nach Atem ringend auf ihm und lauschte in ihren Körper. Heiße Wellen stiegen von ihrem Schoß auf. Sie bekam kaum mehr Luft, während sie Welle auf Welle überflutete. Heftig drückte sie sich an ihn. Ihre feuchte Scham hinterließ auf seinem Schenkel eine nasse Spur.
Inzwischen hatte er verstanden, was mit ihr passiert war. Liebevoll nahm er sie trotz seines schmerzenden, dröhnenden Kopfes in die Arme und streichelte sie. Langsam beruhigte sich ihr Atem. Ein ungeheures Wärmegefühl durchdrang sie. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Sie genoss weiter sein Streicheln, während ihr Körper sich entspannte.
„War es schön?”, hörte sie ihn fragen, während sie spürte wie sich seine Lippen ihrem Mund näherten. Zuerst spürte sie nur seine Zunge, die vorsichtig, fast zaghaft ihre Lippen streichelte. Dann glitt seine Zunge in ihren Mund und sie presste in einer Gefühlswallung ihren Mund auf seinen. Ihre Zunge stieß wie eine Lanze in seinen Mund. „Willst du mich vergewaltigen?”, fragte er sie leise, während er sie vorsichtig wegschob.
Dann begann er sie wieder zu küssen. Vorsichtig drang er mit seiner Zunge in Ihren Mund ein. Streichelte Ihre Lippen, den Innenraum ihres Mundes und berührte schließlich ganz zart ihre Zungenspitze. Wie kleine elektrische Schläge peitschten Empfindungen durch sie. Vorsichtig bewegte sie ihre Zunge und begann ihn ebenfalls zu streicheln. Fast zwei Minuten küssten sie sich auf diese empfindsame, zärtliche Art. Dann löste sie sich schwer atmend, legte ihren Kopf auf seine Brust und sagte mit bebender Stimme. „So hat mich noch niemand geküsst. Ich habe das Küssen eigentlich nie gemocht, aber jetzt, jetzt war es wundervoll.“ Wieder lagen ihre Lippen auf seinen und das entdeckende Spiel der Zungen fand seine Fortsetzung.
Nach einer Zeit der Entspannung begann er wieder unruhiger zu werden. Das Zittern wurde stärker und er wand sich zeitweise wieder im Fieberwahn. Verzweifelt hielt sie ihn fest, versuchte ihn zu beruhigen, schrie ihn an, beschimpfte ihn und küsste ihn.
So verging der ganze Freitag. In einer seiner ruhigen Phasen holte sie ihr Handy aus ihrer Handtasche und rief schnell Zuhause an. „Alles in Ordnung“, gab sie der Haushälterin zu verstehen. „Ich werde vermutlich das ganze Wochenende weg sein. Machen sie sich um mich keine Sorgen”. Bevor die besorgte Frau weitere Fragen stellen konnte, legte sie schnell auf. Das Handy verschwand wieder in der inneren Reißverschlusstasche und sie schaute besorgt zu ihm hin.
Er begann im Halbschlaf im Bett nach ihr zu suchen. Hastig legte sie sich wieder zu ihm und nahm ihn in den Arm. So verging die Nacht.
Am Samstagmorgen war er so erschöpft, dass er regungslos dalag. Aber er atmete regelmäßig, wenn auch schwach. Diese Ruhephase nutzte sie. Hastig schlüpfte sie in ihre Jeans und das Sweat Shirt und ging schnell in den Supermarkt an der Ecke. In fliegender Hast kaufte sie Brötchen, Butter, Wurst, Käse, Eier und vor allem einige Fertigkonserven, sowie mehrere Packungen Suppe. Ein Netz Orangen und einige Bananen vervollständigten ihren Einkauf. Schnell eilte sie zurück.
In der Wohnung angekommen, ging sie sofort ins Wohnzimmer. Er saß mit glasigen Augen im Bett, starrte zwar in ihre Richtung, nahm sie jedoch nicht wahr. Seine Hände strichen suchend über die Decke und er lallte immer wieder nur „Wo bist du?“ Sie stellte die Tüte mit den Einkäufen in die Ecke, zog sich aus und legte sich zu ihm und nahm ihn in ihre Arme. Augenblicklich besserte sich sein Zustand, er atmete wieder ruhiger, das Zittern wurde schwächer. Mein Gott, dachte sie, wie er mich braucht. Zärtlich streichelte sie ihm über den Kopf. Er lag jetzt ganz still, eng an sie geschmiegt. So verging der Morgen. Einmal stand sie auf, er lag gerade ruhig und entspannt da, ging in die Küche und machte sich eine Kanne Kaffee. Nebenher kochte sie eine der Fertigsuppen und schlug noch zwei Eier hinein. Sie trug den Küchentisch ins Wohnzimmer und stellte ihn neben das Bett. Die Suppe füllte sie in eine Thermoskanne, die sie in der Küche gefunden hatte. Die Brötchen, Butter, zwei Tassen und die Kaffeekanne kamen ebenfalls auf den Tisch. Sie richtete ihn in Sitzposition auf und flößte ihm langsam und geduldig Schluck für Schluck von der Suppe ein. Sie hatte sie zu diesem Zweck in eine Tasse gefüllt, denn füttern mit dem Löffel war sinnlos. Selber trank sie zwei Tassen Kaffee und verschlang gierig zwei Brötchen mit Butter und Käse. Sie merkte erst jetzt, dass sie sehr hungrig war. Seit gestern Morgen hatte sie nichts gegessen und er auch nicht.
Nachdem sie ihm eine Tasse Suppe eingeflößt hatte, ließ sie ihn zurücksinken und legte sich neben ihn. Sofort kuschelte er sich an sie, schloss die Augen und schlief ein.
Mit Grauen dachte sie an die vergangene Nacht. Gegen ein Uhr war er wieder sehr unruhig geworden. Dann war er aus dem Bett gesprungen, obwohl sie versucht hatte, ihn festzuhalten. „Ich muss aufs Klo“, hatte er geschrien und rannte ins Bad. Er hatte Durchfall. Es stank entsetzlich und ihr wurde fast übel. Er saß zusammengekrümmt auf der Kloschüssel und sie wusste, ohne mich kommt er da nicht mehr weg. Wie ein Baby reinigte sie ihn. Als sie fertig war und sich aufrichtete, sah er sie wie ein waidwundes Reh an. Tränen liefen über seine Wangen, dann sackte er wieder zusammen. Wut packte sie und sie schrie ihn an, er solle jetzt gefälligst aufstehen.
Vom Klo aus hatte sie ihn einfach in die Badewanne gesetzt und gründlich abgeduscht. Teilnahmslos hatte er alles über sich ergehen lassen. Dann war ihr der Gedanke gekommen, dass ein heißes Bad gar nicht so schlecht wäre. Sie hatte die Wanne gründlich ausgespült und dann heißes Wasser eingelassen. Sie kicherte in Gedanken, denn zu Anfang war das Wasser zu heiß gewesen und er hatte kläglich protestiert. Im Badschrank fand sie dann noch eine Flasche mit einem Rest Badeschaum und so wurde es ein herrliches Schaumbad. Als genügend Wasser in der Wanne war, setzte sie sich hinter ihm in die Wanne. Er saß zwischen ihren Beinen und lehnte mit dem Rücken gegen ihre Brust. Seinen Kopf hatte er auf ihre Schulter gelegt. So hatten sie fast eine halbe Stunde lang gesessen und sie hatte gespürt, wie gut ihm die Wärme tut. Fast zu gut, dachte sie und lächelte wieder. Als sie ihm nämlich aus der Wanne helfen wollte, rutschte er verlegen herum. In ihrer Erinnerung kicherte sie jetzt laut. Sie hatte, um ihm zu helfen, den Arm um seinen Bauch gelegt und gespürt, dass er eine Erektion hatte. Er hatte sie verlegen angesehen und gesagt „Ich kann nichts dafür. Ich kann’s nicht steuern.“
Resolut hatte sie ihn aus der Wanne geholt, ohne mit einem Wort auf seinen Zustand einzugehen. Sie trocknete ihn von oben bis unten ab, auch sein knochenhartes Glied. Später, im Bett versuchte er sich so hinzulegen, dass sie von seiner Erektion nichts spürte. Sie aber hatte ihn einfach in eine bequeme Lage gedreht, obwohl jetzt sein steifes Glied gegen ihren Oberschenkel drückte.
Dem Himmel sei Dank, dass diese Nacht vorüber ist, dachte sie und schlang beide Arme um ihn. Er war jetzt ganz ruhig und entspannt. Sein Zittern war viel schwächer geworden. Ganz leicht und zärtlich streichelte sie seinen Rücken und seinen Kopf. „Oh Peter“, flüsterte sie. „wie geht’s weiter. Schaffen wir beide es?“ Mit diesen Gedanken im Sinn schlief sie ein. Etwa zwei Stunden später schlug Peter die Augen auf. Er sah vor sich das Haar von Michaela. Langsam richtete er seinen Oberkörper auf und drehte sich vorsichtig von ihr herunter. Während er die schlafende Frau betrachtete, versuchte er sich zu erinnern. Ein Blick zur Uhr, die auf dem Schreibtisch stand, sagte ihm, dass es Nachmittag war. Zehn nach Drei. Aber welcher Tag? Vorsichtig stand er auf und ging zuerst zur Toilette. Dann sah er sich um. Sie hat aufgeräumt und saubergemacht, dachte er auf dem Weg zum Bett. Michaela lag auf dem Rücken, bis zum Bauchnabel aufgedeckt. Die Haare umgaben ihren Kopf wie ein leuchtendes hellbraun goldenes Gespinst. Sie ist wunderschön, fuhr es im durch den Sinn und ich liebe sie. Leise legte er sich neben sie. Er merkte, dass er total fertig war. Das bisschen Aufstehen hatte ihn sehr angestrengt. Behutsam schob er seinen Arm unter ihren Nacken, fasste mit der linken nach ihrer Hüfte und drehte sie zu sich herum. Leicht wie eine Feder folgte sie dem Zug seiner Hände und lag bald fest an ihn gepresst, den Kopf an seiner Schulter. Eine warme, glückliche Empfindung durchströmte ihn. Er zog die Decke hoch bis zu ihren Schultern und blieb dann regungslos liegen.
Das nächste Mal als er aufwachte war sie auch wach. Sie hob den Kopf, sah ihn lange an und sagte „Hallo“, und er antwortet „Hallo Michaela”. Sie legte ihren Kopf auf seine Brust und zeichnete mit ihren Finger Figuren auf seine Haut. Es kribbelte und kitzelte. Na warte, dachte er und begann zart ihren Rücken zu streicheln. Nach einer Weile stemmte sie sich hoch, rutschte auf ihn drauf bis ihr Gesicht direkt vor seinem lag. Sie kam immer näher. Er hatte das Gefühl, in diesen großen, jetzt intensiv braungoldenen Augen zu versinken. Dann berührten ihre Lippen seine Lippen und sie begann ihn ganz sanft zu küssen. Ihre Zunge streichelte die Innenseite seiner Lippen. Dann bewegte sie sich weiter und traf auf seine Zungenspitze. Wie ein schwacher Stromschlag durchfuhr es ihn und an ihrem Zucken merkte er, dass auch sie es gespürt hatte. Lange erkundeten beide wieder die empfindsamen Stellen des Anderen.
Atemlos nach Luft schnappend gingen sie auseinander und lagen nun Wange an Wange. Nach einer ganzen Weile erhob sich Michaela langsam, zog sich an und ging in die Küche. „Ich mache uns etwas zu Essen“, rief sie durch die Tür.

