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Psychologen schmunzeln nicht

von Tom Crispa (Autor:in)
264 Seiten
Reihe: Pat & Ally, Band 1

Zusammenfassung

Cyrus Adler ist ein mächtiger und steinreicher Filmproduzent, gleichermaßen gefürchtet wie begehrt. Eine Audienz bei ihm ist wie ein Sechser im Lotto. David, einem aufstrebenden Drehbuchautor aus den USA, wird diese unerwartete Ehre zuteil. Ehrfürchtig, aber dennoch voller Optimismus reist er nach London, wo er auf seinen großen Durchbruch hofft. Dort kommt es zu einem folgenschweren Missverständnis, das eine fatale Kettenreaktion auslöst. Eine junge Londoner Polizistin und eine deutsche Praktikantin werden in die Ereignisse verwickelt. Wer spielt mit wem ein falsches Spiel? Die Grenzen zwischen Freund und Feind beginnen zu verschwimmen …

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1

Die Turbinen verabschiedeten sich nach einem letzten Aufwimmern diskret und rollten erleichtert aus. Die obligatorische Aufforderung der Purserette – »Bitte bleiben Sie noch so lange angeschnallt auf Ihren Sitzen, bis wir unsere vollständige Parkposition erreicht …« – ging im dutzendfachen Klacken sich öffnender Gurte und Handgepäckfächer unter. Die Maschine rollte noch, die ersten Geschäftsleute standen bereits ungeduldig im Gang und drängten zur Vordertür. Die meisten hatten bereits wieder das Handy am Ohr und ließen ihre Umgebung ebenso ungeniert wie lautstark an ihren Telefonaten teilhaben.

»All doors in park«, nuschelte es keine zwei Minuten später aus den Lautsprechern. »… position«, ergänzte sie im Stillen und schob ein »please« hinterher. Für vollständige Sätze war im Luftfahrtgeschäft offenbar keine Zeit. Für die meisten Passagiere wäre das ohnehin nur verschwendeter Atem gewesen.

 

Sie wartete wie immer nur wenige Minuten. Nach vier bis fünf Minuten war die Maschine üblicherweise so gut wie leer und sie konnte somit ungehindert und ohne Drängeleien direkt zum Ausgang gehen. Auf der Gangway stellte sie ihr Gepäckstück ab und zog den Griff aus dem Trolley, um ihn, wie die meisten Gäste dies taten, hinter sich herziehen zu können. Es wäre für sie körperlich ein Leichtes gewesen, ihn einfach zu tragen, doch »möglichst wenig auffallen« war ihre Devise. So knatterte der kleine Rollkoffer über den anthrazitfarbenen Noppenboden schattengleich und geräuschvoll hinter ihr her. Vorbei an den gelben Hinweisschildern, die von der eigentlich immer als viel zu niedrig empfundenen Decke in Heathrow hingen und die Richtung zu der gesuchten Underground-Station wiesen.

Sie freute sich riesig auf diese Stadt. Sechs Monate London! Abenteuer pur. Ihre Koffer hatte sie bereits ins Boarding-Haus vorausschicken lassen; so konnte sie direkt durchstarten und sich den Zwischenstopp am Gepäckband ersparen.

 

Noch befand sie sich aber, wenn auch als eine der Letzten aus dem Flieger, in der Gruppe, die sich erst nach weiteren etwa fünfzig Metern in Richtung Gepäckband, Taxistand und Tube trennen würde. Sie war eher geschlendert, daher driftete die Gruppe vor ihr bereits ein wenig auseinander und gab den Blick auf drei Police-Officer am Rand mit Schutzwesten und Maschinenpistolen frei, die offensichtlich suchend die vorbeiströmenden Passagiere taxierten.

 

Sie stockte innerlich, bemühte sich aber, Gang und – soweit unter diesen Umständen möglich – Körpersprache beizubehalten. Blitzlichtartig ging sie auf den wenigen gerade noch verbleibenden Metern die bisherigen Vorbereitungen der letzten Wochen nochmals durch. Wo lag der Fehler? Gab es eine undichte Stelle und wenn ja, aber doch nicht schon hier und jetzt?! Schlagartig waren ihre Vorfreude und gute Laune verflogen. Ihr Lächeln gefror und wirkte mit einem Mal künstlich und unnatürlich. Sie bemühte sich, keinen der Polizisten direkt anzusehen, aber auch nicht zu angestrengt geradeaus zu blicken. Sie wusste bereits aus dem Studium, mit dieser aufgesetzten ›neutralen‹ Ich-habe-gar-nichts-getan-Haltung war noch jeder bereits beim Zoll als besonders auffällig herausgewunken worden.

»Du bist eine Studentin im Auslandssemester, alles ganz einfach«, ermutigte sie sich selbst.

Zwei der Beamten fixierten sie nun, der dritte schaute an ihr vorbei.

Sie atmete erleichtert auf. Geschafft!

Fünf Meter an den Beamten vorbei, drehte sie sich beiläufig, um scheinbar nach ihrem Trolley zu sehen, und bemerkte dabei aus den Augenwinkeln, wie einer der Officer in sein Schultermikrofon sprach. Alle drei setzten sich langsam in Bewegung und nahmen dabei die volle Breite des Flures ein.

Der Verdacht, aufgeflogen zu sein, nagte unangenehm in der Magengrube. Verdammt, wieviel wussten die? Sie ließ den Kopf etwas sinken und presste verstimmt ihre Lippen aufeinander.

 

Etwas weiter vorne löste sich eine Kaugummi kauende junge Frau von der Wand, an der sie bisher schräg angelehnt auf ihr Handy geschaut hatte. Ein kurzer kräftiger Ruck mit den Schultern und sie stand unvermittelt sehr stabil inmitten der Laufrichtung. Da sie ein Stück kleiner war als sie selbst, konnte sie nun auf der bisher abwandten Seite ihrer kurzen, stufig geschnittenen mischblonden Haare ein durchsichtiges Spiralkabel erkennen, das aus einem weißen Kragen kommend in einen Knopf im rechten Ohr mündete.

Es war klar, was jetzt folgen würde.

Die Kaubewegung endete abrupt. Ohne sich von der Stelle zu rühren, fingerte die junge Frau mit der rechten Hand ein schwarzes Etui aus der Innenseite der dunkelblauen Regenjacke. In einer gleitenden, offensichtlich wiederholt praktizierten Bewegung klappte sie den Ausweis auf.

Task Force Police! Den Namen der Beamtin las sie schon nicht mehr und hörte auch nicht hin, wie sich die blaue Regenjacke als Detective Sergeant zu erkennen gab.

 

Der Plan war im Ansatz gescheitert. Nun war ihr wirklich schlecht.

2

»Wie im letzten Jahrhundert. Ach was, nein. Wie im vorletzten«, dachte er. Schließlich stand ja schon seit fast zwei Jahrzehnten eine zwanzig als Jahrhundertzählung und keine neunzehn mehr in den Kalendern, korrigierte er sich sogleich selbst. Ebenso ausführlich wie fasziniert sah er sich in diesen scheinbar aus einer vergangenen Epoche stammenden vier Wänden um. Eine alte Villa mit mit mindestens ebenso altem Baumbestand, eingebettet in einen gepflegten Park, beherbergte den Raum, in dem er sich befand. Zimmer wäre nach seiner ersten Einschätzung eine doch zu respektlose Bezeichnung für diese Örtlichkeit gewesen.

Da war zunächst die übermannshohe Holztüre mit einem verzierten Messinggriff auf Kinnhöhe, durch die man ihn hineingeleitet hatte. Deren dunkler Holzton dominierte die gesamte Ausstattung des ausladenden Raumes, der ihm als Bibliothek benannt worden war. Hier also gedachte ihn sein Gastgeber zu empfangen. Sicherlich nicht unpassend, dachte er und ließ die imposanten, wohl viele tausend Bücher auf sich wirken, die sich artig vom Boden bis zur – oh, – nahezu vier, fünf Meter hohen Stuckdecke in den mächtigen Regalen aneinander drückten. Sie schienen sich zu verstehen, hatten sie doch alle ähnlich dunkle, gediegene Einbände. Zwar verschieden in Form und Größe, aber doch in der Farbe und Erhabenheit zu einer eher edlen Bibliothek mit schweren Perserteppichen passend.

Weder ein Taschenbuch noch ein Bildband oder ein anderes Werk mit buntem Rücken war zu erkennen. Wäre wohl auch gleich von den anderen Büchern gemobbt und verprügelt worden, ging es ihm durch den Kopf. Er wusste, dass er sich immer mit solch unsinnigen Gedankenspielen abgab, wenn er sehr aufgeregt war und eigentlich Angst hatte. Nur half ihm diese Erkenntnis nicht viel weiter.

Er blickte in den beinahe erkalteten Kamin, den nicht entsorgten Aschehügel, der zwei noch nicht vollständig verbrannte Holzscheite umgab, die eben ein wenig vor sich hin kokelten. Sogleich flammte das Feuer vor seinem geistigen Auge auf und er sah, wie kleine und große ledergebundene Bücher um den Kamin tanzten und an den Marterpfahl gebundene Taschenbücher verbrannten.

Die Türe hinter ihm wurde mit leichtem Knarzen geöffnet und riss ihn aus diesem selbst für seine Verhältnisse verstörenden Tagtraum. Oh Gott, du musst dringend mal zum Arzt, oder dir künftig wenigstens ein Beruhigungsmittel geben lassen! Er drehte sich im rechten Winkel in Richtung Tür, von wo er ein Geräusch zu vernehmen glaubte.

Was denkst du dir immer für einen Scheiß aus, wenn du dich ablenken willst! Schiss hast du ja gerade, und wie! Mmh, Scheiß und Schiss liegen doch sprachlich wie inhaltlich beieinander, drängte sich schon der nächste Gedanke ungefragt durch seine Hirnwindungen, wurde aber seiner Fortführung beraubt, da der Türflügel zwischenzeitlich seinen maximalen Öffnungswinkel erreicht hatte und hinter ihm der Hausherr hervortrat. Unermesslich reich, selbstverliebt, rücksichtslos, höchst erfolgreich und gnadenlos gefürchtet, so hatte man ihn in den Medien charakterisiert. Als Filmproduzent galt er als ebenso umworben wie für Normalsterbliche unerreichbar. Umso wichtiger, im Grunde gar existenziell bedeutsam, war ein positiver Verlauf dieser auf wundersame Weise zustande gekommenen Begegnung heute.

Audienz – wäre das nicht der angemessenere Ausdruck?

»Depp!«, meldete sich seine innere Stimme zu Wort.

Er schluckte trocken. Alle Feuchtigkeit war mit explosionsartiger Geschwindigkeit aus Zunge und Rachenraum verschwunden und hatte es sich irgendwo anders in seinem Körper gemütlich gemacht.

Unfähig sich zu rühren sah er ein untersetztes, etwa ein Meter fünfundfünfzig großes Männlein auf sich zukommen, das zuvor dem Türblatt ohne hinzusehen mit dem linken Fuß einen Schubs gegeben hatte. Nicht zu sanft, nicht zu stark, gerade dessen genug, dass die Türe mit einem angemessenen »Klack« zufiel und der Schnapper seine angestammte Verriegelungsposition einnehmen konnte.

Der große, runde, nahezu kahle Kopf thronte in gewisser Weise disharmonisch auf einem grundsätzlich zierlichen schlanken Körper, jedoch mit einem beachtlichen Bauchansatz, der aus der geöffneten Hausjacke hervorstach. In der Linken befand sich ein Longdrinkglas, welches seine kleinen Hände nur zur Hälfte umfassen konnten, in der Rechten ein Schnellhefter.

Er stiefelte schnurstracks auf den rechten Sessel neben dem Kamin zu, ohne irgendwelche Anstalten einer Begrüßung per Handschlag machen zu wollen. Wie denn auch?

Ein kurzes Kopfnicken, gefolgt von einem »Nehmen Sie Platz, junger Freund!«, und die Präliminarien schienen vorüber.

Das Männlein ließ sich schwer in den Sessel fallen, sofern man bei seiner Statur von schwer sprechen konnte.

Der Drink konnte dabei gerade noch vor dem Überschwappen bewahrt werden. Der kleine Mann entschloss sich daher abzutrinken und stülpte seine wulstigen Lippen über den hauchdünnen Glasrand. Geräuschvoll schlürfte er mit mehreren Schlucken die farbenfrohe Flüssigkeit in sich hinein, die mit blauen und orangefarbenen Schlieren um handgebrochene Eiswürfel herum mäanderte. Er setzte ab, schloss kurz die Augen und schmatzte zweimal.

Offenbar schmeckte das Gesöff.

Der junge Autor stand etwas unbeholfen dabei und fragte sich, wie sie denn wohl das Gespräch gestalten sollten, wenn jeder von ihnen in einem der wuchtigen Sessel Platz nahm, die beide auf den Kamin und nicht zueinander ausgerichtet waren.

Die wenigen Augenblicke der Unschlüssigkeit reichten dennoch, um den Gastgeber etwas genauer zu taxieren. Goldrandbrille, große Ohren, etwas hängende Backen, alles wohl zwischen 70 und 80 Jahren alt, leichter, seidiger Hausmantel mit einem ihm unbekannten Wappen auf der Brusttasche verziert. Darunter bequeme Kleidungsstücke und ebensolche Schuhe in Slipper-Ausführung.

»Aber was bin ich denn für ein schlechter Gastgeber?«, riss ihn derselbe aus seiner Betrachtung.

»Möchten Sie auch einen Blue Curaçao nach Art des Hauses? Ich kann Ihnen gleich einen bringen lassen.«

Er tastete nach einem Rufknopf auf dem niedrigen Beistelltischchen. »Oder vielleicht etwas anderes? Kalt? Warm?« und wartete die Antwort gar nicht erst ab, sondern ergänzte wie in einem Atemzug: »Nun nehmen Sie doch schon Platz, lieber Freund!«

Der »liebe Freund« setzte sich behutsam auf die vordere Sesselkante und hörte sich dankend verneinen. Ihm war etwas unwohl. Er wollte keine Umstände machen, nicht jetzt, nicht zu Beginn dieser für ihn so wichtigen Begegnung.