Besserung

Peter blieb im Bett liegen. Er hob seine Hände vors Gesicht und beobachtete seine Finger. „Schon viel ruhiger”, meinte er leise und die Schmerzen in Kopf und Bauch sind auch nicht mehr so schlimm. Langsam schaute er sich im Zimmer um. „Mensch ist das eine Bruchbude. Wie habe ich es die ganze Zeit hier ausgehalten?“ Michaela, die unbemerkt hereingekommen war, hatte den letzten Teil seiner Worte mitbekommen. „Ich glaube ein vom Alkohol benebeltes Auge sieht alles in einem rosigen Licht“, meinte sie und lächelte ihn liebevoll an. „Da ist was dran.” Er schaute sie nachdenklich an. „Das werde ich so schnell es geht ändern. Hier muss gründlich renoviert werden, Wände, Türen, Decken einfach alles.“
Michaela ging zum Tisch, der immer noch neben dem Bett stand und setzte das Tablett ab. „Jetzt wollen wir zuerst etwas essen. Ich habe dir noch eine Suppe gekocht, außerdem gib es Brot mit Wurst und Käse”. Die nächste halbe Stunde waren sie mit dem Essen beschäftigt, wobei Michaela ihm eifrig Brote schmierte.
Hinterher ließ sich Peter aufstöhnend nach hinten sinken. Sofort fuhr Michaela herum und musterte ihn besorgt. Er winkte beruhigend ab. „Ich habe nur zu viel gegessen und wahrscheinlich auch zu schnell. Das ist mein Magen nicht gewöhnt.“
Er blieb liegen während sie das Tablett mit den Essensresten in die Küche trug. Er hörte wie sie aufräumte und anschließend das Geschirr spülte. Als sie fertig war, kam sie wieder herein und setzte sich zu ihm aufs Bett. „Wie wär’s mit einem kleinen Abendspaziergang?“, fragte sie ihn. „Für deinen Kreislauf wäre das sicher gut und da es dunkel ist fallen wir auch nicht weiter auf”. Peter nickte und stand auf. Sie zogen sich beide an, nahmen Mantel bzw. Jacke von dem Nagel und verließen die Wohnung. „Moment”, rief Michaela, ging noch einmal zurück und öffnete alle Fenster. Dann gingen sie in Richtung Neckar, um dort auf dem Uferweg spazieren zu gehen. Fast zwei Stunden waren sie unterwegs, Arm in Arm. An besonders dunklen Stellen blieben sie kichernd stehen und küssten sich lange. Gegen halb neun waren sie wieder in der Wohnung, die jetzt zwar kalt war, aber nicht mehr stank.
„Ich glaube, ich lege mich jetzt wieder hin“, meinte Peter. „Es hat mich doch ziemlich angestrengt.“ Sie musterte ihn und sah, dass seine Haut eine gesunde Farbe bekommen hatte. Zwar war sein Gesicht noch eingefallen, aber seine Augen hatten den trüben matten Ausdruck verloren. Er schaute sie mit klaren, glänzenden, allerdings müden Augen an. Sie nickte. „Ich mache noch schnell das Bett”, sagte sie und machte sich an die Arbeit. Peter beobachtete sie dabei. Also Zimmermädchen ist sie mit Sicherheit nicht, dachte er. Vom Betten machen hat sie keine Ahnung.
Als Michaela den Kampf mit dem Bettzeug beendet hatte, zog er sich aus und schlüpfte unter die Decke. „Komm schnell rein hier ist es wunderbar warm”, rief er ihr zu.
„Eigentlich geht es dir ja wieder ganz gut und da könnte ich mich mal wieder zu Hause blicken lassen”, meinte sie nachdenklich. Als sie aber seinen entsetzten, fast panischen Blick sah, änderte sie sofort ihre Absicht. Erleichtert lehnte er sich zurück und sah ihr zu, wie sie sich auszog. Sie bemerkte seine Blicke und meinte lachend. „Du bist ein richtiger kleiner Voyeur. Schaust du eigentlich gern nackte Frauen an?“ „Wenn sie so schön sind wie du, immer”, meinte er schelmisch. „Ich finde, dass der weibliche Körper zu den schönsten Schöpfungen der Natur zählt”.
Schnell kroch sie zu ihm unter die Decke und kuschelte sich eng an ihn. Sie sprachen noch miteinander, aber sie merkte an seiner Stimme, dass er immer müder wurde. Dann schlief er mitten im Satz ein. Sie genoss die Wärme, die er ausstrahlte und begann zu überlegen. Dass sie ihm nicht ihren richtigen Namen genannt hatte, würde er als Täuschung ansehen. Noch schlimmer war, dass er sie für arm hielt. Diese Unwahrheit würde er ihr nie verzeihen, hatte er doch von den Reichen eine etwas ambivalente, eher negative Meinung. Verdammt noch Mal dachte sie, hoffentlich geht der Schuss nicht hinten raus. Sie grübelte weiter hin und her bis sie vom Schlaf übermannt wurde.
Am nächsten Morgen, es war Sonntag, wachten sie fast gleichzeitig auf. Peter reckte und streckte sich, beugte sich zu Michaela hinunter und küsste sie vollends wach. „Ich fühle mich schon um etliches besser”, meinte er und erhob sich aus dem Bett. Sie hörte ihn in der Küche klappern, er machte das Frühstück. Kaffeegeruch zog durch die Wohnung, auch den Geruch frisch aufgebackener Brötchen nahm sie wahr. Dann kam er mit dem Tablett und sagte: „Das Frühstück, Gnädige Frau” und begann den Tisch zu decken. Ihr heftiges Zusammenzucken bemerkte er nicht. Erschreckt musterte sie Peter, aber der war beschäftigt. Innerlich atmete sie auf, wusste aber, dass das Problem im Raum stand. Vielleicht warte ich noch etwas damit bis wir uns besser kennen und sich unsere Beziehung gefestigt hat, dachte sie bei sich.
Das Frühstück war herrlich, sie hatten beide großen Hunger. Danach ließen sich beide aufs Bett zurücksinken, sie hatten vorher auf der Bettkante gesessen. Er nahm sie in den Arm und fragte: „Hast du eigentlich Kinder?”. „Nein, ich habe keine Kinder”, antwortete sie. „Ich soll keine Kinder bekommen”, sprach sie weiter. „Mein Becken ist zu schmal. Man könnte das Kind nur mit einem Kaiserschnitt herausholen”. Sie machte eine Pause. „Das wäre nicht das Problem, aber ich habe dazu noch eine Allergie gegen alle bekannten Betäubungsmittel. Eine Operation wäre für mich lebensgefährlich”. Sie schwieg und sah ihn traurig an.
Spontan zog er sie fester an sich und küsste sie auf den Mund. „Dann passen wir ja gut zusammen”, meinte er. Michaela sah ihn fragend an. „Vor sieben Jahren hatte ich einen Autounfall bei dem ich am Unterleib, genauer an den Hoden, schwer verletzt wurde. Seitdem kann ich keine Kinder mehr zeugen, ich bin zeugungsunfähig.“ „Stimmt das wirklich?“, fragte sie ungläubig, als sie darauf seine verletzte Miene sah, drückte sie ihm sofort einen Kuss auf die Wange. „Entschuldige”, bat sie. „Bitte entschuldige vielmals”. Er zog sie wieder fest an sich. „Ist schon gut! Aber es ist schon ein toller Zufall in all dem Unglück. „Jetzt ist mir um vieles leichter.” Sie schlang die Arme fest um ihn und küsste ihn wieder, aber diesmal richtig.
Nach einer Weile drehte er sie beide um, so dass er jetzt oben lag. Langsam löste er seine Lippen von ihrem Mund und fuhr mit ihnen ihre Wangen entlang bis zum Ohr. Mit der Zunge streichelte er ihre Ohrmuschel und dann das Ohrläppchen. Sie hatte ihre Hände in seinen Haaren vergraben und wühlte leidenschaftlich in ihnen. Mit Lippen und Zunge fuhr er jetzt ihren Hals hinunter. Auf ihrer Haut bildete sich eine feine Gänsehaut. Immer weiter nach unten gleitend, erreichte er den Ansatz ihrer rechten Brust und umkreiste sie mit der Zunge. Die Kreise wurden immer enger, er hatte schon den rosigen Warzenhof erreicht und sie begann lauter zu atmen. Als er die harte aufgerichtete Brustwarze ganz vorsichtig zwischen die Lippen nahm, stöhnte sie auf. Zärtlich streichelte er sie mit der Zunge, indem er diese um sie kreisen ließ. Dann wanderte sein Mund zur anderen Brust hinüber und das Spiel begann von vorne. Sie versuchte ihn auch zu streicheln, aber mit einem leisen „später”, rutschte er weiter nach unten. Seine Zunge streichelte ihren Nabel, stieß spielerisch hinein und glitt dann weiter nach unten. Zart fuhr er mit dem Mund ihre Leiste entlang und dann das rechte Bein hinunter bis zu den Zehen. Auf der Innenseite wanderte er nach oben. Seine Lippen liebkosten die weiche Haut auf der Innenseite ihres Oberschenkels. Sie atmete laut und stoßartig, ihre Hände krallten sich in sein Haar. Auf seinem Weg zum anderen Bein streifte er fast ihr Schamhaar. Dann machte er mit dem anderen Bein das gleiche. Als er wieder am Oberschenkel angekommen war, fuhr er die Leiste hinauf, was ihr ein lustvolles Stöhnen entlockte. Vorsichtig und langsam strich er jetzt mit seinen Lippen über ihr Schamhaar. Er berührte sie kaum und doch stöhnte sie laut auf und genoss die kaum spürbare Berührung. Ein langes lautes, fast schmerzhaft klingendes Stöhnen verkündete ihren Orgasmus, der so heftig war, dass sie ihn hochhob. Langsam glitt er wieder nach oben und liebkoste ihre Brüste und Brustwarzen. Sie war kaum zu Atem gekommen, als seine Lippen wieder über ihren Körper glitten. Ihr ganzer Körper zuckte, als er mit der Zunge ihre Scham erreichte und zwischen den weichen Lippen ihren Lustpunkt streichelte. Sie packte ihn fast schmerzhaft an den Haaren und schrie „Komm, komm endlich”, und dann versank für beide die Umwelt. Ein unendliches Wärmegefühl durchflutete sie und sie klammerte sich noch fester an ihn. „Oh Peter, Liebling”, flüsterte sie nach etwa zwanzig Minuten, die sie eng umschlungen dagelegen hatten. „Das war mein erster, richtiger Orgasmus.“ Sie legte ihre Lippen auf seinen Mund und küsste ihn lange.
Eine gute Stunde lagen sie so aufeinander. Dann löste er sich von ihr, griff zu dem Handtuch, dass er zu diesem Zweck neben das Bett gelegt hatte, und wischte sie beide ab. „Du denkst auch an alles“, bemerkte sie staunend, ließ ihn aber gewähren.
Eine halbe Stunde später begann er sie wieder zu streicheln. Seine Hände waren überall, nach kurzer Zeit war sie wieder hoch erregt. Gerade als er sich auf die Reise nach unten machen wollte, hielt sie ihn fest. „Jetzt bin ich dran”, sagte sie und ließ ihren Mund langsam auf seiner Brust nach unten gleiten bis sie seine Erektion erreichte und sanft massierte.
Fast bis zum Mittag lagen sie zusammen im Bett, küssten und streichelten sich. Ab und zu schlief Peter für kurze Zeit ein. Es wird noch eine ganze Weile dauern bis er wieder fit ist, dachte Michaela.
Später standen sie auf und zogen sich an. „Komm, zur Feier des Tages gehen wir essen“, sagte Peter. Sie strahlte ihn an und nickte. „Aber nicht in die Kneipe, sondern in ein gutes Lokal”.
Arm in Arm wanderten sie am Neckar entlang, gingen über eine der Brücken und betraten ein kleines gemütliches Lokal.
Das Essen war vorzüglich und sie gingen hinterher langsam und auf Umwegen wieder zu seiner Wohnung zurück.

Börse

Der Rest des Sonntags verlief harmonisch und gemütlich. Michaela legte sich auf das alte Sofa und sah ihm zu, wie er sich auf seine Arbeit einstimmte.
Sie wurde aufmerksam, als er den Computer einschaltete. Sie stand auf und stellte sich hinter ihn. „Das ist mein Lieblingsspielzeug”, erklärte er. „Ein Börsenmakler Programm.“ Stolz führte er ihr das Programm vor und ließ Tabellen und Namen über den Bildschirm flitzen. „Man kann damit alles machen, um genau wie an einer Börse zu arbeiten. Ich habe es selbst geschrieben und verbessere es ständig“, meinte er stolz.
„Wusstest du, dass das Wort Börse aus den Niederlanden kommt. Dort trafen sich im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert die Kaufleute der Stadt Brügge vor dem Haus des Patriziers van der Beurse und schlossen dort ihre Geschäfte ab. Alle Männer erklären gerne, dachte Michaela, lächelte und strich ihm über die Haare. „Im Ernst”, fuhr er lebhaft fort. „Ich habe ein Gespür für die Kurse. Ich träume vom Kapitalmarkt. Hätte ich vor fünf Jahren nur zehntausend Mark gehabt, dann wäre ich jetzt Multimillionär.“ Aufmerksam musterte sie ihn. „Wie das denn?“ Er suchte nach einem bestimmten Ordner. „Ich zeige es dir.” Peter schlug den Ordner auf, suchte einen Umschlag heraus und legte den Inhalt auf den Tisch. „Hier sind drei Börsenberichte. Einer vom Mittwoch, einer vom Freitag und der hier ist vom Mittwoch der darauffolgenden Woche.“ Er zeigte ihr das Datum des ersten. 18. 04. 1985. „Das Datum kann ich mir gut merken, das ist mein Geburtstag”. Er legte den Zeitungsausschnitt auf den Tisch. „Siehst du den rot unterstrichenen Namen. Estrak AG“, las sie und er erklärte ihr die Zahlen. „Die Aktie stand auf 49,50“, sagte er. „Und jetzt schau.“ Er nahm den zweiten Ausschnitt, wo die gleiche Firma unterstrichen war. „Hier steht sie schon auf 68,50.“ Sie musterte die Zahl. Er griff zum dritten Bericht. „Hier ist sie auf 147,22”. Er legte ihr den Zettel hin. „Dann ist sie”, sie rechnete kurz, „fast 3-Mal so viel wert wie vor einer Woche. Jetzt verstehe ich, was du meinst. Aber woher weiß ich, ob du nicht mogelst?“ Beleidigt sah er sie an. „Ich kann es beweisen. Zu dieser Zeit spielte ich mit dem Gedanken, den Beruf zu wechseln, weil mich die Arbeit so nervte. Daher habe ich am gleichen Tag einen Brief an mich selbst aufgegeben.“ Er gab ihr den Brief, der auch auf dem Tisch lag. „Du siehst, die Marke klebt auf der falschen Seite genau auf dem Klebeverschluss. Wenn man den Brief geöffnet hätte, dann wäre die Marke beschädigt.“ Sie nickte zustimmend. „Schau auf das Datum des Stempels”, forderte er sie auf. „18. 04. 1985“, las Michaela vor. „Öffne ihn“, forderte er sie auf. Sie zögerte. „Mach schon“, sagte er noch mal. Michaela öffnete den Brief und nahm den Bogen heraus. Sie las: „Hätte ich Geld übrig, dann würde ich Estrak AG Aktien kaufen, so viel ich könnte. Estrak wird in kurzer Zeit gewaltig steigen. Wahrscheinlich auf den 2 bis 3-fachen Wert. Unterschrift Peter Weber.“ Ungläubig sah sie ihn an. „Woher hast du das gewusst?”. Er zuckte mit den Achseln. „Ich weiß es nicht. Manchmal wenn ich die Kurse studiere, fällt mein Blick auf einen Namen und dann weiß ich plötzlich, dass sie fallen oder steigen wird. Oft weiß ich sogar, ob es eine starke Veränderung sein wird. Ich habe hier noch sieben oder acht weitere Beispiele im Ordner. Willst du sie sehen? Alle sind ebenfalls mit einem Brief wie diesem abgesichert.“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich glaube dir auch so. Das ist ja unglaublich.“ Er nahm die Freitagszeitung und schlug den Börsenteil auf. Plötzlich stutzte er und sagte dann: „Hier haben wir auch so einen Fall.“ Er zeigte auf einen Namen in der Tabelle und strich ihn an. „Diese Aktie wird nächste Woche unglaublich steigen, mindestens um das zwei- bis drei-fache, vielleicht sogar noch mehr. Man müsste gleich morgen zuschlagen”, murmelte er mit geschlossenen Augen. „Es wird sehr schnell gehen.“
„Aber weg mit dem Finanzkram, das ist eh nur etwas für Leute, die schon Geld haben.“ Peter setzte sich mit ihr auf das Sofa und sie unterhielten sich über alles Mögliche, zwischendurch gab es immer wieder einen langen Kuss.
Gegen Abend schliefen sie nochmals miteinander und gaben sich alles, was sie geben konnten. Glücklich lagen sie hinterher zusammen und redeten bis weit nach Mitternacht.
Der Montagmorgen brachte die erste Trennung seit drei Tagen. Beim Frühstück planten sie die Woche. Jeden Tag um halb vier wollten sie sich in der Kneipe, in der alles begann, treffen. „Halt, am Mittwoch geht es nicht, da haben wir mittags Teamsitzung.“ „Das ist schade”, meinte Michaela, dann treffen wir uns eben abends.” „Kriegst du denn keinen Ärger, wenn du nachts wegbleibst?“. „Nein, ab sechs habe ich in der Regel frei.“ „Den Rest können wir heute Mittag besprechen. Jetzt musst du dich aber beeilen, sonst kommst du zu spät. Nimm den Reserveschlüssel mit und schließ ab”, rief er schon die Treppe hinuntereilend.
Kopfschüttelnd sah sie ihm nach. Schnell nach Hause, dachte sie. Ich muss sehen wie ich alles auf die Reihe kriege. Sie zog ihren Mantel an, ging kontrollierend durch alle Zimmer und schloss dann die Eingangstür ab.

Missverständnisse

Während Michaela nachdenklich in Richtung der Villa Weber ging, schlenderte Peter vergnügt pfeifend am Neckar entlang und betrat bald die Firma. Schon der Pförtner registrierte seine Veränderung. Auch seinen Arbeitskollegen erkannten schnell, dass er seine Krise offenbar überwunden hatte. Kollegin Müller, die hübsche Systemanalytikerin, mit der er sich gut verstand, musterte ihn prüfend. „Du scheinst ja endlich über den Berg zu sein. Ich freue mich für dich”, meinte sie und lächelte ihn erleichtert an. „Ist es eine Frau?”, fragte sie mit echt weiblicher Intuition. Er nickte nur und meinte: „Das letzte Wochenende war sehr turbulent. Aber jetzt geht’s mir wieder ganz gut.“
Pfeifend betrat Peter sein Vorzimmer, begrüßte seine Sekretärin mit einem überraschenden Kuss auf die Wange und ging in sein Büro. „Simone, ich mache ab heute immer um 14 Uhr Schluss. Sorgen Sie bitte dafür, dass meine Termine entsprechend gelegt werden”, rief er gutgelaunt aus seinem Büro herüber. Simone ging erstaunt zu ihm ins Büro und musterte ihn eindringlich. Dann lächelte sie und sagte „Gott sei’s Dank, Sie sind verliebt. Jetzt ist mir alles klar. Das ist das Beste, was ihnen in ihrer Situation passieren konnte. Ich freue mich für Sie, die letzten Wochen waren wirklich furchtbar.“ Erleichtert drehte sie sich herum und ging wieder hinaus. Das mit den Terminen kriegen wir schon hin, dachte sie. Er hat für die Firma wirklich schon genug getan. Jetzt ist er mal dran.
Schaudernd erinnerte sie sich an die letzten Wochen. Begonnen hatte es damit, dass er immer länger arbeitete. Morgens, wenn sie kam, saß er schon an seinem Schreibtisch oder war im Labor. Abends verließ er die Firma immer später. Schließlich schlief er sogar in seinem Büro auf der Entspannungsliege. Unrasiert und ungewaschen, mit blutunterlaufenen Augen traf sie ihn morgens an. Zwei große Projekte, an deren Lösung die Gruppe schier verzweifelte, löste er in einer Nacht auf geniale Weise. Dann begann er zu trinken und es ging rasend schnell bergab mit ihm. Nur seine hervorragende Arbeit und der Respekt, den alle ihm zollten, verhinderten eine Kündigung, wussten doch alle über die Hintergründe seines Elends Bescheid. Gott sei’s Dank, dachte sie noch einmal. Er scheint es überstanden zu haben.
Pünktlich war er in der Kneipe und sah dort Michaela schon sitzen. Mit einem Kuss auf den Mund begrüßte ihn Michaela. Es entging ihnen der erstaunte Blick des Wirts. Als beide ein Apfelschorle und das Tagesessen bestellten, wuchs seine Verwunderung, aber er sagte nichts.
Nach dem Essen gingen sie spazieren, fanden eine versteckt liegende Bank und ließen sich dort nieder. Sie küssten sich wie ein verliebtes Teenagerpaar und lachten andauernd.
Gegen 15 Uhr begleitete er sie bis zu der Stelle, an der die schmale Gasse zu seiner Wohnung abzweigte. Er wollte sie weiter begleiten, aber sie bat, es nicht zu tun. „Wegen dem Gerede” sagte sie. „Ich muss das erst genauer ausloten.“ „Na gut“, meinte er gut gelaunt, gab ihr einen Kuss auf die Nase und sagte: „Bis heute Abend. Ich warte auf dich.“ Der Abend verlief harmonisch und friedlich. Wie zwei alte Eheleute saßen sie Händchen haltend vor dem Fernseher und schliefen danach mit einander.

Mittwoch, Kaffeepause. Peter saß beim Gruppenleiter Dr. Wenzel, mit dem er per du war. „Wir müssen die Teamsitzung verschieben, ich muss zum Aufsichtsrat. Peter, könntest du es den Kollegen mitteilen, ich bin gleich weg.“ „In Ordnung Heinrich, ich gehe gleich rüber”. Toll, da wird Michaela sich aber freuen, dachte er und ging ins Labor.

Um 14 Uhr verließ er die Firma und eilte heim. Dann machte er sich auf den Weg zur Villa Weber. Er hörte von hinten einen Wagen kommen und trat schnell auf die Seite hinter einen Baum. Ein dunkler Mercedes fuhr vorbei und hielt vor der Villa. Der Chauffeur sprang heraus und öffnete die hintere Tür. Michaela stieg aus dem Wagen. „Brauchen Sie mich noch gnädige Frau?” fragte er. Vom Haus schallte im gleichen Moment eine Frauenstimme. „Frau Weber, Frau Weber, Telefon.“
Peter stand starr da. „Gnädige Frau, Frau Weber“, stammelte er und starrte auf die Szene. Dann drehte er auf dem Absatz um. Gnädige Frau, Frau Weber hallte es mit Paukenschlägen in seinem Kopf. Er rannte los, stieß Passanten um, rannte endlich die Treppe zu seiner Wohnung hinauf und verschloss hinter sich die Tür. Den Schlüssel ließ er innen stecken. Peter torkelte ins Wohnzimmer und stieß einen lauten, schmerzvollen Schrei aus. Laut fluchte er und warf sich aufs Bett. Traurig senkte er dann den Kopf. Tränen rannen ihm über das Gesicht. „Sie hat mich angelogen, hat mit mir gespielt, hat mich benutzt”, stammelte er in einem fort. Verzweifelt warf er sich aufs Bett, seine Schultern zuckten unter den Tränen.
Michaela hatte aus den Augenwinkeln die Bewegung bemerkt. Totenbleich wurde ihr Gesicht als sie ihren Geliebten davonrennen sah. „Um Gottes Willen”, schrie sie und rannte hinter ihm her. Die Hausangestellten schauten ihr fassungslos nach.
Auch sie schob rücksichtslos Passanten beiseite und erreichte schnell die Tür zu seiner Wohnung. Mit zitternden Händen versuchte sie aufzuschließen, während sie Peter drinnen hörte, aber der Schlüssel steckte von innen. Endlich fiel ihr der Trick ein, mit dem Peter die Tür geöffnet hatte. Sie ruinierte zwar ihren Schuh, aber die Tür sprang auf.
Schnell ging sie ins Wohnzimmer und starrte auf das Bild, dass sich ihr bot. Der weinende Mann auf dem Bett, und das tränennasse Kissen.
Er schien ihre Anwesenheit zu bemerken, denn plötzlich fuhr er hoch. „Hat es dir Spaß gemacht”, schrie er sie zornig an. „War es schön, einen traurigen, kranken Mann zu hintergehen, mit ihm zu spielen?“ Seine Stimme brach und er krächzte nur noch. Immer schlimmere Beschimpfungen warf er ihr flüsternd an den Kopf. Am furchtbarsten aber waren seine Augen. Hell funkelten sie vor Verachtung, regelrechte Flammenblitze schlugen ihr entgegen. Die Wirkung seines Blickes war so groß, dass sie bis zur Tür zurücktaumelte. Dann rutschte sie mit tränenüberströmtem Gesicht zu Boden. „Ich wollte es dir ja sagen”, schrie sie mit brechender Stimme. „Aber es ging einfach nicht”. Schmerzvoll schluchzend saß sie auf dem Boden. Er lag mit zuckenden Schultern auf dem Bett.
Es hilft alles nichts, dachte sie, raffte sich auf stürzte zum Bett und berührte vorsichtig seine Schulter. „Bist du immer noch da”, schrie er sie an. „Mach, dass du fortkommst. Ich will dich nicht mehr sehen.”
Die helle Wut packte sie. Mit einem Satz war sie auf ihm, zog ihn herum, und schlug ihm mit dem Mut der Verzweiflung, voller Wucht drei, vier Mal, links und rechts ins Gesicht. „Hör mir wenigstens einmal zu”, keuchte Michaela „und urteile danach. Gib mir eine Chance.“ Er war jetzt plötzlich ganz ruhig. „In Ordnung, aber überzeuge mich sonst begehe ich gleich einen Mord”. In seinen Augen glomm ein gefährliches Feuer.
Es sprudelte förmlich aus ihr heraus. Sie erzählte im von den verschiedenen Verehrern, die alle nur ihr Geld und ihre Firma im Sinn hatten. Von den vielen Fehlversuchen, die alle an der Gier auf das Vermögen ihres verstorbenen Mannes gescheitert waren. Sie schilderte ihre Gefühle, als sie ihn kennenlernte, der von ihrem Geld nichts wusste. Laut aufweinend sank sie dann auf ihn herab. Ihr ganzer Körper wurde von ihrem Schluchzen geschüttelt.
Dann bemerkte sie, dass sich seine Hand plötzlich zart durch ihr Haar bewegte. Er schlucke mehrmals mühsam. Seine Stimme war rau und zitterte. „Warum hast du mir das nicht gleich erzählt. Warum diese Lügen?“ „Am Anfang hatte ich Angst und später hatte ich noch mehr Angst”, war ihre auf den ersten Blick unlogische Antwort. Aber er verstand.
Er schluckte mehrmals mühsam, nahm sie dann aber fest in seine Arme. „Mach das nie wieder”, sagte er mit Tränen erstickter Stimme. „Nie wieder”. Sie sank auf sein gerötetes, tränenüberströmtes Gesicht. „Ich habe einen schrecklichen Fehler begangen aber ich habe daraus gelernt. Nie wieder sollen sich Lügen zwischen uns stellen.” Erleichtert presste sie sich an ihn. Still verharrten sie und langsam begann sich die alte Vertrautheit wiederaufzubauen.

Aussprache

Michaela richtete sich auf und sah sich um. „Komm, steh auf.” Sie zog Peter hoch und führte ihn ins Bad. Mit dem Waschlappen säuberte sie sein Gesicht. Auf der Stirn hatte er eine, zum Glück unbedeutende Platzwunde, die schon nicht mehr blutete. Danach gingen sie wieder ins Wohnzimmer und Michaela begann schweigend das tränenfeuchte Bett abzuziehen. Als sie es frisch beziehen wollte, nahm er ihr das Bettzeug, das sie aus dem Schrank genommen hatte, aus der Hand. „Gib her,” sagte er leise. „Ich kann das besser” und bezog geschickt und schnell das Bett. Beschämt sah sie ihm zu. Als er fertig war, ging er wortlos ins Bad, stellte sich in die Wanne und duschte. Er wäscht sich alles ab, dachte Michaela und stieg zu ihm in die Wanne. Peter hängte den Duschkopf in die Halterung und nahm sie in den Arm. Eng umschlungen standen sie eine ganze Weile unter dem heißen Wasserstrahl. Der Boden um die Wanne stand inzwischen unter Wasser, aber es kümmerte sie nicht. Dann begann er sie mit dem seifenbedeckten Waschlappen zu waschen. Systematisch, vom Kopf bis zu den Zehen. Nicht die kleinste Stelle ließ er aus. Mit geschlossenen Augen stand sie da und ließ ihn gewähren. Er wäscht mich rein. Er nimmt mir die Schuld, dachte sie und Tränen rollten über ihre Wangen.
Nachdem er sie gründlich eingeseift hatte, nahm Peter den Duschkopf und duschte sie ebenso gründlich ab. Dann legte er die Arme um sie und küsste sie mit einer Intensität, dass sie ganz schwach wurde. Er hob sie aus der Wanne, trocknete erst sie und dann sich ab und trug sie zum Bett. Willenlos, wie eine Puppe, ließ Michaela alles mit sich geschehen. Erst auf dem Bett, als er sie mit aller Leidenschaft zu der er fähig war, streichelte, erwachte sie wieder. Mit ineinander verschlungenen Gliedmaßen lagen sie auf dem Bett und beide streichelten sich ohne jedes Tabu. In einer Woge aus Leidenschaft vereinigten sie sich und ihr lustvolles Stöhnen erfüllte das Zimmer.
Michaela lag auf ihm, er war tief in ihr drin und strich ihr, wie er es immer hinterher zu tun pflegte, mit beiden Händen über Rücken und Pobacken. Peter wusste, dass sie das sehr mochte. Nach einer geraumen Weile hob Michaela den Kopf und sah ihn an. Dann presste sie ihr Becken fest gegen ihn und schob ihre Beine so unter seine, dass sie ihn regelrecht gefesselt hatte. Irritiert sah er sie an. „Willst du mich fesseln?“ „Ja“, sagte sie. „Damit du mir nicht mehr davonläufst. Ich muss dir nämlich noch etwas beichten.“ „Oh bitte nicht“, stöhnte er. „Keine weiteren Erschütterungen meiner gepeinigten Seele.“ Er verdrehte in gespieltem Entsetzen die Augen. „Schieß los, mich kann heute nichts mehr erschüttern.“ „Am Montag bin ich zuerst zu Tom gegangen, meinem Anwalt. Ihn habe ich gebeten, bei der Deutschen Bank ein Geschäftskonto auf die Partner Michaela und Peter Weber einzurichten. Dann bat ich ihn, Henry, unseren Anlageberater, zu rufen. Als dieser da war, wollte ich von ihm wissen, wie hoch mein Barvermögen momentan ist. 1,2 Millionen sind im Moment auf dem Geschäftskonto, erfuhr ich. Ich bat ihn, dieses Geld komplett auf unser neues Konto zu überweisen. Ich verlangte von ihm, dass er alles in Bewegung setzen solle um möglichst schnell so viel Aktien von dieser Firma zu kaufen, die du mir neulich gezeigt hast. Henry wehrte sich mit Händen und Füßen. Er hat geschrien, ich solle lieber das schöne Geld gleich zum Fenster hinauswerfen als es in eine so marode Firma zu investieren. Ich habe zurück geschrien, dass es mein Geld ist und dass ich damit machen kann was ich will. Dann habe ich ihnen von dir erzählt, dass ich dich liebe und dass es dein Rat war, diese Aktien zu kaufen. Schließlich fügten sie sich. Henry hat alle Hebel in Bewegung gesetzt und drei Stunde später hatten wir für das ganze Geld die Aktien gekauft. Sie haben noch gefragt, ob sie denn meinen Supermann mal kennenlernen dürften und ich habe ihnen geantwortet, dass du der Mann bist, den ich liebe. Sicher werdet ihr ihn kennenlernen.
Heute Mittag, als du mich beobachtet hast, kam ich von ihnen und sie waren sehr kleinlaut. Die Aktien, die du empfohlen hast waren inzwischen auf das 3,6 fache ihres Wertes gestiegen und ich habe angeordnet alles wieder zu verkaufen. Wenn alles erledigt ist, wird der Betrag von 1,2 Millionen wieder auf mein Geschäftskonto zurück überwiesen. Ich nehme an, dass das inzwischen geschehen ist.“ Er war ihrer Schilderung atemlos gefolgt. „Du bist wahnsinnig Mädchen“, lachte er dann. „Wie kannst du nur so viel riskieren?” Sie antwortete: „Du hast mich von deinen Fähigkeiten überzeugt und so habe ich zum ersten Mal in meinem Leben selbständig etwas gemacht. Ich bin eigentlich stolz auf mich.” Meine Güte, auf diesem Partnerkonto müssen etwa 3 Millionen liegen, rechnete er. Nach Steuerabzug bleiben dann noch 1,5 bis 1,7 übrig und total risikoloses Geld. „Du bist mir also nicht böse?“ Sie sah ihn ängstlich forschend an. „Wieso, es war doch dein Geld. Mit deinem Geld kannst du machen was du willst.“ „Ich freue mich über dein Vertrauen.” Er zog sie zu sich herunter und küsste sie lang und intensiv. Dem ersten Kuss folgte ein zweiter und dann waren sie wieder mitten in ihrem Liebesspiel. Diesmal war sie der aktive Teil. Er lag auf dem Rücken und genoss ihre Hände und das streicheln ihres Mundes. Als sich Michaela auf ihn setzte, versanken Zimmer und Umwelt für die beiden.
Nach etwa einer Stunde sagte Peter plötzlich: „Und wie geht es nun weiter?“ Sie sah auf ihre Uhr. „Herrje, ich habe Tom und Henry versprochen noch heute mit dir zu ihnen zu kommen.“ „Dann wollen wir uns mal anziehen.” Peter sprang aus dem Bett und suchte nach seinen Kleidern während sie sich anzog.
„Wie setzt sich deine Firma eigentlich zusammen?“
„Der Hauptteil, etwa 90% sind Immobilien. Die Bauabteilung ist inzwischen nur noch für Renovierungen und kleinere Umbauten zuständig. Ein Teil der Immobilien ist vermietet oder verpachtet, mit dem Rest handeln wir.” „Peter”, sie stutzte, sah ihn an und fragte: „Sag mal, hast du nicht einen Kosenamen? Peter klingt so formell.“ „Meine Freunde nannten mich Piet”, er sah wehmütig in die Ferne. „Aber jetzt habe ich keine Freunde mehr”. Er senkte den Kopf. Michaela legte schnell ihre Arme um ihn. „Du wirst neue Freunde finden, und du hast ja mich.“ „Wie nennen denn dich deine Freunde?“ „Die meisten sagen Michi zu mir”. Leise sagte er „Michi, das klingt schön, so werde ich dich jetzt auch nennen.“ „Piet“, sagte sie und er zuckte zusammen. Schon zu lange hatte er dieses Wort nicht mehr gehört. „Ich möchte nicht, dass du in dieser Wohnung bleibst. Lass uns das Wichtigste zusammenpacken und Kurt soll es dann abholen.“ „Wer ist Kurt?“ wollte er wissen. „Kurt ist mein Fahrer, du hast ihn vorhin gesehen.”
„Ruf ihn an. Inzwischen packen wir“, sagte er nur und begann seinen Computer abzubauen. „Der kommt natürlich mit, da ist mein gesammeltes Wissen drauf.“ Nach zwanzig Minuten hatte er alles in Kartons verpackt, die von seinem Einzug noch da waren. Er trug alles eigenhändig nach unten. Vor dem Haus parkte der schwarzer Mercedes. Der Fahrer, Kurt, stieg aus, öffnete den Kofferraum und sie luden alles ein, was er mitnahm. Zwanzig Minuten später betraten sie die Villa.