Er drehte sich noch ein wenig mehr, um seinen Gesprächspartner direkt ansehen zu können, wenn der das denn wollte. Er wollte.

»Nun, dann vielleicht später …«, hörte er ihn sagen, als er den Rufknopf auf das Tischchen zurückfallen ließ.

Geradezu schlagartig überfiel ihn ein schlechtes Gewissen. Womöglich war es grob unhöflich gewesen, das freundliche Angebot abzulehnen. Seinen hoffentlich künftigen Produzenten als Einstieg zu verstimmen, wäre wirklich das Letzte, das er jetzt gebrauchen konnte.

Er räusperte sich verlegen. »Wenn ich vielleicht dann doch einen …« Dabei vollendete er den Satz nicht, traute sich schon gar nicht zu ergänzen, dass er grundsätzlich gar keinen Alkohol mochte. Immerhin hatte ihn sein Gefühl nicht getrogen, denn das Gesicht seines Gegenüber hellte sich schlagartig auf. Anstelle den Sender in die Hand zu nehmen, ließ er seinen Zeigefinger zwei-, dreimal darüber kreisen, um ihn dann wie einen Habicht hernieder sausen zu lassen. Das Gerät quittierte mit einem filigranen Piep, dass es seinen Auftrag verstanden hatte.

»Sie werden staunen!«, strahlte ihn der Mann an und zog Beifall heischend gleichzeitig beide Augenbrauen nach oben. Er nickte in Richtung Tür, die sich wie auf ein Stichwort zu öffnen begann.

 

In der Tat, es gab Anlass zum Staunen.

3

»Wie bitte?«, hörte sie sich fragen.

»Detective Sergeant Patricia Farquharson«, wiederholte die Kriminalbeamtin akzentuiert und eine Spur lauter. »Sind Sie Allyssa Colmberg?«

»Ja, Officer das bin ich«, bestätigte sie. Zumindest im Augenblick, ergänzte sie im Stillen. Dabei hatte sie sich doch so große Mühe gegeben, möglichst lange unter dem Radar und unbehelligt zu bleiben.

»Wie haben Sie mich gefunden?«, fragte sie resigniert, schickte aber schnell ein kurzes Lächeln hinterher, wollte sie doch nicht zu abweisend wirken.

»Nun«, die Angesprochene klappte die ID-Marke zusammen und ließ sie in der Gesäßtasche ihrer hellen Bluejeans verschwinden, »das war ziemlich einfach.« Sie nickte den näherkommenden Uniformierten zu – »Danke, Jungs!« –, worauf diese zurück grüßten und sich an ihnen vorbei in Richtung Gepäckausgabe neu orientierten.

Sie musterte die 1,80 m große, schlanke junge Frau mit kinnlangen roten Haaren, die sie eben aus einer von Frankfurt kommenden British Airways-Maschine aus 300 Passagieren herausgefiltert hatte. Das gehörte wohl kaum zu den herausfordernden Aufgabenstellungen.

»War ja schwer zu übersehen«, murmelte sie die Antwort halblaut vor sich hin, während sie ihren Kollegen nachblickte. Sie wandte sich um und wartete auf ein zustimmendes Nicken, das jedoch ausblieb. Vielleicht hatte sie doch zu leise und in die falsche Richtung gesprochen?

»Na, jedenfalls – haben Sie Gepäck?«, vergewisserte sie sich das Thema wechselnd, ohne eine weitere Reaktion abwarten zu wollen.

»Nur meinen Trolley.«

»Gut, dann können wir ja jetzt gehen. Folgen Sie mir bitte, Ma’am.« Mit einer einladenden Geste in Richtung Ausgang setzte sie sich in Bewegung. »Mmh, Deutschland also«, begann sie eine unverfängliche Konversation. »Sollten Sie dann nicht eher blonde oder braune Haare haben?«

»Und Sie?«

»Was ist mit mir?«

»Farquharson, ein schottischer Clan aus Aberdeenshire, sechzehntes, nein, fünfzehntes Jahrhundert – sollten Sie dann nicht rote Haare haben?« Obacht, das könnte ein wenig zu schnippisch gewirkt haben, warnte sie sich, wenn auch zu spät.

DS Farquharson stoppte und sah ihre Begleiterin mit offenem Mund von der Seite her überrascht an. »Woher wissen Sie denn sowas? Das weiß ja nicht mal einer von den Revierkollegen …« Für wenige Sekunden wich die gezeigte Bewunderung einem misstrauischen Blick. Sie kniff leicht die Augen zusammen. »Sie … nein«, verwarf sie den aufkommenden Gedanken. Die konnte unmöglich gewusst haben, wer sie hier abholen würde, es war ihr selbst erst kurz zuvor bei Dienstbeginn aufgetragen worden, insoweit hätte sie sich in keiner Weise vorbereiten können. Umso verblüffender …

Die Rothaarige zuckte mit den Schultern. »Wusste ich eben«, unterbrach sie die Überlegungen des Sergeants. »Tatsächlich bin ich naturblond und hatte bis vor kurzem noch schulterlange Haare«, schob sie mit einem bemühten Lächeln hinterher.

Patricia kaute inzwischen wieder, machte aber noch keine Anstalten weiterzugehen, musterte stattdessen reichlich unverblümt ihr Gegenüber von oben bis unten.

Sie war mit ihrem Fang noch nicht fertig. Flache sportliche Schnürschuhe, schwarze Jeans, eine kurze Softshelljacke, darunter eine zartblaue, unverkennbar auf Figur geschnittene Bluse mit offenem Kragen. Hätte direkt eine Kollegin sein können, überlegte sie. Nach ihrem Gesamturteil hatte sie hier eine echte Schönheit vor sich, die so oder so auffiel, auch wenn sie im Moment nicht gerade überglücklich wirkte.

»Und – zu viele Blondinenwitze?«, fuhr sie beiläufig fort, ohne ihre Musterung zu unterbrechen.

»So ähnlich, ich wollte etwas weniger Aufmerksamkeit bei meinem Aufenthalt.«

Die Beamtin lachte auf. »Darling, dazu hast du dir aber die falsche Karosserie und das falsche Gesicht ausgesucht«, spottete sie und sah direkt in zwei tiefblaue Augen, die aber keine Missbilligung über ihre Wortwahl und die respektlose Vertrautheit erkennen ließen. Beide Frauen schienen etwa gleich jung zu sein, Mitte zwanzig, vielleicht auch zwei oder drei Jahre älter.

»Sorry, ist mir so rausgerutscht«, schickte sie vorsichtshalber hinterher, ging dabei ein paar Schritte weiter, drehte sich kopfschüttelnd wieder um und baute sich, beide Arme auf die Hüften stützend, vor der Studentin auf.

»Aber … also, mal ehrlich, iiirgendwann« – das Wort zog sie absichtlich in die Länge und wackelte währenddessen mit dem Kopf hin und her – »schon mal in den Spiegel geschaut?«

»Ja, natürlich.«

»Also!« Beide Handflächen streckten sich ihr hilfestellend entgegen, als wolle sie einer Schülerin bei einer Prüfungsfrage auf die Sprünge helfen. Vergeblich.

Die blauen Augen blickten verständnislos. Das »Sorry« brachte sich gerade rechtzeitig nochmals in Erinnerung, um ihr zu verdeutlichen, dass sie sich in gefährliche Nähe einer dienstlichen Rüge bewegte. Den nächsten Satz schluckte sie daher direkt hinunter.

»Na ja. Ich mein’ ja nur …«, versuchte sie die Kurve zu kriegen, »wer so aussieht, zieht halt die Blicke auf sich, Ma’am.« Und das jetzt schon, wo du ungeschminkt und in Freizeitklamotten vor mir stehst, dachte sie. Sie war auf die Reaktionen der Revierkollegen gespannt, beschloss aber, die restliche Strecke bis zum Dienstfahrzeug schweigend zurückzulegen. Warum haben die ausgerechnet mich geschickt, um so eine abzuholen?, fragte sie sich, ohne ernsthaft mit einer Antwort zu rechnen.

 

Vier Minuten lang gingen sie schweigend die Flure entlang, die Beamtin etwa zwei Schritte vorneweg, die Rothaarige versetzt dahinter.

Hoffentlich war die jetzt nicht noch eingeschnappt, dachte Farquharson etwas zu spät über ihre Flapsigkeit nach. Wie oft hatte ihr Boss sie schon ermahnt, etwas gesitteter und weniger vorlaut aufzutreten. Bisher hatte er immer noch schützend die Hand über sie gehalten, weil er sie für eine sehr brauchbare Beamtin hielt und sie nebenbei unangefochten bester Schütze der Division war. Sehr zum Leidwesen ihrer männlichen Kollegen, die deswegen schon so manche Wette verloren hatten.

Vor ihnen öffneten sich die automatischen Türen und sie befanden sich nach wenigen Schritten in der Anfahrtzone.

»So, da wären wir.«

Sie deutete auf einen PKW, der mit eingeschalteten Warnblinkern auf einer schraffierten Verbotsfläche stand. Ein Sicherheitsbeamter näherte sich missmutig, nachdem er geschlussfolgert hatte, dass dies die Fahrerin des Wagens war, den er nur zu gerne hätte abschleppen lassen. Er hatte schon das Funkgerät in der Hand, als er nach einer vorsorglichen Umrundung des Wagens die im Kühlergrill eingelassenen blauen LED-Blitzleuchten erkannt hatte.

Das war jetzt fast eine halbe Stunde her.

»Musste das sein?«, raunzte er die Blonde von der Seite an. Die schien allerdings etwas auf Krawall gebürstet, stoppte, steuerte geradewegs auf den plötzlich etwas kleiner werdenden Security-Mann zu und sah ihm fest in die Augen.

»Ja, Darling, das musste sein. Sonst noch Fragen, Probleme oder Wünsche? Ich hab’ nämlich sonst nix zu tun!«

Sie drehte sich zu Allyssa Colmberg um und rief übertrieben deutlich: »Entschuldigen Sie, Mylady, es dauert nur noch einen Augenblick.« Bei »Mylady« zuckte er sichtbar zusammen. Mit hochgestellten Persönlichkeiten wollte er keineswegs in Konflikt geraten.

»Ich mein’ ja nur … ich wusste ja nicht …«, äußerte er beschwichtigend.

»Darf ich jetzt wieder meinen Job machen?«, fragte sie sarkastisch, während sie per Schlüsseltaster bereits den Wagen öffnete, wartete aber keine Antwort mehr ab.

»Der ist bedient«, strahlte sie, öffnete den Kofferraum eines ursprünglich weißen Volvo V60, der sich mit hochgespritztem Schmutz bis zu den Fenstern zu tarnen versucht hatte.

Allyssa verstaute ihren Handkoffer.

Pat hatte inzwischen die linke Vordertür aufgehalten und mit leichter Verbeugung »Mylady« aussprechend ein stilvolles Entree in den Wagen bereitet. Dachte sie jedenfalls und ließ sich auf dem Fahrersitz nieder.

Bevor sie den Motor startete, sah sie spitzbübisch zu ihrer Mitfahrerin hinüber. Man musste ja in der Rolle bleiben.

Das »Okayyyy« kam etwas zu langgezogen, um als Zustimmung aufgefasst werden zu können.

»Waaas?«, imitierte sie den Tonfall und nahm kurzerhand den Zeigefinger wieder vom Startknopf.

»Na ja«, begann Allyssa und drehte eine schmutzige Handfläche nach oben, die sie sich beim Schließen der Heckklappe zugezogen hatte. »Eine Lady ließe man nicht ihr Gepäck selbst transportieren, nicht selbst einladen, nicht in einen verschmutzten Wagen steigen …«

Sie wischte sich die Hand mit einem Taschentuch sauber.

»Der Wagen wäre zu unpassend und insgesamt zu klein. Mylady würde im Fond platziert und nicht auf dem Beifahrersitz, man ließe sie nicht warten, um mit …«

»Hab’s kapiert«, würgte sie die zu erwartenden weiteren Ausführungen unwirsch ab. Das halblaute »Klugscheißer« ging im parallelen Startvorgang des Motors unter.

4

Er hatte nicht zu viel versprochen. Eine überaus anmutige junge Frau betrat den Raum und erfragte die Wünsche ihres Arbeitgebers. Mit einem freundlichen Lächeln verschwand sie genauso gleitend, wie sie zuvor hereingeschwebt war. Zumindest war das der Eindruck, den sie hinterlassen hatte. Ein angenehmer Hauch eines an Frühling erinnernden Parfums lag in der Luft.

»Nun, habe ich zu viel versprochen?«, versuchte sich sein Gastgeber begierig zu vergewissern. Cyrus Adler, 1945 im Exil in den USA geboren, jetzt 74 Jahre jung, wie er sich selbst bezeichnete, war also nicht nur ein anerkannter und gefürchteter Mäzen, sondern auch ein eitler Gockel, der eine langbeinige Brünette wie eine Trophäe auffahren ließ, dachte David. Und was hatte er mit seinen dreiunddreißig Jahren dagegen zu setzen, außer ihn um Haupteslänge zu überragen? Nichts, rein gar nichts, resümierte David Bishop im Stillen. Gewiss, er war als Autor nicht unbegabt, aber bei der immensen Konkurrenz und einem knallharten Geschäft in der Unterhaltungsindustrie musste er für jeden Strohhalm dankbar sein. Und Cyrus Adler war für ihn mehr als ein Strohhalm. Würde dieser sein Drehbuch akzeptieren, könnten um die 50.000 Dollar für ihn drin sein und er könnte einen Teil seiner Schulden aus der Scheidung abbezahlen.

So verbarg er also seine bitteren Gedanken, setzte ein jungenhaft charmantes Lächeln auf (ja, das hatte er immer noch gut drauf), und erwiderte: »Keineswegs, Mr. Adler – ein besonders reizender Anblick an diesem Nachmittag.«

Er schien den richtigen Ton getroffen zu haben, denn »Mr. Adler« strahlte ihn geradezu an.