Die Villa

Michaela stellte ihn den Hausangestellten als ihren Lebensgefährten vor. Er gab allen nacheinander die Hand. Da war Frau Manini, eine temperamentvolle Endvierzigerin, die Haushälterin und Köchin. Dann Carola, das Zimmermädchen, Nichte von Frau Manini, und Kurt, der auf den seltenen Nachnamen Müller hörte und die Funktion eines Fahrers und Gärtners innehatte.
Nach der Vorstellung gingen sie in den ersten Stock, wo Michaelas Räume lagen.
Während sie die Treppe hinaufstiegen, musterte Peter verstohlen die Umgebung.
Alles gediegen und schrecklich unpersönlich, war sein Gedanke. Schwere dunkle Möbel, überall weißes Porzellan, kostbare, alte Teppiche und jede Menge Ölgemälde an der Wand. Wie ein Museum wirkte das Ganze und es fehlten nur noch die Ritterrüstungen und das Hausgespenst.
Wie kann man hier leben, dachte er entsetzt. Arme Michaela, wie muss sie hier gelitten haben. In einem der Räume, in die er kurz hineinsehen konnte, sah er Hirschgeweihe und andere Jagdtrophäen an der Wand hängen, ein richtiges Herrenzimmer, dunkel, muffig und mit vom Rauch ungezählter Abende vergilbter Tapeten.
Michaelas Räume wiesen wenigstens eine gewisse persönliche Note aus. Ein paar Zeitschriften, meist diese Frauenmagazine, die ihren Leserinnen Lösungen und Ratschläge für alle Lebenslagen boten und ein paar Kissen, die herum lagen. Aber auch hier die schweren, dunklen Möbel und eine fast bedrückende Düsternis. Man könnte förmlich die Gefühle vergangener Generationen von einsamen Frauen spüren. „Wie kannst du hier nur leben?” flüsterte er betroffen. „Überall schwebt der Geist deines verstorbenen Ludwig”, so hieß ihr Mann. Sie sah ihn an. „Du hast recht, aber bis jetzt hatte ich nicht die Kraft, etwas zu ändern, ich war verzweifelt und wie gelähmt.“
„Ich glaube, wenn wir zwei noch mal richtig anfangen wollen, müssen wir uns ein neues Haus kaufen. Mit deinen gewagten Finanzaktionen hast du ja schon einen Grundstein gelegt. Du wirst sehen, noch ein, zwei Monate an der Börse spekulieren und wir können uns ein schönes Haus leisten.“ Sie nickte nachdenklich. „Du hast recht, das werden wir machen”.
Sie zogen sich um und machten sich auf den Weg zu Tom und Henry. Tom war ein ruhiger, konservativer Mann, Ende dreißig. Henry dagegen ein chaotisch wirkender Mensch und einige Jahre jünger. Tom hatte einen dunkelgrauen Anzug mit hellbeigem Hemd und dazu passender Krawatte an. Er mochte etwa 1,85m groß sein und hatte ein offenes, intelligentes Gesicht, das durch die dunkle Hornbrille leicht streng wirkte.
Henry war mit verwaschenen Jeans und einem grünen viel zu großen Sweat Shirt bekleidet, seine rötlichen Haare standen wild vom Kopf ab.
Tom begrüßte Peter reserviert, aber höflich. Henry dagegen umarmte ihn und schrie: „Das war genial Mann, einfach genial”.
Nach der Begrüßung fachsimpelten sie eine Weile und Henry fragte „Was wird aus dem Geld auf eurem Konto?“
Michaela hatte dem Ganzen lächelnd zugesehen. Jetzt sagte sie: „Deshalb sind wir hergekommen.“
Peter trat an die Bildschirme, die den Aktienverlauf der Frankfurter Börse zeigten. „Kaufen Sie von dieser Firma alle Aktien, die Sie bekommen können.“ Er wies mit dem Finger auf einen Namen. „Und bei diesem Unternehmen das Gleiche.” Sein Finger zeigte auf eine zweite Stelle der Liste. Henry verzog das Gesicht. Mit einem Seitenblick auf Michaela unterließ er aber die Bemerkung, die ihm auf der Zunge lag. Jetzt bin ich aber gespannt, ob Mr. Supermann nicht daneben liegt, dachte er bei sich.
„Ich denke, wir werden jetzt öfter bei Euch vorbeischauen”, sagte Michaela. „Nicht um dich”, sie sah Tom an, „oder dich”, sie sah zu Henry, „zu kontrollieren. Ich habe euch immer voll vertraut und tue es auch heute”. Dabei lächelte sie die beiden so gewinnend an, dass es sogar dem vorlauten Henry die Sprache verschlug. „Wir möchten uns nur verstärkt um unser gemeinsames Geschäft kümmern, ihr macht eure Arbeit wie immer und wir sagen ab jetzt wie.“
Peter studierte inzwischen die Computeranlage und die Bildschirmanzeigen. Als Henry zu ihm trat, fragte er: „Kann man von hier aus direkt in die Börsen schalten?“ „Schön wär’s”, seufzte Henry „Das können nur die Araber mit ihrem privaten Satellitennetz. Wir können nur die aktuellen Notierungen abrufen, die von den Informationsdiensten angeboten werden, also nicht von allen Börsen.“ „Das ist aber umständlich”, meinte Peter. „Gibt’s den keine andere Lösung?“ „Die gibt’s natürlich, aber als Normalsterblicher kommt man da nicht ran”, meinte Henry achselzuckend. „Im Internet seid ihr aber?“ wollte Peter weiterwissen. „Klar”, antwortete jetzt Tom. „Wir haben alle Dienste die man haben kann, rund um die Welt.“ „Und wie machen die Araber das?” wollte Peter genauer wissen. Henry wandte sich zu ihm. „Es sind nicht nur die Araber, sondern ein exklusiver Club von Finanzmagnaten rund um die Welt. Vielleicht 50, 60 Leute. Die haben ein codiertes Satellitennetz aufgebaut mit dem sie überall hinkommen, auch in die Börsen. Die haben überall ihre Broker sitzen, mit denen sie via Satellit Verbindung aufnehmen können. Alles ist streng geheim. Jeder Insider weiß, was gespielt wird, aber es gibt keine Beweise.“ Das muss ich haben, dachte Peter während er die Computer weiter begutachtete. Michaela, die ihn von der Seite musterte, ahnte, was in seinem Kopf vorging. „Nicht alles auf einmal”, bat sie. „Wir gehen zuerst mal nach Hause.“ „Du hast wie immer recht.” Er gab ihr einen Kuss auf den Mund und drehte sich dann zu Tom und Henry herum, die die Szene stumm beobachteten. „Bis Morgen meine Herren. Ich hoffe, dass sich bis dahin schon etwas bewegt hat.“ Michaela verabschiedete sich ebenfalls herzlich, dann fiel die Tür hinter ihnen ins Schloss.
Tom und Henry sahen sich an. „Ich freue mich für Michi“, sagte Tom. „Das scheint ja die große Liebe zu sein. Wenn sie sich ansehen dann knistert es richtig.“ Henry erwiderte: „Der Typ scheint nicht übel zu sein. Ich bin gespannt, ob er die Million in den Sand gesetzt hat. Uns kann es egal sein, denn unser Geld ist ja wieder da, wo es hingehört.“
In der Villa angekommen, gingen sie nach oben. Carola brachte ihnen Kaffee und einen Teller mit Gebäck. „Das ist aber lieb von dir“, strahlte Michaela. „Genau das brauch ich jetzt.” Nachdem Carola das Zimmer verlassen hatte, begannen sie zu planen. Sie waren sich einig, dass sie so schnell wie möglich umziehen wollten. Wie das neue Haus aussehen sollte, was für Möglichkeiten es haben musste, darüber wurden sie sich schnell einig.

Das Stuttgarter Haus

Michaela griff zum Telefon, wählte die Nummer ihres Immobilienleiters und wartete auf die Verbindung. „Hallo Gerd”, sagte sie dann. „Hier ist Michi”. Sie unterhielten sich kurz, dann sagte Michaela: „Warum ich eigentlich anrufe ist folgendes. Ich, d. h. Peter und ich suchen ein Haus.” Sie wurde unterbrochen und hörte zu. Dann lachte sie hell auf. „Das kannst du natürlich nicht wissen. In meinem Leben gibt es wieder einen Mann und der heißt Peter. Wir wollen zusammenziehen und dieser alte Bunker hier gefällt uns beiden nicht, den sollst du verkaufen. Lass mich jetzt bitte weiterreden, fragen kannst du hinterher. Also wir suchen ein Haus das folgendes bieten soll. Hanglage damit man im Gartengeschoß, ein Hallenbad mit Sauna und allem Drum und Dran einrichten kann. Erdgeschoß mit Wohnbereich, Küche, Essbereich und vielleicht noch einem Fernsehzimmer. Das Treppenhaus sollte, wenn möglich, in der Mitte liegen und die obere Etage in zwei Teile teilen. Ein Teil ist für uns, also Schlafzimmer mit direktem Zugang zum Bad und Toilette, sowie zu einem großen Arbeitszimmer. Im Bad wollen wir eine große Badewanne, die man auch als Whirlpool benutzen kann und einen großen Duschbereich. Also ein Riesenbad. Neben dem Schafzimmer brauchen wir noch ein zweites, kleineres Schlafzimmer, vor dem Schlafzimmer ein großer Balkon. Auf der anderen Seite eine Zweizimmer Wohneinheit und zwei, drei Einzelzimmer. Alle natürlich mit Bad, Dusche und WC. Im Dachgeschoß zwei Zweizimmerwohnungen und vielleicht noch ein- oder zwei Gästezimmer. Alles ebenfalls mit Nasszelle und WC. Weiter brauchen wir eine große Garage, am besten mit einer Wohnung darüber für den Fahrer. Umzäunt soll das Ganze sein mit einer Zufahrt und Torautomatik. Hast du alles mitgeschrieben?“ Sie lachte laut. „Ja, es ist viel aber bitte tu dein Bestes.” Sie wechselten noch ein paar Worte, dann legte sie auf.
Sie drehte sich zu ihm um. „Wie war ich?” Peter reckte den Daumen nach oben. „Perfekt, einfach perfekt. Ich habe das Haus förmlich vor mir gesehen. Hoffentlich findet er was Passendes.”
Peter sah auf seine Uhr. „Was, schon 21 Uhr“, bemerkte er erstaunt. Michaela lächelte. „Zeit ins Bett zu gehen.” Sie sah ihn schelmisch verheißungsvoll an. Peter wollte nach ihr greifen, aber sie entwischte ihm lachend ins Badezimmer. Er folgte ihr.
Der anschließende Liebesakt war wieder so innig, dass sie schwer keuchend und erschöpft aufeinanderlagen. Seine Hände glitten streichelnd über ihren Rücken und ihre Pobacken. Er war tief in Gedanken versunken. Er merkte nicht, dass Michaela ihn besorgt musterte. „Was ist los? Was bedrückt dich?“ wollte sie wissen. „Ich merke schon seit einiger Zeit, dass dir etwas auf dem Magen liegt.“ „Ich habe Angst“, flüsterte Peter. „Panische Angst”. Schnell schlang sie ihre Arme um seinen Nacken, presste sich eng an ihn und sagte: „Erzähle mir alles, bitte!“ „Das ist eine längere Geschichte. Damals, es kommt mir vor als wenn es Jahre her ist, in der Kneipe, als ich dich das erste Mal sah, kannte ich dich schon.“ Sie stützte sich mit den Ellenbogen auf seiner Brust auf und sah ihm in die Augen. „Du kanntest mich?“ „Nicht so wie du denkst. In den wilden Wochen vorher hatte ich immer wieder zwei Träume. Jede Nacht. In dem einen Traum standst du plötzlich vor mir. Dann hast du dich umgedreht, bist davongelaufen und warst verschwunden. Ich habe dich gesucht und bin dann aber aufgewacht. Manchmal bin ich auf der Straße gegen dich geprallt und du bist dann weggerannt. Damals in der Kneipe, als ich dich zum ersten Mal bewusst wahrgenommen habe, durchzuckte es mich von den Zehen bis in die Haarspitzen. Ich wusste, das ist sie, das ist die Frau meiner Träume und ich war auf der Stelle in dich verliebt. Ich habe es bis jetzt immer für Blödsinn und dummes Geschwätz gehalten, aber ich hörte wirklich Sphärenmusik und die Englein jubilieren. Richtig peinlich. Verliebt wie ein Teenager. Liebe auf den ersten Blick“. „Und deswegen hast du Angst”, sie lachte und gab ihm einen zärtlichen Kuss. „Nein”, sagte er. „Es gab wie gesagt noch einen zweiten Traum.“ „Erzähle”, forderte sie ihn auf. „Der zweite Traum verläuft identisch. Nur das die Frau eine andere ist.“ Sie schluckte und fragte dann. „Wie sieht sie aus? Wie alt ist sie?“
„Sie ist etwa Mitte dreißig, wahrscheinlich etwas jünger. Sie hat hellblondes Haar, viel heller als deines. Es ist lang, wallt über die Schultern und sie hat es in Fransen in die Stirn hängen. Sie hat kleine, schöne Ohren, hinter die sie oft einen Teil ihrer Haare klemmt. Ihr Gesicht ist eher rundlich, sie hat eine schöne, gerade Nase. Ihr Mund ist ein sogenannter Kussmund, nur schminkt sie ihn sich zu stark. Sie hat eine schlanke, fast zierliche Figur, ihr Busen ist etwas zu groß, aber nicht zu üppig. Ihre Augen sind von der Grundfarbe leuchtend blau, können aber, je nach Beleuchtung auch hellgrün bis dunkelblau erscheinen. Ihr Gesicht ist wunderschön, wenn sie lächelt.“ Sie lachte. „Was ist denn so schlimm an diesem Traum?”, wollte Michaela wissen. „Verstehst du denn nicht? Was passiert, wenn ich diese Frau treffe? Es wird mich genauso der Schlag treffen wie bei dir. Ich werde mich unsterblich in sie verlieben.” Michaela lag starr da. „Daran habe ich nicht gedacht“, flüsterte sie leise. „Ich habe mir da eine Theorie entwickelt. Jeder Mensch strahlt sozusagen auf einer bestimmten Wellenlänge. Das ist natürlich nur eine modellhafte Vorstellung. Ein besseres Beispiel wie Wellenlänge ist mir nicht eingefallen.
Treffen zwei mit unterschiedlicher Wellenlänge aufeinander, so können sie sich nett und sympathisch finden, mehr aber nicht. Wir beide haben, nach meiner Theorie, genau die gleiche Wellenlänge, deshalb hat es uns auf der Stelle erwischt.“ „Und was ist mit Paaren, bei denen sich die Liebe mit der Zeit entwickelt?“ fragt sie nachdenklich.
„Ich glaube, dass sich die Ausstrahlung in gewissen Grenzen angleichen kann, wenn zwei Menschen intensiv zusammen sind. Dann entsteht die Liebe mit der Zeit. Bitte, das ist nur eine Theorie. Aber je mehr ich sie überdenke, desto plausibler erscheint sie mir. Verstehst du jetzt meine Angst? Ich liebe dich mit jeder Faser meines Herzens und gebe dich auf keinen Fall her. Aber wenn ich diese Frau treffe, dann wird der Blitz genauso einschlagen wie bei dir. Ich werde diese Frau lieben, ob ich nun will, oder nicht, und sie natürlich mich. Das bereitet mir unendliche Qualen, denn ich möchte weder ihr, noch dir weh tun.”
„Ich habe dein Problem verstanden”, flüsterte sie. „Wenn du diese Frau je treffen solltest, dann bring sie her. Geh nicht fort mit ihr.“ Michaela schlang ihre Arme fest um ihn. Ich werde mich schon mit ihr arrangieren. Wenn du zwei Frauen gleich lieben kannst, dann werde ich schon damit fertig und wenn deine Theorie stimmt, dann werde ich sie wahrscheinlich auch lieben.” Ihre Stimme wurde heiser und rau. „Ich merke schon die ganze Zeit, dass dir etwas fehlt. Jetzt weiß ich was es ist. Es ist diese andere Frau.“ Dankbar nahm er Michaela in die Arme. Es folgte ein weiterer Liebesakt, der dem ersten nichts nachstand. Dann schliefen sie eng umschlungen ein.