»Ich bitte Sie, junger Freund, nennen Sie mich doch Cyrus, ich darf Sie doch David nennen, oder? Wir stoßen gleich darauf an, wenn Trishia den Drink bringt.« Er wartete gar keine Antwort ab, in dieser Stellung war er ohnehin keine Widerworte gewohnt. David hatte auch nicht vor, sein Schicksal wegen einer dämlichen Anredefrage zu riskieren, schob aber höflich ein »Oh, Sir, danke, Sir – ich fühle mich sehr geehrt!« hinterher.

Trishia konnte entweder sehr flink hantieren oder der Drink war einfacher herzustellen als er gedacht hatte, denn sie trat ohne zu klopfen bereits wieder ein. Die Tür blieb offen, Trishia servierte auf einem chromglänzenden Tablett zwei Drinks. »Blue Curaçao nach Art des Hauses.«

Ihr linker Arm verschwand elegant angewinkelt hinter ihrem Rücken, wobei sie sich mit der Rechten unter dem Tablett leicht vorbeugte, um die Gläser in angenehme Griffhöhe des Gastes zu positionieren. Während sie ihn mit einem gekonnten Augenaufschlag aus großen braunen Augen direkt ansah, hauchte sie »Zum Wohl, mein Herr«, hielt den Blick nach Davids Empfinden länger als schicklich und drehte erst dann zum Hausherrn ab.

David bemerkte erst jetzt, dass dieser seinen Drink bereits geleert haben musste, denn außer langsam dahinschmelzenden Eiswürfeln befand sich nichts mehr in dem ersten Glas, das Trishia gerade gegen das soeben hereingebrachte austauschte. Auch hier verbeugte sie sich mit einem respektvollen »Ihr Drink, Sir.« Der Saum ihres ohnehin sehr kurzen, uniformähnlichen hellgrauen Kleides hob sich dabei nochmals um ein bis zwei Zentimeter.

Einen großen Unterschied machte das wirklich nicht. Auch so gaben die in anthrazit gehaltenen Strumpfhosen einen unverstellten Blick auf zwei makellose Beine frei, die in High Heels aus einem dünnen Ledergeflecht endeten.

Trishia drehte sich langsam um und sah David wissend erneut direkt in die Augen.

Er fühlte sich ertappt und schlug so lange die Augen nieder, bis sie an ihm vorbeigekommen war und sich kurz vor der Tür nochmals umwandte. »Noch einen Wunsch, Sir?«, sprach sie Cyrus Adler direkt an.

David betrachtete, immer noch verlegen, sichtlich bemüht den eisgekühlten Longdrink mit Zuckerrand, Orangenscheibe und dickem abgeknickten Strohhalm. Gleich würde sie gehen und ihm ermöglichen, auf sein eigentliches Anliegen zu sprechen zu kommen. Den Ankauf seines Manuskriptes.

»Trishia, kommen Sie, leisten Sie uns etwas Gesellschaft«, vernahm er Cyrus Stimme von rechts.

Was sollte das denn jetzt, fragte er sich irritiert.

Trishia nickte. »Gerne, Sir« und schloss behutsam die Tür.

Cyrus klopfte zweimal leicht auf die wuchtige gepolsterte Armlehne seines Sessels und Trishia bewegte sich elegant auf den ihr zugewiesenen Ort. Die Art, wie sie dort ihre Beine platzierte und David ansah … Wie eine Raubkatze zu Füßen eines römischen Herrschers, nur dass sie in diesem Fall nicht zu Füßen, sondern erhöht neben diesem Herrscher saß, freilich ohne sich an ihn zu schmiegen.

Ein Spiel, durchzuckte es David. Die spielt mit mir.

Nein, korrigierte er sich. Er spielt mit mir! Gleichwohl wagte er es nicht, seine Erkenntnis mitzuteilen, sondern sog erstmal unkonzentriert an dem dunklen Strohhalm.

»Er ist gut, nicht?«, erkundigte sich Cyrus und hielt dabei sein Glas prostend hoch.

David unterbrach sein Herumsuckeln am Halm, nickte beflissen und stellte dann erschrocken fest, dass er in einem Rutsch zwei Drittel abgetrunken hatte.

Ein Model, eine Mätresse, eine Prostituierte oder … Seine Gedanken kreisten im vergeblichen Bemühen einzusortieren, was hier gerade stattfand. Seine Geschmacksnerven versuchten erfolglos, Informationen über die Zusammensetzung des Getränks ins Gehirn zu übermitteln. Es gab derzeit andere Prioritäten.

»Trishia, holen Sie meinem Freund noch einen Drink und legen Sie etwas Holz nach.« Trishia gehorchte augenblicklich und David war erleichtert, als sie den Raum verließ.

»Nun, David«, begann Cyrus. »Wir beide arbeiten doch in der Unterhaltungsbranche, nicht wahr?«

Er vergewisserte sich, dass David folgte. »Action, Gewalt und Sex, das ist es, was das Publikum sehen will. Das ist es, was Kasse macht, wenn man mal vom Familienkino mit Regenbogenponys und ähnlichem Schnickschnack absieht. Und glauben Sie mir, von Kasse machen verstehe ich etwas.«

David nickte stumm.

»Brot und Spiele, panem et circenses – die Welt will unterhalten sein!« Er hielt einen Augenblick inne. »So, wie ich natürlich auch.«

David sah seinen Moment gekommen, um einzuhaken. »Genau, Sir, äh, Cyrus, so habe ich ja auch mein Drehbuch angelegt, auf das ich zu sprechen …«

»Später, später, junger Freund«, würgte dieser ihn ab.

David sah seine Felle davonschwimmen.

Etwas weniger von ›junger Freund‹ und Longdrinks und er hätte schon längst wieder draußen sein können.

»Nun, Zeit ist Geld«, referierte Cyrus selbstgefällig weiter. »Und wenn man es vice versa betrachtet, habe ich Zeit im Überfluss.« Er kicherte kurz über seinen vermeintlichen Witz.

David bemühte sich, ein beipflichtendes Lächeln auf sein Gesicht zu bringen, aber irgendjemand oder -etwas saß auf den zuständigen Nervenbahnen und so kam es nur etwas verunglückt in der Mimik an.

»Wie dem auch sei«, nahm Mr. Adler den Faden wieder auf, »ich habe Zeit, ich habe Geld, ich suche Unterhaltung und da kommen Sie ins Spiel, junger Freund!«

Noch ein ›junger Freund‹ und ich schütte ihm meinen restlichen Drink ins Gesicht! Dieser Gedanke wollte sich gerade genüsslich einrichten, als ihn der nachfolgende Satz wie eine Seifenblase zerplatzen ließ.

»Ich nehme mir nämlich immer gerne Zeit, meine Protegés etwas besser kennen zu lernen und ein wenig mit ihnen zu spielen.«

David hörte nur Protegé. Welch süßer Klang in seinen Ohren! Das konnte mehr als einen bloßen Ankauf von Rechten bedeuten. Ein Protegé war meist eine junge Person – also ich, belehrte er sich selbst –, die von einer oder einem Älteren – sitzt mir gerade gegenüber – gefördert wird. Cool.

David hatte es plötzlich nicht mehr eilig.

»Was nun das Spielen anbelangt …«

»Ja?« David war ganz Ohr.

»Gewöhnliche Spiele langweilen mich.«

»Oh.«

»Ich schätze etwas …«, er machte eine Kunstpause, »… ausgefallenere, experimentellere Varianten.«

»Ah«, sagte David, ohne sich darüber im Klaren zu sein, was er damit eigentlich ausdrücken wollte. Richtig verstanden hatte er im Grunde nämlich noch gar nichts.

Adler hatte seine bequeme Haltung aufgegeben und saß nun ebenfalls auf der Sesselkante. Sein Gesicht erschien auf einmal nicht mehr so jovial sondern kühl, die Augen nagelten ihn fest, wie ein Insekt in einem Setzkasten.

»Werden Sie mit mir spielen, David Bishop?«

David spürte die Schärfe in der Intonation.

Das Kaminfeuer hatte zwar begonnen Fahrt aufzunehmen, aber ihn fröstelte plötzlich. Er konnte mit Stimmungswechseln schon immer schlecht umgehen. Wo blieb eigentlich Trishia? Das hatte doch vorhin nicht so lange gedauert. Warum konnte er nicht einfach ja sagen? Vielleicht war es der als drohend empfundene Unterton.

»David?!« Es wirkte wie ein Ordnungsruf für einen unaufmerksamen Schüler.

»Ja, Cyrus. Natürlich werde ich gerne mit Ihnen spielen«, krächzte David etwas heiser und schlürfte verlegen den letzten Klecks des Mischgetränks mit dem Strohhalm zwischen den Eiswürfelresten heraus. Seine Stimmbänder dankten es ihm.

Cyrus Adler klatschte in die Hände. »Fein, dann können wir beginnen.« Er strahlte glücklich und rutschte wieder in seine angestammte Sitzhaltung zurück.

David wartete.

Cyrus schaute in den Kamin und sagte nichts.

David versuchte dem Blick zu folgen, ob es da etwas Spannendes zu sehen gäbe.

Außer drei kantigen Holzscheiten, die von gelblichen Flammen umzüngelt vor sich hin loderten, konnte er nichts erkennen, was der Rede wert gewesen wäre. Er wollte gerade Luft holen, um sich nach Cyrus Absichten zu erkundigen, als dieser ohne den Kopf zu wenden fragte: »Würden Sie Trishia einen kräftigen Klaps auf den Po geben, wenn sie wieder hereinkommt?«

David fühlte sich, als hätte man ihm einen Eiskübel übergekippt. »Wie bitte?«, versuchte er sich zu fassen.

»Sie haben mich schon richtig verstanden, Mr. Bishop!«

David schluckte schwer. Mr. Bishop!! – Der ›junge Freund‹ war gerade dabei, sich aus dem Staub zu machen. Davids Gedanken rasten auf einmal um die Wette. War das ein Test? Wenn ja, wofür? Sagte er ja, wäre er ein chauvinistisches Arschloch und unten durch, bei Nein wäre er der Spielverderber, der sich das Thema Protegé ein für allemal abschminken konnte. Er war kein Macho, liebte und respektierte Frauen. Andererseits gab es welche, die es darauf anlegten, vielleicht sogar genossen. Zu welcher Sorte gehörte Trishia? War sie nur eine einfache Angestellte? Was machte das für einen Unterschied? Was aber, wenn sie ein Escort-Girl war, bei ihrem Aussehen wäre das doch kein Wunder. Da gehörte so etwas wie ein Klaps doch zum Berufsbild. Sollte er sich wirklich so zimperlich anstellen?

Es ging ja nicht mal um irgendeine Sado-Maso-Nummer. Aber um eine unerhörte Unverfrorenheit, meldete sich seine Moralabteilung zu Wort. Davids Blick wurde fahrig, seine Körpersprache verkrampfte sich.

Cyrus Lippen zuckten in dem vergeblichen Versuch, ein aufkommendes Lächeln im Zaum zu halten. Er schien es zu genießen.

»Ich will es Ihnen etwas leichter machen, junger Mann. Zweitausend Dollar cash, hier an Ort und Stelle, wenn Sie es gemacht haben.«

David stutzte und zögerte. Es wäre leicht verdientes Geld und er müsste sie ja nicht schlagen. So ein Klaps wäre hinsichtlich der Intensität von außen nur schwer einzuschätzen und so bliebe faktisch nur eben eine ziemliche Unverschämtheit übrig. Er versuchte sich selbst zu überzeugen. Trishia würde er nie wieder sehen und hier ging es außerdem um mehr als die Zweitausend Dollar. Er wollte schließlich sein Drehbuch an den Mann bringen. Er nickte. »Ich mach’s.«

Cyrus grinste breit und drückte den Rufknopf.

Trishia erschien geradezu unverzüglich, zwei kleinere Tabletts balancierend. Sie servierte gekonnt den ausstehenden Drink für David und ein Glas Eistee für Cyrus, das dieser zwar nicht in Davids Beisein bestellt hatte, aber wie selbstverständlich entgegennahm.

Das leere Tablett schob sie unter das mit einem Tuch abgedeckte und wendete sich dem Ausgang zu. Auf Davids Höhe angekommen holte er mit der rechten Hand aus.

 

Nie hätte er erwartet, dass dies für ihn der Anfang vom Ende sein würde.

5

»Ja, nun, die Sache mit den versteckten Kameras und Wanzen ist im realen Leben nicht so leicht zu durchblicken. Wissen Sie, im Film wird für den für doof gehaltenen Zuschauer ein Zeitzünder immer mit großen roten Leuchtziffern versehen, damit auch jeder weiß, wann das Ding hochgeht. Dann gibt es auch immer einen roten oder blauen Draht zum Durchschneiden. Eine Wanze bekommt in ihrem Versteck eine kleine rote Diode und eine versteckte Kamera ein rotes Licht, das …«

 

Er hatte während seiner Ausführungen erstmals den Kopf leicht angehoben, um über den großen Wandspiegel den Blickkontakt zu seiner Therapeutin aufzunehmen, und stockte unvermittelt im Satz. Links zwischen den Büchern leuchtete zwar kein kleines rotes Licht, aber ein dunkles Objektiv, vielleicht so groß wie der Durchmesser einer Espressotasse reflektierte einen Sonnenstrahl.

 

Noch nie hatte er bewusst dorthin geschaut, meist lag er mit geschlossenen Augen oder den Blick zur Decke gerichtet mehr oder minder entspannt auf der aus seiner Sicht klassischen Therapeutenliege, die Psychologin links neben ihm auf Kopfhöhe in einem leichten Sessel positioniert. Klassisch, so dachte er überzeugt, obwohl dies sein bislang einziger Kontakt mit der psychologischen Zunft war und ihm somit ein echter, auf Erfahrung beruhender Vergleich im Grunde fehlte.

Er fixierte die kreisrunde Linse für einen kurzen Moment, dabei wurde das Bild leicht unscharf, weil ihn in eben diesem Augenblick ein Gedanke wie ein Flashback traf.

 

Nach seiner Erinnerung war dann wohl alles sehr schnell gegangen. Viel zu schnell. Mit etwas mehr Ruhe oder schon, wenn er sich etwas mehr zu ihr herumgedreht hätte, wäre alles anders verlaufen.