Weihnachten und Neujahr die Enttäuschung

Februar 1990

Michaela dachte mit Schrecken an den Weihnachtsabend. Peter hatte einige Tage vorher angerufen und seine Tochter erreicht. Diese musste sehr frostig zu ihm gewesen seine, aber er hatte seine, d.h. ihre Telefonnummer hinterlassen, unter der er zu erreichen war. Sie hatten Weihnachten zu zweit verbracht, gemütlich gegessen und den Rest des Abends mit Schmusen verbracht. Aber immer wieder war sein Blick zum Telefon gewandert. Sie wusste, er wartete auf einen Anruf seiner Kinder. Doch niemand rief an. Zweimal war er kurz davor, sich eine Flasche Schnaps zu holen und sie konnte ihn nur mit Mühe daran hindern. Schließlich verfrachtete sie ihn ins Bett und sorgte mit Hand und Mund dafür, dass er auf andere Gedanken kam. Am Sylvester Abend war es genauso. Wieder wartete er auf einen Anruf, aber es kam keiner. Voller Mitgefühl nahm sie ihn in die Arme und versucht ihn zu trösten, aber es half nichts, er weinte fast die ganze Nacht. Zweimal war sie ihm auch in dieser Nacht gefolgt, als er sich auf die Suche nach Alkohol gemacht hatte und jedes Mal hatte sie ihn mit ihrer Liebe von seinem Vorhaben abgebracht. Am nächsten Morgen hatte er sich etwas gefangen und wirkte fast wieder normal. Jetzt hat er sich endgültig von ihnen getrennt, war es ihr durch den Kopf gefahren.
Die nächsten sechs Wochen vergingen mit Arbeit und der Suche nach einem geeigneten Haus. An der Börse hatte er inzwischen das gemeinsame Vermögen auf mehrere Millionen vermehrt. Henry tätigte widerspruchslos alle seine Transaktionen. Er hatte akzeptiert, dass Peter offensichtlich einen heißen Draht zum Gott des Kapitalmarktes besaß.
Bei einem Notar schlossen sie Partnerschaftsverträge ab, die alle Fälle wie Krankheit, Todesfall und die Erbverhältnisse regelten. Jeder bevollmächtigte den Anderen für ihn zu entscheiden. Dies war besonders im Fall einer Operation oder ähnlichen notwendig. Am Schluss seufzte der Notar und meinte: „Da hätten Sie ja gleich heiraten können.“ Aber das wollten sie beide nicht. „Wir sind so zufrieden wie es ist. Hauptsache, niemand kann sich in unser Leben drängen und uns Entscheidungen wegnehmen.“

Sommer 1992 der Magier

Das Flugzeug der Lufthansalinie Stuttgart Berlin flog ruhig dahin. In der Ersten Klasse saßen neben einigen Geschäftsleuten Michaela und Peter Weber, unterwegs zu einem internationalen Kongress für Finanzexperten. Michaela schlief und Peter war in Gedanken versunken.
Das Haus hatten sie schnell gefunden. Gerd, Michis Immobilienchef, hatte toll gearbeitet. Der Um- und Ausbau war nach einem halben Jahr fertig und alles war so, wie sie es geplant hatten. Seit einem Jahr wohnten sie jetzt in ihrem neuen Haus und es war herrlich.
Finanziell war alles bestens gelaufen. Er hatte Glück gehabt und hatte einige Super-transaktionen landen können. Ihr Vermögen überschritt die 100 Millionen Dollar Grenze. 80% davon hatte er in sicheren Anlagen mit hoher Rendite angelegt, mit dem Rest spekulierte er weiter, aber international. In Fachkreisen war man auf ihn aufmerksam geworden. Man nannte ihn in internationalen Kreisen inzwischen den ”Magier”, weil er wie ein Zauberer immer die richtigen Fäden des Finanzgeschehens in Händen hatte und an ihnen zog. Mit Respekt akzeptierten ihn inzwischen die Großen in der Finanzszene.
Die Durchsage, sich anzuschnallen, schreckte ihn aus seinen Gedanken. Er weckte Michaela und sie schnallten sich an.
Vor dem Flughafengebäude wartete bereits ein schwarzer Wagen mit dunkel getönten Scheiben. Der Chauffeur, ein arabisch aussehender, höflicher Mann sprang aus dem Auto und öffnete ihnen die hinteren Türen. Mit einem dumpfen satten Schmatzen schlossen sich die Türen. Gepanzert, dachte Peter. Mit einem leisen, dunklen Summen glitt der schwere Wagen durch Berlin. „Charid denkt an alles“, meinte Peter und sah sich im Wagen um. Michaela saß schweigend, fast benommen neben ihm. Nach einer Weile holte sie tief Luft. „Was ist das für ein Auto? Wem gehört es?“ fragte sie mit tonloser Stimme. „Ich habe dir doch davon erzählt Michi“ Er sah sie an und nahm sie dann in den Arm. Vor sieben oder acht Monaten habe ich bei meiner Arbeit an den Börsen einen Riesenschwindel entdeckt. Ein paar Leute hatten sich zusammengetan und wollten eine Ölfirma fertig machen. Sie bedienten sich dazu raffinierter Tricks, die ich durch Zufall entdeckte. Die Firma gehört dem Emir von Katala und seiner Familie. Das ist ein kleines Emirat am Persischen Golf. Sie sitzen auf einem ungeheuren Ölvorkommen. Hätte das Vorhaben dieser Leute geklappt, dann wäre der Emir trotz seines Öls Pleite oder zu mindestens schwer angeschlagen gewesen. Ich hatte schon vorher einige Geschäfte mit ihm gemacht und wir kennen uns vom Telefon. Ich warnte ihn also und er hat nun im Gegenzug diese Finanzhaie fertig gemacht. So fertig, dass zwei, es waren insgesamt fünf, sich das Leben genommen haben. Die anderen sind ruiniert. Michaela hörte aufmerksam zu. „Dann hat er also den Wagen geschickt, wie heißt er noch?“ „Seine Freunde dürfen ihn Charid nennen. Ich denke er wird es auch uns anbieten.“
Der Wagen hielt vor einem majestätischen Bau, direkt vor dem großen Portal. Hotelpagen eilten herbei und warteten auf das Gepäck. Der Chauffeur öffnete die Türen und sie gingen nebeneinander ins Hotel. Türen wurden vor ihnen aufgerissen, dann standen sie dem Hotelmanager gegenüber. „Herzlich willkommen in Berlin”; er reichte beiden die Hand. „Es ist alles vorbereitet. Wir haben sie in der gelben Suite untergebracht. Wenn ich Sie führen darf!“
Er geleitete sie zum Aufzug und fuhr selbst mit ihnen in den ersten Stock.
In der Suite standen schon ihre Koffer. Diskret steckte Peter den beiden Pagen je einen größeren Schein zu und sie verschwanden lautlos.
„Ich darf Sie jetzt auch verlassen, Ich wünsche ihnen einen schönen Aufenthalt in unserem Haus.” Der Manager verbeugte sich knapp und ging hinaus.
„Puh!”, sagten sie fast gleichzeitig und mussten lachen. „Ist das ein Affentheater.” Michaela schüttelte den Kopf. Peter war in den Nebenraum gegangen und sie hörte ihn laut lachen. „Komm mal her und sieh dir das an”, rief er immer noch lachend. Sie ging hinüber und blieb sprachlos stehen. Ein gewaltiges, ganz in Gelb gehaltenes Himmelbett beherrschte den Raum. Die vier Eckpfosten waren aus gedrechseltem Holz und ebenfalls gelb. Alles war gelb, die Lampenschirme, der Boden und sogar die Decke. „Ob wir uns hier lieben können?“ fragte Peter lachend. Sie schlang die Arme um seinen Hals. „Dich kann ich überall lieben, selbst hier.“ „Dann lass uns das gleich testen“, meinte er, hob sie hoch, trug sie zu dem Bett und ließ sie in die weichen Decken fallen. Kleidungsstücke flogen in alle Richtungen.
Hinterher lagen sie nebeneinander im Bett. Sie hatte den Kopf an seine Schulter gelegt und Peter streichelte gedankenverloren ihre rosigen Brustspitzen, die noch hart und hoch aufgerichtet waren. „Ich bin gespannt, wann Charid sich meldet. Ich nehme an, dass er auch in diesem Hotel wohnt.“ „Hast du ihn schon mal gesehen”, wollte Michaela wissen. „Nein ich kenn ihn nur von Fotos und vom Bildschirm.“ „Ist er sehr reich?” fragte sie weiter. „Nach dem, was ich so in der Branche gehört habe, ist er vielfacher Milliardär. Du hast ja schon mitgekriegt, dass ich mich im letzten halben Jahr intensiv mit den Emiraten beschäftigt habe. Ich kann inzwischen sogar ein bisschen Arabisch.“ „Ich habe mich schon gewundert, jetzt ist mir alles klar.“ Sie lagen noch eine Weile eng umschlungen, dann standen sie auf und zogen sich an. Michaela trug jetzt einen, in der Taille und am Po, engen, dunkelroten Hosenanzug, der ihre schlanke Figur hervorhob. Das Oberteil war so raffiniert geschnitten, dass man bei jeder Bewegung ihre festen Brüste ahnen konnte. Peter hatte eine dunkelbeige Hose, schwarze leichte Schuhe und einen hellbeigen dünnen Pullover angezogen, darüber ein dunkles Jackett. Wenn es sich irgendwie vermeiden ließ, trug er keine Anzüge. Krawatten hasste er wie die Pest. Kaum waren sie fertig, klopfte es an die Tür. Als Peter öffnete, stand draußen ein dunkelhäutiger Mann in einem eleganten Anzug. Peter bat ihn herein. „Emir Charid von Katala übersendet ihnen seine herzlichen Grüße“, sagte der Mann. Er lädt Sie in einer Stunde zu einem gemütlichen, zwanglosen Abendessen ein. Falls Sie schon vorher Zeit für ihn hätten, würde er sich sehr freuen.“ Der Mann sprach sehr gut Deutsch, hatte aber bei manchen Worten Schwierigkeiten mit der Aussprache. „Sagen Sie dem Emir, dass wir herzlich danken und die Einladung annehmen. Ich denke, dass wir in 20 Minuten fertig sind.” Der Fremde verbeugte sich förmlich und antwortete: „Ich hole Sie in 20 Minuten ab.“ Er verbeugte sich noch mal und ging.
„Warum sind wir nicht gleich mitgegangen?” Michaela sah ihn fragend an. „Oh, Michi mein Schatz”, sagte er lachend. „Ein Araber hat nie gleich Zeit. Wären wir gleich mitgegangen, dann hätten wir an Prestige verloren.“ Sie saßen auf dem Sofa, Michaela knabberte von den Keksen, die in einer Schale auf dem Tisch standen. Peter hatte den Fernseher eingeschaltet und verfolgte die Tagesschau. Er schüttelte den Kopf und sagte: „Wenn das im Irak so weiter geht, gibt’s bald einen Krieg.“