 

Eben netter.

Friedlicher.

 

Und um genau zu sein auch weniger tödlich.

6

Nach den als Belehrung empfundenen Einlassungen ihres Fahrgastes zog DS Farquharson es vor zu schweigen, zumal sie sich nicht ganz sicher war, ob sie »Klugscheißerin« vielleicht nicht doch etwas zu laut ausgesprochen hatte. Nachdem die Rothaarige auch nach fast 15 Minuten immer noch keine Anstalten gemacht hatte, eine unverfängliche Konversation zu beginnen oder zumindest ein paar Fragen zu stellen, wurde ihr zunehmend unbehaglich. Sie begann nun, sich ernsthaft Gedanken darüber zu machen, was ihre Vorgesetzten mit ihr anstellen würden, wenn sie einen so einfachen Auftrag versiebte.

Vorgesetzte. Sie verspürte einen kleinen Stich in der Magengrube bei dem Gedanken, sie hätte mit einem Streich gleich drei davon enttäuscht. Für ihren auf der Kippe stehenden Fortbildungslehrgang wäre das nicht gerade förderlich.

Allyssa betrachtete aus den Augenwinkeln ebenso ausgiebig wie unbemerkt ihre Fahrerin, die ihr Verhalten seit Beginn der Fahrt so nachhaltig geändert hatte. Wie den leisen Nachhall eines Echos vernahm sie in ihrem Kopf die Stimme eines Ausbilders, der sich im Seminarraum gerne von hinten über ihre Schulter gebeugt und sie ermuntert hatte: »Nun, Colmberg, was haben wir hier? Mit wem haben wir es zu tun? Was sehen Sie, was hören Sie, was riechen Sie, was spüren Sie …?«

Junge weiße Frau, Mitte zwanzig. Blondes, kurzes, wuscheliges Haar, bereits knapp unterhalb der Ohren endend. Braune Augen mit grünlichem Schimmer, ovales, ebenmäßiges, offenes Gesicht, kein Makeup. Ohren frei, eng anliegend, Ohrlöcher gestochen, aber nirgendwo Schmuck zu sehen, auch kein Ring. Am linken Handgelenk eine große Funktionsuhr. Körpergröße etwa 1,70 m, geschätzte 60 kg. Konfektions- und Schuhgröße beide ca. 38. Kein Parfum, aber schwach wahrnehmbar die Duftnote eines eher männlich wirkenden Deodorants. Zu hören derzeit: Nichts. Kaut zunehmend hektischer auf dem Kaugummi herum, schiebt ihn dabei immer wieder kurz zwischen den Lippen nach vorne, um ihn dann gleich wieder katapultartig einzusaugen. Wirkt angespannt. Auftreten im Flughafen selbstbewusst, bisweilen offenbar impulsiv bis vorlaut. Scheut keine Auseinandersetzung, legt es vermutlich sogar darauf an. Sie dachte kurz an den Security-Mann zurück. Nun gut, sie musste sich ja nicht weiter mit ihr beschäftigen. Sie würde anstelle mit der Underground nun in einem Polizeiwagen nach London gebracht werden und das war’s. Allyssa konnte Stille sehr gut aushalten und warm werden würde sie mit Blondie ohnehin nicht. Die restlichen drei Viertel der Strecke würden auch so rumgehen und dann würden sie sich nie wieder sehen. So dachte Allyssa, sie hätte nichts zu verlieren, wenn sie ein paar Fertigkeiten aus dem Studium an ihrer Fahrerin ausprobieren würde.

 

Die Voraussetzungen sich nie wieder sehen zu müssen wären ausgezeichnet gewesen, hätte nicht in eben jenem Moment ein Patient in der Praxis von Dr. Sarah Wingate erneut auf der Liege Platz genommen und begonnen, über Kameras zu schwadronieren. Dieser Umstand würde für die beiden Frauen weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen.

In Unkenntnis dieser Entwicklung nahm Allyssa die Beamtin ins Visier. Pat hatte aufgehört zu kauen und presste offenbar die Zähne aufeinander, was sich gut an der sich abzeichnenden Kiefermuskulatur ablesen lies.

 

»Ich finde Sie sehr hübsch«, sagte Allyssa unvermittelt.

Pats Kopf fuhr abrupt herum, sie hatte »Wie bitte?« rufen wollen, musste aber erst ihre Zähne auseinander bekommen und den Speichelfluss wieder in Gang bringen. Alles keine große Sache. Der Kaugummi hatte nur auf die Gelegenheit gewartet, sich dem malträtierenden Zusammenknautschen zu entziehen. Er nutzte den Schluckreflex, um sich per Wasserrutsche via Speiseröhre und Magen Richtung Dünndarm zu verabschieden. So kam das »Wie bitte?« nicht mit der beabsichtigten Empörung über ihre Lippen.

»Doch, doch, ich finde Sie bei aller vorgeschobenen Sprödigkeit attraktiv.«

Sie war gespannt, wie ihr Gegenüber reagieren würde. Blendsatz hatten sie das im Studium genannt. Nimm eine Äußerung, die weder zur aktuellen Situation passt, noch mit der gerechnet werden kann. Sie sollte im Kern wahr sein, diente aber der Provokation, festgefahrene Verhörsituationen wieder aufzubrechen.

»Sprödigkeit!«, wiederholte Pat.

Ah, interessant.

Mit Frausein hatte sie also tatsächlich ein Problem, vermied sie doch den direkten Bezug oder die naheliegende Frage: »Willst Du mich hier etwa anmachen?«

Allyssa wartete.

»Sprödigkeit!«, wiederholte Pat zum zweiten Mal und dann platzte es aus ihr heraus. Ohne Allyssa anzusehen blaffte sie die Windschutzscheibe an. »Hören Sie, Ma'am. Ich weiß nicht genau, was hier los ist oder was genau Sie bezwecken. Ich weiß nicht mal, wen oder was Sie darstellen, außer angeblich Studentin zu sein. Ich weiß nur, dass mich mein Superintendent heute morgen unter Umgehung meiner beiden Vorgesetzten zu sich hereingepfiffen hat. Ich soll für die zweite Mordkommission eine junge Deutsche abholen, mich anständig und zuvorkommend benehmen und sie im Yard abliefern. Und das, wo sich die beiden SI’s nicht mal gut leiden können!« Sie sah kurz in den äußeren Rückspiegel.

»Benehmen, als ob ich das nicht … Arschloch!« Sie hob den Mittelfinger, als hinter ihr ein Wagen dicht auffuhr und hupte. »Darling, hier sind 70 mph und die fahre ich«, schimpfte sie nun in den innenliegenden Rückspiegel.

Der Sportwagen hinter ihr beschleunigte stark und zog an ihr vorbei.

»So nicht, Darling!«

Mmh. Darling war eindeutig ihr Lieblingswort, konstatierte Allyssa für sich, und ihr Versuchsballon war offenkundig ein voller Erfolg. Pat schaltete einen Gang runter und trieb den Wagen mit aufjaulendem Motor zu überraschenden Höchstleistungen. Allyssa wurde in den Sitz gedrückt, als der Volvo nach vorne schoss.

»Straßenverkehr ist zwar nicht direkt mein Job, aber …« Sie drückte rasch einen Knopf und betätigte einen Kippschalter. Die kleine Kontrollleuchte hätte es gar nicht gebraucht, denn auch so waren die Reflexionen der roten und blauen Blitzlichter in der Windschutzscheibe Beleg genug, dass sich Pat gerade auf dem Kriegspfad befand. Die zugeschaltete Sirene tat ein Übriges, um dem vorausfahrenden Darling zu verdeutlichen, dass er besser nicht überholt hätte.

Pat schaute kurz nach links zu einer völlig unbeeindruckt erscheinenden Allyssa, die sich fest am Deckengriff eingehakt hatte. Pat schürzte die Lippen, bremste stark ab und schaltete gleichzeitig die Sondersignale aus.

Nun war es an Allyssa, etwas verwirrt zu sein, ohne dies jedoch zu zeigen. DS Farquharson war impulsiv, aber nicht dumm. Warum hatte sie abgebrochen? »Sergeant, warum haben Sie die Verfolgung eingestellt?«

»Was geht Sie das an?«, blaffte sie ziemlich harsch zurück.

Allyssa zog es vor, nichts zu sagen, sondern sie mit einem Also wirklich jetzt?-Gesicht mitleidsvoll anzusehen.

»Sorry, Ma'am.«

»Könnten wir jetzt mal das Ma'am weglassen? Wir sind doch fast gleich alt«, versuchte sie die neuerliche Peinlichkeit abzufedern.

»Ich bin Allyssa«, startete sie eine Charmeoffensive und reichte ihre Hand herüber.

Pat zögerte etwas, weil sie sich nicht genau im Klaren war, ob sie das sollte oder gar durfte, griff aber dann mit der Rechten zu, die Linke blieb am Steuer.

»Pat«, entgegnete sie mit gewohnt unbedacht festem Händedruck, der zu ihrer Überraschung von Cutie, Schätzchen, wie sie Allyssa insgeheim bei der ersten Begegnung getauft hatte, in gleicher Stärke erwidert wurde. Pat lächelte etwas unbeholfen. »Ist dann soweit alles gut, Ma’am? – Allyssa«, korrigierte sie sich rasch, noch etwas mit der atmosphärisch neuen Lage überfordert. So bemühte sie sich, rasch zu antworten. »Ich habe abgebrochen, weil der Fahrer mit seiner roten Schleuder in die festinstallierte Blitzanlage reingefahren ist. Bei dem geschätzten Tempo ist der seinen Lappen erstmal für zwei bis drei Monate los. Und ich muss keinen Schreibkram erledigen.«

Pat schien mit sich zufrieden und Allyssa lobte sie für die clevere Taktik. Das Eis schien zwar gebrochen, die beiden Frauen plauderten noch ein wenig über Musik, Politik und das Wetter, vermieden es aber, mehr als Oberflächliches von sich zu geben. So verging die verbliebene Fahrtstrecke bis zum Stadtrand zwar nicht inhaltsschwer, aber durchaus kurzweilig.

 

Währenddessen leistete Frau Dr. Sarah Wingate unaufgefordert ihren Beitrag für ein schnelleres Vordringen in die überfüllte Innenstadt.

7

»Sie also auch!«, durchschoss ihn die Erkenntnis. Er musste es wohl auch genauso wütend ausgerufen und sie den Aufschrei vernommen haben, denn ihr Spiegelbild zeigte ihm ein spöttisches Schmunzeln und ihr Kopf bewegte sich dazu verneinend in minimaler Bewegung. So, wie man einem Rauhaardackel das zweite Leckerli verweigern würde. Sie atmete mit einem Stoßseufzer aus. »David, das ist wirklich absurd, selbst für Ihre Verhältnisse etwas verrück …« Der Schluss des Satzes, das fehlende ›t‹, ging in einem hässlichen Knacken unter.

Tage später reflektierte er, dass er gar keinen echten Blackout gehabt hatte. Dieses spöttische Schmunzeln hatte er wahrgenommen als Du armer Irrer, kommst nun seit drei Monaten zweimal die Woche zu mir und merkst erst jetzt …‹

Bei Irrer hatte er sich aber schon halb aus der Liegeposition hochkatapultiert, dabei reflexhaft die Bauchmuskeln durch Hochreißen seiner Arme unterstützt und – wie sich herausstellen sollte – ebenso intuitiv die Hände zu Fäusten geballt. Seine linke Faust traf mit ungebremstem Schwung und für ihn im Nachhinein derart überraschender Kraft die Kehle der Therapeutin, dass sie mitsamt dem Sessel polternd umstürzte. Wenn auch nur Zehntelsekunden auseinander, so doch akustisch sauber getrennt. Zuerst der dominantere Aufschlag der Rückenlehne und dann das Aufschlagen des Kopfes auf den Fliesen mit einem »Bumm-Knack«, vielleicht würde eine zerspringende Kokosnuss ähnlich klingen.

Durch den Schwung hatte er die Hälfte des Weges zu einer aufrechten Position schon hinter sich gebracht.

Von da war es nur noch ein kleiner Sprung zum Stehen und zwei Schritte in den Raum hinein. Nun besah er sich die Bescherung von der Seite.

Sie blieb ebenso reg- wie lautlos liegen. Ihr rechtes Bein hing schräg über den nunmehr im Neunzig-Grad-Winkel drapierten Sessel nach unten, zeigte zwar wie die vier noch intakten Holzfüße des Sessels in die gleiche Himmelsrichtung, war aber nicht so ordentlich und symmetrisch ausgerichtet wie diese. Ihr linkes Bein lag etwas seitlich gedreht neben dem Möbelstück. Der bis zur Hälfte des Oberschenkels hochgerutschte Rock gab den Blick auf ein etwas kräftigeres Bein frei, das sich neben der somit fehlenden, bislang schicklichen Verhüllung nun auch noch seines Schuhwerks beraubt sah. Besagter Schuh hatte sich während des Sturzes von seiner Trägerin getrennt, lag aber in Handbreite entfernt, artig umgefallen, auf der Seite, wie derzeit seine Besitzerin auf dem Rücken. Kein Heben und Senken der Brust, kein Atemgeräusch.

Er lauschte konzentriert. Nur seine Atemzüge, das Ticken des alten Regulators an der Wand und gedämpfte Straßengeräusche. Auch keine Nachbarn, die sich rührten.

Sein Zorn war verflogen. Es war ja auch eher eine Art Empörung gewesen, oder doch etwas mehr? War etwas mehr Wut dabei gewesen?, fragte er sich. Egal.

Wo blieb das Blut? Wenn jemand so mit dem Kopf aufschlug, gab es immer eine ordentliche Blutlache, die sich dann schön groß ausbreitete. Der Oberkörper lag noch auf dem Teppich, der Kopf bereits auf den Fliesen. Das war doch praktisch, da ließe sich das auch viel besser wegwischen, sinnierte er.

 

Er setzte sich im Schneidersitz neben sie und wartete.