Charid

Ein Klopfen an der Tür unterbrach seine Gedanken. Peter sah auf seine Uhr, während Michaela aufstand. „Pünktlich wie die Maurer”, er nickte anerkennend. Sie gingen zur Tür. Draußen stand der dunkelhäutige Mann von vorhin und verbeugte sich wieder. „Bitte folgen Sie mir”. Sie gingen den Flur entlang und bogen dann um die Ecke. Ein paar Meter weiter standen zwei, ebenfalls in schwarze Anzüge gekleidete, breitschultrige Männer. Leibwächter, dachte Michaela und sah Peter an. Sie merkte, dass er ähnlich dachte, aber er sagte nichts. Ihr Führer blieb vor der Tür stehen, öffnete sie und bedeutete ihnen einzutreten. Die beiden Wächter musterten sie misstrauisch. Am liebsten würden sie uns nach Waffen durchsuchen, dachte Peter. Dann ging er hinein. Michaela blieb hinter ihm. Er hatte ihr erklärt, dass im Orient die Frau stets hinter dem Mann steht und geht, zu mindestens bei offiziellen Anlässen. Etwa in der Mitte des Raumes, Zimmer konnte man nicht sagen, so groß war der Raum, stand ein hochgewachsener, braungebrannter Mann in einem maßgeschneiderten eleganten, hellbeigen Anzug und einem dunkelbraunen Hemd. Schwarze Haare lagen über einer hohen, schmalen Stirn. Dunkelbraune, fast schwarze Augen blickten ihn unter etwas buschigen Augenbrauen an. Er hatte eine gerade, schmale Nase und einen, jetzt freundlich lächelnden, fast zu vollen Mund. Insgesamt machte er einen sympathischen Eindruck. Er sieht eigentlich gar nicht wie ein Araber aus, dachte Peter.
Er ging auf ihn zu und blieb etwa zwei Meter vor ihm stehen. Dann sahen sie sich fast eine ganze Minuten lang in die Augen. Im Raum hätte man eine Stecknadel fallen hören, so still war es. Er liest meine Seele, dachte Peter während er ruhig den Blick erwiderte. Er ist ein harter aber auch fairer Mann. Peter bewegte sich nicht und las weiter in den Augen des anderen. Er ist ebenfalls ein Augenmensch, durchzuckte es Peter und ich glaube wir können Freunde werden. Dann kam der Emir auf ihn zu, lächelte und sagte in gebrochenem Deutsch: „Endlich treffe ich dich, sei mein Freund und Bruder.“ Sie reichten sich erst beide Hände, dann umarmte ihn der Emir und küsste ihn auf beide Wangen. Peter tat das gleiche bei ihm und der Emir hielt ihm die Wangen hin. Sie sahen sich noch mal lange in die Augen und wandten sich dann Michaela zu.
Die Wachen hatten den Vorgang aufmerksam verfolgt. Als der Emir Peter umarmte und sogar küsste, entspannten sie sich auf der Stelle. Mit aufgerissenen Augen sahen sie zu wie Peter die Küsse erwiderte. Das muss ein bedeutender Freund des Herrn sein, dachte der Wächter, der sie hergeleitet hatte. Auf einen Wink des Emirs gingen sie alle drei hinaus.
„Das ist meine Lebensgefährtin Michaela”, stellte er sie vor. Michaela hatte die ganze Zeit gebannt zugesehen. Jetzt kam sie lächelnd heran und der Emir küsste ihre Hand. „Sie sind noch viel schöner als auf den Bildern, die ich von Ihnen sah“, sagte er galant. Michaela lächelte erstaunt. „Bilder von mir?“ Sie sah Peter an. Der schmunzelte leicht und sagte: „Menschen in solchen Positionen lassen nicht jeden an sich heran. Ich bin davon überzeugt, dass der Emir”, er verneigte sich leicht in dessen Richtung, „über unser bisheriges Leben besser Bescheid weiß als wir selber.“ Der Emir grinste vergnügt und nickte bejahend. „Nennt mich bitte Charid“, bat er. „Ich darf euch doch duzen?“ „Natürlich”, sagten beide gleichzeitig und mussten dann lachen. Charid lachte herzlich mit. Der Bann war gebrochen.
„Natürlich habe auch ich ein Dossier von unserem Gastgeber und weiß daher, dass er selten ohne seine beiden Lieblingsfrauen unterwegs ist”. Peter grinste nun fast genauso spitzbübisch wie vorher Charid. „Ich merke, du denkst wie ich“, antwortete Charid. „Natürlich sind Leila und Fatima bei mir. Ich kann ohne die beiden nicht sein. Aber sagt ihnen nichts von dem sonst werden sie noch”, er suchte nach einer Formulierung. „aufmüpfig”, half Peter. Dann erklärte er Charid die Bedeutung des Wortes mit Hilfe arabischer Umschreibungen. „Ja genau aufmüpfig. Das ist das richtige Wort”, meinte Charid lachend. Der Emir wollte sich gerade umdrehen, um seine beiden Frauen zu holen, als Peter ihn festhielt. „Halt Charid, sag uns zuerst was wir im Umgang mit den beiden Frauen beachten müssen. Eure Kultur ist uns fremd. Ich habe Angst, dass wir aus Unwissenheit etwas falsch machen. Darf ich z. B. ihre Hand küssen, wie du es mit Michi gemacht hast?“ „Deine Michi braucht als Frau nichts zu beachten und du bist durch meinen Kuss zum Familienmitglied geworden. Du giltst als mein Bruder und darfst sie daher sogar umarmen und auf die Wangen küssen.“
Er drehte sich endgültig um und eilte in einen angrenzenden Raum.
Sekunden später, die beiden Frauen mussten schon gewartet haben, kehrte er mit ihnen zurück. An seiner rechten Seite ging Leila und an der linken Fatima. Peter musterte die beiden verstohlen.
Fatima war die Ältere, zwischen 35 und 40 Jahre alt. Später erfuhr er, dass sie 38 war. Sie hatte schulterlanges, glattes, schwarzes Haar. Ihr Gesicht war von einer strengen Schönheit, die ihn ein bisschen an Michaela erinnerte. Dunkle, fast schwarze Augen sahen ihn reserviert entgegen. Beide Frauen waren in lange wallende Gewänder gehüllt, die jedoch am Oberkörper eng geschnitten waren und die Körper darunter ahnen ließen.
Leila war eindeutig jünger, 28 bis 30 Jahre, schätzte Peter. Sie war 30, wie sie später erfuhren. Leila war eine strahlende Schönheit aus 1001 Nacht. Langes, wallendes, schwarz glänzendes Haar, dass in weichen Wellen herabfiel. Ein ovales, regelmäßiges Gesicht mit strahlenden, dunklen Augen. Ein blutroter Mund und perfekte, schneeweiße Zähne vervollständigten das Bild. Sie war etwas kleiner als Fatima, hatte aber eindeutig die üppigeren Formen und lachte sie offen und unbefangen an.
Peter trat vor und begrüßte zuerst Fatima als die ältere. „Ich grüße dich Fatima, Frau meines Bruders”, sprach er auf Arabisch in gestelzten Worten. Er legte ihr die Hände auf die Schultern und gab ihr auf beide Wangen einen ganz zarten Kuss. „Ich hoffe, dass wir uns noch oft wiedersehen. Sollte meine Sprache fehlerhaft sein, oder wenn ich falsche Worte gebrauche, bitte ich schon jetzt um Entschuldigung.“ Er sah sie nochmals lächelnd an und ging dann zu Leila. Auch hier wollte er vorsichtig seine Hände auf ihre Schultern legen, doch sie umarmte ihn lachend und bot ihm ihre Wangen zum Kuss. Du bist der Bruder meines Gatten” sagte sie, „also zier dich nicht so.“ Sie löste sich von ihm und schmiegte sich an Charid. Die ganze Unterhaltung war in Arabisch erfolgt und Michaela stand etwas ratlos dabei. „Du musst die beiden auch begrüßen“, sagte er zu ihr. Bevor sie reagieren konnte, war Leila schon bei ihr und umarmte sie herzlich. In recht gutem Englisch begrüßte sie Michaela und zog sie dann in einem fort plappernd zu Fatima, die sie ebenfalls umarmte und küsste. Die drei Frauen setzten sich auf die Couch und begannen mit Händen und Füßen zu plaudern. Ihr Lachen erfüllte den Raum.
„So, die sind beschäftigt“, sagte Charid grinsend. „Dann können wir uns in Ruhe unterhalten.“ Peter war das eigentlich nicht recht, denn er pflegte Michaela nicht so abzuschieben. „Du kannst ihr ja später alles erzählen”, meinte Charid, der sein Zögern bemerkt hatte. „Ich weiß wohl, dass deine Frau bei dir eine andere Stellung einnimmt, als es die meinen bei mir tun. Sie wird es dir aber nicht übelnehmen, wenn wir jetzt unter vier Augen reden.“ Peter nickte zustimmend.
Sie setzten sich an einen Tisch in der Ecke. „Zuerst noch mal vielen Dank für deine Warnung. Sie kam in letzter Minute und hat uns gerettet. Nicht nur ich, sondern noch eine ganze Reihe meiner Geschäftsfreunde schulden dir viel”, sagte er sehr ernst. „Durch deine Warnung konnten wir das Schlimmste verhindern.“ „Ich konnte nicht dulden, dass solche Praktiken einreißen“, sagte Peter einfach „und dass ich es überhaupt bemerkte war reiner Zufall.” Charid nickte nachdenklich. Trotzdem schulden wir dir viel. Ich hoffe, dass wir uns öfters treffen können.
Sie wurden unterbrochen. Im Nebenraum war das Essen aufgetragen worden und sie gingen hinüber. Der Tisch bog sich förmlich unter den Delikatessen.
Charid setzte sich in die Mitte der einen Längsseite, Leila saß rechts von ihm und Fatima an seiner Linken. Michaela und Peter setzten sich ihnen gegenüber. Ein munteres Gespräch über Reisen, Essen und Kultur setzte ein. Charid unterhielt sich mit Michaela über einen neuen Film und er flirtete dabei ungeniert mit ihr. Leila hatte Peter mit Beschlag belegt. Mit Ihren dunklen Augen schoss sie förmlich Blitze auf ihn ab. Mein Gott, dachte er, diese Frau ist ein Vulkan, 50 Kilogramm gebündelte Erotik. Armer Charid, er grinste unwillkürlich. Diese Frau setzt dir sicher ganz schön zu. Er unterhielt sich mit Leila über arabische Bräuche und über Katala, das Land und die Menschen. Dabei schaute er ihr direkt in die Augen. Ihr Gesicht überzog sich unter seinem Blick mit einer feinen Röte und sie senkte die Augen. Peter versuchte auch Fatima in das Gespräch einzubeziehen, die aber war offenbar mit ihrer schweigsamen Rolle zufrieden.
Leila erzählte ihm, dass sie Zuhause in Katala jede Menge Filmvideos, vor allem von amerikanischen Filmen hatten. Sie verbrachte ganze Tage damit, sich einen Film nach dem anderen anzusehen.
Peter merkte, wie er langsam müde wurde und sah verstohlen auf seine Uhr. Schon halb zwölf, dachte er erstaunt. Die Zeit war wie im Flug vergangen. Charid, der Peters Blick auf die Uhr bemerkt hatte, er registrierte stets alles, was um ihn herum vorging, sagte: „Zeit, dass wir uns zur Ruhe begeben. Es war ein schöner, unterhaltsamer Abend für den ich euch danke.” „Unser Dank gilt euch genauso“, sagte Peter im Aufstehen. „Auch wir haben den Abend sehr genossen. Stimmst Michi?“. Sie nickte mit dem Kopf und strahlte. „Toll war der Abend. Nochmals vielen Dank für die Einladung.“ Bei diesen Worten sah sie Charid an.
Michaela und Peter verabschiedeten sich mit Händeschütteln von ihren Gastgebern. Dann erschien wie durch Zauberei ihr Führer vom Abend und geleitete sie zurück in ihre Suite.
Aufatmend schloss Peter hinter ihnen die Tür. Endlich allein. Michaela legte ihre Arme um ihn und küsste ihn lange. Mit der Zunge fuhr sie ihm dabei zwischen Lippe und Zähnen entlang, dass er nach Luft schnappte. Sie lachte hell auf und verschwand im Schlafzimmer. Als sie nebeneinander lagen, sagte Peter: “Ich bin hundemüde“, und gähnte ausgiebig. „Schau mich nicht so an”, wehrte er. „Diesen Blick kenn ich, aber heute hast du keine Chance mehr.“ „Wir werden sehen”, murmelte sie nur und ihr Kopf verschwand unter der Decke. Als sich ihr Mund seinem Geschlecht näherte, flüsterte er: „Na warte du kleine Hexe, dir werde ich’s zeigen.“ Seine Müdigkeit war verschwunden und er machte sich mit Mund und Zunge über sie her.
Später lagen sie entspannt aneinander gekuschelt und unterhielten sich über den Abend. „Was hältst du von den Dreien” „Ich habe mich ja lange mit den beiden Frauen unterhalten. Fatima ist sehr zurückhaltend und etwas weltfremd. Sie scheint mir fast etwas überfordert, aber sie vergöttert ihren Charid. Wusstest du, dass sie zwei Kinder mit ihm hat?“ Peter schüttelte den Kopf. „Wieviel Kinder hat er denn insgesamt?” „Bei Aysen sind es drei und die zwei von Fatima, also fünf”, rechnete Michaela. „Leila ist ganz anders. Die ist eigentlich mehr eine Europäerin. Lustig, spontan und mit ihr kann man sogar über Politik und Kunst reden”. „Mich hat sie beim Essen förmlich mit Blicken bombardiert. Das ist eine erotische Bombe“, meinte Peter lachend. „Aber du hast dich ja mit Charid ebenfalls glänzend unterhalten“, meinte er mit gerunzelter Stirn. Sie sah ihn forschend an und merkte, dass er nur Spaß machte. „Ja” sagte sie. „Er ist äußerst charmant und wir haben etwas geflirtet. Es war richtig schön. Das habe ich gemerkt“, sagte er trocken. „Du bist doch nicht etwa eifersüchtig?“ Sie musterte ihn wieder aufmerksam. „Nein” lachte er. „Auf Charid bin ich nicht eifersüchtig. Er würde niemals etwas tun, was dir oder mir missfallen würde”. Er nahm sie in die Arme, zog sie eng an sich und murmelte: „Jetzt wird aber geschlafen”. Er knipste die Lampe aus und sie versanken in dem gigantischen Himmelbett.
Am nächsten Morgen standen sie früh auf. Nach dem ausgiebigen Frühstück, kleideten sie sich für den heutigen Tag an. Peter trug ausnahmsweise einen dunkelgrauen eleganten Anzug mit einem weißen Pulli darunter. Michaela hatte ein dunkelblaues, figurbetontes Kostüm an, dass ihre hellbraunen Haare hervorhob. Durch die silbernen High Heels wirkte sie noch größer. Sie war sorgfältig, aber dezent geschminkt. Eigentlich waren es nur die Augen, die durch das Make Up noch größer und noch leuchtender erschienen.
Kaum waren sie fertig, klopfte es auch schon an der Tür. Wieder stand ihr Führer von gestern Abend da und begrüßte sie mit einer Verbeugung. „Wir kommen”, sagte Peter, schob sein Handy und seine Brille in die Tasche und folgte ihm, Michaela neben sich.
Charid erwartete sie bereits. Er begrüßte Peter mit einer Umarmung und Michaela mit einem Kuss auf die Wange. Dann sah er auf seine Uhr. „Acht Uhr Fünfunddreißig, es ist Zeit zu gehen. ” Ein Wink mit dem Kopf und sofort setzten sich zwei seiner Bodyguards an die Spitze. Zwei weitere gingen hinter den beiden Männern, die Michaela in die Mitte genommen hatten. Mit dem Aufzug fuhren sie hinunter. Unten ging der Zug durch die Hotelhalle. Fast alle Köpfe drehten sich ihnen zu. Vor dem Hotel wartete der schwarze Wagen. Sie stiegen ein und fuhren zum Kongressgelände.
Die Kongresshalle war ein riesiger Raum. An der Decke hingen in regelmäßigen Abständen große Kristalllüster. An der gesamten Stirnwand war ein Buffet mit allen Köstlichkeiten der Welt aufgebaut. Der Champagner floss in Strömen und alle waren schon mehr oder weniger angeheitert. Peter verzog angewidert die Mine, als er sah, wie ein kleiner, dicker Mann versuchte, der neben ihm stehenden Hostess unter den Rock zu greifen. „Junge, Junge, das wird hart“, murmelte er.