8

Superintendent Timothy Ellis starrte auf den Inhalt des braunen Umschlages, der ihm vor wenigen Minuten in die Hand gedrückt worden war, und ließ noch einmal die vergangene halbe Stunde vor seinem geistigen Auge vorbeiziehen. Er biss pünktlich um 8:00 Uhr gerade in die Hälfte eines Rührei-Sandwiches, das er vom Coffee-Shop mitgebracht hatte, der auf seinem Weg lag. Er schätzte seine morgendlichen Kaffeepausen und mochte es gar nicht, dabei gestört zu werden. Das wussten alle. Auch die junge Beamtin, die zwar zweimal kurz an die Zimmertüre klopfte, aber sogleich ungefragt eintrat.

Ellis stockte in der Bewegung, hatte aber schon den halben Mund voll. So konnte er seinen Missmut nicht artikulieren, zumal die junge Beamtin ihm dazu auch keine Gelegenheit bot.

»Entschuldigen Sie Sir, der Commissioner verlangt nach Ihnen. Sie sollen zu ihm kommen.«

Der Superintendent sah sie überrascht an.

»Sofort!«, ergänzte die uniformierte Kollegin. Sie wartete auf eine Reaktion, ließ sich aber nichts anmerken, als beträchtliche Teile des Rühreis mit einem kaum hörbaren Plopp ihre Partnerschaft mit dem Brötchen aufkündigten und sich den Schreibtisch als neue Unterlage aussuchten.

»Danke Sanderson, das wäre alles.«

Sie nickte, »Sir!« und schloss die Bürotür.

Er besah sich die Bescherung, war aber dankbar, dass sein Anzug nichts abbekommen hatte. Das hätte noch gefehlt. Zum Commissioner – sechs Hierarchiestufen über ihm! Was zur Hölle hatte er angestellt, um dorthin zitiert zu werden?

Er kam sich vor wie ein Verkehrsteilnehmer, den eine Streife zum Anhalten aufforderte. Selbst wenn man nichts angestellt hatte, bekam man automatisch ein schlechtes Gewissen. Hoffentlich gab es keine Probleme mit seiner Pensionierung. Zwei Jahre trennten ihn noch vom Lachsfischen und einer Welt ohne Wecker, ohne Mordermittlungen. Er seufzte, streifte seine Jacke über, zog den gelockerten Krawattenknoten in seine vorbestimmte Position und vergewisserte sich abermals, dass sich die Eierreste mit der Schreibtischplatte begnügt hatten und nirgendwo an ihm hafteten.

Beim Verlassen seines Büros sah er Constable Sanderson mit einer Handvoll Papierhandtüchern und einem feuchten Lappen auf ihn zusteuern. »Darf ich, Sir?« Ihr Blick ging Richtung Schreibtisch.

»Oh, ja, gerne – vielen Dank, Constable«, äußerte er noch immer etwas zerstreut. Er sah ihr kurz nach, als sie im Zimmer verschwand und den Schreibtisch zu säubern begann.

»Gute Leute – denken mit!«, murmelte er zufrieden und steuerte den Lift an.

Zwei Minuten später befand er sich im Allerheiligsten, der Top-Etage des Commissioners, dessen Deputy, der Stabsabteilung und der Leitung der Polizeiverwaltung von Greater London.

Er hielt, wie es die Schilder unmissverständlich verlangten, dem Wachhabenden seinen Dienstausweis hin, worauf dieser mit einem Summer die Tür zum nächsten Korridor freigab. »Vorzimmer ist dann bitte ganz hinten links, Sir!«

Nach circa 25 Metern dort angelangt wurde er, ohne etwas sagen zu können, durchgereicht.

»Superintendent Ellis ist da«, avisierte ihn die in die Jahre gekommene Sekretärin, deren aufreibender Job deutliche Spuren hinterlassen hatte. Aus der Gegensprechanlage hörte man ein »Kann rein« und sie nickte ihm zu.

»Er erwartet sie.«

»Guten Morgen, Sir. Superintendent Ellis meldet sich wie befohlen.« Der Commissioner war damit beschäftigt, einen Stapel Unterschriftenmappen abzuarbeiten, brachte mit geübtem Schwung noch zwei letzte Unterzeichnungen an und blickte dann über seine Lesebrille mit halben Gläsern zu Ellis. Er bemühte sich nicht mal den Kopf zu heben. Aber seine Augen, eingebettet unter buschigen weißen Augenbrauen, musterten den SI blitzschnell.

»Na, na – befohlen … die Zeiten der Polizeischule sind bei uns beiden doch wohl längst vorbei.« Er hatte die Unsicherheit seines Untergebenen bemerkt und wollte etwas kumpelhafter wirken, machte dies mit seiner nächsten Bemerkung allerdings wieder zunichte. »Wir sind hier doch alle eine große Familie, nicht wahr, Tom?«

Er unterschrieb bereits wieder, somit entging ihm, das ›Tom‹ sich mit einem etwas gequälten »Ja, Sir, natürlich, Sir« von seinem eigentlichen Namen Timothy vorsichtshalber verabschiedet hatte.

Commissioner Francis Patel war sich sicher, einen neuen Freund gefunden zu haben, und unterschrieb daher ungerührt weiter, während er redete. »Sehen Sie, Tom, wir bekommen heute Besuch von einer jungen Dame aus Deutschland, die hier ihr Studium vollendet, ein weiteres beginnt oder was auch immer … Jedenfalls …« Er klappte die Mappe zu und warf sie achtlos auf den Stapel zu seiner Rechten, während er begann, sich der nächsten mit gleicher Sorgfalt zu widmen. »Jedenfalls«, setzte er erneut an »wird die junge Frau hier bei uns, genauer gesagt bei Ihnen, ein sechsmonatiges Praktikum absolvieren. Soweit mir übermittelt wurde, hat sie in Deutschland eine dafür nötige Ausbildung erhalten. Das sollte also wohl kein Problem darstellen.«

»Sir …«

»Ja?« Sowohl der Tonfall als auch das kurze Aufschauen ließen keinen Zweifel aufkommen, dass es besser wäre, nicht zu widersprechen.

»Was ist meine Aufgabe, Sir?«, wandelte er sein angedachtes Aufbegehren rasch um.

»Gut, dass Sie fragen.« Die Schärfe fiel genauso schnell ab, wie sie gekommen war. Er war wieder im Familien-Modus.

»Sehen Sie, Tom, das Home Office legt großen Wert darauf, dass die Dame äußerst zuvorkommend behandelt wird, wir sie exzellent ausbilden und sie glücklich und unversehrt wieder nach Hause expedieren können, wenn die Zeit um ist. Das sollte wohl zu bewerkstelligen sein, denken Sie nicht?«

SI Ellis stand wie vom Donner gerührt und suchte nach Worten.

»Sehen Sie, wenn der Innenminister glücklich ist, bin ich es auch, und Sie wollen doch sicher einen zufriedenen Commissioner, nicht wahr, Tom?«

»Ja, Sir, natürlich Sir!«

Der Mann hinter dem Schreibtisch schraubte mit Bedacht seinen Füllfederhalter zu und hielt ihn einen Augenblick sinnierend vor sich. Dann suchten seine Augen unvermittelt den Blickkontakt, zu einem noch hilfesuchend unter sich schauenden Timothy Ellis.

»Tom?«

Ihre Blicke trafen sich nun und die Augen des ranghöchsten Beamten bohrten sich in das Gehirn seines Gegenübers, auf der Suche nach der Antwort zur Frage: »Haben wir uns dahingehend verstanden?«

Ellis nickte.

»Ich kann mich also auf Sie verlassen?«

»Ja, selbstverständlich, Sir.«

»Tun Sie alles, was nötig ist. Sollten Sie darüber hinaus etwas benötigen, zögern Sie nicht, mich anzusprechen«, versprach er, wobei unausgesprochen völlig klar war: Wehe, du nervst mich!

»Das wäre dann alles!« Er wandte sich der Gegensprechanlage zu und erteilte den Auftrag, die Mappen abzuholen. Ellis verabschiedete sich kurz und holte im Vorzimmer tief Luft.

»Fuck!«, rief er halblaut und sah verschämt zu der Sekretärin hinüber, die ihn keineswegs rügend ansah, sondern irgendwie wissend lächelte.

»Viel Spaß noch, Mr. Ellis«, wünschte sie, drückte ihm einen braunen Umschlag in die Hand und verschwand im Büro ihres Chefs.

Das Klopfen an der Tür holte ihn in die Gegenwart zurück. »Herein«, rief er. Constable Sanderson, die gute Seele, trat ein. Er hatte sie gebeten, einen Sergeanten ausfindig zu machen, der Miss Colmberg bereits direkt am Flughafen in Empfang nehmen konnte. Er wollte soweit wie möglich einen gastfreundlichen Eindruck hinterlassen. Den Faxdaten der Unterlagen hatte er entnommen, dass die Ankunft bereits vor drei Tagen avisiert worden war, der Commissioner es aber nicht für nötig befunden hatte, sich früher zu melden. Vielleicht war es auch nur Taktik gewesen, damit ihm weniger Zeit zum Nachdenken blieb. Wie dem auch war, das Flugzeug würde in 90 Minuten landen.

»Es tut mir leid, Sir, alle verfügbaren DS sind im Einsatz und zwei sind krank gemeldet.«

Er stöhnte laut auf.

»Ich kenne allerdings einen DS, der das sicherlich gut hinbekommen würde, sie ist allerdings in der Task Force Unit.«

Ellis rollte mit den Augen. Das Verhältnis der beiden Leiter war nicht das beste. Mit Blick auf die Uhr gab er sich jedoch geschlagen.

»Na, gut, wie heißt der Sergeant?«, fragte er, während er gleichzeitig zum Hörer griff.

 

»Farquharson, DS Patricia Farquharson.«

9

Nach fünf oder zehn Minuten, er hatte nicht auf die Uhr geschaut, begann er sich zu langweilen. Sie machte weiterhin weder Anstalten zu bluten, noch sich zu bewegen oder zu atmen, was ihm zugegebenermaßen einen gewissen Respekt abrang. Stilvoll die Frau, trotz allem hatten sie wohl die richtige Wahl getroffen.

Nun schaute er doch zur Wanduhr. Seine Zeit war in zehn Minuten um und er wollte nicht noch eine Stunde bezahlen müssen. Vertrag ist Vertrag und in solchen Dingen war sie doch immer sehr genau gewesen.

»Na gut.« Er erhob sich.

»Kompliment, Frau Doktor!« Er verbeugte sich formvollendet. Dann wandte er sich ihrem Schreibtisch zu und nahm das mobile Telefon aus der Halterung. Er hatte jetzt alles Nötige und trat ans Fenster, aus dem man die halbe Oxford Street überblicken konnte. Das Schauspiel wollte er sich nicht entgehen lassen. Es würde sicherlich einiges kosten. Er gluckste, denn der Gedanke erfreute ihn sichtlich, war es doch nicht sein Geld. Das Telefon in der rechten Hand, drückte er mit dem linken Zeigefinger die Neun. Das Freizeichen verstummte und der Apparat wartete auf die nächste Ziffer. Er zögerte, als sein Blick nochmals in den Raum zurückglitt und an der dekorativen Eingangstür hängenblieb. Er tippte die Eins und als er »91« im Display las, spontan auf die Abbruch-Taste.

Schnellen Schrittes ging er zur Eingangstür, musterte sie abermals kurz, bemerkte »wäre doch schade drum« und öffnete sie erst einen Spaltbreit, dann noch etwas weiter. Im Treppenhaus war nichts zu hören. Immer noch Stille.

»Gut, Türe also wieder so weit schließen, dass sie nicht ganz offen steht, aber ungehinderten Zugang ermöglicht.«

Zufrieden besah er sein Werk und wandte sich wieder dem Fenster zu, dessen beide Flügel er nun vollständig öffnete. Sofort brandete der Verkehrslärm von unten in den Praxisraum im zweiten Stock. Die roten Doppeldeckerbusse und vielen Taxis, leider nicht mehr alle in schwarz, stauten sich gemeinsam mit vielen Lastwagen und Pkw vor den zahlreichen Ampelabschnitten, die die lange Straße immer wieder durchbrachen. Der typische Dieselgeruch lag wie immer schwer in der Luft. Ach ja, die typischen Londoner Taxis – was war nur aus ihnen geworden?

London, durchfuhr es ihn, du Schafskopf! 911 war ja die Notrufnummer in den Staaten. Wo zur Hölle wäre er da jetzt wohl gelandet!

Er blies die Backen auf und ließ mit einem »Pffft« die Luft entweichen.

»Also dann …«, ermunterte er sich und drückte dreimal die Neun. Nach zweimaligem Läuten meldete sich eine männliche Stimme.

»Polizeinotruf, wie können wir helfen?«

»Ich melde hiermit ein Tötungsdelikt, 236 Oxford Street, Marylebone, Praxis Dr. Sarah Wingate. Der Täter ist noch im Haus.«

Der Aufforderung, den Täter zu beschreiben, mochte er nicht nachkommen und lieber einfach auflegen, als ihn ein ebenso kleiner wie gemeiner Gedanke durchzuckte. Er wollte noch etwas Spaß haben – auf seine Kosten kommen. So ergänzte er: »Es sind Schüsse gefallen« und trennte die Verbindung.

Direkt nach dem Auflegen fragte er sich, ob er die geschäftsmäßigen Fragen des Police-Officers vielleicht doch eine Spur zu aufgeräumt beantwortet hatte. Egal. Mal sehen, was sie daraus jetzt machen würden, dies brächte bestimmt vortrefflich alles durcheinander.

Wie lange sie wohl brauchen würden? Schade, es war niemand da, mit dem man wetten konnte. Er tippte auf …. acht, ja, acht Minuten und startete die Stoppuhrfunktion in seiner Armbanduhr. Dann schaute er gerade rechtzeitig hinaus um zu sehen, dass sich auf Höhe Debenhams Blaulichter zu drehen begannen. Mit deutlichem akustischen Signal scherte ein Fahrzeug aus der Kolonne aus und bekam rasch freie Bahn. Eine Zweitonfolge. Ein tiefes, fast zu lange gezogenes »Taaa« , klang dabei etwas asthmatisch und in die Jahre gekommen, gefolgt von dem höheren »Tüü«, genügte aber, dass die in Fahrtrichtung befindlichen Fahrzeuge so zügig wie nur möglich die Spur räumten.

 

Frustriert blickte er zur Uhr. Der Wagen wäre schon in zwei Minuten vor der Tür. Kam viel zu schnell voran, obwohl er nur insgesamt drei bis höchstens viermal die Signalfolge durchlaufen ließ. Briten eben! Er zuckte mit den Schultern, sah noch mal genauer hin und war wieder getröstet. Ein Krankenwagen! Der zählte nicht. Tatsächlich kam der Wagen wie vermutet nach gestoppten zwei Minuten zehn Sekunden an, die Türen öffneten sich und die Sanitäter stellten sich neben ihr Fahrzeug in Warteposition.

Warum kommen die nicht …, fragte er sich und gab sich selbst die Antwort.

Ach klar: ›Schüsse gefallen‹!

Hinter dem Wagen bildete sich ein Rückstau, da er mit eingeschalteten Blinklichtern mitten auf der linken Fahrspur stand.

 

Er war gespannt von wo die Polizeifahrzeuge eintrudeln und wie sie sich da durchwursteln würden.

10

Allyssa zog die signalrote Armbinde auseinander und betrachtete einen kurzen Augenblick sinnierend den Schriftzug POLICE, der sich in Großbuchstaben mehrfach darauf befand. Sie lehnte am vorderen Kotflügel, ohne sich Gedanken über den zukünftigen Schmutz an ihrer Hose zu machen. Aus den Radkästen roch es nach verbranntem Gummi, die LED-Leuchten blitzten und flackerten im Stakkato und doch irgendwie unrhythmisch in rot und blau wechselnd um die Wette.

Vor knapp mehr als einer Stunde war sie erwartungsfroh in Heathrow gelandet und hatte sich darauf gefreut, in den nächsten Monaten bei der Metro-Police in Greater London hospitieren zu dürfen. Diskret erfahrenen Beamten in der Praxis über die Schulter schauen zu dürfen. Zweite Reihe. Das bevorzugte sie. Kein Aufsehen. Einfach nur zusehen können, neugierig sein zu dürfen. Sie hatte deshalb extra formal ein Urlaubssemester beantragt, obwohl sie bereits alle Prüfungen abgelegt hatte. Sie hatte nur noch etwas mehr als vier Jahre Zeit, ehe sie ihr Versprechen einlösen musste. Bis dahin wollte sie noch am richtigen Leben teilhaben und sich auch erst nach dem vor ihr liegenden halben Jahr exmatrikulieren. Praktika waren in ihrem Studiengang nicht verpflichtend, aber sie wollte eines im Ausland erleben. Natürlich war es nötig gewesen, das eine oder andere Vitamin-B zum Einsatz zu bringen. Sie würde später aber zu klären haben, welche der sogenannten Beziehungen und Drähte eine andere Auffassung von diskret und unauffällig gehabt hatten. Wie Pat treffend bemerkt hatte, war es angesichts ihres Erscheinungsbildes ohnehin schwierig genug, nicht dauernd zum Eyecatcher zu werden.

Pat war das Stichwort, das sie wieder in die Gegenwart beförderte. Wenige Minuten zuvor hatte Pat sich eine signalrote Armbinde gegriffen und sie mit einem »Fang!« Allyssa zugeworfen. »Streif das über den linken Oberarm, dann bleibst du unbehelligt.« Sie hatte keine Ahnung, wie sehr sie mit dieser Einschätzung daneben lag. Mit etwas mehr Zeit hätte sie möglicherweise den Mann im Fenster des zweiten Stocks bemerkt, der seit ihrer Ankunft nur noch Augen für die beiden Polizistinnen zu haben schien.

Allyssa gehorchte, legte die Binde um wie aufgetragen und zog den Klettverschluss fest. Ihr blieb etwas Zeit, die letzten Minuten Revue passieren zu lassen. Gerade noch waren sie etwas ins unverfängliche Plaudern gekommen, sogar mit einem kleinen Anflug potentieller gegenseitiger Sympathie, als die gelöste Stimmung durch einen scharfen Signalton unterbrochen wurde. Parallel dazu poppte im Display der Mittelkonsole Gunfire Alert mit Adresse auf.

»Festhalten!«, rief Pat unvermittelt und gab Gas, während sie am Lenkrad einen Schalter drückte. »Thames Control kommen für Encounter 15-7.«

»Thames Control hört«, kam es laut aus den Innenlautsprechern.

»Encounter 15-7 mit Sondersignal auf dem Weg zum Einsatzort, COB.«

»Encounter 15-7 verstanden, Thames Control Ende.«

Allyssa wagte es nicht, Fragen zu stellen, denn so wie Pat reagierte, war etwas Bedeutendes passiert. Ihr Gesicht hatte eben binnen Sekunden einen hochkonzentrierten Ausdruck angenommen, die gesamte Körperspannung änderte sich auf Einsatzmodus. Dachte Allyssa bereits bei der Kurzverfolgung des Sportwagens, der Wagen sei an seine Grenzen gekommen, wurde sie nun eines Besseren belehrt. Mit ständig auf- und abschwellendem Sirenenton jagte Pat das Fahrzeug durch den Verkehr. Stets im Wechsel zwischen heftiger Beschleunigung und brutalem Abbremsen, begleitet von bewundernswert geschickten Lenkmanövern.

Es war deutlich, dass Allyssa hier eine exzellente Fahrerin vor sich hatte, die dabei trotz Sirenengeheul so umsichtig fuhr, dass augenscheinlich niemand gefährdet wurde.

Das mit dem Festhalten war durchaus ernst gemeint. Allyssa war zwar eine trainierte Sportlerin, doch die einwirkenden Fliehkräfte verlangten der Unterarm- und Schultermuskulatur an dem linken Dach-Haltegriff einigen Einsatz ab, rechts stemmte sie sich zusätzlich gegen die Mittelkonsole und presste die Knie an das Handschuhfach.

»Wir haben einen gemeldeten Schusswechsel und der Alarm bezieht sich auf alle in der Nähe verfügbaren bewaffneten Einheiten. Also auch auf mich, obwohl ich COB gemeldet habe, heißt Civilian on Board«, erklärte Pat ungefragt in einer kurzen Pause, während sie wartete, dass der Verkehr sich rechts und links verteilte, um eine Gasse zu schaffen.

»Früher wäre kein Wagen zum Einsatz gerufen worden, wenn Zivilisten an Bord sind. In den heutigen Terrorzeiten kann da keine große Rücksicht mehr genommen werden. Wir müssen mit dem auskommen, was wir haben.«

Sie schaltete zweimalig einen infernalisch lauten Alarmton zu der Sirene dazu. Das schien Wirkung zu zeigen, das letzte Hindernis war nun auch aufgewacht und schob sich an den Fahrbahnrand.

Pat beschleunigte wieder. »Wenn wir angekommen sind, mach’ bitte genau das, was ich dir sage!«, forderte sie Allyssa auf und vergewisserte sich, dass diese mit einem Nicken bestätigte. »Ich will nämlich gerne meinen Job behalten«, ergänzte sie.

 

Das war alles erst wenige Minuten her und Allyssa betrachtete nun das hektische Treiben der Uniformierten zwischen bereits eingetroffenen Einsatzfahrzeugen und hörte immer mehr durcheinander jaulende Sirenen, die näher und näher kamen.

 

Das Gefühl, beobachtet zu werden, beschlich sie und sie blickte nach oben. Ein jüngerer Mann stand im zweiten Stock am Fenster, lächelte ihr zu und winkte. Sie fand das in dem ganzen Tohuwabohu zwar etwas skurril, vielleicht lächelte sie deshalb auch fast automatisch zurück und wollte gerade den Arm heben, um ebenfalls zu grüßen, als der Mann plötzlich beide Arme weit über den Kopf hob und dann anscheinend in die Knie gegangen war.

Genauso schnell, wie er verschwunden war, schob sich an seiner Stelle der Rücken einer schussfesten Polizeiweste ins Bild.

 

Allyssa konnte sich keinen vernünftigen Reim darauf machen.

11

Und wie er auf seine Kosten kam! So oder so, alles tanzte jetzt nach seiner Pfeife. Seine mit sich abgeschlossene Wette hatte er eigentlich verloren. Zwei Streifenwagen waren bereits nach sechs Minuten eingetroffen und die Beamten hatten sofort begonnen, den gesamten Bürgersteig mit blauweißem Flatterband abzuriegeln sowie die Passanten zu verscheuchen.

Er beschloss, dass sie ebensowenig wie die Ambulanz zählten, schließlich hatte er die Kavallerie gerufen. So etwas wie die S.W.A.T.-Teams in seiner Heimat. Nach acht Minuten und gestoppten dreißig Sekunden sprangen sechs schwarz vermummte Spezialkräfte aus einem Mannschaftswagen.

Okay, das konnte man jetzt durchgehen lassen. Gleichzeitig quetschte sich zwischen Ambulanz und Mannschaftswagen ein weißer Volvo mit zuckenden Signalleuchten und automatischem Auf- und Abblenden der Scheinwerfer durch.

Mit einem Satz kam er auf dem Gehweg zum Stehen, nicht ohne zuvor das Absperrband zerfetzt zu haben. Ein Officer hatte es zwar angehoben, aber nicht hoch genug, und hielt nur noch einen kümmerlichen Rest in den Händen.

Eine quirlige Blonde schoss aus der Fahrertür, trat diese unbarmherzig zu und hechtete zum Kofferraum, dessen Klappe sich gerade wie von selbst nach oben bewegte. Mit schnellen, eindeutig oft eingeübten Bewegungen flog die blaue Jacke ins Wageninnere und wurde gegen eine schwere Schutzweste getauscht, deren Taschen bereits mit allem Möglichen gefüllt schienen. Auch wenn das alles in weniger als 40 Sekunden vonstatten ging, war ihm nicht verborgen geblieben, dass nun eine weitere attraktive junge Dame in sein Leben treten würde. Er hatte gehofft, nein, fest damit gerechnet, dass es genau so ablaufen würde.

Die Blonde hatte aus dem Inneren eine Maschinenpistole mit Laseraufsatz und einen Schutzhelm mit Brille hervorgezaubert, schlug den Kofferraum zu und verriegelte im Sprint den Wagen mit der Funkfernbedienung.

Vielleicht wäre auch er mit etwas mehr Überlegung dahinter gekommen, dass sie das nicht tun musste, wenn doch ihre Kollegin gelassener ausgestiegen war, nun ruhig am Wagen lehnte und die Signalbinde POLICE mit dem königlichen Wappen betrachtete, als sähe sie sie zum ersten Mal.

 

Er lächelte. Das also sollten seine beiden Gespielinnen sein. Wunderbar. Er war mit sich zufrieden. Die Blonde war samt Ausrüstung seinem Blick entschwunden. Vermutlich schon im Treppenhaus. Den Umständen entsprechend vergleichsweise geduldig nahm er die Rothaarige ins Visier und hoffte, sie würde ihn bemerken. Sie schien ihm etwas in Gedanken und wie ein ruhender Pol in dem chaotischen Treiben, unten auf der Oxford-Street, dessen Verkehr völlig zum Erliegen kam, weil nun auch auf der Gegenspur zwei weitere Mannschaftswagen eingetroffen waren. Und da, tatsächlich, sie sah ihn an. Merkwürdigerweise etwas fragend. Er beschloss, ihr grüßend hinunter zu winken.

»Polizei«, dröhnte es mit verschiedenen Stimmen kakophonisch durch das Treppenhaus. In dem hektischen Getrampel war zumindest zweimal deutlich zu hören: »Bewaffnete Polizei – wir kommen rein!«

Nett, diese Briten, dachte er.

Die sind immer so höflich.

Eigentlich hätte er die Rothaarige gerne noch etwas ausführlicher betrachtet. Leider wurde er rüde durch zwei Officer unterbrochen, die mit Schnellfeuerwaffen im Anschlag den Raum stürmten.

»Polizei!« – »Auf den Boden, auf den Boden …!«

Das klang jetzt weniger höflich.

»Sofort!«, brüllte der zweite.

Ich bin ja nicht taub, dachte er, wollte sich aber jetzt nicht ungebührlich äußern. So hob er denn beide Hände, ging auf die Knie und legte sich dann brav der Länge nach flach auf den Boden.

Ein Officer sicherte mit der Waffe im Anschlag ab. Der zweite kniete halb neben ihm. »Tragen Sie eine Waffe bei sich, Sir?«

Ah, da war sie wieder, die höfliche Note. »Nein, das tue ich nicht, Officer«, bemühte er sich ebenso freundlich zu antworten.

Dennoch wurde er schnell und kundig abgetastet, dann rastete rechts eine Handschelle um sein Handgelenk ein. Sein Arm wurde nach hinten auf den Rücken geführt. Mit einem leisen »Krrrk« griffen die Zähnchen des Stahlarmbands ineinander, als sein linkes Handgelenk auf gleiche Weise fixiert wurde. Beide Beamte hakten ihn unter und richteten ihn zum Stehen auf.

Pat betrat den Raum. Im Gegensatz zu der taktischen Eingreiftruppe trug sie keine Sturmhaube, die das Gesicht verhüllte.

»Safe, Searge«, bestätigte der Officer.

Der Festgenommene strahlte sie an, während ihm ein Officer seine Rechte vorlas.

»Können Sie mich nicht verhaften?«, fragte er sie bittend mitten in den hinunter geleierten Belehrungstext hinein.

Pat schaute ihn verständnislos an.

Der Officer hatte nochmal angesetzt und fragte nun: »Haben Sie Ihre Rechte verstanden, Sir?«

»Ja, ja natürlich habe ich das«, antwortete er unwirsch.

Die Beamten schoben ihn in Richtung Ausgang. Sein Blick blieb dabei wie eine magnetische Kompassnadel auf Pat fixiert.

 

»Wir sehen uns!«, rief David nach hinten fröhlich über die Schulter.