Der Kongress der Finanzwelt

Als sie die Kongresshalle betraten, waren sie sofort im Mittelpunkt. Charid wurde von allen möglichen bedeutenden Finanzgrößen begrüßt. Jedem stellte er sofort Michaela und Peter als seine Freunde vor. Vor Peter müsse man sich hüten, denn er sei ein kommender Stern am Finanzhimmel. Dabei strahlte er in alle Richtungen.
Kurze Zeit später waren Michaela und Peter in Gespräche verwickelt. Michaela war von einem Schwarm Männer umgeben, die alle um ihre Aufmerksamkeit buhlten. Peter runzelte missbilligend die Stirn, beruhigte sich aber schnell, als er einen von Charids Bodyguards neben Michaela bemerkte. Bald war er selbst in Finanzfachgespräche verwickelt und lernte viele wichtige, für ihn später noch bedeutende Leute kennen. Lange unterhielt er sich mit einem der bedeutendsten Broker an der Wallstreet, Theo McLean. Er beeindruckte diesen mit seinen Fachkenntnissen. Sie beschlossen, in Verbindung zu bleiben. Es war inzwischen Abend geworden. Die großen Kristalllüster verbreiteten einen flirrenden Eindruck von Licht und Schatten, Peter war etwas gelangweilt. Dann kam Charid auf ihn zu. „Ich möchte dich meinen Freunden vorstellen”, er zog ihn mit sich. In einer Ecke der Halle standen acht orientalisch aussehende Männer, die etwas verloren wirkten.
Peter suchte mit den Augen Michaela, die von Gruppe zu Gruppe schwebte und überall bewundernd aufgenommen wurde. Viele der anwesenden Frauen warfen ihr finster Blicke zu, denn sie verblassten neben ihr förmlich. Peter entdeckte Michaela; von einer Gruppe Geschäftsmännern eingekeilt und mehr oder weniger belagert.
Im Vorbeigehen faste er Michaelas Hand, sagte zu ihren Gesprächspartnern: „Entschuldigen Sie bitte meine Herren, aber jetzt brauche ich meine Frau selbst, Sie können ja später mit ihr weiter plaudern“, und nahm sie mit sich. „Gott sei Dank”, flüsterte sie ihm ins Ohr, das war Rettung in letzter Sekunde. „War es so schlimm?” flüsterte er zurück, während sie sich einen Weg durch die Menge bahnten. „Noch viel, viel schlimmer“, kicherte sie. „Am liebsten wären sie alle gleichzeitig mit mir ins Bett gegangen. Er grinste und sagte: „arme Michi, da ist dir ja was entgangen“, er kicherte nun seinerseits und bekam dafür einen heftigen Rippenstoß.
Sie kamen bei der Gruppe von Arabern an. Peter erkannte zwei saudische Emire, zwei weitere Führer von Emiraten, die anderen kannte er nicht.
„Darf ich euch meinen Bruder Peter vorstellen”, rief Charid in seiner Landessprache und zog Peter nach vorne. Michaela, die immer noch seine Hand hielt, wurde mitgezogen. Hochaufgerichtet stand sie da, ihr hellbraunes golden wirkendes Haar erschien wie eine Krone, die sie stolz trug. Sie war wahrlich die Schönste, wenn auch nicht die jüngste Frau in der Halle. Sie ist die Königin dieser Nacht, durchfuhr es Charid.
Peter begrüßte die orientalischen Vertreter mit gesetzten arabischen Begrüßungsfloskeln. Deren Miene hellte sich auf, als sie merkten, dass ihr Gesprächspartner ihre Sprache beherrschte. Sie entspannten sich förmlich als er mit ihnen höflich und bescheiden redete. Einer der Emire flüsterte seinem Nachbarn zu: „Endlich mal einer, der in uns nicht nur Kameltreiber sieht, sondern auch unsere Kultur würdigt”. Er bat sie, eventuelle Fehler oder Missverständnisse seiner mangelnden Kenntnis ihrer Kultur zuzuschreiben. Er wolle sie auf keinen Fall wissentlich beleidigen. Ein beifälliges Nicken quittierte seine Rede. Langsam tauten sie endgültig auf. Fast eine Stunde lang unterhielten sie sich angeregt über Geschäft, Land und Familie. Zwei von den Männern waren Abgesandte des Sultans von Oman. Mit einem von ihnen, er nannte sich Tagos, freundete sich Peter regelrecht an. Sie waren sich gegenseitig sympathisch und beschlossen weiter Kontakt zu halten. Tagos war zuständig für den Aktienhandel des Sultans. Er wurde von allen mehrfach eingeladen, sie doch in ihrer Heimat zu besuchen. „Charid hat mich in seine Heimat eingeladen und ich bin begierig, ihr Land mit eigenen Augen zu erleben. Ich kenne es bis jetzt nur aus Büchern, aber ich werde versuchen, ihre freundlichen Einladungen alle wahrzunehmen und freue mich schon darauf”. Mit diesen in Arabisch gesprochenen Worten verabschiedete er sich. Ein allgemeines freundliches Händeschütteln begann. Charid strahlt vor Stolz. Seine Geschäftsfreunde hatten Peter akzeptiert.
Dann kam der unbequeme Augenblick. Mehrere Kameras fuhren auf sie zu und ein Fernsehreporter begann Charid zu interviewen. Dieser genoss seinen Auftritt und machte eine richtige Show daraus. Die Fernsehleute waren entzückt. Nach einiger Zeit richtete sich die Kamera plötzlich auf Peter und Michaela. „Sie heißen Peter Weber“, wusste der Reporter. Peter war völlig überrascht, fand dann aber zu seiner alten Kaltblütigkeit zurück. „Wenn Sie das sagen, dann wird es wohl stimmen“, er schaute lächelnd in die Kamera. „Sie scheinen gute Kontakte zu den Arabern zu haben?“ „Ja, das stimmt. Emir Charid ist mein Freund.” „Wie kommt ein in Finanzkreisen noch wenig bekannter Mann zu so einer Freundschaft?“ wollte der Reporter wissen. „Das ist eine lange Geschichte, die ich nicht in aller Öffentlichkeit breittreten will. Am besten fragen Sie doch den Emir selbst”. Der Fernsehmann zog ein bedenkliches Gesicht. Schnell, bevor er weitere Fragen stellen konnte, sagte Peter: „Ich bin zum ersten Mal auf diesem Kongress und bin dermaßen erschlagen von den Eindrücken, dass ich alles zuerst überdenken muss. Von mir werden Sie keine weltbewegenden Erkenntnisse erfahren.” Der Reporter stellte noch einige Fragen, merkte aber schnell, dass dieser Interviewgast nicht ergiebig war. Er wandte sich Michaela zu: „Und wie sehen Sie dieses Treffen der Finanzgrößen?“, fragte er. Michaela antwortete: „Ich verstehe von diesen Dingen nicht viel. Ich bin nur hier, weil mein Mann hier ist und ich ihn überallhin begleite.“ „Wenn ich mich so umschaue dann sind Sie mit Abstand die schönste Frau hier im Saal und haben sicher schon eine Menge Angebote erhalten. Gegen später, wenn sie unter sich sind soll es ja ziemlich hoch her gehen”, der Reporter grinste erwartungsvoll. Sie beugte sich plötzlich vor, lache ihr kehliges Lachen und fragte ihn: „Welche Vorstellungen haben Sie denn? Glauben Sie, sie können hier irgendwelche schmutzigen Geschichten ausgraben? Leben Sie ihre schmutzige Fantasie doch wo anders aus, es ist eine Schande, dass Fernsehleute anscheinend auf das Niveau der Gossenberichterstattung gesunken sind. Haben Sie überhaupt kein Schamgefühl?“
Als der Reporter schmierig grinsend zu einer Antwort Luft holte, fauchte sie vor Zorn sprühend. „Verschwinden Sie auf der Stelle, oder ich mache Sie hier so fertig, dass niemand mehr etwas mit ihnen zu tun haben will. Sie wären nicht der erste Rüpel, der von mir eine Tracht Prügel bezogen hat“ Dabei lächelte sie so liebreizend in die Kamera, dass der Regisseur sie in der Totalen übertrug. Ihre, jetzt im Licht der Lüster golden schimmernden Augen strahlten ins Objektiv. Der Reporter war total aus dem Konzept, er begann zu stottern und schaute verwirrt zu seinem Regisseur. Der winkte ab und die Kamera wandte sich anderen Prominenten zu. Michaelas Lachen dröhnte immer noch in seinem Kopf. Das war ihm in seiner langen Kariere noch nie passiert. So etwas hatte noch niemand geschafft, dass er sprachlos war. Was für eine Frau, dachte er während er nach weiteren Interviewpartnern Ausschau hielt.
„Mein lieber Mann, ganz schön kess”, Peter drückte Michaela einen Kuss auf die Nase. „Ich habe jetzt genug von diesen Machos, können wir uns nicht verdrücken?“ Michaela lehnte sich dabei an ihn. Peter wurde sich der vielen neidischen Blicke bewusst, die ihn jetzt trafen. Um die Neider noch mehr zu ärgern, nahm er Michaela kurz in den Arm. Sie sah ihn an, grinste verstehend und legte ihren Kopf liebevoll auf seine Schulter. „Leider können wir noch nicht gehen. Das können wir Charid nicht antun. Aber nun bleiben wir zusammen.“ Er legte ihr den Arm um die Taille und sie wanderten von Gruppe zu Gruppe.
Auf ihrem Weg trafen sie nochmals auf Theo McLean und Peter stellte ihm Michaela vor. Das ist Michaela, meine Lebensgefährtin“, sagte er zu Theo. Theo grinste freundlich. „Ich habe mich schon gewundert, warum er Sie hier ohne Schutz gehen lässt, aber als Sie den Fernsehmenschen fertig gemacht haben, war mir klar, dass Sie keinen Schutz brauchen.“ Theo lachte in der Erinnerung. „Ich freue mich, Sie kennen zu lernen”. Er küsste Michaela die Hand. Peter und Theo unterhielten sich noch eine Weile und vereinbarten, dass sie Kontakt halten sollten. Noch zwei Stunden bewegten sie sich durch die Halle. Peter hatte ständig den Arm um Michaelas Taille und so wagte es niemand, sie zu belästigen, obwohl viele begehrliche Blicke sie trafen.
Endlich bahnte sich Charid einen Weg durch die Menge auf sie zu. Als er sie erreichte, sagte er: „Meine Freunde und ich gehen jetzt, bevor es hier turbulent wird. Kommt ihr mit?“ „Sofort” sagten Michaela und Peter gleichzeitig. Charid lachte laut. „Ich habe euch richtig eingeschätzt. Euch liegt auch nichts an einem Massenbesäufniss und den anderen Begleitumständen.” Charid sah sie dabei vielsagend an. „Ich sitze noch etwas mit meinen Freunden zusammen, habt ihr Lust?“ Peter sah auf seine Uhr, schon wieder halb zwölf, er sah Michaela an und sie bat ihn mit einem Blick abzulehnen. „Nicht heute, Charid“, sagte er. „Wir sind beide müde. Es war ein langer, ereignisreicher Tag. Ein anderes Mal”. Er legte Charid entschuldigend die Hand auf die Schulter. Charid nickte. „Aber Morgen frühstücken wir doch noch miteinander.“ „Mit dem größten Vergnügen“, antwortete Peter. „Also abgemacht, Frühstück um neun Uhr dreißig.“ „Sie gingen mit dem Emir nach draußen, stiegen in das Auto und fuhren zum Hotel zurück. In der Hotelhalle verabschiedeten sie sich von Charid und fuhren zu ihrer Suite hinauf. Endlich allein”, jubelte Peter und nahm seine Michi in die Arme. „Ich bin hundemüde, lass uns schlafen gehen.” Einverstanden“, murmelte Michaela schläfrig und diesmal schliefen sie wirklich.

Heimflug

Am nächsten Morgen klingelte der Wecker um halb acht. Peter hatte gegen seine Gewohnheit durchgeschlafen und weckte jetzt Michaela, indem er sie pausenlos küsste. Endlich war sie wach.
Pünktlich um halb zehn klopfte es leise und als Peter öffnete, stand einer von Charids Männern vor der Tür. „Wir kommen”, sagte Peter auf Arabisch und sie folgten ihrem Führer.
Charid erwartete sie hellwach und wie aus dem Ei gepellt in einem frischen dunkelblauen Anzug mit Hemd und passender Krawatte, von Müdigkeit war keine Spur. „Endlich ihr Langschläfer, ich warte schon eine ganze Weile.“ Fatima und Leila waren auch im Zimmer und begrüßten sie herzlich. Im Nebenraum war ein üppiges Frühstücksbüffet aufgebaut. Sie füllten sich ihre Teller und aßen ausgiebig.
„Uff, ich kann nicht mehr”, stöhnte Peter nachdem er die dritte Portion Rührei mit Speck verdrückt hatte. Charid sah ihn anzüglich grinsend an. „Du musst ja eine anstrengende Nacht hinter dir haben.”
Peter wirkte etwas irritiert und Michaela dachte belustigt: Wenn der wüsste, dass gestern einer der wenigen Abende war, an dem wir uns wie ein altes Ehepaar einfach ins Bett gelegt haben und eingeschlafen sind. Sie kicherte innerlich.
Charid unterbrach ihre Gedanken und sagte „Ich möchte euch einen Vorschlag machen. Ich fliege um 12 Uhr nach Stuttgart. Der Jet muss dort gewartet werden und ich habe noch einiges zu erledigen. Fliegt doch einfach mit mir. Ihr seid dann schneller und vor allem bequemer wieder zu Hause.“
„OK”, sagte Peter erfreut: „Dieses Angebot nehmen wir gerne an. Ich hasse diese Linienmaschinen. Ich werde gleich Kurt Bescheid geben, dass er uns in Echterdingen abholt.“
„Sag ihm, er soll den neuen Wagen nehmen. Der Wagen ist ein Geschenk meiner Geschäftsfreunde an dich. Nimm ihn und frage nicht.“
Peter nickte nur und sagte: „Richte ihnen meinen Dank aus.” Nach dem Frühstück brachen sie auf. Fatima und Leila sausten wie aufgeschreckte Hühner herum und tyrannisierten hemmungslos die Diener.
Peter und Michaela gingen in ihre Suite, nahmen ihre Koffer auf, stellten sie vor die Tür und gingen nach unten. Im Foyer veranlasste Peter, dass die Koffer zu den wartenden Autos gebracht wurden und wollte die Rechnung begleichen, aber das war schon geschehen.
In Michaelas Kopf schwirrten tausend Gedanken und Fragen, aber sie schwieg im Augenblick, denn sie sah, dass ihr Peter voll ausgelastet war.
Sie warteten im Foyer auf Charid und sein Gefolge. Endlich quollen sie aus dem Aufzug. Vier Pagen schleppten das Gepäck, die Sicherheitsleute hatten ihre liebe Mühe, das Ganze unter Kontrolle zu halten. Charid, mit Fatima und Leila im Schlepptau, segelte auf sie zu und rief strahlend. „Ihr seid wenigstens pünktlich im Gegensatz zu uns.“ Gemeinsam gingen sie zu dem Wagen. Das Gepäck war in Kürze verstaut und so konnten sie gleich einsteigen. Der große Wagen bot Platz für alle Fünf, ein zweiter Kombi transportierte das Gepäck und in schneller Fahrt ging es zum Flughafen. Dort fuhren sie direkt aufs Flugfeld, wo die privaten Maschinen standen. Der silberne Lear Jet mit den Abzeichen des Emirs von Katala stand startbereit da. Während sie einstiegen wurde ihr Gepäck schon eingeladen. Peter und Michaela saßen noch nicht richtig, als die Maschine schon anrollte. Mit einem leisen Pfeifen hob der Jet ab und stieg steil in den Himmel. Die eineinhalb Stunden Flug bis Stuttgart unterhielten sie sich prächtig. Fatima war jetzt etwas aufgetaut und beteiligte sich reger am Gespräch. Peter erkannte, dass sie eine hochintelligente, scharfsinnige Frau war. Charid müsste sie mehr integrieren, dachte Peter. Sie ist ihm wahrscheinlich in manchen Belangen überlegen. Leila war wie immer. Sie sprühte vor Charme und plapperte munter drauf los.
Als sie bereits über Süddeutschland waren, lud Charid die beiden nochmals nach Katala ein. „Ihr müsst auf jeden Fall kommen, noch dieses Jahr. Und keine Ausreden.” Er drohte dabei Peter mit dem Zeigefinger. „Wir kommen bestimmt”, antwortete Michaela. „Ich bin viel zu neugierig auf das Land in dem ihr lebt”. Sie sah dabei alle drei der Reihe nach an.
Ihr munteres Geplauder wurde von dem Hinweis unterbrochen, dass die Maschine sich bereits im Landeanflug auf Echterdingen befand. Nach der Landung stieg Charid mit seinen Leuten in einen Hubschrauber um, der schon bereitstand und sie weiter transportierte. Vorher verabschiedeten sie sich nochmals herzlich voneinander. Charid und Peter umarmten sich, dann küsste Charid Michaelas Hand und stieg schnell in den Heli. Ein letztes Winken und der Helikopter hob mit schrillem Heulen ab.
Kurt war mit dem neuen Wagen direkt zum Abstellplatz der Maschine gefahren und lud eben ihre Koffer ein. Peter und Michaela schüttelten ihm nacheinander die Hand und Peter fragte: „Wie ist der neue Wagen?“ Kurt verdrehte die Augen. „Ein absoluter Traum. Das ist kein Auto, das ist ein Panzer mit dem Motor eines Rennwagens. Der absolute Wahnsinn.” Während der Heimfahrt saßen sie Arm in Arm im Fond des neuen Wagens aus schwäbischer Produktion und genossen das fast geräuschlose Dahingleiten. Bei der Fahrt durch Stuttgart traf so mancher neugierige Blick das geheimnisvolle Auto mit den dunkel getönten Scheiben.
Vor dem Eingang zur Villa wurden sie von Frau Manini und Carola freudig begrüßt und anschließend mit einem üppigen, schwäbischen Mittagessen verwöhnt. Es gab handgemachte Spätzle mit je einem großen Steak, bedeckt mit gebratenen Zwiebeln, gemischtem Salat und natürlich mit einer himmlischen Soße. Obwohl Frau Manini Italienerin war, beherrschte sie die Geheimnisse der schwäbischen Küche perfekt. Peter seufzte hinterher zufrieden. Das ist mir lieber, als das raffinierteste Menü, das ich in letzter Zeit gegessen habe.