12

Pat drückte die Fernbedienung und begann geübt ihre Ausrüstung wieder im Kofferraum zu verstauen. Allyssa konnte nun erkennen, dass dort ein doppelter Boden mit einer massiven Metallplatte eingelassen war, die das Waffenarsenal durch eine zusätzliche Komponente der Zentralverrieglung vor unbefugtem Zugriff schützte.

Unaufgefordert streifte Allyssa die Armbinde ab und händigte sie Pat aus.

»Tut mir leid wegen der Umstände, ich fahre dich jetzt zur Met.«

Die Einsatzkräfte zogen teilweise bereits ab, bis auf die Kriminaltechnik und die zwischenzeitlich eingetroffenen Mitglieder der Mordkommission.

»Was war eigentlich los?«, erkundigte sich Allyssa.

Pat zögerte einen Moment. Im Grunde war es nicht gestattet, Polizeiinterna vor Dritten auszuplaudern. Andererseits sollte sie Cutie zur Homicide Division bugsieren. Sie entschloss sich, wohl soviel sagen zu können, wie ohnehin in Kürze in den Online-Medien nachzulesen wäre.

»Wir haben einen Mann mittleren Alters angetroffen und festgenommen, neben dem sich eine weibliche Leiche befand. Die Meldung über eine Schießerei stellte sich als falsch heraus. Das Haus wurde durchsucht und keinerlei diesbezügliche Anhaltspunkte gefunden. Wir sind also hier fertig, die Division für Todesfallermittlungen übernimmt.«

Allyssa nickte dankend.

»Komisch war nur …«, beide lachten, da sie gleichzeitig denselben Text begonnen hatten.

»Du zuerst«, forderte Pat sie auf.

»Also, wenn das der Typ ist, der hier in Handschellen vorbeigeführt wurde, dann ist das auch der gleiche, der mir vor wenigen Minuten aus dem zweiten Stock zugewinkt hat. Der machte allerdings einen netten Eindruck.«

»Kurios, dass du das sagst. Mich hat er da oben angestrahlt, als würde er sich freuen, mich zu sehen. Hat mich sogar gefragt, ob ich ihn nicht verhaften könnte. Dabei habe ich den Typ noch nie gesehen.« Sie zuckte verständnislos mit den Schultern und schloß den Kofferraumdeckel. »Na komm, lass uns fahren. Wir haben sonst ein Problem mit dem SI.«

Nach einer guten halben Stunde Stop-and-go über Regent Street, Piccadilly Circus und Trafalgar Square erreichten sie Victoria Embankment, Westminster, London SW1A 2JL, ihr Ziel: The Met, Metropolitan Police Service.

»Lass den Trolley im Wagen, ich kümmere mich später drum. Auf Rollkoffer im Polizeigebäude sind wir derzeit nicht so gut zu sprechen.«

Allyssa nickte verständnisvoll und entnahm noch kurz einige Papiere, die sie glaubte, später vorzeigen zu müssen. Dann folgte sie Pat über diverse Flure und Aufzüge bis zum Büro des Superintendenten Timothy Ellis.

Pat klopfte und wartete auf die Erlaubnis, eintreten zu dürfen. Das »Herein« war gedämpft, aber deutlich zu vernehmen, und Pat öffnete die Tür zur Hälfte.

»DS Farquharson, Sir, ich bringe Ihnen wie befohlen Miss Colmberg.«

»Wo zur Hölle waren Sie, Sergeant?«, polterte es grußlos von drinnen. »Was verdammt nochmal ist so schwer daran, einen simplen Gefallen umzusetzen? Ihr Revolverhelden müsst wohl immer …«

Allyssa schob sich hinter Pat ins Sichtfeld und drückte dabei die Tür etwas weiter auf.

Ellis verstummte mitten im Satz und erhob sich, als sich Allyssa an Pat vorbeischob und mit ausgestreckter Hand auf ihn zusteuerte.

»Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Superintendent. Ich bin Allyssa Colmberg und es war außergewöhnlich reizend von Ihnen, mir durch Sergeant Farquharson einen so herzlichen Empfang zu bereiten und mich so …«, sie sah kurz über die Schulter zu Pat zurück, »kurzweilig zu eskortieren.«

Pat sah kurz zu Boden, um ihr Grinsen zu verbergen. Wow, die hat den Alten völlig überfahren und mir den Arsch gerettet. Dass sich die Chefs nicht verstehen, färbt eben teilweise auf die Untergebenen ab und ich bin am Ende der Nahrungskette, dachte sie.

SI Ellis hatte zwischenzeitlich die gereichte Hand ergriffen, schüttelte sie angemessen und versuchte nun, die Kurve zu kriegen. Allyssa sah ihn währenddessen mit großen Mädchenaugen erwartungsvoll an.

»Nun, Ma’am, es ist uns immer ein Anliegen, jungen Leuten, äh, unsere Arbeit … bitte nehmen Sie doch Platz!«

Er deutete auf den Anbau seines Schreibtisches, um den drei Besucherstühle platziert waren.

Fehlt nur noch, dass er jetzt gleich noch herumschießt und ihr den Stuhl unter den Hintern schiebt, dachte Pat.

Doch Allyssa hatte bereits den Freischwinger unter dem Tisch hervorgezogen und Platz genommen. Der SI stand noch zwischen seinem Sessel und einem der Besucherstühle und entschied sich, etwas mehr Nähe zeigen zu wollen, als ihm Pat wieder in den Sinn kam. »Danke, äh, Sergeant, das wäre dann alles«, komplimentierte er Pat hinaus.

»Ich warte draußen«, sagte Pat, »ich habe noch ihren Trolley im Wagen.«

»Ah, ja, gut, Mmh, warten Sie dann eben«, murmelte Ellis halblaut in den Raum, ehe er sich wieder seinem Gast zuwandte. »Nun, Miss Colmberg …«

»Bitte nennen Sie mich Allyssa«, unterbrach sie ihn. Sie wusste natürlich, dass britische Vorgesetzte Mitarbeiter stets mit Vornamen anredeten. Es galt zu verhindern, dass ihr noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde, falls ein Superintendent sie vor anderen mit Nachnamen oder noch schlimmer mit Ma’am ansprach.

»Nun, Allyssa, ich will Ihnen nichts vormachen.« Er hielt einen Moment inne, um sich kurz zu hinterfragen, ob es denn wirklich schlau wäre fortzufahren. Er seufzte etwas und griff nach dem braunen Umschlag auf seinem Schreibtisch, legte ihn aber wieder weg.

»Sir?«, brachte sich Allyssa in Erinnerung.

»Ich bin schon fast 40 Jahre bei der Truppe, habe viel erlebt, vieles mitgemacht, manche Kommen und Gehen sehen müssen. Aber das hier …« Er fasste sich ein Herz. »Direkt gefragt, was ist mit Ihnen?«

»Ich verstehe nicht, Sir.«

»Dann will ich Ihnen helfen. Sehen Sie, mich zitiert heute Morgen der ranghöchste Beamte zu sich, um mir einzuhämmern, dass ich eine junge Deutsche sechs Monate lang auszubilden habe. Kein Was halten Sie davon, Timothy?, kein Haben Sie die nötigen Kapazitäten?« Er schaute ihr forschend ins Gesicht. »Wer sind Sie? Und kommen Sie mir bitte nicht mit einfache Studentin und so weiter …«

»Weil …«, baute Allyssa eine Brücke.

»Weil diese – wenn auch sehr unwahrscheinlich für eine Ausländerin – vielleicht noch einen Draht zum Commissioner haben könnte, wobei der dafür erstaunlich wenig über Sie weiß, aber nicht auch noch zum Home Office!«, brummte Ellis.

Allyssa schwieg und schob ihre Unterlippe ein wenig vor. Jetzt galt es, sorgfältig abzuwägen, wieviel sie sagen konnte.

Ellis war erfahren genug, um sich an dieser Stelle zu gedulden.

 

»Es ist ein wenig kompliziert …«, begann sie und hatte dabei einen sehr aufmerksamen Zuhörer.

13

Metall schleifte auf Metall. Der Riegel der Zellentür wurde zurückgezogen. David lag mit hinter dem Kopf verschränkten Armen auf der ungastlichen Pritsche und schaute interessiert zu dem Beamten hoch, der sich im Türrahmen abzeichnete.

»Stehen Sie auf, Bishop, Ihr Verteidiger ist jetzt da«, verlangte er.

»Ich habe keinen bestellt.«

»Nun trödeln Sie hier nicht rum, sondern bewegen Sie sich!«

David zuckte mit den Schultern. »Meinetwegen.«

»Sie haben die Aussage verweigert und mehrfach Anwalt gesagt.«

Hatte er das tatsächlich? David war sich in diesem Punkt nicht so ganz sicher. Zu viel hatte sich in zu kurzer Zeit ereignet. Seit seiner Festnahme waren erst wenige Stunden vergangen, aber ein wenig Abwechslung konnte nicht schaden.

»Kann ich meinen Gürtel haben?«, fragte er, als seine Hose zu rutschen begann. Sie hatten ihm alles abgenommen, womit man sich hätte aufknüpfen können.

Der Beamte hielt ihm teilnahmslos das verlangte Teil in Reichweite hin und David fummelte ihn wieder in die Schlaufen seiner Stoffhose.

»Auf geht’s«, trieb ihn der Officer erneut an, nachdem David ohne Schuhlöffel und etwas umständlich in seine Schuhe zu schlüpfen versucht hatte.

»Ich komm’ ja schon!«

Der Beamte nahm ihn am Oberarm und führte ihn durch schmucklose Gänge und ein dazwischenliegendes Treppenhaus in einen Verhörraum. Angesichts des physischen Missverhältnisses zwischen Wächter und Delinquentem mussten beim Eintreffen keine Handschellen abgenommen werden. Ein Fluchtversuch wäre im Keim erstickt worden. Es blieb somit lediglich ein »Ich bringe Ihnen David Bishop und warte draußen«, sowie das Schließen der Tür zu tun übrig.

Der im Raum wartende Mittfünfziger unterbrach die Lektüre der polizeilichen Unterlagen, erhob sich und begrüßte David per Handschlag.

»Guten Abend, Mr. Bishop, mein Name ist Norman Mooney, ich bin Ihr Pflichtverteidiger.«

David schüttelte anstandshalber seine Hand, machte aber keinerlei Anstalten, sich darüber hinaus irgendwie zu bewegen. Stattdessen betrachtete er fasziniert das kleine Büschel langer schwarzer Haare, die aus dem linken Ohr des Anwalts herausstanden. Haare, die doch eigentlich auf dem nahezu kahlen Kopf eher vonnöten gewesen wären, sinnierte David. Allerdings hätten sie farblich nicht zu den dünnen grauen Strähnen gepasst, die der Anwalt quer über seinen Schädel gekämmt hatte. Ob aus dem rechten Ohr auch Haare sprossen? Das war in dieser Haltung bedauerlicherweise nicht zu erkennen. David beschloss, bei nächster Gelegenheit dort nachzusehen.

»Wollen wir uns nicht besser hinsetzen?«, fragte der Anwalt. Er überließ es David, sich den gegenüberliegenden Stuhl zu greifen und darauf Platz zu nehmen.

Ohne weitere Umschweife begann Mooney.

»Mr. Bishop, Sie werden hier als Beschuldigter festgehalten. Man wird Sie morgen gegen 14.00 Uhr vor Ablauf der 24-Stunden-Frist dem Haftrichter vorführen, dort eines Tötungsdeliktes beschuldigen und …«

»… und dann wird man alles aufklären und mich freilassen«, fiel ihm David ins Wort.

»Nun, ich fürchte, so einfach ist die Situation nicht. Sehen Sie, Sie wurden direkt neben der frisch zu Tode gekommenen Dr. Sarah Wingate angetroffen und haben augenscheinlich selbst die Polizei angerufen, mit den Worten …«, er blätterte in der Akte zurück, »…›Der Täter ist noch im Haus‹ und, äh«, er runzelte ungläubig die Stirn, »›Es sind Schüsse gefallen.‹« Der Anwalt blickte David erwartungsvoll an und wartete auf seine Antwort.

Vergeblich starrte David auf dessen rechtes Ohr und versuchte durch Lageveränderung eine bessere Sicht zu bekommen. Ah, stellte er zufrieden fest. »Genau wie links!«, hörte Mr. Mooney ihn sagen.

»Wie bitte?«

»Ach, nichts.«

»Mr. Bishop, Dr. Wingate wurde nicht durch Kugeln verletzt oder getötet. Könnten Sie mich im Sinne Ihrer bestmöglichen Verteidigung aufklären, was sich dort zugetragen hat und welche Rolle Sie genau dabei spielen? Geradeheraus gefragt: Haben Sie Dr. Wingate getötet?«

David sah ihn unbewegt an.

»Mr. Bishop, alles, was Sie hier in diesem Raum zu mir als Ihrem Verteidiger sagen, bleibt vertraulich und wird im Gegensatz zum nachfolgenden Polizeiverhör nicht gegen Sie verwendet werden. Es ist für die Verteidigung unverzichtbar, vollumfassend informiert zu sein, um die passende Verteidigungsstrategie entwickeln zu können. Dazu ist Ihre Mithilfe dringlich vonnöten.«

Davids Blick begann zu wandern.

»Mr. Bishop, bitte reden Sie mit mir und vor allem machen Sie ab sofort keine Aussagen mehr gegenüber der Polizei!«, forderte Mooney ihn eindringlich auf.

Plötzlich schaute David Mooney unverwandt an. »Mmh-ja, sehr hübsch aufgesagt. Können wir jetzt mal rasch zu der Stelle vorspulen, wo die hübschen Polizistinnen kommen, mich vernehmen und ordentlich in die Ecke treiben? Dann komme ich schneller zu meinem Geld.«

»Wie bitte, welches Geld und welche Polizistinnen?« Der Anwalt schien verblüfft.

»Na, die 100.000 und die beiden, die bei der Festnahme dabei waren.«

Mooneys Gesicht war nun ein einziges Fragezeichen.

»Hey, Sie geben den Überraschten ziemlich gut«, lobte David. »Wobei ich sagen muss, an Sarahs Auftritt kommen Sie nicht ansatzweise heran.«

Mooneys Mimik schien eingefroren zu sein, er brauchte einen Augenblick, bis er sich gefasst hatte. »Mr. Bishop, ich verstehe nicht, wovon reden Sie hier?«

David reagierte ungehalten. »Ich sehe schon, ich muss das selbst in die Hand nehmen.« Er stand auf und klopfte zweimal mit der flachen Hand an das Türblatt.

Sofort steckte der Officer von vorhin seinen Kopf hindurch und checkte blitzschnell ab, ob von David irgendeine Gefahr ausging. Da der Anwalt, wenn auch irritiert, immer noch auf seinem Stuhl saß, entspannte sich der Wachhabende deutlich sichtbar.

»Was gibt’s?«, erkundigte er sich.

»Holen Sie die beiden Polizistinnen von gestern. Die sollen mich verhören und zwar ausschließlich diese beiden. Denen werde ich alles erzählen, auch das mit dem Geld und dem ersten Mord.«

Nun schaute der Officer verdutzt und Mr. Mooney entsetzt. »Mr. Bishop, ich muss Ihnen doch dringend abraten …«

»Setzen, Klappe halten!«, rief David ihm zu. »Wir müssen hier mal etwas zügiger zu Potte kommen.«

»Welche Polizistinnen meinen Sie?«

»Die Blonde mit der Schutzweste und die Rothaarige, die kamen in einem weißen Kombi an. Eine kam hoch in die Wohnung, die andere blieb am Auto. Diese beiden meine ich.«

Der Beamte nickte. »Warten Sie hier, werde sehen, was ich tun kann.«

Zufrieden nahm David wieder Platz und verschränkte die Arme.

»Mr. Bishop, ich …«

»Sparen Sie sich den Atem, ich sage nichts mehr, erst, wenn die beiden mich vernehmen. Ende der Durchsage.«

 

Mooney gab auf, war aber gleichermaßen frustriert wie verärgert. Er klappte die Akte zu und warf sie mit mehr Schwung als nötig in seinen in die Jahre gekommenen Pilotenkoffer.

Er schüttelte verständnislos den Kopf, dann setzte er sich missmutig, aber spiegelbildlich mit verschränkten Armen seinem Mandanten gegenüber und harrte der Dinge die da kommen sollten.

 

David lächelte still in sich hinein.

14

Die Tür zu Superintendent Ellis’ Büro wurde nach einer gefühlten Ewigkeit geöffnet. Pat sprang von ihrem Sitz auf und trat den Drehstuhl zur Seite, den sie ungefragt aus einem Nebenbüro ›geliehen‹ hatte. Sie nahm ansatzweise Haltung an. Konnte nicht schaden.

Ellis stand in der geöffneten Tür, hatte Allyssas Hand in seiner und väterlich seine Linke obenauf gelegt. »Ich danke für Ihre Offenheit und freue mich auf die nächsten Monate«, hörte sie ihn säuseln.

Pat kniff die Augen zusammen. Der meinte das wohl tatsächlich ernst!

Er schüttelte ihr abermals die Hand und legte zur Verabschiedung seine linke vertraulich auf Allyssas Oberarm. Als er Pats Anwesenheit realisierte, blickte er missbilligend auf ihren Gürtel mit der 19-schüssigen Automatikwaffe und den Reservemunitions-Taschen.

Pat verstand ihn in diesem Punkt sogar. Bobbys trugen nunmal traditionell keine Schusswaffen, sondern nur Schlagstöcke. Fast 80 Prozent der Polizisten wollten keine Bewaffnung. Sie selbst sah es mit ihren jungen Jahren etwas anders. Die Zeiten, da Ganoven Bobbies respektierten, waren zwar noch nicht gänzlich passé, aber sie hatten es als Polizisten zunehmend mit brutaler Gewalt und Terror zu tun. Da kam man mit Schlagstöcken nicht sehr weit. Sie hatte hart für die Waffenlizenz trainiert. Wenn sie schon schießen musste, wollte sie auch treffen und nichts dem Zufall überlassen. Mit einer Maschinenpistole irgendwo draufzuhalten und erst im Nachhinein festzustellen, was getroffen wurde, war nicht ihr Ding.

»Der Sergeant wird Sie in Ihre Unterkunft bringen und ich stelle Sie wie besprochen morgen beim Briefing der Einheit vor.«

»Danke Sir, bis morgen dann!«

Kaum hatte er die Tür geschlossen kam Pat ganz dicht heran und zischte Allyssa ins Ohr: »Hexe!«

»Wie bitte?«, äußerte sie mit scharfem Ton, zu dem allerdings ihre gut gelaunte Mimik nicht passte.

»Los, komm schon, deine Bluse ist nicht verknittert, und wenn du nicht mit ihm geschlafen hast, hast du den alten Zausel verhext. Los, gestehe!«, entgegnete Pat gänzlich unbeeindruckt.

Allyssa blieb stehen, erkannte, dass sie in dem Flur unter sich waren und drehte sich mit dem Rücken zur Wand.

»Ich finde ihn seeehr nett«, sagte sie überbetont mit schief gelegtem Kopf und klimperndem Augenaufschlag.

»Du bist so eine, eine …«, knuffte Pat sie mit der Faust in den Oberarm und verkniff sich gerade noch … Bitch! »Ich reiß’ mir hier dauernd den Arsch auf und zittere um ein Okay für den nächsten Lehrgang und du …«

»Was ich?«

»Du, Du kommst mal eben eingeflogen und einer von den Silberrücken frisst dir nach Minuten aus der Hand und macht Männchen.« Nachdem Pat jegliche Zurückhaltung offensichtlich abschließend ad acta gelegt zu haben schien, beschloss Allyssa, sie als Retourkutsche nonverbal zu foppen.

Die Augenbrauen hochgezogen, das Kinn vorgereckt, arroganter Blick von oben und somit die Botschaft – Na und? Was willst Du jetzt schon machen, Kleine?

Pat baute sich vor ihr auf, verschränkte die Arme und starrte sie abwartend an.

Wie von ihr vermutet brach Allyssas Showeinlage rasch in sich zusammen. Erst zuckten ihre Mundwinkel, und als Pat ihre Augen grimmig zu schlitzen verengte war das Lachen nicht mehr aufzuhalten.

Pat grinste kurz triumphierend, schürzte aber plötzlich die Lippen, als sei ihr eine Idee gekommen »Das will ich jetzt aber mal genau wissen.« Damit griff sie nach Allyssas Handgelenk und zog sie hinter sich her zum Aufzug.

»Wohin fahren wir?«, erkundigte sie sich leicht besorgt.

»Abwärts in die Hölle. Ich will sehen, ob das mit meinen Jungs auch so geht.«

Allyssa zog abermals die Augenbrauen hoch. Diesmal allerdings aus Sorge. So recht war ihr das bei allem Spaß doch nicht. Der Wunsch nach Unauffälligkeit entwickelte sich immer mehr zu einem Fiasko. Anderseits musste sie jetzt gute Miene zum bösen Spiel machen, um nicht noch mehr Nachfragen zu generieren. Das mit dem SI war schon genug Stoff für heute gewesen.

»Kellergeschoss – Task Force Unit, alles aussteigen«, kommandierte Pat.

Allyssa folgte, stoppte dann aber. »Du willst mich doch nicht wirklich hier vorführen?«, fragte sie etwas unsicher.

Pat hatte einen Riesenspaß und ließ sie noch einen Moment zappeln, ehe sie auflöste. »Nee, war nur ’n Witz!«

»Puuh«, pustete Allyssa übertrieben aus. »Da bin ich aber froh!«

Pat grinste noch immer.

»Seid ihr hier die Kellerkinder?«, wechselte Allyssa das Thema.

Pat wurde wieder ernst. »In gewisser Weise. Gemeinsam mit anderen taktischen Einheiten müssen wir schnell ausrücken können und da sind die Garagen im Basement eine gute Ausgangslage.«

»Und was macht die Task Force so?«

»Wir sind so eine Art Mädchen für alles. Wir unterstützen bei Akutfällen und Großlagen jede andere Einheit auf Anforderung, sind auch bei Observationen eingesetzt, hauptsächlich aber als Festnahmeeinheit tätig.«

»Und das heißt …?«

»Wenn die Kripo jemanden hoch nehmen will, bei dem mit erheblichem oder bewaffneten Widerstand gerechnet werden muss, holen sie uns.«

»Und wo ist der Unterschied zu den Vermummten heute Nachmittag?«

»Die sind mit noch stärkeren Mitteln und Waffen ausgestattet, auch mit voll gepanzerten Fahrzeugen. Wir sind so ein Mittelding, will mal sagen leichte Kavallerie, können aber auch ordentliche Löcher machen. Komm jetzt«, beschloss sie die Fragestunde zu beenden, »ich zeig’ dir mal meine Bude.« Sie steuerte auf eine schwere stählerne Brandschutztür zu, die sie mit einem solchen Schwung aufriss, dass dem Türstopper einiges abverlangt wurde.

Im Vorbeigehen fiel Allyssa auf, dass die Schrauben nur noch zur Hälfte in der Verankerung hingen. Schien also nicht das erste Mal gewesen zu sein, dachte sie und befand sich sogleich ohne einen weiteren Flur zu passieren in einem Großraum mit zahlreichen, in die Jahre gekommenen Schreibtischen aus Blechunterbauten und ramponierten Tischplatten aus Holz. Bei dem Gedanken an ihr eigenes Büro zu Hause überkam sie ein direkter Anflug von Mitleid.

Pat visierte einen Tisch in der Ecke an, der ein klein wenig größer ausgestattet war, und schob Allyssa einen Drehstuhl von einem unbesetzten Schreibtisch hin. Besucherstühle gab es hier unten nicht.

Bis auf drei Beamte war das Büro verwaist. Die blickten nur kurz hoch, widmeten sich aber dann sofort wieder ihren Tätigkeiten.

»Sind alle im Außeneinsatz«, antwortete Pat, ehe Allyssa fragen konnte. »Cranitch?!«, rief Pat in den Raum.

»Auf Ihrem Tisch, Searge«, erwiderte er.

»Hab’s gefunden. Danke, Cranitch.« Sie schaute kurz in den Umschlag, legte ihn beiseite und kruschtelte in ihrer Schreibtischschublade herum. Dann sah sie zu der großen Wanduhr hinüber. »Für heute ist’s erst mal genug«, konstatierte sie und knallte die Schublade zu. Fast bedauerte sie, dass sie Cutie nun aus den Augen verlieren würde. Zwar die gleiche Stadt, aber eine andere Einheit mit völlig anderen Aufgaben. Vielleicht würden sie sich nie wieder sehen, aber was soll’s?, sagte sie sich. Sie überlegte kurz und fasste einen Entschluss. »Was is’, kommst du noch mit auf’n Bier? Ich zahle auch«, versprach sie, noch bevor Allyssa antworten konnte. Wäre mal was anderes, nicht wie üblich mit den Jungs aus der Unit auf einen Absacker loszuziehen.

»Was is’?«, reflektierte Allyssa insgeheim. Konsonanten waren scheinbar gebührenpflichtig, oder warum setzte Patricia sie oft so sparsam ein?

»Gerne, würd’ mich freu’n«, passte sie sich an und ersparte im Gegenzug Vokale sowie das »ich«. Sie verkniff sich auch den Hinweis, dass sie noch gar nicht im Boarding House eingecheckt hatte.

»Cool.« Pat fingerte etwas aus dem Umschlag hervor.

»Ach übrigens, hab’ deinen Koffer auf deine Bude bringen lassen. Hier ist der Schlüssel.« Sie warf ihn in hohem Bogen Richtung Decke und Allyssa fing ihn gekonnt mit links, ohne sich dazu auch nur einen Zentimeter von der Stelle zu bewegen.

»Dankeschön. Wann hast du das denn bitte gemacht?«, erkundigte sie sich.

»Ich Sergeant, der da mein Constable.« Sie deutete auf Cranitch. »So, Momentchen noch – wie versprochen, ich zahle …« Pat riss einen Papierfetzen aus irgendeiner Akte, wickelte ihren Kaugummi darin ein und bückte sich, um ihn in den Papierkorb unter dem Schreibtisch zu bugsieren. Kaugummi und Ale schmeckten zusammen erfahrungsgemäß nämlich Scheiße. »Schließlich sind Studenten ja kaum mit dicker Kohle gepampert«, brabbelte sie dabei eine überflüssige Begründung in den Papierkorb, der sich vollständig unter den Tisch zurückgezogen hatte und den das Ganze nicht sonderlich interessierte.

 

Allyssa staunte erneut über die ebenso unsinnigen wie kreativen Wortschöpfungen ihrer neuen Begleiterin. Babys konnte man pampern, aber mit Kohle? Selbst wenn schon klar war, dass damit Geld gemeint war.

Pat kam rückwärts unter dem Tisch hervor und sah zu Allyssa hoch. Beide lächelten sich an.

»Muss noch das hier loswerden.« Sie klopfte auf die Waffe.

»Habt ihr die den nicht immer dabei?«

»Im Grunde schon, aber nicht, wenn wir was trinken. Bin gleich wieder da.« Sie verschwand in einen Nebenraum und tauschte die Bluse gegen ein schwarzes T-Shirt mit einem Micky Maus-Motiv, dazu Bluejeans mit Fransen-Look und Turnschuhe. Allyssa fühlte sich daneben für einen Kneipenbesuch overdressed.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783938386972
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Januar)
Schlagworte
Detektivin Polizistin britische Krimis

Autor

  • Tom Crispa (Autor:in)

Tom Crispawurde 1976 in der Nähe von Köln geboren. Heute lebt er als freier Texter mit seiner Frau, seinen beiden Kindern und zwei Hunden in einem Cottage in der Nähe von Inverness, Schottland. Im Rahmen einer Einweihungsfeier lernte er die Tochter seiner Nachbarn kennen.Ein ungewöhnlicher Einsatz dieser Polizeibeamtin inspirierte ihn zu seinem ersten Kriminalroman: "Psychologen schmunzeln nicht"
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Titel: Psychologen schmunzeln nicht