Zwei Monate später, die Entführung

Sie schliefen am Morgen lange aus. Gegen seine Gewohnheit, von fünf Uhr bis acht Uhr zu arbeiten oder zu meditieren, blieb Peter im Bett. Dann frühstückten sie ausgiebig. Während Michaela ins Bad ging, öffnete Peter die Tür und wollte die Zeitung holen, die Carola immer im Flur auf einen dort stehenden Tisch legte. Aber heute lag sie nicht da.
„Warum ist denn die Zeitung noch nicht da?“ fragte Peter und ging zum Telefon. „Frau Manini, ist heute keine Zeitung gekommen?”, er lauschte in den Hörer. „Carola ist krank? Was fehlt ihr denn?” Er lauschte wieder. „Na ja, macht nichts”, sagte er und legte auf. Michaela kam gerade angezogen aus dem Badezimmer, während er nur einen Bademantel anhatte. Sie hatte den Schluss mitgehört und fragte: „Carola ist krank, was fehlt ihr?” Sie war gestern Abend aus und hat wohl etwas Schlechtes gegessen oder zu viel getrunken. Jedenfalls geht es ihr nicht gut und sie hat mehrmals gespuckt.“ „Ich hole schnell die Zeitung“, sagte sie und ging hinaus. Er öffnete das Fenster, und ging dann in Richtung Bad. Da hörte er Michaela laut schreien, eine Autotür schlug zu und er hörte einen Wagen mit aufheulendem Motor davonrasen. Blitzschnell fuhr er in seine Hose, zog sich ein T-Shirt über und rannte barfuß hinaus. Auf halbem Weg kam ihm Kurt entgegen und schrie: „Herr Weber, Herr Weber ihre Frau ist entführt worden.“ Stammelnd berichtete er: „Sie ging zum Tor hinaus und wollte wohl die Zeitung holen. Gegenüber stand ein roter Wagen. Als sie am Zeitungskasten stand, sprangen zwei Männer aus dem Auto, packten sie und zerrten sie in den Wagen. Dann fuhren sie davon.” Das alles brachte Peter erst durch mehrmaliges Nachfragen aus dem stammelnden, fast hysterischen Mann heraus.
Mein Gott, dachte er. Seine Gedanken schlugen regelrecht Purzelbäume. Zuerst die Polizei. Im Telefonbuch suchte er die Nummer der Kripo Stuttgart heraus und wählte die Nummer. „Kriminalpolizei Stuttgart“, meldete sich eine Stimme. „Ich möchte eine Entführung melden. Bitte verbinden sie mich mit der zuständigen Stelle”. Die Leitung war einen Moment tot, dann meldete sich eine Stimme „Hauptkommissar Bender.“ „Hier Weber. Vor wenigen Minuten ist meine Frau von zwei Männern direkt vor unserem Haus entführt worden.“ „Ihre Adresse?“ „Weinbergstr. 2, das ist direkt unterhalb vom Burgolzhof. Gar nicht weit weg von ihnen.“ „Ich glaube, ich kenne sogar ihr Haus”, meinte der Kommissar. „Wir kommen sofort.“
Mit langen Schritten rannte er im Wohnzimmer herum. Seine Gedanken waren wie gelähmt vor Angst um Michaela. Frau Manini stand händeringend da und jammerte. Es klingelte und er ging schnell an die Tür. Kurt hatte die Kripobeamten zum Tor hereingelassen und sie standen daher schon an der Haustür. Drei Männer waren es. Der mittlere streckte ihm die Hand entgegen und sagte: “Bender, wir haben miteinander telefoniert.“ Er stellte seine Kollegen vor. Sie wiesen sich alle drei aus und gingen anschließend ins Wohnzimmer.
Peter schilderte noch mal so genau wie er konnte den Hergang. Kurt wurde hereingerufen und erzählt, jetzt gefasster seine Beobachtungen. Auf die Frage wie die Männer ausgesehen hatten, ergänzte er, dass sie sich Damenstrümpfe über die Köpfe gezogen hatten. Die Auswertung der Überwachungskamera brachte keine weiteren Erkenntnisse. Man sah nur, wie die zwei Männer Michaela packten und wegzerrten.
„Dürfen wir ihr Telefon überwachen und eine Fangschaltung installieren?“ fragte Bender. „Selbstverständlich, tun Sie alles was Sie für nötig halten.”
„Ich hätte es wissen müssen nach all dem Presserummel”, stöhnte er und schlug mit der Faust wütend auf den Tisch. „Nun beruhigen Sie sich mal.” Der Kommissar legte ihm die Hand auf die Schulter. „Jetzt können wir nichts tun als warten, bis die Entführer sich melden.” Wie ein Tiger ging Peter den ganzen Vormittag im Zimmer auf und ab. Frau Manini servierte ihm und den Polizisten ein Mittagessen, aber Peter brachte keinen Bissen hinunter. Mehrmals klingelte das Telefon, aber es waren jedes Mal geschäftliche Anrufe. Gegen 16 Uhr 30 klingelte es wieder. Diesmal waren es die Entführer. „Weber“, meldete sich Peter. „Wir haben ihre Frau”, schallte es aus dem Hörer. Wenn Sie sie lebend wiedersehen wollen, dann besorgen Sie bis Morgen 16 Uhr 5 Millionen Mark in kleinen, gebrauchten Scheinen, keine fortlaufenden Seriennummern oder so einen Scheiß. „Zuerst möchte ich mit meiner Frau reden“, erwiderte Peter. Man hörte im Hörer kratzende Geräusche und dann Michaelas klägliche Stimme. „Peter“, weinte sie. „Hol mich hier raus.“ „Bist du OK, haben sie dir etwas getan?” „Bis jetzt waren sie nur grob, aber sonst geht’s mir gut.“ „So, genug gequatscht”, erklang wieder die Männerstimme. „Hören Sie“, sagte Peter. „Es ist jetzt fast 17 Uhr. Die Banken haben zu und Morgen ist Samstag. Woher soll ich denn jetzt 5 Millionen herkriegen?“ „Das ist mir scheißegal”, schrie der Mann. „Wenn du nicht spurst, schicken wir dir für jeden Tag einen Finger deiner Süßen, ist das klar. Morgen um 16 Uhr rufe ich an und sage, wohin du das Geld bringst und keine Polizei.“ Es klickte im Hörer und das Freizeichen erklang.
„Können Sie das Geld aufbringen?“ wollte der Kommissar wissen. „Die 5 Millionen sind nicht das Problem. Wenn er mir ein Konto nennen würde, hätte er das Geld in einer Stunde. Aber wo kriege ich so viel Geld in kleinen Scheinen her?“ Der Kommissar schluckte und sah seine Kollegen an. Da ist uns wohl etwas entgangen“, murmelte er dann. Peter sah in fragend an. „Wir haben alle Adressen der Bürger in unserem Notfall-Computer, die als Entführungs- oder Erpressungsopfer in Frage kommen. Ihre Existenz war uns bis jetzt unbekannt.”
„Daran ist nur die Presse und das Fernsehen schuld”, schimpfte Peter. „Wir waren auf einem Kongress in Berlin. Ein guter Freund von mir, der Emir von Katala war bei uns und auf den hat sich die Presse gestürzt. Dabei sind wir natürlich auch ins Rampenlicht gerückt und die Zeitungsfritzen haben in kürzester Zeit alles Mögliche über uns veröffentlicht. Unsere Adresse, unser vermutliches Vermögen, einfach alles. Das Fernsehen hat schon angefragt ob sie hier bei uns ein Interview machen dürfen. Aber denen werde ich was husten.”
„Damit ist zu mindestens geklärt, woher die Gangster ihre Adresse haben. Ich vermute, dass sie diese Carola gestern abgepasst, und ihr etwas ins Getränk geschüttet haben. Der Rest war für sie Glückssache.”
Bender warf seinen beiden Kollegen einen Blick zu. „Ich glaube wir können jetzt gehen. Vor morgen Nachmittag passiert hier nichts mehr.” „Herr Weber! Wo haben Sie ihr Konto?“ „Bei der Deutschen Bank.” „Ich werde sofort veranlassen, dass morgen früh jemand von der Bank da ist, der sich um die Beschaffung der Scheine kümmert. Wir haben auch einen Spezialfond, der uns Geld liefern kann. Machen Sie sich also um das Geld keine Sorgen, bis morgen Abend haben wir es.“ Er reichte Peter die Hand und dann gingen sie.
Ruhelos wanderte Peter durchs Haus. Er telefonierte mit Tom und erzählte ihm was vorgefallen war. Er bat ihn, alle seine Verbindungen spielen zu lassen, damit morgen mit der Geldscheinbeschaffung alles klar ginge. Mit Henry sprach er ebenfalls und bat auch ihn, alle Hebel in Bewegung zu setzen. Er rief noch eine ganze Reihe von Geschäftsfreunden an und bat alle um Hilfe, die sie bereitwillig zusagten. Jetzt habe ich alles in Bewegung gesetzt was mir zur Verfügung steht, dachte er. Dann tigerte er wieder unruhig und fast irrsinnig vor Angst um Michaela im Haus herum. Frau Manini und Carola sahen ihm stumm zu. Carola hatte ein total verheultes Gesicht. Sie gab sich die Schuld an dem Geschehen. Als sie das weinend zu Peter sagte, herrschte er sie nur unwirsch an. „Passiert wäre es auf jeden Fall. Wenn nicht heute dann ein anderes Mal.” Dann nahm er sie in den Arm, entschuldigte sich für seinen ruppigen Ton und tröstete sie sogar.
Charid, schoss es plötzlich durch sein Hirn. Ich muss ihn anrufen, vielleicht kann er mir helfen. Ich brauche dringend ein oder zwei bewaffnete Männer. Er weiß sicher, wo ich die herkriegen kann oder er kennt jemand, der es weiß. Er eilte nach oben in sein Arbeitszimmer, wo die Satellitenanlage stand. Dort wählte er mit nervösen Finger Charids Codenummer. Lass ihn da sein, betete er still. Dann meldete sich Charid, sein Bild erschien auf dem Farbdisplay. „Peter mein Bruder, welche Freude”, sagte er auf Arabisch und sah ihn dann ernst an. „Was ist passiert? Du siehst aus als sei dir der Leibhaftige erschienen.” „Michaela ist heute Morgen entführt worden.“ Charid wurde bleich. Das ist ja furchtbar“, er sah Peter entsetzt an. „Haben sich die Entführer schon gemeldet?“ Peter nickte: „Sie wollen bis morgen Abend 16 Uhr hiesige Ortszeit fünf Millionen DM in kleinen gebrauchten Scheinen”, berichtete er. „Brauchst du Geld?“, wollte Charid wissen. „Quatsch, ich brauche gebrauchte Scheine. Aber das habe ich schon in die Wege geleitet. Was ich dringend brauche ist ein Mann, oder auch zwei, die kämpfen können, die bewaffnet sind. Kannst du mir zuverlässige Männer besorgen?“ Charid dachte eine Weile nach, verschwand einige Zeit vom Schirm und er hörte ihn telefonieren. Dann tauchte er wieder auf dem Schirm auf. „Ich habe genau den richtigen Mann für dich hier. Ich habe ihn gerade gerufen und gleichzeitig Anweisung gegeben, dass der Jet startbereit gemacht wird. Morgen früh um 7 Uhr startet er und wird ca. um 13 Uhr in Stuttgart sein. Er heißt Achmed und spricht nur arabisch und englisch, aber das macht bei dir ja zum Glück nichts aus.” „Danke Bruder”, sagte Peter erleichtert. „Achmed soll sich mit dem Taxi zum Hotel Goldenes Eck bringen lassen. Ich reserviere ihm dort ein Zimmer und regle alles für ihn. Ich lasse ihm einen Leihwagen vor das Hotel stellen. Den Schlüssel bekommt er vom Portier.“ „Gut dann kann ich nur noch hoffen, dass alles gut läuft. Ich warte auf deine Nachricht Bruder.“ Sie sprachen noch eine Weile, dann verabschiedete sich Peter.
So, jetzt habe ich wirklich alles getan was ich tun kann. Arme Michi, wie es ihr wohl geht? Wenn die Kerle ihr etwas angetan haben, bringe ich Sie um so wahr ich Peter Weber heiße. Mit solchen und ähnlichen düsteren Gedanken setzte er sich im Wohnzimmer auf einen Sessel. Ins Bett wollte er nicht, er konnte jetzt unmöglich schlafen. Ich werde uns einen Wachdienst einrichten, schwor er sich, sobald Michi frei ist. Wenn ihr etwas passiert, dann brauche ich allerdings keinen mehr. Tränen standen in seinen Augen bei dem Gedanken, Michaela könnte etwas passieren. Ich bringe sie um, ich bringe sie um, er ballte vor Wut seine Fäuste und rannte wieder ziellos im Haus herum.
Irgendwann in der Nacht schlief er auf dem Sessel ein. Am Morgen fand ihn Frau Manini verkrümmt auf dem Sessel liegend. Vorsichtig wollte sie ihn zudecken, aber er wachte bei dieser leisen Bewegung sofort auf. Mit einem Ruck war er auf den Beinen.
„Gibt’s was Neues?” wollte er wissen. Frau Manini schüttelte traurig den Kopf. Wie gerne hätte sie ihm eine gute Nachricht gebracht. In diesem Moment kam Carola mit der Zeitung herein und stand dann schreckensstarr vor ihm, ließ die Zeitung fallen und rannte laut aufweinend wieder hinaus. Mit rauer Stimme sagte er zu Frau Manini: „Gehen Sie ihr bitte nach und passen Sie auf, dass sie keinen Unsinn macht. Trösten Sie Carola.“ Er drehte sich abrupt um und stieg die Treppe hinauf. Hastig duschte er, rasierte sich, wobei seine Gedanken ständig um Michaela kreisten. Er war krank vor Kummer und Angst. Geistesabwesend schmierte er sich den Rasierschaum auf die Zahnbüste und spülte dann fluchend seinen schäumenden Mund aus.
In seinem Arbeitszimmer hängte er sich ans Telefon und vergewisserte sich, dass man in der Deutschen Bank bereits an der Arbeit war. Sämtliche Verbindungen ließ er nochmals spielen, das Geld musste bis 16 Uhr zu Verfügung stehen. Das Frühstück stand immer noch unberührt da als er ins Wohnzimmer hinunterging wo die drei Beamten von gestern schon saßen.
„Haben Sie etwas herausbekommen?“, stürzte er sich sofort auf Hauptkommissar Bender. „Nein, leider nicht“, antwortete dieser. „Wir können jetzt nur warten bis sich die Entführer wieder melden.“ „Wir haben vier mobile Einsatzkommandos an strategischen Stellen in Stuttgart stationiert. Im Falle eines Einsatzes können sie in 10 Minuten an jeder Stelle Stuttgarts sein”, versuchte der Kommissar ihn zu beruhigen.
Der Nachmittag verging quälend langsam. Jedes Mal, wenn das Telefon klingelte, sprang Peter hoch. Aber es waren immer nur Anrufe von der Bank, oder für den Kommissar.
Zweimal klingelte sein Handy.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739486697
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Februar)
Schlagworte
Urban Fantasy Unterhaltung familie Fantasy Spannung Familiensaga Beziehung Liebe Erotik Science Fiction Roman Abenteuer Liebesroman

Autor

  • Martin Amadeus Weber (Autor:in)

Mein Name ist T. M. Weber. Ich wurde am 15.04.1955 in Stuttgart geboren. 35 Jahre lang war ich an einer Stuttgarter Schule als Realschullehrer tätig. Seit Sommer 2017 bin ich im Ruhestand. Ich lebe mit meiner Familie in einem kleinen Dorf am Rande des Schwarzwaldes. Ich habe einen erwachsenen Sohn, drei erwachsene Töchter und sechs Enkelkinder. Mein Pseudonym lautet Martin Amadeus Weber .
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Titel: Die Gefährtinnen